Diskriminierungsgrund
MehrfachdiskriminierungDiskriminierungstatbestand
Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Geschlecht, Alter)Text
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 25. Juni 2020 über den am 7. Juni 2018 eingelangten Antrag von A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und des Alters bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 iVm § 17 Abs. 1 Z 7 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) und aufgrund des Geschlechtes und des Alters bei der Festsetzung des Entgelts gemäß § 3 Z 2 GlBG und § 17 Abs. 1 Z 2 GlBG durch B (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/827/18-M, zu folgendem
PRÜFUNGSERGEBNIS:
1. A ist aufgrund des Geschlechtes und des Alters bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG iVm § 17 Abs. 1 Z 7 GlBG durch B diskriminiert worden.
2. Der Antrag, ob A bei der Festsetzung des Entgelts aufgrund des Geschlechtes gemäß § 3 Z 2 GlBG und aufgrund des Alters gemäß § 17 Abs. 1 Z 2 GlBG durch B diskriminiert wurde, konnte vom Senat I der GBK nicht behandelt werden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
VORBRINGEN
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Sie sei am ... November 1959 geboren und seit 3. Oktober 1994 in einer Zahnarztpraxis im Ausmaß von 20 Wochenstunden als Zahntechnikerin beschäftigt. Die Praxis inklusive des Dienstverhältnisses der Antragstellerin sei im Jahre 2002 von der Antragsgegnerin ohne Veränderungen übernommen worden.
Am 28. Mai 2018 sei die Antragstellerin ins Büro der Antragsgegnerin gebeten worden und habe eine schriftliche Kündigung ihres Dienstverhältnisses erhalten. Die Frage der Antragstellerin, warum es zu einer Kündigung gekommen sei, sei mit dem Hinweis auf „wirtschaftliche Gründe" abgetan worden.
Die Antragstellerin sei von der Vorgehensweise zutiefst enttäuscht gewesen, insbesondere auch deshalb, da die Antragsgegnerin vor nicht allzu langer Zeit bei einem gemeinsamen Gespräch mit einem Mitarbeiter eines zahntechnischen Labors noch gemeint habe: „Jetzt bringen wir Frau A noch gut in die Pension". Auch sei schon vor längerer Zeit darüber gesprochen worden, dass die Antragstellerin in ihrer Pension über eine geringfügige Beschäftigung in der Ordination aushelfe. Eine Kündigung 14 Monate vor Erreichen des Regelpensionsalters (Stichtag 1. Dezember 2019) sei für sie daher nicht absehbar gewesen. Der Beweggrund für die Kündigung seien die aufgrund ihres Alters auf die Antragsgegnerin zukommenden Mehrkosten gewesen.
Seitens der Antragsgegnerin habe es im Vorfeld der Kündigung keine Versuche gegeben, eine für beide sozial vertretbare Lösung zu finden. Die Kündigung ziehe erhebliche finanzielle Einbußen für die Antragstellerin mit sich. Da sie nun die 25-jährige Dienstzugehörigkeit nicht erreiche, würden ihr folgende finanzielle Schäden entstehen:
? drei Bruttomonatsgehälter weniger Abfertigung
? Entfall der Anerkennungszahlung von mindestens eineinhalb Bruttomonatsgehältern laut Kollektivvertrag für die Angestellten von Zahnärzten
? da sie davon ausgehe, mit ihrem Alter für 14 Monate keine gleichwertige Anstellung mehr zu finden, sei die Differenz ihres jetzigen Gehaltes zum Arbeitslosengeld ca. 700€/Monat
? Reduktion der zu erwartenden Pensionshöhe von ca. 70€ pro Monat
Die Antragstellerin erachte sich weiters als aufgrund des Geschlechts diskriminiert. Der Stichtag ihres Pensionsantrittsalters sei der 1. Dezember 2019. Die bedeute, dass mit 1. Oktober 2018 die zu erwartende Restarbeitszeit einer Mitarbeiterin 14 Monate betragen würde. Im Gegensatz dazu habe ein gleichaltriger Mann eine zu erwartende Restarbeitszeit von sechs Jahren und zwei Monaten, eine für einen/eine ArbeitgeberIn deutlich sinnvollere Option. Es gebe zwar verschiedene Maßnahmen und finanzielle Förderungen, um die Chancen von älteren ArbeitnehmerInnen am Arbeitsmarkt zu erhöhen, diese würden sich allerdings für die Antragstellerin nicht lohnen, da sie im Gegensatz zu gleichaltrigen Arbeitnehmern nur noch wenige Monate an Restarbeitszeit hätte.
Die Antragstellerin sei davon überzeugt, dass die Antragsgegnerin in derselben Situation mit einem Mann anders umgegangen wäre. In diesem Zusammenhang wolle sie auf die Situation vom 11. Juni 2018 näher eingehen:
Bei der Diskussion über die ihr zustehenden Arbeitssuchtage, habe die Antragsgegnerin ihr gegenüber gemeint, dass es Situationen gebe, in denen einer Arbeitnehmerin diese nicht zustehen würden und was sie eigentlich wolle, „Sie haben ja schon 503 Versicherungsmonate und damit einen Pensionsanspruch!“.
Aus der Sicht der Antragstellerin handle es sich hierbei um eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, da eine vergleichbare Aussage gegenüber einem Mann zu diesem Zeitpunkt nicht möglich sei, bzw. die Antragsgegnerin davon ausgehe, dass sie als Frau unmittelbar nach Beendigung des Dienstverhältnisses in Pension gehen könne. Dies sei allerdings frühestens am 1. Dezember 2019 möglich.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 10. September 2018 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Die Antragsgegnerin bedauere die Kündigung der Antragstellerin sehr, es handle sich dabei allerdings um einen aus wirtschaftlichen Gründen notwendigen Schritt, der in keinerlei Zusammenhang mit dem Alter oder Geschlecht der Antragstellerin stehe.
Die Antragstellerin sei als Zahntechnikerin bzw. Prothetikerin tätig gewesen und habe im Rahmen dieser Tätigkeit größtenteils Reparaturen, zum Teil aber auch Neuanfertigungen von Teil- und Totalprothesen durchgeführt. Dies jedoch nur in Bezug auf Kunststoffteile, denn Kronen-, Brücken-, Implantat-, sowie Gussarbeiten seien durch ein externes Labor erledigt worden.
Die Nachfrage nach derartigen, von der Antragstellerin gefertigten bzw. gewarteten prothetischen Produkten sinke seit Jahren kontinuierlich, was sowohl für Neuanfertigungen als auch in Folge dessen naturgemäß für Reparaturen gelte. Das Prothetikgeschäft der Praxis sei mittlerweile so gering, dass die Antragstellerin lange „Leerlaufzeiten" gehabt habe, in welchen es für sie keine andere Beschäftigung in der Praxis gegeben habe.
Im Ergebnis würden die Ausgaben für die Aufrechterhaltung der praxisinternen Prothetik die Einnahmen mittlerweile bei Weitem übersteigen, jährlich werde in diesem Bereich ein Minus von etwa EUR 7.600,- erwirtschaftet. Der Umstand des Geschäftsrückgangs und der Unwirtschaftlichkeit der praxiseigenen Prothetik seien der Antragstellerin seit längerem bewusst gewesen.
Da nicht mit einer Besserung der wirtschaftlichen Entwicklung zu rechnen sei, sei die Antragsgegnerin gezwungen gewesen, das Dienstverhältnis zur Antragstellerin zu beenden. Dementsprechend werde die Stelle der Antragstellerin als Prothetikerin auch nicht mit einer anderen Person besetzt, sondern falle ersatzlos weg.
Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin kurz vor Ausspruch der Kündigung erfahren habe, dass sie die beiden in ihrer Praxis derzeit noch eingesetzten, mehr als 25 Jahre alten Zahnarztstühle möglichst schnell ersetzen müsse, da man diese mittlerweile mangels lieferbarer Ersatzteile nicht mehr reparieren bzw. warten könne. Die hierfür benötigten Investitionen würden sich auf mehr als EUR 140.000,- belaufen, wozu anzumerken sei, dass die Antragsgegnerin auf Grund ihres Alters die Ordination nicht mehr allzu lange führen werde und sich insofern die Finanzierung dieses Betrages schwieriger gestalte. Umso mehr sei sie genötigt gewesen, Einsparungsmaßnahmen vorzunehmen. Die einzig denkbare Variante hierbei sei die gänzliche Streichung des alleine von der Antragstellerin besetzten, defizitären Prothetikbereichs gewesen, da alle anderen in der Praxis beschäftigten Dienstnehmerinnen im Rahmen der „gewöhnlichen Zahnarzttätigkeit" eingesetzt werden würden.
