Entscheidungsdatum
20.07.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §49 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Trefil über die Beschwerde des A. B. vom 28.6.2020 gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 23.6.2020, Zl. MA67/?..., wegen Übertretung des § 23 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO, BGBl. Nr. 159/1960,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos behoben.
II. Gemäß § 25a VwGG ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Dem angefochtenen Straferkenntnis vom 23.6.2020 wegen Übertretung des § 23 Abs. 2 StVO ging - wie sich unstrittig aus dem Verwaltungsstrafakt ergibt - jeweils eine an den Beschwerdeführer gerichtete Anonymverfügung der belangten Behörde vom 9.12.2019 über eine Geldstrafe von 48 Euro gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO sowie nachfolgend eine Strafverfügung vom 14.1.2020 über eine (nunmehr höhere) Geldstrafe von 68 Euro voraus, wobei in der Folge im ordentlichen Verfahren zusätzlich nur mehr ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von 10 Euro vorgeschrieben wurde.
Die Strafverfügung wurde am 14.1.2020 behördenintern genehmigt, amtssigniert, an diesem Tag um 06:33:14 Uhr abgefertigt und postalisch versandt. Die Zustellung an die Wohnadresse des Beschwerdeführers erfolgte ohne Zustellnachweis.
Mit E-Mail vom 1.2.2020 erhob der Beschwerdeführer (dem gesamten Inhalt nach unverkennbar einen) Einspruch gegen die voran genannte Strafverfügung vom 14.1.2020.
Die belangte Behörde leitete sodann das ordentliche Strafverfahren ein, befragte niederschriftlich den meldungslegenden Beamten als Zeugen, gewährte dem Beschwerdeführer Parteiengehör und erließ das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.
Der Beschwerdeführer erhob mit Eingabe vom 28.6.2020 per E-Mail die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte dem Verwaltungsgericht Wien den (hier am 2.7.2020 einlangenden) Akt des Verwaltungsstrafverfahrens vor.
Mit Schreiben vom 10.7.2020 brachte das Verwaltungsgericht Wien dem Beschwerdeführer den sich aus der Aktenlage ergebenden Sachverhalt (wie nachfolgend wiedergeben) zur Kenntnis und gewährte ihm eine einwöchige Frist ab Zustellung für eine Stellungnahme (Hervorhebungen im Original):
"Ihr schriftlicher Einspruch vom 01.02.2020, gegen die Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, MA 67, vom 14.01.2020, Zahl MA67/?..., wegen Übertretung des § 23 Abs. 2 StVO, wurde offensichtlich verspätet eingebracht.
Die Strafverfügung wurde am 14.01.2020 per Post versandt. Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellungsorgan bewirkt.
Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist begann daher am 17.01.2020 und endete am 31.01.2020. Der Einspruch wurde erst am 01.02.2020 per E-Mail an die belangte Behörde übermittelt."
Mit E-Mail vom 19.07.2020 nahm der Beschwerdeführer dazu wie folgt fristgerecht Stellung:
"Sehr geehrte Mitarbeiter des Verwaltungsgericht
Ich bitte um einen Termin wegen persönlicher Aussprache.
Mein Mangel an das erklären in Schrift ist leider gegeben und ich kann es mündlich besser erklären und ich bin nach wie vor der meinung das diese zwei parkaufsichtsorgane sehr wohl ihren Status missbraucht haben. Ich habe in meinen leben mindestens schon 60 straffen wegen parken bezahlt niemals habe ich nich beschwert aber dieses eine mal muss ich es .
Ich habe schon insgesamt 4 Emails an.das Magistrat 67 geschrieben.aber niemals gaben sie mir eine Antwort.
Ich habe am 30.1.2020 dort angerufen und wollte von meinen recht Gebrauch nehmen um denn Sachverhalt dar zulegen.
Mir würde mitgeteilt das die zuständige Dame nicht im Haus sei und sie mich am Montag zurück rufen wird was nicht passierte .
Durch meine Telefon aufzeichnungen ist das beleg bar.
Da habe ich vorsichtshalber dann eine Email geschrieben .
Aber die Abteilung ma 67 sieht das anscheinend nicht wert drauf einzugehen und verdreht die Tatsachen.
Was ist das für eine Behörde die sich über die Rechte des Bürgers hinweg setzt und ihren Aufgaben nicht nachkommt.mein Recht ist es das ich Einsprüche erhebe und es ist mein Recht soweit ich informiert bin das ich eine Antwort bekomme und mich erklären darf. Seit monaten bekomme ich keine Antwort. Und laut gesetz habem wir die vorgabe binnen 2 Wochen zu antworten wird das nicht gemacht gilt das als akzeptiert. Und wir reden hier aber von Monaten lang keine Antwort. Was soll das????
