Gbk 2020/6/25 GBK I/903/19

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Begründung des Arbeitsverhältnisses

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 25. Juni 2020 über den am 16. Mai 2019 eingelangten Antrag von A (Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch die B GmbH & Co KG (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/903/19, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

A ist nicht aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch die B GmbH & Co KG diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht

Der Antragsteller habe sich auf eine am 4. April 2019 in einer Tageszeitung veröffentlichten Stellenanzeige als Verkäufer beworben. Gemäß dem Wortlaut der Stellenanzeige sei allerdings nur nach einer Verkäuferin gesucht worden.

Der Antragsteller erachte sich als aufgrund des Geschlechtes diskriminiert, da sich bis heute niemand auf seine Bewerbung gemeldet habe, obwohl er die in der Stellenbeschreibung angeführten Voraussetzungen sicher erfülle, denn er habe einen Lehrabschluss als Einzelhandelskaufmann und Deutsch sei seine Muttersprache.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 21. August 2019 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Der Umstand, dass in der Stellenanzeige nur von einer Verkäuferin die Rede gewesen sei, sei auf ein redaktionelles Versehen von Seiten der Antragsgegnerin zurückzuführen und werde sich zukünftig nicht wiederholen.

Die Antragsgegnerin bekomme auf Stellenanzeigen in einem Gratismedium erfahrungsgemäß immer sehr viele Zuschriften, wobei bedauerlicherweise auch vielfach Kontakte dabei seien, die keine oder unvollständige Bewerbungsunterlagen übermitteln würden. Es gebe gute Gründe dafür, dass in solchen Fällen nicht vom Vorliegen einer Bewerbung ausgegangen werde und daher auch keine Rückantwort an die Absenderinnen und Absender erfolge.

Einer dieser Gründe sei der Faktor Zeit. Da die Antragsgegnerin einen sehr schlank organisierten Betrieb führe, konzentriere sie sich ausschließlich auf die erfolgversprechenden Bewerber/innen, die eine ernsthafte Bewerbung mit vollständigen und aussagekräftigen Unterlagen übermitteln.

Weiters komme zum Tragen, dass die Antragstellerin den Mitarbeiter/innen in den Filialen aufgrund der Organisationsstruktur ein hohes Maß an Vertrauen entgegenbringe und Verantwortung übertragen müsse. Die Grundvoraussetzung dafür sei ein verlässliches Arbeiten und eine gute Selbstorganisation. Die Erfahrung habe gezeigt, dass es hieran häufig mangle, wenn schon das eigene Bewerbungsverfahren durch die/den Interessent/in nicht mit der wünschenswerten Ernsthaftigkeit und Professionalität durchgeführt werde.

Aus den eben genannten Gründen habe der Antragsteller keine Rückantwort erhalten.

Die Antragsgegnerin wolle abschließend hervorheben, dass sie sehr wohl auch Verkäufer in ihren Filialen beschäftige. Aktuell in X und Y. Vormals auch in Z. Die Stellen seien daher nicht ausschließlich Frauen vorbehalten, obwohl branchenspezifisch und produktorientiert vielfach weibliches Personal den besseren Zugang zu den Kundinnen/Kunden habe. Von einer Diskriminierung könne daher in diesem Fall überhaupt nicht die Rede sein.

Einzig bei der Gestaltung künftiger Stellenanzeigen werde die Antragsgegnerin natürlich nachbessern, um nicht von vornherein einen falschen Eindruck zu vermitteln.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin sowie die mündlichen Ausführungen von C (informierter Vertreter der Antragsgegnerin) in der vorbereitenden Sitzung vom 25. Juni 2020.Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Stellenausschreibung vom 4. April 2019 in der Tageszeitung „…“ sowie das Bewerbungsmail des Antragstellers vom 4. April 2019.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1.    bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“.

