TE Lvwg Erkenntnis 2020/10/5 LVwG-M-15/001-2020

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Veröffentlicht am 05.10.2020
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Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
SPG 1991 §29
SPG 1991 §38a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über eine auf § 88 Abs. 1 SPG gestützte Beschwerde des Herrn A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, im Zusammenhang mit einer Amtshandlung von Organen der Bezirkshauptmannschaft Bruck / Leitha am 16. Mai 2020 in ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch das verhängte Betretungs- und Annäherungsverbot in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG Folge gegeben. Der angefochtene Verwaltungsakt wird für rechtswidrig erklärt.

2.   Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß §§ 53 i.V.m. 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 737,60 (Schriftsatzaufwand) und € 922,00 (Verhandlungs-aufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).


Entscheidungsgründe:

1.       Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2020 erhob der Beschwerdeführer erhob eine auf § 88 Abs. 1 SPG gestützte Beschwerde im Zusammenhang mit einem seitens Organen der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha und damit der belangten Behörde am 16. Mai 2020 verfügten Betretungs- und Annäherungsverbots an der Adresse ***, ***. Als gefährdete Personen gelte seine ehemalige Lebensgefährtin, die Zeugin C. Dabei seien die Beamten zu Unrecht vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Verfügung eines Betretungs- und Annäherungsverbots ausgegangen. Vielmehr hätten sich C und ihre Tochter D dem Beschwerdeführer gegenüber aggressiv verhalten, wohingegen er zwar aufgebracht, jedoch in keiner Weise aggressiv gewesen sei. Die Maßnahme sei somit nicht verhältnismäßig.

Dem trat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vom 9. Juli 2020 im Wesentlichen mit dem Hinweis darauf entgegen, dass es sich bei Maßnahmen der gegenständlichen Art um Prognoseentscheidungen handle, denen der Wissensstand der einschreitenden Organe zum Zeitpunkt des Einschreitens zugrunde zu legen sei. Angesichts des sich den Beamten bietenden Gesamtbildes in Bezug auf den vorangegangenen Familienkonflikt sei ein gefährlicher Angriff nicht auszuschließen gewesen, sodass die genannten Verbote im Hinblick auf die als sensibel einzustufende innerfamiliäre Situation gerechtfertigt gewesen wären. Auch habe der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfenen Handlungen nicht bestritten.

Ausweislich der vorliegenden Dokumentation vom 6. Mai 2020 seien um 10.10 Uhr zwei Streifen, unter anderem der Zeuge E, zum Einsatzort beordert worden. Sie seien um 10.20 Uhr eingetroffen. Der außerhalb des Anwesens stehende Beschwerdeführer hätte angegeben, diverse Gegenstände aus dem Wohnhaus holen bzw. mitnehmen zu wollen, zumal es sich um seine handle und er sich von seiner bisherigen Lebensgefährtin, der Zeugin C, getrennt habe. Im Objekt sei es zu Streitigkeiten gekommen, da sich deren Tochter, die Zeugin D, ihm gegenüber aggressiv verhalten habe und an einem Objekt gezerrt habe, sodass der Beschwerdeführer zu Sturz gekommen sei. Die beiden Zeuginnen C und D hätten den Beamten gegenüber angegeben, dass es im Zuge der Rangelei um ein mitzunehmendes Objekt dazu gekommen sei, dass der Zeugin D (wohl vom Beschwerdeführer) eine Rötung am Oberarm zugefügt worden sei; Körperverletzungen seien jedoch keine festgestellt worden. Aufgrund des „ängstlichen bzw. aufgebrachten Zustandes“ der Zeugin C sowie des offenbar aufrecht bestehenden Unterkunftsverhältnisses des Beschwerdeführers (dieser habe einen Schlüssel zum Haus gehabt [eine Abnahme erfolgte jedoch nicht]) könne daher nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr davon ausgegangen werden, dass es zwischen den genannten Personen zu diversen, gegen Gesundheit bzw. körperliche Unversehrtheit gerichteten Handlungen kommen könne, sodass mit der Verfügung eines Betretungs- und Annäherungsverbots vorgegangen werden müsse. Zu berücksichtigen sei ein unmittelbar zurückliegendes Trennungsverfahren, das zu den Rangeleien und damit Handgreiflichkeiten (Streit um Besitzverhältnisse) geführt habe. Darüber hinaus habe die Zeugin C angegeben, dass sich der Beschwerdeführer ihr gegenüber aggressiv verhalten habe.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, dass es im Zuge des Streits um einen Schal seiner Tochter, den er habe mitnehmen wollen, dazu gekommen sei, dass die Zeuginnen C und D auf ihn losgegangen seien und ihm Frau D einen Stoß versetzt habe, sodass er zu Sturz gekommen sei. Von den Vorgängen seien auch Videos angefertigt worden, wobei er diese der Polizei allerdings nicht zur Kenntnis gebracht habe. Die Polizei habe ihm die Möglichkeit gegeben, seine Sicht der Dinge zu schildern, was er auch getan habe. Aus welchem Grund die Maßnahmen verfügt worden seien, hätten man ihm jedoch nicht gesagt.