Ich bitte um Unterstützung
Ich sehe keinen Ausweg und bitte sie mir zuhelfen
Danke in voraus
B."
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 49 Abs. 1 VStG hat der Beschuldigte das Recht, gegen eine Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch zu erheben.
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Gemäß § 33 Abs. 4 AVG können durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.
§ 26 des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982, samt Überschrift lautet:
"Zustellung ohne Zustellnachweis
§ 26. (1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.
(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."
Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG wird von einer rechtswirksam erfolgten Zustellung der mit 14.1.2020 datierten und an diesem Tag (ein Dienstag) auch abgesendeten Strafverfügung am dritten Werktag, also am 17.1.2020 (ein Freitag) ausgegangen. Ein Zustellmangel ist nicht hervorgekommen, insbesondere wegen einer Abwesenheit des Beschwerdeführers von der Abgabestelle in dieser Kalenderwoche, sodass er nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.
Der Beschwerdeführer hat insoweit den Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung vom 14.1.2020, die behördlich am selben Tag abgefertigt worden war, (spätestens) drei Werktage später, am Freitag, den 17.1.2020, nicht bestritten und auch keinen anderen Zustellzeitpunkt behauptet. In seinem E-Mail vom 1.2.2020 nimmt er auf die Strafverfügung Bezug, hat diese also auch tatsächlich bekommen. Eine Ortsabwesenheit im Zustellzeitpunkt ergibt weder aus dem Akteninhalt noch aus seinem damaligen Vorbringen und wurde auch nicht auf Vorhalt des Verwaltungsgerichts Wien erwähnt bzw. belegt.
Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen eine Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben. Diese gesetzlich normierte Frist ist gemäß § 33 Abs. 4 AVG behördlich nicht erstreckbar. Nach § 49 Abs. 3 VStG ist die Strafverfügung zu vollstrecken, wenn der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird.
Im gegenständlichen Fall endete die zweiwöchige Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung vom 14.1.2020 am Freitag, dem 31.1.2020. Der trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am Samstag, dem 1.2.2020 (Absendedatum der E-Mail des Beschwerdeführers) eingebrachte Einspruch des Beschwerdeführers war somit verspätet, woraus folgt, dass die Strafverfügung vom 14.1.2020 mangels Einbringung eines fristgerechten Einspruchs in Rechtskraft erwachsen und damit die gegenständliche Verwaltungsstrafsache rechtskräftig entschieden ist.
Der Durchführung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens in derselben Verwaltungsstrafsache und der (neuerlichen) Erlassung eines diesbezüglichen Schuld- und Strafausspruchs, wie dies mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis geschah, stand daher als Folge der Rechtskraft das Wiederholungsverbot entgegen, welches bis zur Rechtskraft des Straferkenntnisses in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen ist (VwGH 17.2.1992, 91/19/0322; und zuletzt etwa bei einer Bekämpfung der Strafhöhe im Einspruch VwGH 27.1.2020, Ra 2019/02/0203, Rz. 9 f).
Ist der Einspruch gegen eine Strafverfügung verspätet, so ist die Strafverfügung mit Ablauf der Einspruchsfrist rechtskräftig, weshalb es der Erstbehörde verwehrt ist, ein Strafverfahren einzuleiten und neuerlich ein Straferkenntnis gegen den Beschuldigten zu fällen (VwGH 4.5.1988, 87/03/0218).
Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Salzburg, mit dem aufgrund einer Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg das angefochtene Straferkenntnis als mit der Rechtskraft der Strafverfügung nicht vereinbar aufgehoben und gleichzeitig der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung als verspätet zurückgewiesen wurde, hinsichtlich der Zurückweisung des Einspruchs gegen die Strafverfügung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des (im dortigen Verfahren) belangten unabhängigen Verwaltungssenats aufgehoben, zumal es diesem verwehrt war, den Einspruch als verspätet zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist somit auch in einer solchen Konstellation wie der vorliegenden ein verspäteter Einspruch mit Bescheid von jener Behörde zurückzuweisen, die die Strafverfügung erlassen hat (VwGH 3.10.2008, 2008/02/0150, Pkt. 2; ebenso VwGH 22.02.2013, 2010/02/0168).
In diesem Beschwerdeverfahren war das angefochtene Straferkenntnis somit aufzuheben, zumal wegen der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat bereits mit der nach verspätetem Einspruch in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung eine Bestrafung erfolgt war.
Die Zuständigkeit zur Zurückweisung des verspätet eingebrachten Einspruchs bzw. der Zurückweisung des somit unzulässigen Einspruchs liegt bei der belangten Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat.
Das angefochtene Straferkenntnis war daher ersatzlos zu beheben.
Eine Verhandlung war (in der Beschwerde) nicht beantragt und konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG entfallen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Strafverfügung; Einspruch; RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.082.7861.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020