Gbk 2020/7/28 GBK I/825/18

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Veröffentlicht am 28.07.2020
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Belästigung durch Dritten

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 28. Juli 2020 über den am 29. Mai 2018 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/825/18, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG durch B diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin arbeite seit Juni 2016 als diplomierte Krankenschwester in Teilzeit bei der Y GmbH und sei dort seit Beginn ihrer Tätigkeit auf der Pflegestation im dritten Stock der Einrichtung dienstzugeteilt. Der Antragsgegner sei ebenfalls diplomierter Krankenpfleger und auf der gleichen Station tätig. Bis Februar 2018 habe es keine Probleme zwischen den beiden gegeben, da die Antragstellerin als Teilzeitkraft nicht viele Dienste verrichte und nur selten gemeinsam mit dem Antragsgegner Dienst verrichte.

Bei einer Dienstübergabe am 17. Februar 2018 sei es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen. Konkret sei es darum gegangen, dass die Antragstellerin bei einer Patientin die Wundbehandlung abgesetzt habe, nachdem die betreffende Wunde komplett verheilt gewesen sei. Dies habe sie den Kolleglnnen bei der Dienstübergabe berichtet, woraufhin der Antragsgegner begonnen habe, diese Entscheidung zu hinterfragen. Da es sich beim Antragsgegner um den Pflegeplanungsverantwortlichen für diese Patientin gehandelt habe, habe die Antragstellerin Auskunft darüber gegeben, weshalb sie die Wundbehandlung beendet habe.

Sie habe den Eindruck gehabt, dass der Antragsgegner dies nicht akzeptieren wolle. Er habe zu ihr gemeint, sie hätte die Behandlung und damit auch die Wunddokumentation aufrecht lassen sollen, da die Patientin voraussichtlich wieder eine Wunde bekommen werde, da sie immobil sei und man dann „das Ganze wieder neu beginnen müsse"; dies habe er mehrmals in bedrängender Weise wiederholt. Die Antragstellerin habe darauf entgegnet, dass dies zwar sein könne, es aber pflegerisch geboten sei, die Behandlung zu beenden, wenn die Wunde verheilt sei und sie dies daher so entschieden und gemacht habe.

Der Antragsgegner habe es dabei nicht belassen, sondern sich sehr dominant verhalten, sie immer wieder mit den Worten: „Na und?" unterbrochen und weiter bedrängt. Auf ihr Argument, dass der Zustand der Wunde ja auch mit einem Foto dokumentiert werde und man auf diesem sehen könne, dass die Wunde geschlossen sei und daher die Wundbehandlung beendet werden müsse, habe der Antragsgegner in aggressivem Tonfall entgegnet, dass sie ja ein „schwarzes Foto" machen könne und dann „keiner etwas erkennen könne" auf dem Bild.

Die anderen bei der Dienstübergabe anwesenden KollegInnen hätten nach der Wahrnehmung der Antragstellerin registriert, wie unpassend der Ton des Antragsgegners und auch der Inhalt seiner Bemerkungen gewesen sei, hätten aber nichts gesagt, sondern sich nur fragend angesehen und die Augenbrauen gehoben. Nur eine Kollegin, C, habe den Antragsgegner gefragt, ob er am Sonntag Dienst habe, was er bejahte und dann gesagt: „Ach so, dann verstehe ich, warum du so bist." Gemeint sei damit offenbar, dass er in diesem Dienst dann möglicher Weise wieder eine neue Wundbehandlung und -dokumentation anlegen würde müssen, falls die Wunde tatsächlich wieder vorhanden sein sollte. Die Situation habe damit geendet, dass der Antragsgegner die Antragstellerin weiter mit dem Thema bedrängt habe, als die Dienstübergabe schon beendet gewesen sei.

Das Verhalten des Antragsgegners ihr gegenüber bei dieser Dienstübergabe habe die Antragstellerin verärgert, daher habe sie beschlossen, dies mit dem Antragsgegner in einem persönlichen Gespräch zu klären. Sie habe bei Nachdenken über die Situation den Eindruck gewonnen, dass er offenbar schlecht verkraftete, dass sie als Frau diese aus Pflegesicht erforderliche und professionelle, aber für ihn möglicher Weise in der Folge Arbeit verursachende Entscheidung getroffen habe und dies auch konsequent vertrete, ohne sich dabei von ihm beirren zu lassen. Abseits der fachlichen Frage habe sie sich durch dieses Verhalten auf der persönlichen Ebene, auch im Zusammenhang mit ihrem Geschlecht, angegriffen gefühlt. Vorläufig habe sie keine Notwendigkeit gesehen, ihre Vorgesetzten zu informieren.

