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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
BDG 1979 §211;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des R in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. April 1996, Zl. GA 8 - 1573/96, betreffend die Rückerstattung von Lohnsteuer für die Kalenderjahre 1988 bis 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Kalenderjahre 1989 bis 1993 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im übrigen (betreffend das Kalenderjahr 1988) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist an einer höheren landwirtschaftlichen Bundeslehranstalt als Lehrer beschäftigt und leistete im angeschlossenen Internat Erzieherdienst. Mit Antrag vom 15. Juni 1994 begehrte der Beschwerdeführer die Erstattung von zuviel einbehaltener Lohnsteuer gemäß § 240 BAO ab dem Jahre 1988. Einerseits erbringe er Dauermehrdienstleistungen gemäß Stunden- und Erzieherdienstplan und andererseits fallweise Mehrleistungen (z.B. Wochenendbetreuung von Internatsschülern oder Supplierungen für erkrankte Kollegen). Er erhalte auch aufgrund § 60a Gehaltsgesetz eine Erzieherzulage. Die von ihm fallweise erbrachten Mehrleistungen seien auch entsprechend § 68 EStG vom Dienstgeber steuerlich begünstigt behandelt worden, nicht jedoch seine dauernden Mehrdienstleistungen, wobei dies auf einer seiner Ansicht nach rechtswidrigen Weisung des für seine Schule zuständigen Bundesministeriums beruhe. Über Aufforderung der Abgabenbehörde erster Instanz zur Übersendung der Überstundenaufzeichnungen für die Jahre 1988 bis 1995 legte der Beschwerdeführer eine mit 5. August 1994 datierte Aufzeichnung seines Dienstgebers über die "Werteinheiten der Mehrdienstleistungen" in den Schuljahren 1988/89 bis 1992/93 vor.
Mit Bescheid vom 31. August 1994 wurde dem Antragsbegehren ("Rückerstattung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer für die Kalenderjahre 1988-1993") vom Finanzamt mit der Begründung keine Folge gegeben, daß das Jahr 1988 wegen Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist bereits verjährt sei und (für die Folgejahre) die Behandlung eines Überstundenzuschlages im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1988 genaue Aufzeichnungen über die zeitliche Lagerung der Überstunden sowie die tägliche Normalarbeitszeit voraussetze. Das Ableisten derartiger Arbeitszeiten müsse in jedem einzelnen Fall konkret nachgewiesen werden.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 3. Oktober 1994 stellte der Beschwerdeführer die Verjährung des Rückerstattungsanspruches für 1988 außer Streit. Er bestritt allerdings das Fehlen konkreter Aufzeichnungen für seine Überstundenleistungen. Er habe vielmehr gerade deshalb den Antrag gestellt, weil diese Zeiten konkret durch den Stunden- bzw. Erzieherdienstplan festgelegt seien. Beispielsweise ergebe sich aus dem Stundenplan für das Schuljahr 1993/1994, daß seine "Normalarbeitszeit" (berechnet nach Werteinheiten) durch Unterrichtsleistung erbracht worden sei und seine Überstunden im Internat angefallen seien. Die Lagerung der Normalarbeitszeit, der Überstunden sowie der Sonn- und Feiertagsdienste sei dienstplanmäßig genau festgelegt. Seine Überstunden hätten daher gemäß § 68 EStG 1988 begünstigt besteuert werden müssen. Der Berufung legte der Beschwerdeführer einen Stundenplan sowie Lohnkontoabschriften für die Jahre 1988 bis 1993 bei.
Der Beschwerdeführer brachte am 20. September 1995 Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG beim Verwaltungsgerichtshof ein. Nach Einleitung des Vorverfahrens gemäß § 35 Abs. 3 VwGG gab die belangte Behörde der Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer erbringe nach seinem Vorbringen Mehrdienstleistungen (über die Lehrverpflichtung gemäß Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz hinausgehende Stunden) teils in seiner Eigenschaft als Lehrer, teils als Erzieher. Die als Erzieher erbrachte Mehrdienstleistung erfolge in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen. Als Entlohnung erhalte der Beschwerdeführer neben seinem Gehalt die Erzieherzulage nach § 60a Gehaltsgesetz. Der Beschwerdeführer beantrage unter Hinweis auf § 68 EStG, die mit Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zusammenhängenden Überstundenzuschläge und zusätzlich die Zuschläge für die ersten fünf Überstunden im Monat im gesetzlichen Ausmaß steuerfrei zu belassen. Über die Berufung habe die belangte Behörde erwogen:
"Der Bw. erhält sein Gehalt und seine Erzieherzulage gemäß § 60a Gehaltsgesetz. Durch die Erzieherzulage werden 1,5 neunstündige Nachtdienste je Woche und alle sonstigen Dienstleistungen, die aufgrund der Tätigkeit als Erzieher zu erbringen sind, abgegolten (Abs. 3 leg. cit.).
Es handelt sich bei dieser Erzieherzulage also um das "normale Gehalt" für die Erziehertätigkeit.
Für die Annahme, das Gehalt oder die Erzieherzulage beinhalte Zuschläge für Überstunden, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Überdies ist anzumerken, daß die Abgeltung von Überstunden in anderen gehaltsrechtlichen Bestimmungen geregelt ist (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof vom 20. September 1995, Zl. 92/13/0182)."
In der gegen diesen Bescheid gerichteten - nach § 24 Abs. 2 VwGG mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehenen - Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde und auf "gebührende Steuerbefreiung" seiner Überstunden nach § 68 EStG verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt; der Beschwerdeführer replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Den Vorwurf der Unzuständigkeit der belangten Behörde
erhebt der Beschwerdeführer zu Unrecht:
Mit der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1995, bei der belangten Behörde eingelangt am 22. Jänner 1996, trug der Verwaltungsgerichtshof dieser gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in der nunmehrigen Beschwerde stellte die belangte Behörde den versäumten Bescheid dem Beschwerdeführer am 15. April 1996 zu. Die Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides (die gemäß § 32 Abs. 2 AVG i.V.m. § 62 Abs. 1 VwGG am 22. April 1996 endete) war daher gewahrt (vgl. dazu auch die Ausführungen im hg. Einstellungsbeschluß im Säumnisbeschwerdeverfahren vom 29. Mai 1996, 95/13/0216).
In der Sache selbst ist vorweg festzuhalten, daß grundsätzlich die Abgabenbehörden gemäß § 115 Abs. 1 BAO die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln haben, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist dabei nach § 115 Abs. 2 leg. cit. Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen zu geben. Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen des angefochtenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 13. Dezember 1995, 94/13/0151).
Die Aussage in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach sich für die Annahme, daß das "Gehalt oder die Erzieherzulage" Zuschläge für Überstunden beinhalte, keine Anhaltspunkte ergäben, ist nicht nachvollziehbar, weil die belangte Behörde hier nicht näher ausführt, warum sie das Fehlen derartiger Anhaltspunkte annimmt. Die belangte Behörde hat überdies mit dieser erstmals im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung die Grundsätze des Parteiengehörs verletzt. Die in der Beschwerde (und in der Replik zur Gegenschrift) enthaltenen Ausführungen des Beschwerdeführers, daß sich seiner Ansicht nach aus den gehaltsrechtlichen Bestimmungen (§ 61 Gehaltsgesetz) und dem Berechnungsschema seines Gehaltes ein Überstundenzuschlag eindeutig nachvollziehen lasse, sind damit auch keine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerungen. Unklar ist weiters die im angefochtenen Bescheid enthaltene "Anmerkung", wonach die Abgeltung von Überstunden in anderen "gehaltsrechtlichen Bestimmungen" geregelt sei. Zur Erzieherzulage nach § 60a Gehaltsgesetz hat die belangte Behörde zwar zu Recht eine Begünstigung nach § 68 EStG 1988 betreffend Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen verweigert, doch dürfte das Antragsbegehren ohnedies nicht auf eine derartige Begünstigung der Erzieherzulage gerichtet gewesen sein (so wird in der Beschwerde auch ausdrücklich ausgeführt, daß die Erzieherzulage einen Nachtdienst und sonstige Dienstleistungen abgelte und überhaupt keinen Bezug zur Überstundenbesteuerung habe; dazu, daß es sich bei dieser Zulage auch um keinen begünstigungsfähigen Zuschlag zur Nachtarbeit im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1988 handelt, siehe das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1997, 94/13/0041).
Insgesamt war der angefochtene Bescheid (soweit er über die Jahre 1989 bis 1993 abspricht) daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde insbesondere auch im Sinn des zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen hg. Erkenntnisses vom 9. Juli 1997, 94/13/0041, mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers über die erbrachten Leistungen auseinanderzusetzen und insbesondere die Normalarbeitszeit im Sinne des § 68 Abs. 4 EStG (die nicht mit der im § 2 Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz festgelegten - fiktiven - Zeit von 20 Wochenstunden gleichzusetzten sein wird) sowie die allenfalls darüber hinausgehenden Überstunden zu ermitteln haben.
Betreffend das Jahr 1988 zeigt die Beschwerde, die dieses Jahr in den Beschwerdeausführungen auch nicht gesondert erwähnt, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, zumal hier - wie auch in der Berufung "außer Streit" gestellt - Verjährung gemäß § 207 Abs. 4 BAO eingetreten war. Insofern war die Beschwerde damit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG. Nach § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung der mit 1. September 1997 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 88/1997 gebührt Schriftsatzaufwand nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Da der Beschwerdeführer im gegenständlichen Beschwerdefall seine Sache gemäß § 23 Abs. 1 VwGG selbst führte, war kein Schriftsatzaufwand zuzuerkennen. Stempelgebühren waren in Höhe von S 360,-- für die in dreifacher Ausfertigung einzubringende Beschwerde und in Höhe von S 30,-- für die Beilage des aus einem Bogen (vgl. § 5 Abs. 2 GebG) bestehenden angefochtenen Bescheides, nicht jedoch für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendigen weiteren Beilagen, zuzusprechen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996130070.X00Im RIS seit
02.07.2001