TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/18 VGW-103/064/3791/2019/E

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Veröffentlicht am 18.07.2019
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Entscheidungsdatum

18.07.2019

Index

10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

VersammlungsG §7a Abs2
VersammlungsG §7a Abs4
B-VG Art. 89 Abs1
B-VG Art. 135 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Wildpanner-Gugatschka über die Beschwerde der A., vertreten durch Frau B. C., diese vertreten durch RECHTSANWÄLT_INNEN GmbH, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Referat für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten, vom 23.11.2017, Gz.: …, betreffend Versammlung am 25.11.2017 - Untersagung,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Schreiben vom 2.11.2017 wurde von der A. (im Folgenden: Beschwerdeführerin) bei der Landespolizeidirektion Wien (im Folgenden: belangte Behörde) eine Versammlung zum Zweck „D.“ am 25.11.2017 von 13 bis 16 Uhr in Wien, E.-gasse, angezeigt.

Am 21.11.2017 wurde der bevollmächtigten Vertreterin der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass am 25.11.2017 am F.-platz eine Versammlung zum Thema „G.“ stattfindet und dass für diese Versammlung ein Schutzbereich von 150 Metern im Umkreis der Versammelten festgelegt wird. Die angezeigte Versammlung würde innerhalb dieses Schutzbereichs liegen. Die belangte Behörde beabsichtige daher die Untersagung der angezeigten Versammlung in der E.-gasse, falls die Versammlungsörtlichkeit nicht so abgeändert werde, dass sie außerhalb des Schutzbereichs von 150 Metern liegt. Die bevollmächtigte Vertreterin der Beschwerdeführerin gab dazu an, dass die Versammlungsanzeige aufrecht bleibt.

Mit der Verordnung der belangten Behörde vom 23.11.2017 wurde gemäß § 7a Abs. 2 Versammlungsgesetz der Schutzbereich der Versammlung des Vereins „H.“ zum Thema „G.“ am 25.11.2017 von 14 Uhr bis 17 Uhr im Bereich F.-platz – E.-gasse – … mit 150 Metern im Umkreis um die Versammelten festgelegt. Die Verordnung wurde auf der Website der belangten Behörde kundgemacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.11.2017, Zl. …, wurde die von der Beschwerdeführerin angezeigte Versammlung gemäß § 7a Abs. 4 Versammlungsgesetz untersagt. Diese Entscheidung wurde auszugsweise wie folgt begründet:

„Für den 25.11.2017 wurde der Behörde von einem anderen Veranstalter bereits zeitlich früher eine Versammlung zum Thema „G.“ angezeigt. Diese Versammlung soll um 14.00 Uhr in Wien, F.-platz stattfinden bzw. ihren Ausgangspunkt nehmen. Gemäß § 7a Abs. 2 VersG wird von der Behörde um die dort Versammelten ein Schutzbereich von 150m verordnet.

Gemäß § 7a Abs. 4 VersG ist eine Versammlung am selben Ort und zur selben Zeit sowie im Schutzbereich einer rechtmäßigen Versammlung verboten.

Die angezeigte Versammlung der A. wurde im Schutzbereich der zeitlich früher angezeigten Versammlungen „G.“ und zur selben Zeit stattfinden. Die Anmeldung von einer Versammlung an einem Ort, an dem bereits eine andere stattfinden soll, ist zumeist Ausdruck dafür, dass die ursprüngliche Versammlung gestört oder ihr Ziel verhindert werden soll. Eine demokratische Gesellschaft muss es aber aushalten, dass jeder im verfassungsgesetzlich vorgegebenen Rahmen seine Meinung kundtun darf, ohne dass ihm dies durch andere verunmöglicht wird. Sinn und Zweck des Schutzbereichs einer ordnungsgemäß angezeigten Versammlung ist, dass eine solche Versammlung den Raum und Rahmen hat, ungestört abgehalten werden zu können.

Die Versammlung der A. richtet sich gegen die Versammlung zum Thema „G.“ und ist somit als Gegendemonstration anzusehen. Schon am 17.12.2016 fand in Wien eine Gegendemonstration der A. gegen eine Versammlung zum Thema „K.“ statt. Der Veranstalter dieser letztgenannten Versammlung war derselbe wie derjenige am 25.11.2017, auch damals richtete sich die Versammlung gegen das Thema …. Aus der Gegendemonstration „A.“ lösten sich etwa 70 Personen und begaben sich direkt zum Versammlung für „K.“. Ca. 30 Personen waren vermummt. Die Polizei schritt dagegen ein, drängte die Gegendemonstranten ab und hielt letztendlich 24 Personen an, gegen welche Anzeige wegen Verletzung des Versammlungsgesetzes erstattet wurde.

Die bevollmächtigte Vertreterin der A., Frau […], wurde auf den gesetzlichen Schutzbereich von 150m gemäß § 7a Abs. 2 VersG hingewiesen. Es wurde ihr ausdrücklich zur Kenntnis gebracht, dass der von ihr intendierte Versammlungsort im Schutzbereich der anderen Versammlung liege und ihre Versammlung untersagt werden müsse, falls keine Änderung der Örtlichkeit (zumindest 150m Entfernung) vorgenommen werde. Sie erklärte, dass sie die Versammlungsörtlichkeit nicht ändern werde und ersuchte um Zustellung des allfälligen Untersagungsbescheides per E-Mail.

Die Versammlung der A. war zu untersagen, weil ihre Abhaltung gegen § 7a Abs. 4 VersG verstoßen würde (sie würde zur selben Zeit im Schutzbereich der zeitlich früher angezeigten Versammlung zum Thema „G.“ stattfinden) und die Versammlung zum Thema „G.“ daher nicht ungestört veranstaltet werden könnte.

[…]“

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher vorgebracht wird, dass die Untersagung der Versammlung durch die belangte Behörde unverhältnismäßig sei. Auch im Fall von zwei inhaltlich konträren Versammlungen habe der Staat für Maßnahmen zu sorgen, die den ungehinderten Ablauf beider Versammlungen ermöglichen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bestehe eine staatliche Pflicht, jede ordnungsgemäß angezeigte und nicht nach § 6 Versammlungsgesetz zu untersagende Versammlung erforderlichenfalls zu schützen und ihre Abhaltung zu garantieren. Die belangte Behörde habe die Untersagung der Versammlung unzureichend gerechtfertigt und eine entsprechende Interessensabwägung unterlassen. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund ein Schutzbereich von 150 Metern angeordnet wurde und hätte durchaus ein geringerer Schutzbereich vereinbart bzw. vorgeschrieben werden können. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Norm des § 7a Abs. 2 Versammlungsgesetz sei verfassungswidrig.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien am 15.1.2018 zur Entscheidung vor.

In der Beschwerdeverhandlung am 8.5.2018 wurde die Beschwerde mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit zurückgewiesen, da der Termin der angezeigten Versammlung bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung verstrichen war. Dieser verkündete Beschluss wurde nach rechtzeitiger Stellung eines Antrags gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG schriftlich ausgefertigt.

Mit Erkenntnis vom 7.3.2019, Zl. …, hob der Verfassungsgerichtshof den Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 8.5.2018 wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Versammlungsfreiheit auf.

Die Rechtssache wurde nach Einlangen der behebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gemäß Punkt 2.1.6. der geltenden Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtes Wien der Gerichtsabteilung 48 – Frank abgenommen und neu zugeteilt.

II. Rechtliche Beurteilung

 

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98/1953 idF BGBl. I Nr. 63/2017, lauten:

„§ 2. (1) Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 48 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 48 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

[…]

§ 6. (1) Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen.

[…]

§ 7a. (1) Der Schutzbereich einer rechtmäßigen Versammlung ist jener Bereich, der für deren ungestörte Abhaltung erforderlich ist.

(2) Die Behörde hat unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, der Anzahl der erwarteten Teilnehmer sowie des zu erwartenden Verlaufes den Umfang des Schutzbereiches festzulegen. Die Festlegung eines Schutzbereiches, der 150 Meter im Umkreis um die Versammelten überschreitet, ist nicht zulässig.

(3) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Festlegung des Schutzbereiches absehen, wenn 50 Meter im Umkreis um die Versammelten als Schutzbereich angemessen sind. Wird von der Behörde nichts anderes festgelegt, gelten 50 Meter im Umkreis um die Versammelten als Schutzbereich.

