TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/18 97/20/0272

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.1997
beobachten
merken

Index

22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1;
ZPO §147 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des H in Mautern, vertreten durch Dr. Ferdinand Weber, Dr. Hannes Hirtzberger, Kommandit-Partnerschaft, Rechtsanwälte in Krems, Ringstraße 50, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. März 1997, Zl. 4.321.926/11-III/13/97, betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages in einer Asylangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Inhalt der vorliegenden Beschwerde und der ihr angeschlossenen Bescheidkopie sowie der eingeholten Stellungnahme der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren über seine Berufung gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. September 1991 mit Schreiben der belangten Behörde vom 17. Dezember 1996, dem Beschwerdeführer zugestellt am 20. Dezember 1996, die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen seine Berufung vom 21. Oktober 1991 zu ergänzen und (entsprechend der Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof) etwaige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens zu relevieren. Mit Bescheid vom 16. Jänner 1997 wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie in der Bescheidbegründung darauf Bezug nahm, daß der Beschwerdeführer von der ihm im Schreiben vom 17. Dezember 1996 eingeräumten Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht habe. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach den Angaben der belangten Behörde am 23. Jänner 1997 zugestellt und kam ihm nach den Ausführungen in der Beschwerde am 27. Jänner 1997 tatsächlich zu.

Am 3. März 1997 brachte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Wiedereinsetzungsantrag ein, den er auf Behauptungen darüber stützte, daß und weshalb er die Frist für eine Ergänzung der Berufung versäumt habe. Die Umstände, auf die sich diese Behauptungen bezogen, werden in der Beschwerde wie folgt beschrieben:

"Im Bescheid führt die Behörde aus, dem Beschwerdeführer mit Manuduktionsschreiben vom 17.12.1996, zugestellt am 20.12.1996, die Möglichkeit geboten wurde, seine Berufungsschrift zu ergänzen und etwaige Mängel des Verfahrens erster Instanz zu relevieren, er jedoch davon keinen Gebrauch gemacht habe.

Dem ging voraus, daß im Zuge der Besprechung des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses vom 24.10.1996, Zl. 96/20/0598, seine Vertreter dem Beschwerdeführer mitteilten, daß in der Angelegenheit wiederum ein Bescheid des Bundesministeriums für Inneres zu erwarten ist und er sich nach Erhalt des behördlichen Schriftstückes sofort mit der Kanzlei in Verbindung setzen solle, um Fristversäumnisse hintanzuhalten. Infolge der eingeschränkten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers kam es allerdings zu einem verhängnisvollen Mißverständnis. Dieser verstand zwar, daß gegen den zu erwartenden Bescheid ein Rechtsmittel binnen sechs Wochen zu erheben sein wird, als ihm mit Schreiben des Bundesministeriums vom 17.12.1996 die Möglichkeit der Berufungsergänzung gegeben wurde, ging er jedoch davon aus, daß ein derartiger Bescheid auch seinen Vertretern zugestellt werde.

Erst als sich der Beschwerdeführer am 21.02.1997 mit der Kanzlei in Verbindung setzte um zu eruieren, ob eine neuerliche Vorsprache zwecks Abfertigung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 16.01.1997, Zl. 4.321.926/10-III/13/97, erforderlich sei, mußten die Vertreter des Beschwerdeführers feststellen, daß diesem in der Zwischenzeit nicht nur der neuerliche, abweisende Bescheid vom 16.01.1997, Zl. 4.321.926/10-III/13/97, am 27.01.1997 zukam, sondern man ihm auch mit Schreiben vom 17.12.1996 die Möglichkeit der Berufungsergänzung gegeben hatte."

Von einer Vollmachtsbekanntgabe im Verwaltungsverfahren war aus Kostengründen abgesehen worden (Seite 6 der Beschwerde).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag und den damit verbundenen Antrag, dem Wiedereinsetzungsantrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ohne nähere Prüfung mit der Begründung zurück, der Beschwerdeführer begehre "die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Erstattung einer allfälligen Berufungsergänzung" und habe "somit weder eine prozessuale Frist noch eine mündliche Verhandlung versäumt". Dem "eindeutigen Wortlaut" des § 71 Abs. 1 AVG sei "eine Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einbringung einer Berufungsergänzung nicht zu entnehmen", weshalb die Eingabe des Beschwerdeführers "als unzulässig zurückzuweisen" gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Einholung einer Stellungnahme der belangten Behörde - erwogen hat:

In ihrer Stellungnahme zur Beschwerde hält die belangte Behörde dem Beschwerdeargument, der versäumten Frist sei zu Unrecht der Charakter einer prozessualen Frist abgesprochen worden, folgendes entgegen:

"Voraussetzung der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist, deren Ablauf die Möglichkeit, eine Verfahrenshandlung zu setzen (z.B. Berufung zu erheben, einen Antrag zu verbessern etc.) beendet. Im gegenständlichen Fall hätte jedoch der Beschwerdeführer auch nach Ablauf der zweiwöchigen Frist bis zur Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides eine Berufungsergänzung einbringen können und hätte diese vollinhaltlich bei der Entscheidung Berücksichtigung finden müssen und gefunden. Die Versäumung der vom Bundesminister für Inneres zur Verfahrensbeschleunigung gesetzten Frist hatte somit keinerlei Präklusionswirkung insofern, als der Beschwerdeführer nach deren Ablauf eine ihm sonst mögliche Prozeßhandlung etwa nicht mehr hätte setzen können und konnte der Beschwerdeführer durch seine Säumnis daher auch keinen Rechtsnachteil erleiden.

Wenn nun im bekämpften Bescheid festgestellt wurde, der Beschwerdeführer hätte nicht die Versäumung einer "prozessualen Frist" geltend gemacht, ist dies nicht etwa so zu interpretieren, daß es sich hiebei etwa um eine materiellrechtliche Frist handelte, sondern so, daß der Beschwerdeführer keine verfahrensrechtliche Frist im Sinne des oben Ausgeführten, nämlich eine solche, die die Präklusion der an sich möglichen Prozeßhandlung zur Folge hätte und gegen die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich wäre, versäumt hat."

Ausschlaggebend soll demnach sein, daß die Berufungsergänzung "auch nach Ablauf der zweiwöchigen Frist bis zur Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides" möglich gewesen wäre.

Diese Sachlage ist jedoch einerseits nicht mit Fällen vergleichbar, in denen ein in erster Instanz - etwa nach Setzung einer Frist für die Stellungnahme zu Ermittlungsergebnissen - versäumtes Vorbringen auch nach der Bescheiderlassung in einem nicht durch ein Neuerungsverbot eingeschränkten Berufungsverfahren nachgeholt werden kann.

Andererseits gleicht der zu beurteilende Sachverhalt - unter dem Gesichtspunkt der Nachholbarkeit des Versäumten - Fällen, in denen die Frist für die Verbesserung eines Antrages versäumt wurde. Auch die verspätete Verbesserung eines (nicht fristgebundenen) Antrages ist zu berücksichtigen und steht einer Zurückweisung des Antrages entgegen (vgl. dazu Hauer-Leukauf, a.a.O., Seite 165, Anm. 15 und Seite 177, E. 33 zu § 13 Abs. 3 AVG; im Fall des Erkenntnisses vom 28. März 1996, Zl. 95/07/0175, stand eine Verbesserung nach Ablauf der Verbesserungsfrist, aber vor der Zurückweisung des Antrages nicht zur Diskussion; zu dieser Frage sollte mit dem Satz in dem Erkenntnis, eine Verbesserung erst in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid sei "ohne Belang, da nur eine Behebung des Formgebrechens innerhalb der von der Erstbehörde gesetzten Frist eine Zurückweisung des Antrages verhindern konnte", daher auch nicht Stellung genommen werden, weshalb der aus der überschießenden, die Entscheidung aber insoweit nicht tragenden Formulierung von Schmelz in ecolex 1997, 57 gezogene Schluß, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei in dieser Frage "uneinheitlich", in dem Erkenntnis keine Stütze findet). Gegen die Versäumung einer derartigen Verbesserungsfrist ist dessenungeachtet die Wiedereinsetzung möglich (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, Zlen. 91/10/0122, 0164; vgl. auch § 147 Abs. 1 ZPO, wonach Wiedereinsetzungsanträge zurückzuweisen sind, "solange" die Partei "die versäumte Prozeßhandlung" in den Fällen des § 145 Abs. 2 ZPO noch "unmittelbar nachholen" kann).

Für den vorliegenden Fall braucht die Frage, ob die versäumte Frist restituierbar war, aber nicht abschließend geprüft zu werden. Geht man von den Beschwerdebehauptungen aus, so kann die in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht des Beschwerdeführers, der Wiedereinsetzungsantrag sei rechtzeitig gewesen, "da das Hindernis am 21.02.1997 wegfiel", nämlich nicht geteilt werden. Bestand der Wiedereinsetzungsgrund darin, daß der Beschwerdeführer glaubte, auch seine Vertreter (im vorangegangenen Beschwerdeverfahren) würden das Manuduktionsschreiben erhalten und darauf reagieren, so fiel dieses behauptete, auf seine Tauglichkeit hier nicht zu untersuchende Hindernis für die rechtzeitige Erstattung einer Berufungsergänzung spätestens dadurch weg, daß der Beschwerdeführer durch den ihm im Jänner 1997 zugestellten Berufungsbescheid erfuhr, daß die Frist versäumt worden war. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 3. März 1997 war in diesem Fall verspätet, weshalb der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung auch unter der Annahme, die versäumte Frist wäre restituierbar gewesen, nicht in seinen Rechten verletzt wurde.

Da dies schon aus der Beschwerde hervorgeht, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997200272.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten