Entscheidungsdatum
17.08.2020Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §2 Abs1 Z10Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde der Frau A. B., Wien, C.-Straße, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 09.04.2020, Zahl MA67/..., wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 StVO,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 15,60 Euro zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 4 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision wegen Verletzung in Rechten an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundesverfassungsgesetzes – B-VG nicht zulässig. Eine Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gemäß § 25a VwGG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 09.04.2020, Zahl MA67/..., lautet wie folgt:
„1. Datum: 02.01.2020, 17:22 Uhr
Ort: Wien, D.-straße
Betroffenes Fahrzeug: Kennzeichen: W-... (A)
Sie haben das Fahrzeug mit allen Rädern auf dem Gehsteig, welcher hierdurch vorschriftswidrig benützt wurde, abgestellt, obwohl die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art verboten ist und die Ausnahmebestimmungen nach § 8 Abs. 4 Ziffer 1 bis 3 StVO 1960 nicht vorlagen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, […] Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
1. € 78,00 0 Tage(n) 18 Stunde(n) 0 § 99 Abs. 3 lit. a StVO
Minute(n)
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10 für jedes Delikt.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 88,00“
2. Dagegen richtet sich die am 12.05.2020 rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vorbringt, dass es sich bei der im Straferkenntnis bezeichneten Örtlichkeit, auf der ihr PKW am 02.01.2020 abgestellt gewesen sei, nicht um einen Gehsteig, sondern um den Vorplatz zur Garageneinfahrt des Objektes D.-straße handle. Die belangte Behörde scheine den Gehsteig mit der Garagenzufahrt zu verwechseln. Der Gehsteig bestehe nur aus dem schmalen Streifen entlang der D.-straße, der durch Aufrauung von der Straße bzw. Garagenzufahrt abgehoben sei. Beim Vorplatz handle es sich keineswegs um einen „für den Fußgängerverkehr bestimmten Gehsteig“ und auch nicht um eine „Straße, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzt werden könne“ bzw. die zur „allgemeinen Benutzung“ freistehe. Die angebliche „Straße“ führe nämlich augenscheinlich nur zur Garage. Sie könne auch nicht verstehen, dass das Eigentumsrecht keine Rolle spielen sollte. Die Benutzung dieses Vorplatzes zur Abstellung ihres PKW sei ihr von den Liegenschaftseigentümerinnen gestattet worden; außerdem stehe ihr ein grundbücherlich verankertes Fruchtgenussrecht an der gesamten Liegenschaft zu. Die Anbringung von Schranken bei einer Garageneinfahrt sei völlig sinnlos und kontraproduktiv, da dadurch eine freie Ein- und Ausfahrt nur erschwert möglich sei. Auch Hinweisschilder zur Kennzeichnung des Privatgrundes seien überflüssig, da für jedermann leicht erkennbar sei, dass es sich bei dem Vorplatz um eine Garagenzufahrt und nicht um eine der Öffentlichkeit zugängliche Verkehrsfläche oder einen Gehsteig handle. Eine Nichtbeachtung des Eigentumsrechtes sei eine Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze. Lediglich um mit dem PKW auf den Garagenvorplatz zu gelangen, sei es notwendig, den zwischen D.-straße und dem Garagenvorplatz liegenden Gehsteig zu überfahren. Dies sei jedoch nach der Ausnahmebestimmung des § 8 Abs. 4 Z 1 StVO möglich und zulässig.
3.1. Das Verwaltungsgericht Wien nimmt folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
In Wien, D.-straße verläuft entlang der Fahrbahn ostseitig ein Gehsteig, der deutlich erkennbar dem Fußgängerverkehr gewidmet ist, da dieser mit Randsteinen von der für den Fließverkehr bestimmten Fahrbahn, sowie durch dessen Oberflächengestaltung und Niveauunterschied abgegrenzt ist. Auf Höhe ONr. 1 befindet sich ostseitig an den Gehsteig angrenzend, eine trapezförmige Einbuchtung, welche nordseitig durch eine Garage sowie ostseitig durch einen Holzzaun begrenzt ist. Die Fläche dieser Einbuchtung hebt sich aufgrund ihrer äußeren Ausgestaltung in keiner Weise vom übrigen Gehsteig ab, zumal die Oberflächengestaltung (Kopfsteinpflaster) als auch das Höhenniveau ident sind. Eine Absperrung, Abschrankung oder sonstige bauliche oder technische Maßnahme, die als Sperre/Hindernis zum übrigen Gehsteig gewirkt hätte, war und ist nicht vorhanden; die äußerste Grenze für den Fußgängerverkehr ist vielmehr das Garagentor bzw. der Zaun. Die gegenständliche Abstellfläche war für den Fußgängerverkehr uneingeschränkt geöffnet und benutzbar.
Auf der soeben beschriebenen Fläche in Wien, D.-straße, stellte die Beschwerdeführerin das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-... (A) am 02.01.2020, um 17:22 Uhr, ab.
3.2. Diese Feststellungen gründen sich auf den unbedenklichen und im Verfahren unstrittig gebliebenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes und das Vorbringen der Beschwerdeführerin.
Die Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten ergeben sich einerseits aus den vom Meldungsleger angefertigten und im Verwaltungsakt befindlichen Fotos, andererseits aus einer vom erkennenden Gericht vorgenommenen Begutachtung der Tatörtlichkeit durch „Google Maps Street View“ und den Bilddatendienst „Kappazunder“ des Magistrates der Stadt Wien, aufgrund derer die Eigenschaften der in Rede stehenden Fläche eindeutig beurteilt werden konnten. Dass keine Absperrung, Abschrankung oder sonstige bauliche bzw. technische Maßnahme, die als Sperre oder Hindernis zum übrigen Gehsteig gewirkt hätte, vorhanden war bzw. ist, ergibt sich überdies aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach dies „völlig sinnlos und kontraproduktiv“ sei, weil dadurch eine freie Ein- und Ausfahrt in die nordseitig an die Fläche angrenzende Garage nur erschwert möglich sei.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin das Fahrzeug auf der gegenständlichen Fläche abgestellt hat, wurde von dieser während des gesamten Verfahrens nicht bestritten, sondern ausschließlich die Beurteilung der gegenständlichen Fläche als „Gehsteig“ in Abrede gestellt.
II. 1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960), BGBl. 159/1960, in der maßgeblichen Fassung, lauten:
„§ 1. Geltungsbereich.(1) Dieses Bundesgesetz gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
[…]
§ 2. Begriffsbestimmungen.
(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als
1. Straße: eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen;
2. – 9. […]
10. Gehsteig: ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzter Teil der Straße;
[…]
§ 8. Fahrordnung auf Straßen mit besonderen Anlagen.(1) – (3) […]
(4) Die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern, ist verboten. Dieses Verbot gilt nicht
1. für das Überqueren von Gehsteigen, Gehwegen und Radfahranlagen mit Fahrzeugen auf den hiefür vorgesehenen Stellen,
2. für das Befahren von Mehrzweckstreifen mit Fahrzeugen, für welche der links an den Mehrzweckstreifen angrenzende Fahrstreifen nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist, wenn dadurch Radfahrer weder gefährdet noch behindert werden, sowie
3. für Arbeitsfahrten mit Fahrzeugen oder Arbeitsmaschinen, die nicht mehr als 1 500 kg Gesamtgewicht haben und für die Schneeräumung, die Streuung, die Reinigung oder Pflege verwendet werden.
(4a) – (5) […]
§ 99. Strafbestimmungen.(1) bis (2e) […]
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
a)
wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist, […]“
2. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 19 Abs. 1 VStG sind die Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte Minderjähriger ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten in diesem Falle unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
III. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daher Folgendes:
1.1. Nach § 8 Abs. 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen mit Fahrzeugen aller Art verboten. Gegen diese Anordnung verstößt etwa jemand, der sein Fahrzeug am Gehsteig parkt (VwGH vom 08.11.1995, Zl 95/03/0149), hält (VwGH vom 25.09.1991, Zl 91/02/0051), es dort abstellt (VwGH vom 10.04.1991, Zlen 90/03/0162, 0199) oder ihn befährt (VwGH vom 18.01.1989, Zl 88/03/0209; 24.07.2019, Ra 2018/02/0163). Im Beschwerdefall wurde das Abstellen des Fahrzeuges zur Last gelegt.
Gemäß der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 10 StVO ist unter Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzter Teil der Straße zu verstehen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Beantwortung der Frage, ob eine Straße mit öffentlichem Verkehr (im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO) vorliegt, nicht auf die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an. Ob für die in Rede stehende Grundfläche einem Dritten eine Gebrauchserlaubnis erteilt wurde, ist – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin – in diesem Zusammenhang gleichfalls rechtlich unerheblich (VwGH vom 27.05.1992, Zl 92/02/0113; 09.05.1990, Zl 89/03/0197).
Auch ein im Eigentum eines Privaten stehender Parkplatz ist eine Straße mit öffentlichem Verkehr, wenn nicht durch eine entsprechende Kennzeichnung oder Abschrankung erkennbar ist, dass das Gegenteil zutrifft. Unter Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen ist zu verstehen, dass irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offen stehen muss (VwGH vom 13.04.2017, Ro 2017/02/0015).