(4) Eine Versammlung ist am selben Ort und zur selben Zeit sowie im Schutzbereich einer rechtmäßigen Versammlung verboten.“

[…]

§ 13. (1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§ 16 Abs. 1 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.

[…]“

Die auf der Homepage der belangten Behörde kundgemachte Verordnung vom 23.11.2017 lautet:

„Verordnung der Landespolizeidirektion Wien, mit der der Schutzbereich einer Versammlung am 25.11.2017 von 14.00 Uhr – 17.00 Uhr im Bereich F.-platz – E.-gasse – …, festgelegt wird.

Gemäß § 7a Abs. 2 Versammlungsgesetz (BGBl. 98/1953 i.d.F. BGBl. I Nr. 63/2017) wird verordnet:

§ 1

Der Schutzbereich der Versammlung des Vereins „H.“ zum Thema „G.“ am 25.11.2017 von 14.00 Uhr – 17.00 Uhr im Bereich F.-platz – E.-gasse – …, wird mit 150 Metern im Umkreis um die Versammelten festgelegt.

§ 2

Diese Verordnung tritt mit Ende der Versammlung, spätestens am 25.11.2017, 17.00 Uhr außer Kraft.“

2. Die Verordnung vom 23.11.2017, mit welcher der Schutzbereich der Versammlung zum Thema „G.“ festgelegt wurde, wurde auf der Homepage der belangten Behörde kundgemacht. Damit wurde – mangels besonderer gesetzlicher Kundmachungsvorschriften – dem verfassungsrechtlichen Gebot der ortsüblichen Kundmachung Genüge getan, da alle Adressaten von ihr Kenntnis erhalten konnten (vgl. VfGH 18.9.2015, V 96/15 mwN).

Gemäß Art. 89 Abs. 1 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG steht dem Verwaltungsgericht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen nicht zu. Somit geht das im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des festgelegten Schutzbereichs

erstattete Beschwerdevorbringen ins Leere. Mangels erkennbarer Rechtswidrigkeit des Inhalts bzw. der Kundmachung (dazu VfGH 28.6.2017, V 4/2017) der Verordnung sieht sich das erkennende Gericht auch nicht zur Stellung eines Normprüfungsantrags an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 B-VG veranlasst.

Die belangte Behörde kam ihrer Verpflichtung nach, die Beschwerdeführerin vor Untersagung der Versammlung darauf aufmerksam zu machen, dass die Versammlung wegen einzelner Umstände – im vorliegenden Fall der Versammlungsort und die Versammlungszeit – zu untersagen sei und die Änderung der Versammlungsanzeige nahe zu legen (vgl. VfGH 10.12.1998, B 1801/98 mN).

Nachdem die Beschwerdeführerin ausdrücklich erklärte, die Versammlungsanzeige unverändert aufrecht zu erhalten, wurde die Versammlung von der belangten Behörde zu Recht untersagt, da sie am selben Versammlungsort (E.-gasse) bzw. in einem Abstand von weniger als 150 Metern (F.-platz) von der Versammlung zum Thema „G.“ stattfinden sollte.

3. Betreffend der behaupteten Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Norm des § 7a Versammlungsgesetz ist auf die jüngst ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 17.6.2019 zur Zl. G 271/2018 hinzuweisen, laut welcher die zuständige Behörde gemäß § 7a Abs. 2 und 3 Versammlungsgesetz für eine angemeldete Versammlung einen Schutzbereich zwischen null bis 150 Metern festzulegen hat, wobei sie verpflichtet ist, die Angemessenheit und Erforderlichkeit des genauen Umfanges unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls zu überprüfen.

 

4. Im vorliegenden Fall ergibt sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt und ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig. Mit der Beschwerde werden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, die nicht übermäßig komplex sind bzw. deren Beantwortung sich auf Grund der zwischenzeitig ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 17.6.2019, Zl. G 271/2018, erübrigt. Soweit die Verhältnismäßigkeit des festgelegten Schutzbereichs moniert wird, ist auf die Bindung des Verwaltungsgerichtes an gehörig kundgemachte Verordnungen gemäß Art. 89 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG zu verweisen. Somit konnte trotz des dahingehenden Antrags der Beschwerdeführerin die Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG getroffen werden.

5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Versammlung; Untersagung; Verordnung; Schutzbereich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.103.064.3791.2019.E

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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