Der Zeuge E gab an, von einer nicht mehr erinnerlichen Person erfahren zu haben, dass Frau D den Beschwerdeführer gestoßen habe, sodass dieser zu Sturz gekommen sei. Auch sei von einer Rötung am Arm der Zeugin D die Rede gewesen, wobei diese von einem Handgemenge mit dem Beschwerdeführer hergerührt haben solle. Zum Verhältnis des Beschwerdeführers zur Zeugin C sei in Erfahrung gebracht worden, dass dem Vorfall ein Scheidungsverfahren oder dgl. vorangegangen sei. Die Zeugin D sei auf einer Couch gesessen und habe einen verängstigten Eindruck gemacht, der dann auch ausschlaggebend für das Betretungsverbot gewesen sei. Man sei – abgesehen vom Stoß, den Frau D dem Beschwerdeführer versetzt haben solle – davon ausgegangen, dass es ein Handgemenge zwischen diesen beiden Personen gegeben habe. Dass auch Frau C als gefährdete Person geführt würde, erkläre er so, dass diese im Haus anwesend gewesen sei. Die weiteren Personen, die vor dem Haus gestanden seien, seien möglicherweise durch die Kollegen des Zeugen befragt worden, doch könne der Zeuge nicht mehr angeben, ob er von den Befragungsergebnissen in Kenntnis gesetzt worden sei.

Die Zeugin D hielt fest, dass ihr der Beschwerdeführer im Zuge der Vorkommnisse eine Verletzung mit einer Eisenstange im linken Ellenbogenbereich zugefügt habe. Diese Verletzung habe sie auch der Polizei, möglicherweise auch dem Zeugen E, gezeigt. Sie habe dabei auch geschildert, auf welche Art die Verletzung zustande gekommen sei.

Die Zeugin C führte aus, dass die Polizei die Eskalation hätte wahrnehmen können. Auch hätte sie die Verletzung ihrer Tochter sehen können und sei darüber informiert worden, dass diese von einer Stange stamme. Darüberhinaus wäre für die Beamten wahrnehmbar gewesen, dass der Beschwerdeführer „ausgerastet“ sei und „nicht zu bremsen gewesen“ sei.

Die Zeugin F führte aus, von den Vorfällen vor Eintreffen der Polizei Videoaufnahmen angefertigt zu haben, die sie auch den Beamten, glaublich einer Polizistin, anlässlich des Einschreitens gezeigt habe. Die Videos seien bereits beim ersten Einschreiten und glaublich auch beim zweiten Einschreiten der Polizei hergezeigt worden.

2.       Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sieht das Landesverwaltungsgericht folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Am 16. Mai 2020 hielt sich der Beschwerdeführer im Beisein ein weiterer Personen aus dem Haus der Zeugin C auf, um von dort ihm gehörende Gegenstände abzuholen. Im Zuge dessen kam es zwischen ihm und den Zeuginnen C und D zu Streitigkeiten. Nachdem bereits in den Morgenstunden dieses Tages Polizei vor Ort war, trafen um 10.20 Uhr neuerlich zwei Streifen vor Ort ein. Bei ihrem Eintreffen befand sich der Beschwerdeführer außerhalb des Hauses, während sich die Zeuginnen C und D im Haus aufhielten. Der Beschwerdeführer schilderte dem Beamten gegenüber die Situation aus seiner Sicht und verwies darauf, dass er aufgrund einer Handgreiflichkeit der Zeugin D zu Sturz gekommen sei. Den Beamten gegenüber verhielt er sich zwar aufgebracht, aber nicht aggressiv. Die Zeuginnen C und D gaben dem Beamten gegenüber an, an der „Rangelei“ um abzuholen der Gegenstände beteiligt gewesen zu sein, wobei die Zeugin D dadurch eine Rötung am Oberarm erfahren haben soll. Dass diese der Zeugin vom Beschwerdeführer mit einer Metallstange zugefügt worden sein soll, teilte die Zeugin den Beamten zwar mit, doch wurde dieser Umstand vom Zeugen E nicht in die Beurteilung mit einbezogen. Die Zeugin C vermittelte einen „ängstlichen bzw. aufgebrachten“ Eindruck und gab an, dass sich der Beschwerdeführer ihr gegenüber äußerst aggressiv verhalten habe. Von der Zeugin F wurden den Beamten jedenfalls im Zuge des ersten Einschreitens Videoaufnahmen der Vorfälle im Haus gezeigt.