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die Bewerbung des Antragstellers sei aufgrund seines Geschlechtes nicht berücksichtigt worden, ein Aktenverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Antragsteller bewarb sich am 4. April 2019 auf die am selben Tag in der Tageszeitung „…“ veröffentlichte Stellenanzeige der Antragsgegnerin.

Die Stellenausschreibung lautete wie folgt:

„(…) Für unseren Erotik Shop in … suchen wir eine aufgeschlossene, verlässliche VERKÄUFERIN (…)
Voraussetzungen: sehr gute Deutschkenntnisse und Erfahrung im Einzelhandel
Interesse? Senden Sie bitte Ihre Unterlagen unserem Herrn D an …

Die Bewerbung des Antragstellers bestand aus einem Mail, in dem er Folgendes angab:

„Guten Tag Herr D,

hiermit möchte ich mich um die Stelle, in ihrem Shop in … bewerben.

Wie in der Stellenanzeige gewünscht habe ich, als geborener Österreicher, sehr gute Deutschkenntnisse.

Über Ehrfahrung (sic!) im Einzelhandel verfüge ich, ich habe einen Lehrabschluss unteranderem (sic!) als Einzelhandelskaufmann.

Meine Motivation für diese Bewerbung ist, das (sic!) ich mich verändern will derzeit bin ich in der Grünraumbetreuung selbstständig nur das erfüllt mich nicht mehr.

Ich möchte gerne wieder unter Leuten sein und wieder aktiv im Verkauf und der Beratung tätig sein, (sic!)

da mein Scanner leider gerade nicht funtkioniert (sic!) bringe ich Ihnen meine Unterlage zum Bewerbungsgespräch mit.

Vielen Dank im Vorraus (sic!),

mit freundlichen Grüßen

A (…)“

Der Antragsteller erhielt keine Antwort von der Antragsgegnerin.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG vor.

Die Formulierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des in der Regel vorausgehenden Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw. diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen von ArbeitgeberInnen oder für diese handelnde Personen Bedacht zu nehmen (Vertragsanbahnung).4

Erfolgt die Vertragsanbahnung mit Hilfe einer Stellenausschreibung, dann muss das Gleich-behandlungsgebot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach § 3 Z 1 vom Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung gemäß § 9 abgegrenzt werden. Obwohl die beiden Regelungen in engem Zusammenhang stehen, erfüllen nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen „als solche“ in der Regel den Diskriminierungstatbestand gemäß § 3 Z 1 nicht und können daher auch die im § 12 Abs. 1 für Einstellungsdiskriminierungen vorgesehenen Rechtsfolgen (Schadenersatzansprüche) nicht auslösen. Ausschreibungsmängel führen hingegen nach § 10 zu Verwarnungen5 oder zu Geldstrafen6 für die nicht normkonform aus-schreibenden ArbeitgeberInnen und ArbeitsvermittlerInnen. Somit ist das Ausschreibungsverfahren selbst an § 9 zu messen; die Bearbeitung der daraufhin einlangenden Bewerbungen ist hingegen bereits nach dem Gleichbehandlungsgebot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach § 3 Z 1 zu beurteilen. Missachtungen des Gebots der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung sind aber – zB in einem späteren Rechtsstreit – ein gewichtiges Indiz für eine darauf folgende Einstellungsdiskriminierung.7

Da der gegenständliche Sachverhalt außer Streit steht, beschränkte sich die Prüfung durch den Senat auf die Klärung der Frage, ob der Antragsteller durch die Nichtbeantwortung seiner Bewerbung aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert worden ist.

Die Überprüfung erfolgte im Rahmen eines Aktenverfahrens auf Grundlage der schriftlichen Eingaben des Antragstellers und der Antragsgegnerin sowie der mündlichen Ausführungen von C (informierter Vertreter der Antragsgegnerin) im Rahmen der vorbereitenden Sitzung vom 25. Juni 2020. Der Antragsteller erschien nicht zu diesem Termin.

