TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/14 VGW-001/V/016/7663/2019

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Veröffentlicht am 14.06.2019
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Entscheidungsdatum

14.06.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49 Abs1
VStG §49 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die Beschwerde des A. B., C.-gasse, Wien, vom 25.3.2019 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 5.3.2019, Zl. ..., mit welchem dem Einspruch vom 19.2.2019 gegen die Strafverfügung vom 6.2.2019 Folge gegeben und die über den Beschwerdeführer verhängte Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe neu bemessen wurden,

zu Recht:

I.       Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 5.3.2019 wurde – mit näherer Begründung – dem Einspruch des Beschwerdeführers vom 19.2.2019 gegen die Strafverfügung vom 6.2.2019 Folge gegeben und die Geldstrafe mit EUR 50,– bzw. die für den Fall der Uneinbringlichkeit verhängte Ersatzfreiheitsstrafe mit zwei Stunden neu bemessen.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 25.3.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vorbringt, er sei als Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung von der Rundfunkgebühr befreit und könne für die Strafe nicht aufkommen.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien (einlangend am 5.6.2019) vor.

Das Verwaltungsgericht Wien stellt den folgenden – entscheidungserheblichen – Sachverhalt fest:

Mit Strafverfügung vom 6.2.2019 wurde dem Beschwerdeführer eine Übertretung des § 2 Abs. 5 iVm § 4 Abs. 1 RGG zur Last gelegt und über ihn gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz dritter Fall RGG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 100,– bzw. für den Fall, dass jene uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Stunden verhängt.

Dagegen richtet sich der fristgerecht eingebrachte Einspruch des Beschwerdeführers vom 15.2.2019, mit welchem jener – wörtlich – wie folgt vorbringt:

„Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich erhebe Einsruch [sic!] gegen die Strafverfügung, da ich seit Dezember 2014 Mindestsicherung beziehe!

Hochachtungsvoll

[Eigenhändige Unterschrift]

A. B.“

(Unkorrigiertes Originalzitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen)

Daraufhin erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautet:

„Ihrem Einspruch vom 19.02.2019 gegen die Strafverfügung vom 06.02.2019 (siehe obige GZ) wird Folge gegeben und die Geldstrafe mit € 50,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 0 Tag(en) 2 Stunde(n) 0 Minute(n)) neu bemessen.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% für jede einzelne verhängte Strafe, jedoch mindestens € 10,00.“

(Unkorrigiertes Originalzitat)

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde explizit davon aus, dass sich der Einspruch vom 15.2.2019 (behördlich einlangend am 19.2.2019) ausschließlich gegen die Höhe der mit Strafverfügung vom 6.2.2019 verhängten Strafe richte.

Zur Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit das Verwaltungsgericht Wien keinen Zweifel hegt.

Die Feststellungen zur Strafverfügung vom 6.2.2019, zum Einspruch vom 15.2.2019 sowie zum angefochtenen Straferkenntnis ergeben sich aus den entsprechenden dem verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Dokumenten (siehe AS 9 f., 11 und 14 f.) und werden im Übrigen auch nicht bestritten.

Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu erwogen:

Der hier maßgebliche § 49 VStG, BGBl. Nr. 52/1991, lautet in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 – auszugsweise – wie folgt:

„§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) […]“

Gemäß § 49 Abs. 2 VStG hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, darüber zu entscheiden. Bei der Beurteilung des Umfangs eines Einspruches ist der Umstand maßgebend, ob „ausdrücklich nur“ das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten wird. Im Zweifel hat die Behörde davon auszugehen, dass sich der Einspruch gegen die gesamte Strafverfügung richtet (vgl. VwGH 23.3.2016, Ra 2015/02/0247, mwN). Für die Beurteilung der Frage, ob im gegen eine Strafverfügung gerichteten Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, kommt es auf den Inhalt dieses Einspruches in seiner Gesamtheit an. Maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der Beschuldigte auch den Schuldspruch bekämpft hat (vgl. VwGH 24.10.2002, 99/15/0172).

Aus dem objektiven Erklärungswert des Einspruches vom 15.2.2019 lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten hat. Vielmehr kann dem Vorbringen, er sei seit Dezember 2014 Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, auch eine Bekämpfung des Schuldspruches entnommen werden. Dies vor allem im Hinblick darauf, dass § 3 Abs. 5 RGG iVm § 47 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, eine Befreiung von den Rundfunkgebühren nach § 3 Abs. 1 RGG u.a. auch für Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit vorsieht.

Die Strafverfügung wurde somit – aus hg. Sicht – nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach bekämpft.

§ 49 Abs. 2 vierter Satz VStG sieht vor, dass durch den Einspruch gegen eine Strafverfügung, wenn dieser rechtzeitig eingebracht wurde und darin nicht ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft tritt (vgl. VwGH 3.5.2017, Ro 2016/03/0027).

Aufgrund des rechtzeitig und dem Grunde nach erhobenen Einspruches des Beschwerdeführers vom 15.2.2019 ist die Strafverfügung vom 6.2.2019 außer Kraft getreten. Von der belangten Behörde hätte in der Folge das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden müssen.

Indem die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass mit dem Einspruch vom 15.2.2019 nur das Strafmaß bekämpft wurde, sie aus diesem Grund das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren nicht eingeleitet und in der Folge mit Straferkenntnis vom 5.3.2019 nur über die Strafhöhe – nicht aber über die Übertretungen dem Grunde nach – abgesprochen hat, hat sie ihre Entscheidungspflicht verletzt. Der Beschwerdeführer wurde – aufgrund der unrechtmäßigen Verweigerung der Einleitung des ordentlichen Verfahrens durch die belangte Behörde – in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung eines ordentlichen Verfahrens gemäß § 49 Abs. 2 VStG sowie in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. VfSlg. 8775/1980).

Wertet die belangte Behörde den Einspruch des Beschuldigten fälschlicherweise als „ausdrücklich nur [gegen] das Ausmaß der verhängten Strafe“ und verweigert sie dadurch eine ihr zukommende Zuständigkeit zur Entscheidung über den Einspruch dem Grunde nach, so ist das Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. VwGH 15.5.1991, 91/02/0002).

Es war daher – ohne Eingehen auf das Beschwerdevorbringen – spruchgemäß zu entscheiden.

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde im Übrigen auch von keiner Verfahrenspartei beantragt.

Zum Revisionsausspruch:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).

Schlagworte

Strafverfügung; Einspruch; Umfang; objektiver Erklärungswert

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.001.V.016.7663.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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