Eine Straße kann dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an, d.h. also nicht darauf, ob die betreffende Landfläche ganz oder teilweise im Privateigentum steht. Maßgeblich sind somit nicht die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund, sondern die tatsächliche Benützbarkeit der Verkehrsfläche. Eine im Privateigentum stehende Straße ist nur dann nicht als im öffentlichen Verkehr stehend anzusehen, wenn sie abgeschrankt ist oder ihre Benützung unter Hinweis auf ihre Eigenschaft als Privatstraße der Allgemeinheit ersichtlich verboten wird (VwGH vom 31.01.2014, Zl 2013/02/0239; 12.09.2017, Ra 2017/02/0166; 28.11.2008, Zl 2008/02/0228; 15.02.1991, Zl 90/18/0182, 25.04.1990, Zl 89/03/0192; 20.01.1986, Zl 85/02/0192).
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach eine „Nichtbeachtung des Eigentumsrechtes eine Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze“ sei, wird darauf hingewiesen, dass auch nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes Besitz- oder Eigentumsverhältnisse für die Qualifikation als „Straße mit öffentlichem Verkehr“ bedeutungslos sind (vgl. VfGH vom 14.03.1980, B 503/77).
Eine Landfläche, die vorwiegend dem Fußgängerverkehr dient, ist infolge einer Abgrenzung zur Fahrbahn Gehsteig iSv § 2 Abs. 1 Z 10 StVO (VwGH vom 31.10.1990, Zl 90/02/0081; 30.06.1993, Zl 93/02/0009; 19.12.2003, Zl 2003/02/0090). Im Übrigen bedarf ein Gehsteig keiner Kennzeichnung (etwa durch Straßenverkehrszeichen) und auch keiner Bodenmarkierungen. Randsteine, Bodenmarkierungen und dergleichen dienen lediglich als Abgrenzung von Gehsteigen gegenüber der Fahrbahn (VwGH vom 17.06.1992, Zl 92/02/0142; siehe auch explizit § 2 Abs. 1 Z 10 StVO).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richtet sich die Bestimmung eines Teiles der Straße für den Fußgängerverkehr im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 10 StVO ausschließlich nach den äußeren Merkmalen, die für jedermann deutlich erkennbar sind (VwGH vom 27.05.1992, Zl 92/02/0113; 15.05.1990, Zl 89/02/0108).
Bei Beurteilung der Frage, ob ein Gehsteig vorliegt, kommt es auch weder darauf, ob bzw. in welchem Ausmaß er von Fußgängern benötigt, noch darauf an, ob bzw. in welchem Ausmaß die Verkehrsfläche (tatsächlich) von Fußgängern benützt wird (VwGH vom 27.05.1992, Zl 92/02/0113; 20.01.1986, Zl. 85/02/0192; 13.12.1989, Zl 89/02/0124).
Das Argument der Beschwerdeführerin, es würde sich um einen vom Gehsteig zu unterscheidenden – im Privateigentum stehenden - „Garagenvorplatz“ und damit nicht um eine Straße, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzt werden könne, handeln, ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung verfehlt. Die Fläche des „Garagenvorplatzes“ hebt sich den getroffenen Feststellungen zufolge aufgrund ihrer äußeren Ausgestaltung in keiner Weise vom übrigen Gehsteig ab, da sowohl die Oberflächengestaltung (Kopfsteinpflaster) als auch das Höhenniveau, ident sind. Eine Absperrung, Abschrankung oder sonstige bauliche bzw. technische Maßnahme, die als Sperre oder Hindernis zum übrigen Gehsteig gewirkt hätte, war und ist nicht vorhanden; die äußerste Grenze für den Fußgängerverkehr ist vielmehr das Garagentor bzw. der Zaun. Es ist nicht ersichtlich, dass der Fußgängerverkehr von der Benutzung der Fläche faktisch ausgeschlossen ist, man dort nicht gehen dürfte oder eine Nutzungsbeschränkung im Vergleich zum restlichen Gehsteig bestehen würde. Demgegenüber ist klar erkennbar, dass kein Hindernis der Nutzung durch den Fußgängerverkehr vorliegt. Ob bzw. in welchem Ausmaß die Fläche von Fußgängern benötigt bzw. diese von Fußgängern benützt wird, kommt es hingegen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht an. Die allgemeine Nutzungsmöglichkeit als Tatbestandsvoraussetzung für die Beurteilung als Straße, konkret als Gehsteig für den Fußgängerverkehr gemäß § 2 StVO, ist hier unzweifelhaft gegeben.