Die beanstandete Position als VerkäuferIn war nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben (vgl. § 9 Abs. 1 GlBG). Die in § 9 Abs. 1 GlBG enthaltene Ausnahmebestimmung, dass geschlechtsspezifisch ausgeschrieben werden darf, wenn ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ist, kommt hier nicht zum Tragen. Es lagen keine Voraussetzungen vor, die ein Tätigwerden des Antragstellers als Verkäufer in einem Erotikgeschäft praktisch oder rechtlich ausschließen.8

Zwar liegt keine Ausnahme vor, die eine geschlechtsspezifische Stellenausschreibung rechtfertigen würde, die Antragsgegnerin konnte in ihrer Stellungnahme jedoch schlüssig darlegen, warum sie davon ausging, dass der Antragsteller keine ernsthaften Bewerbungsabsichten hatte. Erfahrungen der Antragsgegnerin hätten nämlich gezeigt, dass es an den für die Arbeit in den Filialen benötigten Grundvoraussetzungen, verlässliches Arbeiten und eine gute Selbstorganisation, häufig mangle, wenn schon das Bewerbungsverfahren durch die interessierte Person nicht mit der wünschenswerten Ernsthaftigkeit und Professionalität durchgeführt werde.

Der Senat teilt die Ansicht der Antragsgegnerin und hält fest, dass aus den Bewerbungsunterlagen keine Ernsthaftigkeit bzw. Professionalität erkennbar ist. In der Stellenausschreibung wurden als Voraussetzungen sehr gute Deutschkenntnisse und Erfahrung im Einzelhandel gefordert. Bezüglich der Erfahrung im Einzelhandel verwies der Antragsteller lediglich auf seinen Lehrabschluss als Einzelhandelskaufmann, etwaige Beschäftigungen, die Erfahrungen in diesem Bereich belegt hätten, wurden allerdings nicht genannt. Er gab zwar an, „seine Unterlage“ beim Bewerbungsgespräch mitzunehmen, da sein Scanner nicht funktioniere, es wäre allerdings dennoch zumutbar gewesen, zumindest einen Lebenslauf mit Angaben zu den im Mail angeführten Erfahrungen im Einzelhandel beispielsweise in Form eines Word-Dokumentes als Beilage anzufügen. Weiters gab er an, sehr gute Deutschkenntnisse zu haben, was im Widerspruch zu den zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehlern in dem ohnehin nur kurz gehaltenen Bewerbungsmail steht.

Bezüglich der allgemeinen Vorgehensweise im Bewerbungsverfahren brachte die Antragsgegnerin vor, dass für die Organisation der Filialen lediglich drei Personen zuständig seien und es sehr viele Bewerbungen auf die Stellenausschreibungen gebe. Da es zeitlich nicht möglich sei, auf jede Anfrage zu antworten, behandle man grundsätzlich nur die Bewerbungen, bei denen vollständige Unterlagen beigelegt worden seien. Da der Antragsteller keine Unterlagen mitgeschickt habe, sei in diesem Fall auch die Rückantwort ausgeblieben. Aus Sicht des Senates handelt es sich hierbei um eine nachvollziehbare und sachliche Vorgehensweise im Rahmen eines Bewerbungsprozesses.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive für die Nichtberücksichtigung der Bewerbung des Antragstellers ausschlaggebend waren.

Auch wenn in diesem Einzelfall keine Diskriminierung vorliegt, weist der Senat die Antragsgegnerin im Hinblick auf zukünftige Ausschreibungen nochmals auf das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung gemäß § 9 Abs. 1 GlBG hin.

Wien, 25. Juni 2020

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 13.

5  Dies gilt gemäß § 10 Abs. 2 GlBG für den „ersten Verstoß“ des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin.

6  Vgl. § 10 Abs. 1 GlBG für ArbeitsvermittlerInnen und § 10 Abs. 2 GlBG für den/die ArbeitgeberIn bei wiederholter gesetzwidriger Ausschreibung.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 19.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 9 Rz 17.

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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