Gbk 2020/2/25 GBK I/909/19

JUSLINE Allgemeines Dokument

Veröffentlicht am 25.02.2020
beobachten
merken

Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Begründung des Arbeitsverhältnisses

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 25. Februar 2020 über den am 25. Juni 2019 eingelangten Antrag von Ing. A (Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch B (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/909/19, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

Ing. A ist nicht aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch B (Betreiberin des X) diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Der Antragsteller habe sich am 24. Juni 2019 auf eine Stellenanzeige der Antragsgegnerin, die auf Facebook veröffentlicht worden sei, als Kellner beworben. In dieser Stellenanzeige sei nur nach einer Kellnerin gesucht worden, ohne m/w. Da, wie auch im beigefügten Chatverlauf, nach Nachfrage nur eine Kellnerin gesucht werde, sei er seines Geschlechtes wegen diskriminiert geworden.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 12. Juli 2019 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Da die Antragsgegnerin in ihrem Lokal zwei Kellner beschäftige, habe sie noch eine Kellnerin einstellen wollen.

Die Bewerbung des Antragstellers habe sie sich angeschaut und geglaubt, dass es eine Fake Bewerbung sei, da es nicht die Facebook-Seite des Antragstellers gewesen sei und er Geschäftsführer einer Firma sei.

Daher habe die Antragsgegnerin die Bewerbung mit einem „Smile“ abgelehnt.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Stellenausschreibung vom Juni 2019, auf den Facebook Chatverlauf zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin vom 24. Juni 2019 sowie auf das Impressum der Website der Firma Y, die vom Antragsteller betrieben wird.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses.“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, der Antragsteller sei im Zuge seiner Bewerbung aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert worden, da die Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral formuliert gewesen sei und ihm auf seine schriftliche Nachfrage via Facebook mitgeteilt worden sei, dass eine Kellnerin gesucht werden würde, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Antragsteller bewarb sich am 24. Juni 2019 auf eine zwei Tage zuvor auf der Facebook-Seite der Antragsgegnerin veröffentlichte Stellenausschreibung.

Die Stellenausschreibung lautete wie folgt: „Nette Kellnerin für 2.Schicht gesucht bei Interesse. …“ (sic!)

Der Antragsteller schrieb der Antragsgegnerin um 12:46 Uhr mit dem Profilnamen „C“ auf Facebook die Nachricht „guten Tag suchen sie eine Kellnerin oder auch einen Kellner? Danke mfg A“ (sic!)

Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller daraufhin um 13:56 Uhr mit: „Nur Kellnerin “.

Der Antragsteller hat die HBLA für Forstwirtschaft … absolviert und betreibt das Unternehmen Y, das Dienstleistungen im Bereich Gartenbetreuung, Baumservice und Hausbetreuung anbietet.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG vor.

Die Formulierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des in der Regel vorausgehenden Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw. diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen von ArbeitgeberInnen oder für diese handelnde Personen Bedacht zu nehmen (Vertragsanbahnung).4

Erfolgt die Vertragsanbahnung mit Hilfe einer Stellenausschreibung, dann muss das Gleichbehandlungsgebot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach § 3 Z 1 vom Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung gemäß § 9 abgegrenzt werden. Obwohl die beiden Regelungen in engem Zusammenhang stehen, erfüllen nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen „als solche“ in der Regel den Diskriminierungstatbestand gemäß § 3 Z 1 nicht und können daher auch die im § 12 Abs. 1 für Einstellungsdiskriminierungen vorgesehenen Rechtsfolgen (Schadenersatzansprüche) nicht auslösen. Ausschreibungsmängel führen hingegen nach § 10 zu Verwarnungen5 oder zu Geldstrafen6 für die nicht normkonform ausschreibenden ArbeitgeberInnen und ArbeitsvermittlerInnen. Somit ist das Ausschreibungsverfahren selbst an § 9 zu messen; die Bearbeitung der daraufhin einlangenden Bewerbungen ist hingegen bereits nach dem Gleichbehandlungsgebot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach § 3 Z 1 zu beurteilen. Missachtungen des Gebots der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung sind aber – zB in einem späteren Rechtsstreit – ein gewichtiges Indiz für eine darauf folgende Einstellungsdiskriminierung.7

Da der gegenständliche Sachverhalt außer Streit steht, beschränkte sich die Prüfung durch den Senat auf die Klärung der Frage, ob der Antragsteller durch die Ablehnung seiner Bewerbung aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert worden ist.

Die Überprüfung erfolgte im Rahmen eines Aktenverfahrens auf Grundlage der schriftlichen Eingaben des Antragstellers und der Antragsgegnerin.

Die beanstandete Position als KellnerIn war nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben (vgl. § 9 Abs. 1 GlBG). Die in § 9 Abs. 1 GlBG enthaltene Ausnahmebestimmung, dass geschlechtsspezifisch ausgeschrieben werden darf, wenn ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ist, kommt hier nicht zum Tragen. Es lagen keine Voraussetzungen vor, die ein Tätigwerden des Antragstellers als Kellner in einem Café praktisch oder rechtlich ausschließen. Weiters lag kein gesetzliches Beschäftigungsverbot im Einzelfall vor.8

Zwar liegt keine Ausnahme vor, die eine geschlechtsspezifische Stellenausschreibung rechtfertigen würde, die Antragsgegnerin konnte in ihre Stellungnahme jedoch schlüssig darlegen, warum sie davon ausging, dass der Antragsteller keine ernsthaften Bewerbungsabsichten hatte. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass der Antragsteller seine Nachricht an die Antragsgegnerin von einem Facebook-Profil schrieb, bei dem er einen anderen Vornamen (…) als seinen tatsächlichen (…) verwendet. Zudem war für die Antragsgegnerin aus diesem Facebook-Profil ersichtlich, dass der Antragsteller eine HBLA für Forstwirtschaft absolviert hat und Betreiber eines Unternehmens ist, das laut Firmenwebsite Dienstleistungen im Bereich Gartenbetreuung, etc. anbietet.

Bei sogenannten „Scheinbewerbungen“ greift der Schutz vor Diskriminierungen bei der Einstellung nicht ein. Das sind Bewerbungen, denen keine „ernsthafte Bewerbungsabsicht“ zu Grunde liegt. Meistens handelt es sich dabei um „Bewerbungen“ sogenannter „professioneller DiskriminierungsklägerInnen“, die nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Ziel haben, sondern umgekehrt eine anscheinend diskriminierende Ablehnung ihrer Bewerbung und die Lukrierung eines daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruchs. Mit solchen Fällen wurde die deutsche Judikatur9 wiederholt konfrontiert.10

Auch der EuGH hat sich bereits mit dieser Frage beschäftigt. Laut den europarechtlichen Bestimmungen darf man beim „Zugang zu Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit“ nicht diskriminiert werden (u.a. auf Grund des Geschlechtes). Im Urteil vom 28. Juli 2016, Rs C-423/15, stellte der EuGH fest, dass Situationen, in der eine Person mit ihrer Stellenbewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur den formalen Status als BewerberIn erlangen möchte, und zwar mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen, nicht unter den Begriff „Zugang zu Beschäftigung“ fällt. Ein solches Verhalten könne laut EuGH-Urteil auch einen Rechtsmissbrauch darstellen.

Zivilrechtlich entsprechen derartige Bewerbungen nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Ernstlichkeit einer rechtsgeschäftlichen Erklärung (vgl. § 869 ABGB).1

Da aus der Anfrage des Antragstellers an die Antragsgegnerin – „guten Tag suchen sie eine Kellnerin oder auch einen Kellner? Danke mfg A.“ – vor allem vor dem Hintergrund, dass er eine Ausbildung an einer HBLA für Forstwirtschaft absolviert hat und in diesem Bereich auch als Unternehmer tätig ist, für den Senat kein ernsthaftes Interesse erkennbar war, wird von einer sogenannten „Scheinbewerbung“ ausgegangen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin gelungen ist, zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive für die Nichtberücksichtigung der Bewerbung des Antragstellers ausschlaggebend waren.

Auch wenn in diesem Einzelfall keine Diskriminierung vorliegt, weist der Senat die Antragsgegnerin abschließend, mit Blick auf zukünftige Ausschreibungen, nochmals nachdrücklich auf das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung gemäß § 9 Abs. 1 GlBG hin.

Wien, 25. Februar 2020

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. ebd.

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 13.

5  Dies gilt gemäß § 10 Abs. 2 GlBG für den „ersten Verstoß“ des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin.

6  Vgl. § 10 Abs. 1 GlBG für ArbeitsvermittlerInnen und § 10 Abs. 2 GlBG für den/die ArbeitgeberIn bei wiederholter gesetzwidriger Ausschreibung.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 19.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 9 Rz 17.

9  So zB BAG 12. 11. 1998, 8 AZR 365/97.

10  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 28.

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten