Entscheidungsdatum
30.10.2020Index
81/01 WasserrechtsgesetzNorm
WRG 1959 §21cText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Aicher über die Beschwerde der AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 26.06.2020, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Wasserrechtsgesetz 1959, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag der Beschwerdeführerin vom 20.01.2020 nicht wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen wird, sondern deshalb, weil das Antragsbegehren im Wege des § 21b Wasserrechtsgesetz 1959 unzulässig ist.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
1) Vorgeschichte:
Der Tiefbrunnen JJ der Wasserversorgungsanlage der Gemeinde Y (***) wurde mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Tirol vom 15.02.1990, Zl ***, und 28.09.1994, Zl ***, mit einer maximalen Grundwasserentnahmemenge von 15 l/s (= 900 l/min) wasserrechtlich bewilligt.
Zum Schutz des Tiefbrunnens JJ hat der Landeshauptmann von Tirol mit Verordnung vom 30.11.2000, LGBl Nr 77/2000, gemäß § 34 Abs 2 WRG 1959 das Grundwasserschongebiet JJ erlassen.
Mit Schreiben vom 18.01.2010 hat CC, der Ehemann der nunmehrigen Beschwerdeführerin AA, unter Vorlage des Einreichprojektes „Abwasserentsorgung Hof EE“ des FF, Projektnummer ***, bei der Bezirkshauptmannschaft Z um die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer landwirtschaftlichen Betriebsstätte (im Folgenden „Hofstelle EE“) im Grundwasserschongebiet JJ auf den Gst Nr **1, **2, **3 und **4, alle KG Y, angesucht.
Im Rahmen des Parteiengehörs hat der Landeshauptmann von Tirol als wasserwirtschaftliches Planungsorgan mit Schreiben vom 18.02.2010 erklärt, dass das Projekt kritisch gesehen werde. Es sei nicht auszuschließen, dass verunreinigte Wässer in den Tiefbrunnen des Grundwasserschongebietes gelangen könnten. Insbesondere werde die Versickerung von verunreinigten Oberflächenwässern im Grundwasserschongebiet als bedenklich angesehen.
Daraufhin hat CC in der mündlichen Verhandlung der Wasserrechtsbehörde am 25.02.2010 den Bewilligungsantrag vom 18.01.2010 dahingehend abgeändert, dass die Beseitigung der Vorplatzwässer der Hofstelle EE nicht mehr über Versickerungsmulden, sondern über den Regenwasserkanal der Gemeinde Y erfolgen soll.
Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 01.03.2010, Zl
***, wurde CC die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung der Hofstelle EE samt Versickerung von 50 l/s Niederschlagswässer aus Dachflächen über Sickerschächte sowie zur Einleitung der Niederschlagswässer aus den Vorplatz- und Verkehrsflächen im Ausmaß von 49,4 l/s in den Regenwasserkanal „GG“ der Gemeinde Y nach Maßgabe der vorgelegten und signierten Projektunterlagen des FF (Projekt „Abwasserentsorgung Hof EE“, Projektnummer *** Ausfertigung B) erteilt. Das Wasserbenutzungsrecht wurde mit der im Eigentum von AA stehenden Hofstelle auf dem Gst Nr **2 KG Y verbunden.
Mit Schreiben vom 26.08.2016 hat AA bei der Bezirkshauptmannschaft Z beantragt, die Auflagen 8, 12, 16, 18, 28 und 32 des Spruchpunktes VI (gemeint Spruchpunkt VII) des Bewilligungsbescheides vom 01.03.2010 gemäß § 21b WRG 1959 zu beheben, da seit der Inbetriebnahme der Hofstelle EE im Jahr 2011 keine Auswirkungen auf die Wasserqualität des Tiefbrunnens JJ festgestellt worden seien.
Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 21.09.2016, Zl ***, wurde in Spruchpunkt I der Antrag der AA vom 26.08.2016 auf Behebung der Auflagen als unbegründet abgewiesen, da sich seit der Erlassung des Bewilligungsbescheides vom 01.03.2010 weder die örtliche Situation noch die rechtlichen Grundlagen und die Voraussetzungen zur Vorschreibung der Auflagen geändert hätten.
In Spruchpunkt II wurde AA gemäß § 121 Abs 1 WRG 1959 aufgetragen, die festgestellten Mängel und Abweichungen der Hofstelle EE zu beseitigen, indem bis 30.04.2017 die Vorplatz- und Verkehrsflächen zu asphaltieren und die Auflagen 8, 12, 18, 20, 28, 32 und 36 des Spruchpunktes VI (gemeint Spruchpunkt VII) des Bewilligungsbescheides vom 01.03.2010 zu erfüllen sind. Zur Begründung führte die Wasserrechtsbehörde aus, dass die Anlage nicht entsprechend dem bewilligten Projekt ausgeführt und die gegenständlichen Auflagen nicht eingehalten worden sein.
Über die von AA gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 21.09.2016 erhobene Beschwerde entschied das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 07.11.2017, LVwG-2016/44/2285-21, dahingehend, dass
- unter Spruchpunkt 1. die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen wurde und
- unter Spruchpunkt 2. die Beschwerde gegen den Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides ebenfalls als unbegründet abgewiesen wurde, dies allerdings mit der Maßgabe, dass dieser Spruchteil wie folgt neu gefasst wurde:
„Gemäß § 121 Abs 1 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), BGBl Nr 215/1959, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 58/2017, wird festgestellt, dass die Ausführung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 01.03.2010, Zl ***, wasserrechtlich bewilligten Anlage nicht vollständig mit dem bewilligten Projekt übereinstimmt. Gemäß § 121 Abs 1 WRG 1959 wird AA aufgetragen, bis spätestens 01.07.2018
? die in den signierten Einreichunterlagen (Projekt „Abwasserentsorgung Hof EE“ des FF, Projektnummer ***, Plan/Beilage Nr 3, Lageplan vom Jänner 2010) beantragte und mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 01.03.2010, Zl ***, bewilligte Asphaltierung der Vorplatz- und Verkehrsflächen umzusetzen,
? die in der mündlichen Verhandlung am 25.02.2010 von CC beantragte und mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 01.03.2010, Zl ***, bewilligte Einleitung von Niederschlagswässern aus Vorplatz- und Verkehrsflächen der Hofstelle EE im Ausmaß von 49,4 l/s in den Regenwasserkanal GG der Gemeinde Y umzusetzen und
? die Auflage VII/8 (Vorlage einer Betriebsordnung) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Z vom 01.03.2010, Zl ***, zu erfüllen.
Die gegen diese Rechtsmittelentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol eingebrachte Revision blieb erfolglos, mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.03.2018, Ra 2017/07/0312-3, wurde die Revision zurückgewiesen.
2)
Mit dem das in Prüfung stehende Verfahren auslösenden Antrag vom 20.01.2020 begehrte die Beschwerdeführerin – gestützt auf die Bestimmungen des § 21b Wasserrechtsgesetz 1959 – die Aufhebung der mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 21.09.2016 unter Spruchpunkt II. festgelegten und mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 07.11.2017 unter Spruchpunkt 2. näher ausformulierten „Auflagen“.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 26.06.2020 wurde dieser Antrag der Rechtsmittelwerberin vom 20.01.2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Die belangte Behörde begründete ihre (zurückweisende) Entscheidung im Wesentlichen damit, dass seit der Erlassung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 07.11.2017 sich weder eine maßgebliche Änderung der Rechtslage noch eine relevante Änderung des Sachverhalts ergeben habe.
3)
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde der AA, mit welcher die Durchführung einer Rechtsmittelverhandlung und eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts dahingehend beantragt wurden, dass dem Antrag vom 20.01.2020 stattgegeben werde.
In eventu wurde begehrt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Der Bescheid der belangten Behörde vom 26.06.2020 wurde dabei zur Gänze angefochten.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges begründete die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel kurz zusammengefasst damit, dass die belangte Behörde bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens zum Ergebnis gelangen hätte müssen, dass die Voraussetzungen nach § 21b WRG 1959 im Gegenstandsfall vorliegen würden, die antragsgegenständlichen „Bescheidauflagen“ aufzuheben.
Vorliegend sei eine Prüfung anhand § 21b WRG 1959 vorzunehmen gewesen, die Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Rechtssache sei verfehlt.
Von der Rechtsmittelwerberin wurde die Aufnahme mehrerer Beweise beantragt, insbesondere die Einholung mehrerer Gutachten aus verschiedenen näher bezeichneten Fachgebieten.
4)
Vom Landesverwaltungsgericht Tirol wurde am 22.09.2020 die begehrte öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in deren Rahmen die vorliegende Beschwerdesache rechtlich näher erörtert wurde.
Der Beschwerdeführerin wurde dabei die Gelegenheit eingeräumt, ihre Rechtsstandpunkte argumentativ auszuführen.
Im Anschluss an die Rechtsmittelverhandlung am 22.09.2020 wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerdeentscheidung mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.
Die Niederschrift über diese Verhandlung wurde den Verfahrensparteien mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichts vom 25.09.2020 samt einer Belehrung gemäß § 29 Abs 2a VwGVG übermittelt.
Mit Eingabe vom 29.09.2020 beantragte hierauf die Beschwerdeführerin die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs 4 VwGVG.
II. Sachverhalt:
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein wasserrechtliches Administrativverfahren, die Beschwerdeführerin hat einen Antrag nach § 21b WRG 1959 gestellt, der von der belangten Behörde wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen wurde.
Der verfahrensauslösende Antrag vom 20.01.2020 stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 21b Wasserrechtsgesetz.
Der das in Prüfung stehende Verfahren in Gang setzende Antrag der Beschwerdeführerin vom 20.01.2020 zielt in inhaltlicher Hinsicht darauf ab,
zwei Anordnungen entsprechend dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 07.11.2017 zu Zl LVwG-2016/44/2285-21, zur Aufhebung zu bringen, nämlich die Anordnungen bzw die Aufträge,
- die in den signierten Einreichunterlagen (Projekt „Abwasserentsorgung Hof EE“ des FF, Projektnummer ***, Plan/Beilage Nr 3, Lageplan vom Jänner 2010) beantragte und mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 01.03.2010, Zl ***, bewilligte Asphaltierung der Vorplatz- und Verkehrsflächen ist umzusetzen, und
- die in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2010 von Herrn CC beantragte und mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 01.03.2010, Zl ***, bewilligte Einleitung von Niederschlagswässern aus Vorplatz- und Verkehrsflächen der Hofstelle EE im Ausmaß von 49,4 l/s in den Regenwasserkanal „GG“ der Gemeinde Y ist umzusetzen.
Diese vom verfahrensmaßgeblichen Antrag erfassten Anordnungen bzw Aufträge gehen auf den Spruchteil II. des Bescheides an der belangten Behörde vom 21.09.2016 zurück, womit der Rechtsmittelwerberin auf der Grundlage des § 121 Abs 1 WRG 1959 mehrere Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Mängel und Konsensabweichungen in Ansehung der mit Bescheid an der belangten Behörde vom 01.03.2010 wasserrechtlich bewilligten Anlagen zur Erfüllung aufgetragen worden sind.
Dieser Spruchteil II. des Bescheides der belangten Behörde vom 21.09.2016 erfuhr im Rechtsmittelweg eine Änderung durch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 07.11.2017, in dessen Spruchteil 2. eine Neufassung der die Rechtsmittelwerberin betreffenden Aufträge gleichermaßen auf der Rechtsgrundlage des § 121 Abs 1 WRG 1959 erfolgte, dies in der im verfahrensauslösenden Antrag vom 20.01.2020 wiedergegebenen Form.
Konkret werden vom Antragsbegehren
- die aufgetragene Asphaltierung der Vorplatz- und Verkehrsflächen bei der Hofstelle der Rechtsmittelwerberin im Grundwasserschongebiet „JJ“ und
- die angeordnete Einleitung von Niederschlagswässern aus den Vorplatz- und Verkehrsflächen der Hofstelle im Ausmaß von 49,4 l/s in den Regenwasserkanal „GG“ der Gemeinde Y
erfasst, mithin sind diese gemäß § 121 Abs 1 WRG 1959 erteilten wasserrechtlichen Aufträge zur Herstellung des bewilligten Zustandes antrags- und verfahrensgegenständlich.
III. Beweiswürdigung:
Beweiswürdigend ist in der vorliegenden Rechtssache festzuhalten, dass sich der zuvor festgestellte Sachverhalt in unbedenklicher Weise aus der vorliegenden Aktenlage ergibt.
Seitens des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen gegen die von der belangten Behörde vorgelegten Aktenunterlagen keine Bedenken, solche Bedenken wurden auch von der Rechtsmittelwerberin nicht vorgebracht.