Da die gegenständliche Fläche in Wien, D.-straße, als Gehsteig im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 10 StVO zu qualifizieren ist, hat die Beschwerdeführerin, indem Sie am 02.01.2020, um 17:22 Uhr, das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-... (A) dort abstellte, obwohl keine der Ausnahmebestimmungen nach § 8 Abs. 4 Z 1 bis 3 StVO vorlag, gegen § 8 Abs. 4 StVO verstoßen. Die Verwaltungsübertretung ist daher in objektiver Hinsicht erfüllt.
1.2. Die Verwaltungsübertretung wurde auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Dies aus dem nachstehenden Grund:
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Ein Ungehorsamsdelikt liegt bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes vor, wenn erstens zum Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört und zweitens für die Tatbegehung kein besonderes Verschulden gefordert ist.
Die angelastete Verwaltungsübertretung ist als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren. Bei solchen Delikten obliegt es sohin gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass im konkreten Fall die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne vorwerfbares Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung geeigneter Beweismittel bzw. die Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge (vgl. VwGH vom 30.06.1998, Zl 96/11/0175).
Nach der Aktenlage haben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme fehlenden (oder auch nur geminderten) Verschuldens der Beschuldigten ergeben. Das Vertrauen darauf, dass die Fläche Privatgrund sei und auch der Umstand, dass eine Nutzung als Stellplatz von einem Eigentümer vermeintlich gestattet werde, sowie die Flächenwidmung sind unbeachtlich. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin die ihr angelastete Verwaltungsübertretung auch nicht bestritten, sodass auch in dieser Hinsicht von einem Verschulden in Form eines jedenfalls fahrlässigen Verhaltens auszugehen war.
Somit ist die Verwaltungsübertretung in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.
2. Zur Strafhöhe ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 10 VStG richtet sich die Strafart und der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. In Anbetracht der Bestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO war von einem bis zu 726,-- Euro reichenden gesetzlichen Strafrahmen auszugehen (im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen).
Die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das öffentliche Interesse an der Freihaltung von für den Fußgängerverkehr bestimmten Bereichen der Straße, weshalb die Intensität der Beeinträchtigung dieses Interesses durch die Tat, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht als gering zu werten war.
Das Ausmaß des Verschuldens kann im vorliegenden Fall in Anbetracht der offensichtlichen Außerachtlassung der im gegenständlichen Fall objektiv gebotenen und der Beschuldigten zuzumutenden Sorgfalt nicht als geringfügig bezeichnet werden, da weder hervorgekommen, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift im konkreten Fall eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Straftatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Nach der vorliegenden Aktenlage ist die Beschwerdeführerin verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführerin kommt daher der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute. Erschwerungsgründe sind im Verfahren keine hervor gekommen. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen machte die Beschwerdeführerin keine Angaben, sodass von durchschnittlichen Verhältnissen auszugehen ist.
Die Festsetzung einer Verwaltungsstrafe in der Höhe von 78,-- Euro ist in spezialpräventiver Hinsicht schuld- und tatangemessen und keinesfalls überhöht. Eine Strafherabsetzung kam schon aufgrund der angeführten Strafbemessungsgründe, aber auch die generalpräventive Funktion einer Verwaltungsstrafe und den bis zu 726,-- Euro reichenden gesetzlichen Strafrahmen, keinesfalls in Betracht.
Eine Anwendung der §§ 20 oder 45 Abs. 1 Z 4 VStG schied auf Grund der oben erörterten Strafbemessungsgründe – ein beträchtliches Überwiegen der Strafminderungsgründe konnte ebenso wenig festgestellt werden, wie die Geringfügigkeit der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat sowie das Vorhandensein eines geringen Verschuldens der Beschuldigten – aus.
Auch die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zu der verhängten Geldstrafe und dem gesetzlichen Strafrahmen gesetzeskonform und angemessen verhängt.
3. Die mündliche Verhandlung konnte nach § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG entfallen, da eine solche von keiner Partei beantragt wurde, der Sachverhalt unstrittig feststeht und in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde.
4. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG.
5. Weil in der vorliegenden Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 726,-- Euro und keine (primäre) Freiheitsstrafe verhängt werden durfte, und lediglich eine Geldstrafe von 78,-- Euro verhängt wurde, ist eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs. 4 VwGG) nicht zulässig. Der Amtspartei steht die ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht offen, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Gehsteig; Benützung von Gehsteigen; FahrzeugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.076.5994.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020