Gbk 2020/5/14 GBK I/855/18

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Veröffentlicht am 14.05.2020
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Entgelt

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 14. Mai 2020 über den am 2. Oktober 2018 eingelangten Antrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für …für den gemeinsamen Betriebsrat der A GmbH (Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Festsetzung des Entgelts gemäß § 3 Z 2 GlBG iVm § 5 Abs. 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch die A GmbH (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/855/18, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

Es liegt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Festsetzung des Entgelts gemäß § 3 Z 2 GlBG iVm § 5 Abs. 2 GlBG durch die A GmbH vor.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Bei der Antragsgegnerin bestehe seit Jahrzehnten ein innerbetriebliches Gehalts-/Lohnschema, welches aus jeweils vier Stufen im Angestelltenbereich und im ArbeiterInnenbereich bestehe.

Im Angestelltenbereich seien in Stufe 1 die PhysiotherapeutInnen, in Stufe 2 medizinisch-technische Fachkräfte, Verwaltung und Rechnungswesen I, in Stufe 3 Verwaltung und Rechnungswesen II und in Stufe 4 HeilbademeisterInnen und HeilmasseurInnen, KassiererInnen. Im ArbeiterInnenbereich seien in Stufe 1 FacharbeiterInnen, in Stufe 2 BademeisterInnen, in Stufe 3 HausmeisterInnen und in Stufe 4 der Badedienst und Hilfskräfte.

In Stufe 4 des Angestelltenbereiches seien auch HeilmasseurInnen und KassiererInnen mit einschlägiger Fachausbildung eingestuft worden. In diesem Bereich seien fast ausschließlich Frauen tätig. In Stufe 1 der ArbeiterInnen seien in der Position FacharbeiterInnen fast ausschließlich Männer mit einer einschlägigen Fachausbildung beschäftigt. Trotz gleicher bzw. gleichwertiger Arbeit bestehe zwischen beiden Gruppen ein Entgeltunterschied von zumindest 250,- Euro pro Monat.

Betrachte man die Positionen im Angestelltenbereich der Stufe 4, nämlich die der HeilbademeisterInnen, der HeilmasseurInnen und der KassiererInnen, so sei primär deren Angestellteneigenschaft zu hinterfragen, da es in der Judikatur zahlreiche Beispiele gebe, aufgrund derer eine bloße KassiererInnentätigkeit keine Angestelltentätigkeit darstelle. Auch ein/e HeilmasseurIn leiste keine höheren Dienste nach dem AngG (OGH 18.10.1983, ZAS 1984, 116) und sei daher als ArbeiterIn einzustufen.

Aufgrund des Günstigkeitsprinzips sei eine Einstufung von ArbeiterInnen in den Angestelltenbereich zwar zulässig, dies dürfe allerdings nicht zu Verschlechterungen beim Entgelt führen. Hätte man die genannten Positionen im ArbeiterInnenbereich eingestuft, so müssten jene ArbeitnehmerInnen mit einer den FacharbeiterInnen vergleichbaren Ausbildung in der Stufe 1 des ArbeiterInnenbereiches eingestuft werden.

Wie aus dem Sachverhalt ersichtlich, seien in Stufe 4 des Angestelltenbereiches überwiegend Frauen und in Stufe 1 des ArbeiterInnenbereiches überwiegend Männer tätig. Sowohl in Stufe 4 der Angestellten als auch in Stufe 1 der ArbeiterInnen hätten die ArbeitnehmerInnen eine entsprechende Fachausbildung als Basis ihrer Tätigkeit. Da zwischen beiden Bereichen eine erhebliche unterschiedliche Entlohnung trotz gleichwertiger Arbeit bestehe, seien die Arbeitnehmerinnen der Stufe 4 des Angestelltenbereiches im Verhältnis zur Stufe 1 des ArbeiterInnenbereiches benachteiligt. Als allfällige Rechtfertigung käme nur eine unterschiedliche Ausbildung in Frage, wie aus dem Sachverhalt ersichtlich, hätten aber Arbeitnehmerinnen der Stufe 4 des Angestelltenbereiches vergleichbare fachliche Ausbildungen wie die Arbeiter der Stufe 1.