Im Übrigen bestätigte die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin anlässlich der Verhandlung am 22.09.2020 über Befragung durch das Gericht,
- dass sich ihr Antrag vom 20.01.2020 auf die Bestimmung des § 21b Wasserrechtsgesetz stützt und
- dass dieser verfahrensauslösende Antrag vom 20.01.2020 darauf abzielt, zwei Anordnungen entsprechend dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 07.11.2017 in dessen Spruchteil 2. ersatzlos zur Aufhebung zu bringen, nämlich zum einen die Anordnung der Asphaltierung der Vorplatz- und Verkehrsflächen ihrer Hofstelle und zum anderen den Auftrag zur Einleitung der Niederschlagswässer aus diesen Vorplatz- und Verkehrsflächen in den Regenwasserkanal „GG“ der Gemeinde Y.
Demzufolge ist im Gegenstandsfall der maßgebliche Sachverhalt im Grunde unstrittig, womit die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen auf sicherem Boden getroffen werden konnten.
Strittig geblieben ist lediglich, wie dieser Sachverhalt rechtlich zu beurteilen ist und ob in Ansehung der antragsgegenständlichen Aufträge eine Anwendung des § 21b WRG 1959 möglich ist.
IV. Rechtslage:
In der vorliegenden Beschwerdesache sind die Bestimmungen des § 21b sowie des § 121 Abs 1 Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl Nr 215/1959, letztmalig geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 73/2018, verfahrensmaßgeblich.
Diese Rechtsvorschriften haben folgenden Inhalt:
„§ 21b. Die nach diesem Bundesgesetz vorgeschriebenen Auflagen sind auf Antrag mit Bescheid aufzuheben oder abzuändern, wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorliegen.
Überprüfung der Ausführung von Wasseranlagen
§ 121. (1) Die Ausführung einer nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes oder unter Mitanwendung dieses Bundesgesetzes bewilligungspflichtigen Wasseranlage ist unverzüglich der für die Erteilung der Bewilligung zuständigen Behörde bekannt zu geben. Diese hat sich in einem auf Kosten des Unternehmers durchzuführenden Verfahren von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung, bei Trieb- und Stauwerken insbesondere auch von der richtigen und zweckmäßigen Setzung der Staumaße, zu überzeugen, die Messungsergebnisse schriftlich festzuhalten, das Ergebnis dieser Überprüfung durch Bescheid auszusprechen und die Beseitigung etwa wahrgenommener Mängel und Abweichungen zu veranlassen. Geringfügige Abweichungen, die öffentlichen Interessen oder fremden Rechten nicht nachteilig sind oder denen der Betroffene zustimmt, können im Überprüfungsbescheid nachträglich genehmigt werden. Wird bei einer Fristüberschreitung die Bewilligung nicht ausdrücklich für erloschen erklärt, so gilt die Anlage als fristgemäß ausgeführt (§ 112 Abs. 1).
(2) …“
V. Erwägungen:
1)
Die Bestimmung des § 21b WRG 1959 wurde mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle BGBl I Nr 14/2011 eingeführt, wobei in den Erläuternden Bemerkungen folgende Fälle als Anlass für ein Vorgehen nach dieser neu geschaffenen Regelung genannt wurden:
- der nachträgliche Wegfall von Tatsachen, die im Zeitpunkt des Erlassens des Bescheides vorlagen und für die Vorschreibung von Auflagen objektiv bedeutsam waren einschließlich damit zusammenhängender Überwachungsvorschreibungen;
- der nachträgliche Eintritt von für die Entscheidung erheblichen Tatsachen und
- die Ermöglichung einer anderen Entscheidung aufgrund einer neuen Rechtslage.
Der in § 21b WRG 1959 verwendete Auflagenbegriff ist einschränkend zu interpretieren, gemeint sind zweifellos Auflagen in Bewilligungs- bzw Kollaudierungsbescheiden (Bachler in Oberleitner/Berger, WRG–ON 4.00 § 21b, Stand 15.07.2018, rdb.at).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Wesen von Auflagen darin, dass die Verwaltungsbehörde in einem dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote als Nebenbestimmungen aufnimmt, mit denen der Inhaber des Rechtes für den Fall der Gebrauchnahme vom erteilten Recht zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichtet wird, womit sich Auflagen als „bedingte Polizeibefehle“ darstellen, die erst dann wirksam werden, wenn der Bewilligungswerber von der ihm erteilten Genehmigung Gebrauch macht, wodurch die Auflagen zu „unbedingten Aufträgen“ werten (VwGH 21.02.2002, 2001/07/0106).
Dagegen sind Aufträge zur Beseitigung von Mängeln und der nicht genehmigungsfähigen Abweichungen vom Konsens wesentliche Bestandteile eines Überprüfungsbescheides im Sinne des § 121 Abs 1 WRG 1959, dies neben der Feststellung des Ergebnisses der Überprüfung (VwGH 25.04.2019, Ra 2018/07/0465).
Eine Funktion des Überprüfungsbescheides gemäß § 121 Abs 1 WRG 1959 ist es demnach, nicht nur die Beseitigung wahrgenommener Mängel, sondern auch die Beseitigung wahrgenommener Abweichungen vom Konsens zu veranlassen, insoweit verdrängt die spezielle Norm des § 121 Abs 1 WRG 1959 die Anwendbarkeit des § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 (Berger in Oberleitner/Berger, WRG-ON 4.00 § 121, Stand 15.07.2018, rdb.at).
2)
Vor diesem Hintergrund ist fallbezogen festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin mit dem verfahrensgegenständlichen Antragsbegehren vom 20.01.2020 eindeutig ein Verfahren nach § 21b WRG 1959 (zur Aufhebung genau bezeichneter „Auflagen“) in Gang gesetzt hat, wobei sich das Antragsbegehren unmissverständlich auf die vom Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 07.11.2017, LVwG-2016/44/2285-21, erteilten Aufträge bezieht,
- eine näher definierte Asphaltierung von Vorplatz- und Verkehrsflächen im Bereich der Hofstelle der Rechtsmittelwerberin vorzunehmen und
- die Niederschlagswässer aus diesen Vorplatz- und Verkehrsflächen in den Regenwasserkanal „GG“ der Gemeinde Y einzuleiten.
Der Antrag der Beschwerdeführerin zielt klar darauf ab, die beiden vorangeführten Aufträge aus dem Rechtsbestand auszuscheiden.
Die strittigen Aufträge nach dem Wasserrechtsgesetz, die an die Beschwerdeführerin gerichtet worden sind, wurden nach der angeführten Rechtsmittelentscheidung auf die Bestimmung des § 121 Abs 1 WRG 1959 gestützt, und zwar zur Beseitigung von im Rahmen einer wasserrechtlichen Überprüfung festgestellten Abweichungen vom erteilten Konsens bzw dem bewilligten Anlagenbestand.
Bei diesen Aufträgen nach § 121 Abs 1 WRG 1959 zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes handelt es sich nach fester Überzeugung des entscheidenden Verwaltungsgerichts nicht um „Auflagen“ im Sinne des § 21b WRG 1959, sondern eben um (unbedingte) wasserpolizeiliche Aufträge zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes durch Beseitigung von Abweichungen vom genehmigten Konsens.
Insofern erweist sich der verfahrensauslösende Antrag der Beschwerdeführerin vom 20.01.2020 auf Aufhebung von solchen nach § 121 Abs 1 WRG 1959 erteilten Aufträgen zur Herstellung des rechtskonformen Zustandes im Wege des § 21b WRG 1959 als nicht zulässig.
Bei der streitverfangenen Asphaltierung sowie bei der strittigen Einleitung von Niederschlagswässern in den Regenwasserkanal „GG“ der Gemeinde Y handelt es sich um bewilligte Antragsgegenstände und nicht um „Auflagen“, womit die Asphaltierung und die Einleitung der Niederschlagswässer in den Regenwasserkanal nicht zu Gegenständen eines Verfahrens nach § 21b WRG 1959 gemacht werden können.
Ein Verfahren zur Aufhebung von Aufträgen nach § 121 Abs 1 WRG 1959 (zur Herstellung des genehmigten Zustands) ist im Wasserrechtsgesetz nicht vorgesehen, jedoch stehen rechtskräftige Aufträge nach § 121 WRG 1959 der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für Konsensabweichungen, welche im Rahmen des § 121 Abs 1 WRG 1959 nicht genehmigt werden können, nicht entgegen; im Fall der Erteilung einer Wasserrechtsgenehmigung für die Abweichungen vom genehmigten Vorhaben würde diese Bewilligung dann Aufträge zur Herstellung des rechtskonformen Zustands nach § 121 Abs 1 WRG 1959 derogieren (VwGH 29.01.2004, 2003/07/0048).
In einem solchen Fall müsste den verfahrensgegenständlichen Aufträgen des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 07.11.2017 nicht mehr nachgekommen werden, mithin dann, wenn die Ausführung der Hofstelle der Beschwerdeführerin ohne Asphaltierung der Vorplatz- und Verkehrsflächen und ohne Einleitung der darauf anfallenden Niederschlagswässer in den Regenwasserkanal „GG“ der Gemeinde Y wasserrechtlich bewilligt werden würde.
3)
Die gegenteilige Argumentation der Beschwerdeführerin anlässlich der Rechtsmittelverhandlung am 22.09.2020, dass die verfahrensgegenständlichen Anordnungen de facto als „Auflagen“ anzusehen seien und damit sehr wohl § 21b WRG 1959 zur Anwendung komme, vermag nicht zu überzeugen.
Es mag durchaus sein, dass im ursprünglichen Projekt der Errichtung der Hofstelle der Beschwerdeführerin keine Asphaltierung der Vorplatz- und Verkehrsflächen und auch keine Einleitung der darauf anfallenden Niederschlagswässer in den Regenwasserkanal „GG“ vorgesehen gewesen ist, dies ändert aber nichts daran, dass diese Maßnahmen über Antrag des Ehemannes der Beschwerdeführerin zum Antrags- und Genehmigungsgegenstand der mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.03.2010 erteilten Wasserrechtsgenehmigung geworden sind.
Es kann auch zutreffen, dass der Ehemann der Rechtsmittelwerberin diese Antragsänderung nur deshalb vorgenommen hat, um die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens der Errichtung einer Hofstelle im Grundwasserschongebiet „JJ“ herzustellen, auch damit werden die verfahrensmaßgeblichen Aufträge nach § 121 Abs 1 WRG 1959 nicht zu „Auflagen“ im Sinne des § 21b WRG 1959.
4)
Zu den Beweisanträgen wird festgehalten, dass der zur Beweisaufnahme angebotene Akt der belangten Behörde von dieser dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Durchführung des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens in Vorlage gebracht worden ist.
Die beantragten Gutachten aus den Fachgebieten der Hydrogeologie, der Hygiene und der Siedlungswasserwirtschaft waren nicht einzuholen, da in Anbetracht des gegenständlichen Verfahrensergebnisses dem Beweisthema der Nichtbeeinträchtigung des Tiefbrunnens „JJ“ durch die Hofstelle der Beschwerdeführerin keine Verfahrensrelevanz zugemessen werden konnte.
Da die Entscheidung der vorliegenden Rechtssache eine inhaltliche Prüfung des verfahrensgegenständlichen Antragsbegehrens nicht erforderlich machte, konnte auch die begehrte Einvernahme des Ehemannes der Rechtsmittelwerberin entfallen, bezüglich dieser gewünschten Beweisaufnahme wurde zudem auch kein konkretes Beweisthema genannt, weshalb auch aus diesem Grund die Einvernahme unterbleiben konnte (VwGH 09.09.2019, Ra 2019/18/0169).
Auch ohne die beantragten Beweisaufnahmen konnte der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt ausreichend geklärt werden.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die in der vorliegenden Beschwerdesache zu lösenden Rechtsfragen konnten anhand der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Wien einwandfrei einer Beantwortung zugeführt werden.
Zum Wesen von „Auflagen“ hat der Verwaltungsgerichtshof bereits entsprechende Klarstellungen getroffen. Von diesen ausgehend konnte die in der gegenständlichen Beschwerdesache maßgebliche Rechtsfrage klar beantwortet werden, dass Aufträge zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes nach § 121 Abs 1 WRG 1959 keine „Auflagen“ im Sinne des § 21b WRG 1959 darstellen.
Im Übrigen ist nach Auffassung des entscheidenden Verwaltungsgerichts gegenständlich auch Eindeutigkeit der maßgeblichen Rechtslage gegeben, sodass auch aus diesem Grund eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in der gegenständlichen Rechtssache nicht hervorgekommen ist (VwGH 26.02.2020, Ro 2020/09/0002).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Aicher
(Richter)
Schlagworte
Auflagen;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.26.1541.5Zuletzt aktualisiert am
20.11.2020