Angesichts des Zustandes der Zeugin C, des Umstandes, dass sich die Zeugin vor Ort aufhielt, sowie des offenkundig nach wie vor aufrechten Unterkunftsverhältnisses verfügte der Zeuge E in weiterer Folge das Betretung-und Annäherungsverbot.

Ein in der Folge von der gefährdeten Person gestellter Antrag auf Einstweilige Verfügung wurde vom Bezirksgericht Bruck an der Leitha abgewiesen, zumal die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht vorlagen.

Diese Feststellungen ergeben sich aus der vorliegenden Dokumentation gemäß § 38a SPG sowie den Angaben der vernommenen Zeugen, insbesondere jener des Zeugen E. Dabei scheint es dem VwG auch glaubwürdig, dass die Zeugin F den Beamten anlässlich der Amtshandlungen die von ihr angefertigten Videos vorführte, zumal der Zweck ihrer Anfertigung (augenscheinlich) darin bestand, eine Beweissicherung vorzunehmen. Davon ausgehend entspricht es aber der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derartige Aufzeichnungen im Bedarfsfall auch tatsächlich verwendet werden.

3.       Daraus ergibt sich in rechtlicher Hinsicht:

Gegenstand der Beschwerden nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Verwaltungsakte, mithin Lebenssachverhalte. Im gegenständlichen Fall lag ein Betretungs- und Annäherungsverbot vor, welches vom Verwaltungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen ist, wobei diese Prüfung – trotz der Gegenteiliges intendierenden Formulierung des § 27 VwGVG – unabhängig von den in der Beschwerde geltend gemachten Rechten in jede Richtung zu erfolgen hat (VfSlg 14.436/1996; VwGH 25.9.1996, 96/01/0286; 9.9.1997, 96/06/0096; 15.9.1997, 94/10/0027; 23.9.1998, 97/01/0407; vgl. insb. VwGH 30.3.2016, Ra 2015/09/0139, wonach eine Bindung an die Beschwerdegründe des § 27 VwGVG nicht besteht).

Den Beurteilungsmaßstab im Maßnahmenbeschwerdeverfahren bildet die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gesetzten Amtshandlung (VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063), näherhin jene Sachlage, wie sie dem eingeschrittenen Organ im Handlungszeitpunkt bekannt war bzw. (insbesondere im Hinblick auf den Zeitfaktor) bei zumutbarer Sorgfalt bekannt sein musste (VwSlg 14.706 A/1997; VwGH 6.8.1998, 96/07/0053; vgl. N.Raschauer/Wessely, Die abgestufte Gefährdungsprognose nach § 38a SPG, SIAK 2006, 22 ff). Im Ergebnis ist daher zu prüfen, ob das Organ vertretbarer Weise das Vorliegen der Voraussetzungen für sein Einschreiten annehmen durfte (ex ante-Beurteilung; VwSlg 14.142 A/1994; 14.706 A/1997; VwGH 25.1.1990, 89/16/0163; 21.3.2006, 2006/11/0019).

Gemäß § 38a Abs. 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass er einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen werde (Gefährder), das Betreten einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, samt einem Bereich im Umkreis von hundert Metern zu untersagen (Betretungsverbot). Mit dem Betretungsverbot verbunden ist das Verbot der Annäherung an den Gefährdeten im Umkreis von hundert Metern (Annäherungsverbot).

Demnach muss sich den einschreitenden Organen nach stRsp. (z.B. VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0193; 26.4.2016, Ra 2015/03/0079) ein Gesamtbild bieten, das mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass ein gefährlicher Angriff durch den Gefährder bevorsteht oder bevorstehen kann. Entscheidungsrelevant dabei ist, dass bei dieser Prognose vom tatsächlichen bzw. (angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit bzw. Möglichkeiten) zu fordernden Wissensstand des Organs im Zeitpunkt seines Einschreitens auszugehen ist. Dass der Verfügung von Maßnahmen nach § 38a SPG ein umfassendes Ermittlungsverfahren voranzugehen hätte, kann (sich das Wesen von Wegweisung und Betretungsverbot als Dringlichkeitsmaßnahmen vor Augen haltend) dabei ebenso wenig gefordert werden, wie eine abschließende Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz eines als Anlasstat zugrunde gelegten Verhaltens (dies zu klären, ist Sache des Strafverfahrens [VwSlg 15.444 A/2000]).