In ihrem nächsten Dienst, am 22. Februar 2018, habe die Antragstellerin den Antragsgegner daher nochmals auf diese Situation angesprochen und gesagt, dass sie den Ton nicht gutheiße, in dem er bei dieser Dienstübergabe mit ihr gesprochen habe und dass er in Zukunft anders mit ihr reden solle. Der Antragsgegner habe darauf aber nicht einsichtig, sondern aggressiv reagiert und zunächst gemeint, dass seiner Meinung nach die Antragstellerin den falschen Ton verwendet habe, dies habe er mit der Bemerkung: „so kannst du vielleicht mit deinem Mann reden, aber nicht mit mir" kommentiert. Die Antragstellerin habe diese Bemerkung als persönlich übergriffig und verletzend empfunden, da sie sich ihm gegenüber nie unangemessen verhalten habe und spontan erwidert: „Vielleicht kannst du mit deiner Frau so umgehen, aber mit mir nicht". Dieses Gespräch sei inzwischen etwas lauter geworden und die Antragstellerin sei daraufhin mit einer letzten Bemerkung, dass sein Gesprächsverhalten ihr gegenüber respektvoller zu sein habe, weggegangen. Daraufhin sei der Antragsgegner ihr gefolgt und habe im bedrohlichem Tonfall zu ihr gesagt: „Du kannst froh sein, dass du eine Frau bist, sonst würde ich dich jetzt schlagen!"

Die Antragstellerin sei von dieser Aussage schockiert gewesen und habe sich dadurch tief bedroht und angegriffen gefühlt. Kurz danach habe sie ihrer Kollegin C davon berichtet und dieser auch gezeigt, wie sehr sie die Bemerkung getroffen habe. Die Antragstellerin habe daraufhin beschlossen, sich wieder zu beruhigen und die Sache vorläufig zu verdrängen, da sie sonst nicht arbeitsfähig gewesen wäre. Sie habe sich daraufhin die Telefonnummer der stellvertretenden Pflegedienstleitung,D notiert und dieser noch am selben Abend eine Textnachricht zum Vorfall geschickt.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK vom Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 26. Juni 2020 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Er sei seit 23. Mai 2016 als diplomierter Krankenpfleger in Vollzeit bei Y GmbH angestellt und habe dort von Beginn an im Wohnbereich 3 im dritten Stock gearbeitet.

Dass die Antragstellerin ein Problem oder eine Diskussion mit ihm gehabt haben soll, habe er erst am 22. Februar 2018 von ihr erfahren. An diesem Tag sei sie während seines Nachtdienstes in der Früh um ca. 05:35 Uhr in den dritten Stock gekommen, ihr normaler Dienstbeginn sei um 07:00 Uhr.

Der Antragsgegner und seine Kollegin C seien beim Stützpunkt gesessen und hätten Nachtprotokolle eingetragen. Sie hätten die Antragstellerin wie immer gegrüßt, diese habe nicht geantwortet und sei mit erhobenem Zeigefinger auf den Antragsgegner zugekommen und habe geschrien: „So kannst du mit deiner Frau umgehen, aber nicht mit mir!". Der Antragsgegner habe im ersten Moment nicht gewusst, auf was sie hinauswolle und an einen Scherz unter Kollegen gedacht. Da er bis zu diesem Tag keine Probleme, geschweige denn Streitigkeiten mit der Antragstellerin gehabt habe, habe er sich ihr Verhalten nicht erklären können. Als er sie nach dem Grund gefragt habe, habe sie ihn vor der Kollegin angeschrien: „Du weißt ganz genau was ich meine und du brauchst nicht den Chef hier auf der Station zu spielen“.