Eine mittelbare Diskriminierung sei gegeben, weil überwiegend weibliche Arbeitnehmerinnen, die von der Tätigkeit her eher als Arbeiterinnen einzustufen wären, aber dennoch im Angestelltenbereich eingestuft werden, wesentlich ungünstiger entlohnt werden würden als überwiegend männliche Facharbeiter mit einer vergleichbaren Ausbildung.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 9. November 2018 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Für die maßgeblichen MitarbeiterInnen der Antragsgegnerin würden die Kollektivverträge für das Hotel- und Gastgewerbe zur Anwendung gelangen, wobei sämtliche MitarbeiterInnen marktkonform und ordnungsgemäß entlohnt werden würden. Zwischen der Antragsgegnerin und dem zuständigen Betriebsrat sei zuletzt am 1. Juli 2013 eine Betriebsvereinbarung geschlossen worden, deren bezugsrechtlicher Teil das für mittelbar diskriminierend erachtete Entlohnungsschema enthalte.

Sollte eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung der Mitarbeiterinnen aufgrund des Geschlechts bei der Festsetzung des Entgeltes überhaupt vorliegen, was ausdrücklich bestritten werde, so handle es sich nicht um eine Einzelmaßnahme der Antragsgegnerin, sondern um eine gemeinsame Maßnahme, die seit mehr als 20 Jahren mit dem zuständigen Betriebsrat festgelegt worden sei. Eine einseitige Beseitigung dieser gemeinsamen Maßnahme durch die Antragsgegnerin wäre nicht zulässig, zumal sich die Antragsgegnerin an die abgeschlossene Betriebsvereinbarung gebunden fühle.

Sofern der Betriebsrat der Antragsgegnerin davon ausgehe, dass der bezugsrechtliche Teil mittelbar diskriminierend sei, so könne diese Betriebsvereinbarung mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Quartalsende mittels eingeschriebenen Briefes durch den Betriebsrat aufgekündigt werden.

Das seitens des Antragstellers vorgelegte Lohn-/Gehaltsschema sei aktuell und sei mit dem Betriebsrat der Antragsgegnerin seit 1997 vereinbart und auch so gelebt worden.

Die Stufe „ANG4“ umfasse MitarbeiterInnen im Bereich der …Kasse als auch Therapeutinnen des Therapiezentrums, mit Ausnahme von Physiotherapeutlnnen. Die Stufe „ARB1“ umfasse ausschließlich ausgebildete Facharbeiterlnnen aus dem Bereich Gartenbau sowie Facharbeiterlnnen der Instandhaltung, wie zB Tischler, Fliesenleger, Maler etc. Sowohl in der Stufe „ANG4“ als auch in der Stufe „ARB1“ seien seit jeher männliche und weibliche MitarbeiterInnen beschäftigt. In der Stufe „ARB1“ seien derzeit neun Männer und eine Frau und in der Stufe „ANG4“ drei Männer und 47 Frauen beschäftigt.

Die Mitarbeiterlnnen an der Kasse im …Bereich seien jedenfalls als Angestellte zu qualifizieren, zumal diese neben der Kassatätigkeit Telefon- und Informationsdienste verrichten würden. Des Weiteren zähle zum Tätigkeitsbereich die Betreuung des …Shops, die Buchungen von Behandlungen für KundInnen sowie die Betreuung der Gäste der Antragsgegnerin.

Dies treffe auch für die Qualifizierung der (medizinischen) MasseurInnen bei der Antragsgegnerin zu. Diese Mitarbeiter würden eine Ausbildung gemäß den Bestimmungen des Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetzes aufweisen. Hinzu komme, dass die MasseurInnen nicht nur die klassischen Massagen verabreichen, sondern darüberhinausgehend Packungsbehandlungen, Spa-Behandlungen, Kosmetik- und auch einen Produkt-Verkauf gezielt für die Gästeanforderungen wahrnehmen würden. Es sei daher jedenfalls von höheren, nicht kaufmännischen Diensten im Sinne des § 1 AngG auszugehen, was wiederum die Einstufung in „ANG4“ rechtfertige.

Dass zwischen dem Bereich „ANG4“ und „ARB1“ unterschiedliche Entlohnungen vorgesehen seien, habe nichts mit dem „Geschlecht“ als Unterscheidungskriterium zu tun, sondern damit, dass auf Basis der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen eine Einstufung vorzunehmen sei und das unterschiedliche Entgelt durch objektive Faktoren, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben, gerechtfertigt werde. Allein der Umstand, dass in beiden Stufen sowohl Männer als auch Frauen bei der Antragsgegnerin beschäftigt werden würden, indiziere die geschlechtsneutrale und sachlich gerechtfertigte Vorgehensweise der Antragsgegnerin.

Des Weiteren sei festzuhalten, dass gerade keine „gleichwertigen Arbeiten“ in den genannten Stufen vorliegen würden, zumal in der Stufe „ARB1“ ausschließlich FacharbeiterInnen mit absolvierter Handwerksausbildung eingesetzt werden würden, die in Eigenverantwortung sowohl den Gartenbau als auch die Instandhaltung der Betriebsmittel der Antragsgegnerin wahrnehmen würden.

Die Antragsgegnerin führe undifferenziert aus, dass zwischen den MitarbeiterInnen im Bereich der Stufe „ANG4“ zu MitarbeiterInnen im Bereich „ARB1“ vergleichbare Ausbildungen vorliegen würden. Alleine die zahlreichen unterschiedlichen Kollektivverträge in Österreich würden indizieren, dass für unterschiedliche Ausbildungen auch unterschiedliche Entlohnungen in den jeweiligen Branchen gewährt werden würden. Die Vergleichbarkeit von Tätigkeiten könne daher nicht einfach am Vorliegen einer bestimmten Ausbildung und Behauptung der Vergleichbarkeit dieser Ausbildungen festgemacht werden. Vielmehr bedürfe es einer Differenzierung im Einzelfall, die seitens der Antragsgegnerin gemeinsam mit dem Betriebsrat der Antragsgegnerin durch Festlegung des Lohn- und Gehaltsschemas festgemacht worden sei.

Die Ausbildung zum/zur medizinischen MasseurIn sei gerade nicht vergleichbar mit einer langjährigen Ausbildung zum/zur FacharbeiterIn bzw. der Erlernung eines Handwerkes. Die Ausbildung zum/zur medizinischen MasseurIn umfasse eine praktische Ausbildung im Ausmaß von (lediglich) 580 Stunden. Die Ausbildung zu einem/einer FacharbeiterIn hingegen bedürfe einer drei- bis vierjährigen (ganztätigen) Lehrausbildung samt Besuch der Berufsschule und Absolvierung der Lehrabschlussprüfung und allenfalls auch der Meister- und Befähigungsprüfung.

Die vorgenommene entgeltliche und geschlechtsneutrale Differenzierung zwischen den Stufen „ANG4“ und „ARB1“ sei daher jedenfalls sachlich gerechtfertigt.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung von B (informierte Vertreterin des Antragstellers) und C (informierter Vertreter der Antragsgegnerin) vom 14. Jänner 2020. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf das Lohn-/Gehaltsschema der Antragsgegnerin von 2019 und die nach Geschlecht ausgewiesene Statistik zu den MitarbeiterInnen der Antragsgegnerin.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

2. bei der Festsetzung des Entgelts.“

„§ 5. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund ihres Geschlechtes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, dass die geringere Entlohnung der weiblichen Angestellten in Stufe 4 im Verhältnis zu der Entlohnung der männlichen Arbeiter in Stufe 1 eine mittelbare Diskriminierung darstelle, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Entlohnung der MitarbeiterInnen der Antragsgegnerin basiert auf einem innerbetrieblichen Gehalts-/Lohnschema, welches aus jeweils vier Stufen im Angestelltenbereich und im ArbeiterInnenbereich besteht.

Im Angestelltenbereich sind in Stufe 1 PhysiotherapeutInnen, in Stufe 2 medizinisch-technische Fachkräfte, Verwaltung und Rechnungswesen I, in Stufe 3 Verwaltung und Rechnungswesen II und in Stufe 4 HeilbademeisterInnen und HeilmasseurInnen sowie KassiererInnen. Im ArbeiterInnenbereich sind in Stufe 1 FacharbeiterInnen, in Stufe 2 BademeisterInnen, in Stufe 3 HausmeisterInnen und in Stufe 4 der Badedienst und Hilfskräfte.

In Stufe 4 des Angestelltenbereiches sind fast ausschließlich Frauen tätig, unter anderem auch HeilmasseurInnen und KassiererInnen mit einer einschlägigen Fachausbildung und in Stufe 1 des ArbeiterInnenbereiches sind fast ausschließlich Männer mit einer einschlägigen Fachausbildung tätig. Zwischen beiden Gruppen besteht ein Entgeltunterschied von zumindest 250,- Euro pro Monat.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Festsetzung des Entgelts gemäß § 3 Z 2 GlBG iVm § 5 Abs. 2 GlBG vor.

Der Entgeltbegriff ist nach der Rechtsprechung des EuGH weit zu fassen, sodass man darunter alle Leistungen versteht, die ein/e ArbeitnehmerIn als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung seiner/ihrer Arbeitskraft an den/die ArbeitgeberIn erhält. 4

Bei der Beurteilung, ob eine vergleichbare Situation der Arbeitnehmerinnen und der männlichen Vergleichspersonen vorliegt, sind subjektive Elemente außer Acht zu lassen, maßgeblich ist ausschließlich die objektiv festzustellende gleiche bzw. vergleichbare Arbeit. Die Gleichzeitigkeit der zu vergleichenden Arbeiten ist für die Vergleichbarkeit nicht erforderlich.

Der Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung ist nach § 5 Abs. 2 GlBG dann erfüllt, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.5 Dabei kann es sich um kollektivvertragliche Bestimmungen oder solche in einer Betriebsvereinbarung oder einem Einzelarbeitsvertrag, etc. handeln.6

Je nach dem sachlichen Geltungsbereich der einzelnen Normen können die Nachteile sehr unterschiedlicher Natur sein.7 Um einen Nachteil feststellen zu können, bedarf es immer einer Vergleichsbasis. Gegenstand dieser Vergleichsbasis ist nicht ein identer Arbeitsplatz bzw. keine rein formelle Gleichheit, sondern eine materielle Gleichheit iS einer vergleichbaren Lage (Gleichwertigkeit). Je nach Situation können von einem derartigen Vergleich ein/e oder mehrere/viele ArbeitnehmerInnen erfasst sein.8

Die bloße Benachteiligung genügt nicht; sie muss auf Grund des Geschlechts erfolgt sein. Die Diskriminierung auf Grund des Geschlechts bedeutet beim Großteil der in der Praxis auftretenden Fälle den Vergleich mit dem anderen (biologischen) Geschlecht.9

Der Antragsteller konnte nach Ansicht des Senates durch seine Ausführungen glaubhaft den Anschein einer mittelbaren Diskriminierung darlegen. So ließ seine Schilderung – die Tätigkeit der in „ANG4“ eingestuften KassiererInnen und MasseurInnen sei als gleichwertig zu der Tätigkeit der in „ARB1“ eingestuften FacharbeiterInnen anzusehen, da diese ebenso über eine einschlägige Fachausbildung und eine hohe Eigenverantwortung verfügen würden, wobei in Stufe 4 des Angestelltenbereiches fast ausschließlich Frauen tätig seien, in Stufe 1 des ArbeiterInnenbereiches hingegen fast ausschließlich Männer – darauf schließen, dass die Angestellten der Stufe 4 im Vergleich zu den Arbeitern der Stufe 1 aufgrund ihres Geschlechtes bei der Gehaltseinstufung von der Antragsgegnerin benachteiligt wurden.

Daher verlagerte sich die Beweislast auf die Antragsgegnerin.

Bei einer Maßnahme, die prozentuell erheblich mehr Frauen als Männer benachteiligt oder umgekehrt, besteht nach der Rsp. des EuGH eine Vermutung dafür, dass diese Maßnahme eine mittelbare Diskriminierung darstellt.10 Aus der seitens des Antragsstellers vorgelegten nach Geschlecht ausgewiesenen Statistik zu den MitarbeiterInnen geht hervor, dass in der Lohngruppe „ARB1“ derzeit neun Männer und eine Frau und in der Stufe „ANG4“ zwei Männer und 44 Frauen beschäftigt sind. Da die Lohngruppe mit einem wesentlich höheren Anteil an Frauen schlechter bezahlt wird als die Lohngruppe mit einem wesentlich höheren Anteil an Männern, sind die Voraussetzungen einer mittelbaren Diskriminierung gegeben.

Die Antragsgegnerin begründete die unterschiedliche Bezahlung damit, dass sie sich bei der Bezahlung an den kollektivvertraglichen Regelungen orientiert habe und sich die Ungleichbehandlung auch am Arbeitsmarkt und in der Realwirtschaft widerspiegle. Wenn man sich nämlich anschaue, was ein/e HeilmasseurIn oder ein/e Kassiererer/Kassiererin laut Kollektivvertrag am Markt in den jeweiligen Unternehmen verdienen würde, dann werde das weniger sein als ein/e MalerIn/GärtnerIn/TischlerIn in seinem bzw. in einem anderen Betrieb erhalten würde.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass ein Bezugsrahmen für die Vergleichbarkeit des Entgelts im GlBG nicht ausdrücklich festgelegt ist. In diesem Zusammenhang wird jedoch auf die Judikatur des EuGH hingewiesen: „Lassen sich jedoch […] die bei den Entgeltbedingungen für Arbeitnehmer, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, festgestellten Unterschiede nicht auf ein und dieselbe Quelle zurückführen, so fehlt eine Einheit, die für die Ungleichbehandlung verantwortlich ist und die die Gleichbehandlung wiederherstellen könnte. Eine solche Situation fällt nicht unter Art. 141 Abs. 1 EG.“11 Nach dieser Rechtsprechung ist ein Vergleich der Entgeltbedingungen dann zulässig (und geboten), wenn diese auf ein und dieselbe Quelle zurückzuführen sind. Bei einem innerbetrieblichen Entgeltschema ist diese selbe Quelle – nämlich die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber – gegeben.

Gemäß § 11 GlBG haben u.a. betriebliche Einstufungsregelungen bei der Regelung der Entlohnungskriterien den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit oder eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, zu beachten und dürfen weder Kriterien für die Beurteilung der Arbeit der Frauen einerseits und der Arbeit der Männer andererseits vorschreiben, die zu einer Diskriminierung führen. Die Regelung dient der Verdeutlichung des Diskriminierungsverbots bei der Entgeltfestsetzung bei betrieblichen Einstufungsregelungen. Auch dies spricht für die Möglichkeit der Vergleichbarkeit innerhalb eines innerbetrieblichen Entgeltschemas.

Das Abstellen auf dieses Kriterium erscheint auch insofern vernünftig, da nur in diesem Fall von den gleichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ausgegangen werden kann und somit eine Vergleichbarkeit möglich ist. Nur der/die ArbeitgeberIn verfügt über die nötigen Informationen, um dem Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit zu entsprechen. Das Gebot der Entgeltgleichheit gilt danach jedenfalls in Bezug auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in demselben Betrieb der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers beschäftigt sind, was bei der Antragsgegnerin der Fall ist.

Bei der Festsetzung des innerbetrieblichen Gehaltsschemas lediglich die Kollektivverträge der jeweiligen Berufsgruppen sowie die Bedingungen am Arbeitsmarkt heranzuziehen, ohne dabei die Tätigkeiten miteinander zu vergleichen, entspricht daher nicht dem Grundsatz des gleichen Entgelts.

Weiters ist anzumerken, dass der Vertreter der Antragsgegnerin dem Senat nicht nachvollziehbar darlegen konnte, aus welchem Grund die Tätigkeiten der Stufen „ARB1“ und „ANG4“ nicht als gleichwertige Arbeit anzusehen sind. Die Einstufung wurde in der mündlichen Befragung lediglich damit begründet, dass das Lohnschema auf einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1997 beruhe, die seitdem zweimal angepasst worden sei.

Bezüglich der in der Stufe „ARB1“ eingeordneten „Facharbeiter“ wurde angeführt, dass dieser Begriff nicht juristisch gewählt, sondern ein Relikt aus der Vergangenheit sei und grundsätzlich nichts mit der Berufsgruppe bzw. den MitarbeiterInnen zu tun habe. Insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich bei den als „Facharbeiter“ eingestuften Berufen ausschließlich um solche handelt, die überwiegend von Männern ausgeübt werden, wie zB Maler, Gärtner und Tischler, liegt die Vermutung nahe, dass die Wahl des Begriffs und die dahinterstehenden Bilder geschlechtsspezifisch geprägt sind und sich auch daraus eine Ungleichbehandlung ergibt, die zu Lasten der Frauen geht.

Zusammengefasst konnte keine sachliche Begründung für die unterschiedliche Bewertung der Lohngruppen erbracht werden. Der Vertreter der Antragsgegnerin argumentierte, es käme nicht auf die Ausbildung, sondern auf die konkret ausgeübte Tätigkeit an. Dies stand allerdings im Widerspruch zu anderen Aussagen in der Befragung. So ergab sich aus den Befragungen zwar, mit welchen Geldsummen und unterschiedlichen Sprachenanforderungen bspw. die ausschließlich weiblichen Kassiererinnen umzugehen haben, hier wurden auch die unregelmäßigen Dienste bis Mitternacht und am Wochenende angeführt, dennoch wurde Fliesenlegern und Tischlern, die im oben dargestellten Sinn weniger flexibel sein müssen, keine Wochenenddienste zu erledigen haben und auch bspw. nicht mit einem Ansturm vieler Gäste gleichzeitig diplomatisch umzugehen haben, auf Grund ihrer Ausbildung eine höhere Einstufung quasi als garantiert zugestanden.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive und nicht das Geschlecht für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend waren.

VORSCHLAG

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, die Antragsgegnerin, A GmbH, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Diskriminierungsfreie Gestaltung des innerbetrieblichen Lohn-/Gehaltschemas

Wien, 14. Mai 2020

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz. 75.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 5 Rz 93.

6  Vgl. ebd. § 5 Rz 97.

7  Vgl. ebd. § 5 Rz 100.

8  Vgl. ebd. § 5 Rz 101.

9  Vgl. ebd. § 5 Rz 106.

10  Vgl. EuGH C-17/95, Gerster, Slg 1997, I-5253; C-100/95, Kording, Slg 1997, I-5289; C-313/02, Wippel, Slg 2004, I-9483; C-196/02, Nikoloudi, Slg 2005, I-1789).

11  EuGH C-320/00, Lawrence; C-256/02, Allonby.

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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