Im konkreten Fall bauten die einschreitenden Beamten, konkret der Zeuge E, die Anordnung auf die Umstände der vorangegangenen Trennung, der Streitigkeiten betreffend mitzunehmender Gegenstände zwischen dem Beschwerdeführer und den Zeuginnen C und D, den Eindruck vom Zustand der Zeugin C und einem „offenkundig“ aufrechten Unterkunftsverhältnis auf. Nicht berücksichtigt wurde demgegenüber, dass die Rötung im Ellenbogenbereich der Zeugin D durch den Beschwerdeführer mit einer Metallstange herbeigeführt worden sein soll.

Nun kann den einschreitenden Beamten sowie der belangten Behörde zunächst nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus den Wahrnehmungen im Zuge der Amtshandlung auf angespannte „familiäre“ Verhältnisse und damit eine sensible Situation schlossen, die im Zuge einer Gesamtbetrachtung auch in eine Prognoseentscheidung Eingang finden kann und muss. Ausschlaggebend für die Verfügung eines Betretungs- bzw. Annäherungsverbotes ist aber das Vorliegen von Tatsachen, die auf einen bevorstehenden gefährlichen Angriff durch den Gefährder bzw. darauf hindeuten, dass ein solcher i.S. einer reellen Bedrohung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. VwGH 22.6.2018, Ra 2018/01/0285). Wenngleich diese Prognose nicht notwendig einen bereits erfolgte gefährlichen Angriff voraussetzt, sondern sie sich auch auf andere Umstände (Aggressionshandlungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs [VwSlg 16.290 A/2004], Drohungen etc.) stützen kann, vermag im konkreten Fall nicht erkannt zu werden, aufgrund welcher Umstände die einschreitenden Organe von einer reellen, vom Beschwerdeführer ausgehenden (!) Bedrohung für die Zeugin C ausgingen. Näherhin wurde offenbar das Vorbringen der Zeugin D, der Beschwerdeführer habe ihr durch einen Schlag mit einer Metallstange eine nicht näher beschriebene Rötung (und damit u.U. eine Körperverletzung i.S.d. § 83 Abs. 1 StGB [RIS-Justiz RS0092574-T6]) zugefügt und damit eine Aggressionshandlung gesetzt, nicht in die Beurteilung miteinbezogen und die Zufügung von Körperverletzungen sogar verneint. Blieb dieser Umstand aber tatsächlich außer Betracht, kann er auch im nunmehrigen Verfahren nicht zur Rechtfertigung der Maßnahme herangezogen werden (vgl. UVS NÖ 2.12.2010, Senat-MB-09-3018 – 3020). Damit beschränkt sich die Abstützung der Annahme eines aggressiven Verhaltens des Beschwerdeführers auf die Angabe der Zeugin C. Im Hinblick darauf, dass diese Angabe ihrerseits in keiner Weise spezifiziert wurde, wäre es Sache der einschreitenden Organe und ihnen jedenfalls möglich und zumutbar gewesen, hier durch Befragung der anwesenden Personen, insbesondere der Zeugin C, eine Konkretisierung herbeizuführen. Hinzu tritt, dass offenbar die Kommunikation zwischen den einschreitenden Beamten erhebliche Mängel aufwies und daher für die Beurteilung der Situation zentrale Informationen nicht jenem Beamten zugetragen wurden, der letztendlich die Maßnahme verfügte. So floss die Behauptung der Zeugin D im Zusammenhang mit der Rötung im Ellenbogenbereich ebenso wenig in die Beurteilung mit ein wie die seitens der Zeugin F angefertigten und im Zuge der Amtshandlung angebotenen Videosequenzen. Dass schließlich trotz der angenommenen (nicht näher spezifizierten) Rötung im Ellenbogenbereich der Zeugin D das Vorliegen einer Körperverletzung verneint wurde, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie der Umstand, dass die Annahme der Gefährdung unter anderem auf einen nach wie vor beim Beschwerdeführer befindlichen Hausschlüssel gestützt wurde, eine Schlüsselabnahme jedoch nicht erfolgte.

Wenngleich die Rechtmäßigkeit eines Betretungs- bzw. Annäherungsverbots bereits dann anzunehmen ist, wenn die aus vorhandenen Tatsachen gezogenen Schlüsse vertretbar sind, lässt sich die Maßnahme im vorliegenden Fall füglich nicht auf jenes Tatsachensubstrat stützen, von dem der Zeuge E (wie in der öffentlichen mündlichen Verhandlung geschildert) ausging. Von diesem Beurteilungshorizont ausgehend ergibt sich daher, dass die Maßnahme rechtswidrig war, sodass der Beschwerde Erfolg beschieden war.

4.       Gemäß § 35 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Im konkreten Fall ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als obsiegende Partei zu betrachten ist, sodass ihm – antragsgemäß – der Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand in tarifmäßiger Höhe zuzuerkennen war.

5.       Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Betretungsverbot; Annäherungsverbot; Gefährlichkeitsprognose; Verhältnismäßigkeitsprinzip;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.M.15.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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