Er habe sie gebeten, sich zu beruhigen und noch einmal zu erklären, was sie ihm sagen wollte und was sie mit „Chef spielen" meine. Sie habe daraufhin weitergeschrien, dass er ganz genau wisse, dass es um die Wunde von Frau X gehe und dass sie das Recht habe, die Wunddokumentation abzusetzen. Er solle nicht den Chef spielen und sie vor allen Kolleglnnen bei der Dienstübergabe fragen, wieso die Wunde abgesetzt worden sei. Der Antragsgegner habe sie darauf hingewiesen, dass er der Pflegeplanungsverantwortliche für diese Bewohnerin sei und das Recht habe, die Änderungen zu erfahren und gefragt, was das jetzt persönlich mit ihnen beiden zu tun habe, da es üblich sei, bei Dienstübergaben mit den Kolleglnnen zu beraten und zu diskutieren. Er habe ihr gesagt, auch wenn er gefragt habe, habe sie noch lange nicht das Recht ihn so anzuschreien und in ihren Worten geantwortet: „So kannst mit deinem Mann reden, aber nicht mit mir!".

Für den Antragsgegner sei es absolut unverständlich gewesen, dass eine fachliche Diskussion außerhalb einer Dienstübergabe zum Anlass für einen persönlichen Streit genommen werde. Er habe sie daher gebeten, solche fachlichen Diskussionen nicht privat mit ihm zu führen, sondern im Team bei der Dienstübergabe um 07:15 Uhr, bei der alle Kolleglnnen und auch die Vorgesetzte anwesend sein würden. Er sei ihr auch nicht nachgegangen und habe sie belästigt, wie sie behaupte, sondern sei an seinem Arbeitsplatz am Computer gesessen und sie sei beim Medikamentenwagen gewesen, der sich hinter dem Schreibtisch befinde. Von dort aus habe er die Station verlassen, indem er aufgestanden und gegangen sei.

Der Vorwurf, dass er gesagt habe, sie könne froh sein, dass sie eine Frau ist, sonst würde er sie schlagen, sei völlig aus der Luft gegriffen und einfach gelogen.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 10. März 2020 und des Antragsgegners vom 28. Juli 2020. Als weitere Auskunftspersonen wurden D, C, E, F, G und H am 10. März 2020 befragt.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 7. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen

[…]

3.   durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird

(2) Geschlechtsbezogene Belästigung liegt vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und

1.    eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft […]“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 7 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, der Antragsgegner habe die Antragstellerin mit dem Worten „du kannst froh sein, eine Frau zu sein, sonst würde ich dich schlagen“ geschlechtsbezogen belästigt, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin arbeitete als diplomierte Krankenschwester in Teilzeit und der Antragsgegner als diplomierter Krankenpfleger in Vollzeit. Beide waren bei der Y GmbH im dritten Stock beschäftigt.

Bei einer Dienstübergabe am 17. Februar 2018 kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den beiden, da die Antragstellerin die Wundbehandlung bei einer Patientin absetzte und der Antragsgegner diese Entscheidung hinterfragte.

Am 22. Februar 2018 sprach die Antragstellerin den Antragsgegner auf die Situation vom 17. Februar an und es kam erneut zu einer verbalen Auseinandersetzung. Im Zuge dessen sagte der Antragsgegner zur Antragstellerin: „Du kannst froh sein, dass du eine Frau bist, sonst würde ich dich jetzt schlagen!"

Die Antragstellerin war von dieser Aussage schockiert und erzählte dies kurz danach ihrer Kollegin C. Die Antragstellerin trat ihren Dienst an und kontaktierte am Abend nach Dienstende die stellvertretende Pflegedienstleitung, D.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.

Eingehend wird festgehalten, dass das, wenn auch drängende, Nachfragen seitens des Antragsgegners bei der Dienstübergabe am 17. Februar 2019, wieso die Antragstellerin die Wundbehandlung abgesetzt habe, keine geschlechtsbezogene Belästigung darstellt. Aus Sicht des Senates ist hierbei der Bezug auf das Geschlecht der Antragstellerin nicht ersichtlich und es fehlt außerdem an der benötigten Intensität. Vielmehr erscheint es für den Senat unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich beim Antragsgegner um den Pflegeverantwortlichen der Patientin handelte, durchaus nachvollziehbar, nach den Hintergründen der von der Antragstellerin gesetzten Entscheidung zu fragen.

