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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §18 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des C in Wien, vertreten durch
Dr. Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 1995, Zl. 4.335.740/11-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 20. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist war und noch am selben Tag den Antrag gestellt hatte, ihm Asyl zu gewähren, gegen die Erledigung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. April 1992, mit der festgestellt worden war, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl.
Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren zu seinen Fluchtgründen im wesentlichen angegeben, er sei Kurde und stamme aus Kigi, einem fast ausschließlich von Kurden bewohnten Ort in Ostanatolien, wo er eine kleine Landwirtschaft besessen habe. Er sei seitens der türkischen Behörden immer wieder der Zusammenarbeit mit den in den Bergen kämpfenden Kurden (PKK) bzw. deren Unterstützung bezichtigt worden. Er sei Mitglied der Organisation "Partizan" in Aydin gewesen, bei der es sich um eine von Kurden unterstützte und der PKK nahestehende Organisation handle. Die "Partizan" habe nur wenige Mitglieder und Anhänger und entfalte kaum Tätigkeit. Es sei in seinem Wohnhaus immer wieder zu Hausdurchsuchungen gekommen, er sei auch mehrfach zur Polizei vorgeladen, jeweils ein Nacht angehalten, einvernommen und dabei geprügelt worden. Auf Grund dieser Umstände und der allgemeinen Verfolgung aller Kurden sowie deren beruflicher Benachteiligung und des Verbotes des Gebrauches der kurdischen Sprache habe er sich entschlossen, seine Heimat zu verlassen. Er sei zunächst nach Aydin in Mittelanatolien geflüchtet, doch sei es ihm dort auch nicht möglich gewesen, eine Arbeit zu finden, sobald man gemerkt habe, daß er Kurde sei.
In der gegen die Erledigung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer diese Angaben und verwies ergänzend lediglich auf eine zunehmende Eskalierung des staatlichen Einschreitens gegen die kurdische Minderheit in seinem Heimatland.
Mit Bescheid vom 7. Mai 1993 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof den bekämpften Bescheid der belangten Behörde mit seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0267, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides infolge Anwendung der Rechtslage vor Kundmachung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, BGBl. Nr. 610/1994 auf, sodaß das Berufungsverfahren neuerlich anhängig wurde. In der dem Beschwerdeführer daraufhin freigestellten Ergänzung seiner Berufung führte er aus, sowohl im Jahr 1993 als auch im Jahr 1994 seien seine Eltern zweimal aufgesucht worden, um den Beschwerdeführer zu verhaften, und verwies - pauschal - auf eine gegen die kurdische Minderheit gerichtete Gruppenverfolgung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) ab und begründete dies einerseits hinsichtlich der von ihm geltend gemachten Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 mit einem Verweis auf die Sachverhaltsdarstellung und rechtliche Beurteilung ihres (Vor-)Bescheides vom 7. Mai 1993 und andererseits damit, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Rumänien aufgehalten und dort Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 erlangt habe.
Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde zunächst vor, die Ausfertigung der erstinstanzlichen Entscheidung sei in Handschrift mit einem unleserlichen Namenszug signiert gewesen, der aber eindeutig nicht von dem in der Fertigungsklausel genannten Organwalter "OR Dr. Schadwasser" gestammt habe. Die belangte Behörde hätte daher die Berufung mangels Vorliegens eines erstinstanzlichen Bescheides zurückweisen müssen. Ferner sei "im Sinn des § 9 Abs. 3 AsylG" die Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen unterblieben. Im übrigen macht der Beschwerdeführer nicht nur eine Unvollständigkeit des Ermittlungsverfahrens und die unrichtige Anwendung des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 geltend, sondern vertritt auch unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides die Rechtsauffassung, die von ihm geltend gemachten Fluchtgründe seien für eine Asylgewährung ausreichend. Weiters wendet er sich gegen die Annahme der Verfolgungssicherheit in Rumänien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der in den vorgelegten Verwaltungsakten liegende "Bescheid" der in erster Instanz eingeschrittenen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien trägt nur die leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden (ohne dessen Unterschrift) sowie den Vermerk "f.d.R." samt unleserlicher Unterschrift. Eine "Urschrift" samt Unterschrift des Genehmigenden
(OR Dr. Schadwasser, dessen Unterschrift amtsbekannt ist), findet sich im vorgelegten Akt nicht. In diesem Punkte gleicht der vorliegende Fall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1996, Zl. 95/20/0019, zugrundelag, auf dessen eingehende Begründung daher, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.
Aus den dort genannten Erwägungen war auch im vorliegenden Fall der eine Sacherledigung der Berufung beinhaltende angefochtene Bescheid der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte von einer Auseinandersetzung mit den Argumenten der belangten Behörde in der Sache selbst und den dagegen erstatteten Beschwerdeausführungen abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Ausfertigung mittels EDV Beglaubigung der Kanzlei Rechtmäßigkeit behördlicher Erledigungen Unterschrift des GenehmigendenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995200715.X00Im RIS seit
20.11.2000