Die Unterstellung einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts sei außerdem alleine schon deswegen abwegig, weil im Betrieb der Antragsgegnerin keine Männer beschäftigt seien. Das durch das Geschlecht der Antragstellerin auf Grund der gesetzlichen Rahmenbedingungen bedingte und im Vergleich zu Männern niedrigere Pensionsantrittsalter habe bei der Kündigung nur insofern eine Rolle gespielt, als die Antragsgegnerin bemüht gewesen sei, die Kündigung „hinauszuschieben", um der Antragstellerin nach Möglichkeit einen raschen Übergang in die Pension und damit eine möglichst kurze Arbeitslosigkeit zu ermöglichen. Einen gleichaltrigen Mann hätte die Antragsgegnerin - im Übrigen genauso wie eine jüngere, nicht derart lange betriebszugehörige Dienstnehmerin - aus den oben dargestellten wirtschaftlichen Notwendigkeiten bereits wesentlich früher gekündigt, hätte bei diesem doch keine absehbare Chance auf einen „Pensionspolster" bestanden. Insofern sei die auf Grund des geschlechtsbedingt früheren Pensionsantrittsalters sogar besser behandelt worden als ein gleichaltriger männlicher Dienstnehmer.
Aus all dem ergebe sich, dass die Antragsgegnerin stets bemüht gewesen sei, die Antragstellerin als langjährige Dienstnehmerin möglichst lange im Betrieb zu halten und ihr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses „zu ersparen". Dies sei aber letztendlich wirtschaftlich schlicht nicht mehr möglich gewesen.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und der Antragsgegnerin vom 10. März 2020. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die von der Antragsgegnerin erstellte Aufzeichnung betreffend die Reparaturen/Tag für den Zeitraum Jänner 2017 bis Jänner 2018 und die schriftliche Fragebeantwortung der Antragsgegnerin vom 30. April 2020.
BEGRÜNDUNG2
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:
„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
2. bei der Festsetzung des Entgelts,
[…]
7. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“
„§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
2. bei der Festsetzung des Entgelts,
[…]
7. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.“
Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.
Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, der Beweggrund für die Kündigung der Antragstellerin seien die aufgrund des Alters der Antragstellerin auf die Antragsgegnerin zukommenden Mehrkosten gewesen, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die Antragstellerin wurde am ... November 1959 geboren und ist seit 3. Oktober 1994 in der von der Antragsgegnerin im Jahre 2002 übernommenen Zahnarztpraxis im Ausmaß von 20 Wochenstunden als Zahntechnikerin beschäftigt.
Am 28. Mai 2018 erhielt die Antragstellerin eine schriftliche Kündigung ihres Dienstverhältnisses. Die Frage, warum es zu einer Kündigung gekommen ist, wurde von der Antragsgegnerin mit dem Hinweis auf „wirtschaftliche Gründe" beantwortet.
Die Kündigung 14 Monate vor Erreichen des Regelpensionsalters (Stichtag 1. Dezember 2019) war für die Antragstellerin nicht absehbar. Seitens der Antragsgegnerin gab es im Vorfeld der Kündigung keine Versuche, eine für beide sozial vertretbare Lösung zu finden. Vielmehr hielt die Antragsgegnerin in einem Gespräch mit einem Mitarbeiter eines zahntechnischen Labors nicht allzu lange vor der Kündigung fest: „Jetzt bringen wir Frau A noch gut in die Pension." Ebenso wurde vor längerer Zeit darüber gesprochen, dass die Antragstellerin in ihrer Pension über eine geringfügige Beschäftigung in der Ordination aushelfen wird.
In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
Nach Auffassung des Senates wurde der vorliegende Fall unter dem Aspekt der intersektionellen Diskriminierung überprüft. Diese bezieht sich auf eine Situation, in der mehrere Diskriminierungsgründe greifen und gleichzeitig miteinander so interagieren, dass sie nicht voneinander zu trennen sind.4
1. Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und des Alters bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 iVm § 17 Abs. 1 Z 7 GlBG vor.
Die Antragsgegnerin brachte vor, dass das Prothetikgeschäft ihrer Praxis mittlerweile so gering sei, dass die Antragstellerin viele Leerlaufzeiten gehabt habe, in denen es für sie in der Praxis keine andere Beschäftigung gegeben habe. Dies habe dazu geführt, dass die Ausgaben für die Aufrechterhaltung der praxisinternen Prothetik die Einnahmen bei weitem überstiegen haben und daher die Kündigung des Dienstverhältnisses zur Antragstellerin aus wirtschaftlichen Gründen notwendig gewesen sei.
Nach Ansicht des Senates war die Argumentationslinie der Antragsgegnerin in Bezug auf die wirtschaftliche Notwendigkeit der Kündigung nicht stringent. Die sich im Zuge der Sitzung ergebene Nachfrage, ob keine andere Möglichkeit als die Kündigung der Antragstellerin denkbar gewesen wäre, wurde von der Antragsgegnerin folgendermaßen beantwortet:
„Frau A ist Zahntechnikerin mit Spezialisierung auf Prothetik, als solche war sie auch Teilzeit mit 20 Stunden beschäftigt. Eine Reduktion der Arbeitszeit auf eine wesentlich geringere Stundenzahl bedeutete, dass Frau A in weiterer Folge nur zu einer bestimmten Zeit bzw. einen Tag für die Patienten zur Verfügung steht.“
Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Antragstellerin um eine langjährige Mitarbeiterin handelt, stellt sich für den Senat die Frage, wieso seitens der Antragsgegnerin keine Versuche unternommen wurden, gemeinsam eine alternative Lösung anstelle der Kündigung zu finden.
Insbesondere gelang es der Antragsgegnerin nicht, nachvollziehbar darzulegen, wieso die Herabsetzung der Arbeitszeit nicht als Möglichkeit in Frage kam, um den als Kündigungsgrund angegebenen „Leerlaufzeiten“ der Antragstellerin entgegenzuwirken, wo dies doch seitens der Antragstellerin gewünscht war. Die Antragstellerin sagte in der Sitzung aus, dass eine Lösung mit weniger Stunden für sie tragbar gewesen wäre. Diese Lösung würde auch durch die seitens der Antragsgegnerin vorgelegten Aufzeichnungen zu den von der Antragstellerin im Jahr 2017 durchgeführten Reparaturen gestützt werden. Demnach hatte die Antragstellerin an 101 von gesamt 190 Tagen – also mehr als die Hälfte der gesamten Arbeitszeit — keinerlei Reparaturen durchzuführen.
Der Sachverhalt ist außerdem vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme betonte, immer bemüht gewesen zu sein, die Kündigung der Antragstellerin hinauszuschieben, um ihr einen raschen Übergang in die Pension und damit eine möglichst kurze Arbeitslosigkeit zu ermöglichen. Aus Sicht des Senates spiegelt sich dieses Bemühen nicht in den seitens der Antragsgegnerin gesetzten Handlungen wider.
Der Senat weist daraufhin, dass das Vorliegen anderer, mitausschlaggebender Motive eine/n ArbeitgeberIn vom Vorwurf einer diskriminierenden Behandlung nicht entlasten kann, da den Realitäten der Arbeitswelt folgend davon auszugehen ist, dass unter Umständen auch mehrere Motive („Motivbündel“) – darunter auch sachliche – eine Rolle spielen können.5
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass das baldige Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters der Antragstellerin und damit einhergehende Mehrkosten nicht zumindest mitausschlaggebend für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war.
2. Zur beantragten Überprüfung, ob die Antragstellerin auch bei der Festsetzung des Entgelts diskriminiert wurde, hält der Senat fest, dass der Antrag betreffend § 3 Z 2 GlBG und § 17 Abs. 1 Z 2 GlBG nicht behandelt werden kann.
Der Tatbestand der Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts gemäß §§ 3 Z 2 und 17 Abs. 1 Z 2 GlBG setzt das Bestehen eines Entgelts voraus. Der Entgeltbegriff ist nach der Rechtsprechung des EuGH weit zu fassen, sodass man darunter alle Leistungen versteht, die ein/e ArbeitnehmerIn als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung seiner/ihrer Arbeitskraft an den/die ArbeitgeberIn erhält.6
Die seitens der Antragstellerin aufgezählten finanziellen Schäden – drei Bruttomonatsgehälter weniger Abfertigung, Entfall der Anerkennungszahlung von mindestens eineinhalb Bruttomonatsgehältern, die Differenz ihres jetzigen Gehaltes zum Arbeitslosengeld ca. 700€/Monat, sie davon ausgehe, mit ihrem Alter für 14 Monate keine gleichwertige Anstellung mehr zu finden, und die Reduktion der zu erwartenden Pensionshöhe von ca. 70€ pro Monat – sind allerdings im direkten Zusammenhang mit der vorzeitigen Kündigung entstandene Nachteile, die nicht unter den Begriff des „Entgelts“ iSd §§ 3 Z 2 und 17 Abs. 1 Z 2 GlBG fallen.
VORSCHLAG
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird die Antragsgegnerin, B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes
Wien, 25. Juni 2020
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.
3 Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.
4 Vgl. Europäische Kommission (2007): Bekämpfung von Mehrfachdiskriminierung – Praktiken, Politikstrategien und Rechtsvorschriften, S. 17.
5 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 17 Rz 8.
6 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 75.
Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020