Die geschlechtsbezogene Belästigung bezieht sich sowohl auf das biologische Geschlecht an sich, d. h. auf die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, als auch auf daran anknüpfende Rollenzuweisungen. Unter geschlechtsbezogenes Verhalten sind jene Verhaltensweisen zu subsumieren, die die Betroffenen aufgrund ihres Geschlechtes belästigen, die aber nichts mit sexuellem Verhalten zu tun haben. Kern der Belästigung im Sinne des § 7 ist das Abzielen auf das bloße Geschlecht.4

Wie aus dem Sachverhalt hervorgeht, tätigte der Antragsgegner im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung folgende Aussage gegenüber der Antragstellerin: „Du kannst froh sein, dass du eine Frau bist, sonst würde ich dich jetzt schlagen!". In Hinblick auf die Formulierung „[…] kannst froh sein, dass du eine Frau bist, sonst[…]“ ist das geforderte Abzielen auf das Geschlecht explizit gegeben.

Um von einer Belästigung iSd § 7 Abs. 2 sprechen zu können, muss durch eine geschlechtsbezogene Verhaltensweise die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden.5 Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor.

Das zu beurteilende Verhalten muss für die betroffene Person unerwünscht sein (§ 7 Abs. 2). Unerwünscht ist ein Verhalten dann, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Dies muss für den Belästiger/die Belästigerin erkennbar sein. An das ablehnende Verhalten der betroffenen Person dürfen aber keine hohen Ansprüche gestellt werden.6

Objektiv betrachtet war das Verhalten des Antragsgegners jedenfalls geeignet, die Würde der Antragstellerin zu beeinträchtigen, da er nicht davon ausgehen kann, dass es in Ordnung ist, einer Kollegin im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung klarzumachen, dass er sie nur deshalb von der Anwendung von Gewalt verschone, weil sie eine Frau ist. Die Ablehnung eines bestimmten Verhaltens ist nicht nur dann gegeben, wenn sich die betroffene Person lautstark zur Wehr setzt, sondern kann auch schlüssig erfolgen.7 Die Antragstellerin konnte durch ihr Vorbringen glaubhaft darlegen, dass eine unmittelbar folgende Reaktion auf diese Aussage des Antragsgegners für sie nicht möglich war, da sie derart schockiert war und sich bedroht fühlte. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Antragstellerin dabei war, ihren Tagdienst anzutreten und daher nicht die Möglichkeit hatte, das Verhalten unverzüglich zu melden, wird die subjektive Ablehnung des Verhaltens dadurch demonstriert, dass sie einerseits unverzüglich danach ihrer Kollegin vom Vorfall erzählte und andererseits nach Dienstende die Pflegedienstleitung kontaktierte.

§ 7 Abs. 2 Z 1 setzt weiters voraus, dass ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies zumindest bezweckt. Durch die geschlechtsbezogenen Verhaltensweisen entsteht regelmäßig ein belastendes Arbeitsklima, das die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigt. Sie fühlen sich in ihrer Bewegungsfreiheit am Arbeitsplatz eingeschränkt und stehen unter permanenter Anspannung.8

Die Antragstellerin fühlte sich aufgrund des Vorfalls an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr wohl, was sich insbesondere daran zeigte, dass die Antragstellerin in der mündlichen Befragung schilderte, nach dem Vorfall ein feindseliges Arbeitsklima ihr gegenüber wahrgenommen zu haben und schließlich das Dienstverhältnis kündigte.

Die Antragstellerin wiederholte im mündlichen Vorbringen in für den Senat nachvollziehbarer Weise die erhobenen Vorwürfe gegen den Antragsgegner ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag und konnte somit den Vorwurf der geschlechtsbezogenen Belästigung glaubhaft machen. Bei dieser Befragung kam auch die persönliche Betroffenheit der Antragstellerin zum Ausdruck.

Daher verlagerte sich die Beweislast auf den Antragsgegner.

Dem Antragsgegner hingegen gelang es nicht, die Vorwürfe ausreichend zu entkräften. Insbesondere erscheint es für den Senat nicht glaubwürdig, dass es – wie vom Antragsgegner in der Sitzung geschildert – überhaupt keine Auseinandersetzung bezüglich der Wundabsetzung gegeben haben soll. Weiters ging er auf die Frage des Senates nach dem genauen Wortwechsel bei den Dienstübergaben nicht ein und verwies lediglich auf sein schriftliches Vorbringen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

VORSCHLAG

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu

beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes

Wien, 28. Juli 2020

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz 3.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz 16.

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz 17.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 26.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz 18.

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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