TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/18 97/20/0395

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Veröffentlicht am 18.09.1997
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Index

25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
StVG §120;
StVG §121;
StVG §22 Abs3;
ZustG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Dr. K in Stockerau, vertreten durch Dr. Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien I, Riemergasse 11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 3. Juni 1997, Zl. 418.392/262-V6/1997, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gemäß § 120 StVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem übereinstimmenden Inhalt der Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Bescheidablichtung wurde dem Beschwerdeführer am 31. Oktober 1996 die Anordnung des Anstaltsleiters durch einen Strafvollzugsbediensteten mündlich mitgeteilt, daß ihm ab 4. November 1996 Arbeit als Hausarbeiter in der Anstaltsküche zugewiesen werde.

Am 4. Dezember 1996 erhob der Beschwerdeführer gegen diese Anordnung Beschwerde gemäß § 120 StVG, in der er darauf hinwies, bereits jahrelang durch einen Rechtsanwalt vertreten zu sein, dem die Anordnung jedoch nicht mitgeteilt worden sei.

Die belangte Behörde qualifizierte in ihrem angefochtenen Bescheid die mündliche Bekanntgabe der Anordnung als das die vierzehntägige Frist des § 120 Abs. 2 StVG auslösende Ereignis und wies die Beschwerde als verspätet zurück.

Der Beschwerdeführer erachtet sich wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides in seinem "Recht auf anwaltliche Vertretung in Strafvollzugssachen", tatsächlich aber wohl in seinem Recht auf meritorische Erledigung seiner Beschwerde verletzt und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, bei den Strafvollzugsbehörden erster und zweiter Instanz sei seine anwaltliche Vertretung seit langem aktenkundig, weshalb alle den Strafgefangenen betreffenden Anordnungen "im Hinblick auf die Vorschrift des § 9 ZustellG" rechtswirksam nur dem anwaltlichen Vertreter hätten mitgeteilt werden können.

Diesem Vorbringen ist folgendes entgegenzuhalten:

Richtig ist, daß durch die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur Vertretung im Verwaltungsverfahren dieser auch Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 9 Zustellgesetz wird. Ab dem Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung hat die Behörde Bescheide nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht an den Vertretenen selbst zuzustellen. Wird statt dessen an den Vertretenen selbst zugestellt, dann ist diese Zustellung unwirksam (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1958, Slg. Nr. 4557/A; Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht 1983, Anm. 9 zu § 9 Zustellgesetz).

Voraussetzung für die Erhebung einer Beschwerde gemäß § 120 StVG ist die Tatsache, daß eine die Rechte des Strafgefangenen betreffende Anordnung getroffen wurde. Derartige im Strafvollzug außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ergehende Anordnungen gemäß § 22 Abs. 3 leg. cit. sind - soweit im Strafvollzugsgesetz nicht anders bestimmt - ohne förmliches Verfahren und ohne Erlassung eines Bescheides zu treffen. Dagegen ist in den Fällen der §§ 116 und 121 - somit im zweiten dieser Fälle nach Einbringung einer derartigen Beschwerde gemäß § 120 - ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und ein Bescheid zu erlassen.

Folgte man der Auffassung der vorliegenden Beschwerde, daß es sich bei der bekämpften Anordnung gemäß § 22 Abs. 3 StVG um einen Bescheid handelte, der rechtswirksam nur dem Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers (ob der Beschwerdeführer der Strafvollzugsbehörde eine auf einen bestimmten Zustellbevollmächtigten lautende allgemeine Vollmacht für sämtliche seinen Strafvollzug betreffenden, künftig anhängig werdenden Angelegenheiten überhaupt bekanntgegeben hatte, kann dahingestellt bleiben) hätte verkündet werden können, so wäre er nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers mangels rechtswirksamer Erlassung noch gar nicht existent geworden. Ist in einem Einparteienverfahren wie dem vorliegenden die behördliche Erledigung als Rechtsnorm nicht existent geworden, so läge auch keine mit Beschwerde gemäß § 120 StVG anfechtbare Entscheidung vor, weshalb diesfalls die belangte Behörde im Ergebnis diese Beschwerde zu Recht zurückgewiesen hätte.

Die gegenständliche Beschwerde erweist sich allerdings schon deshalb als unbegründet, weil die dem Beschwerdeführer gemäß § 22 Abs. 3 StVG erteilte "Anordnung" diesem gegenüber zulässig verkündet wurde, es somit für deren Rechtswirksamkeit nicht einer Verkündung gegenüber einem namhaft gemachten Rechtsvertreter bedurfte. Ein gemäß § 121 StVG zu erlassender Bescheid hätte dem Beschwerdeführer bzw. einem der Behörde namhaft gemachten Vertreter - wie bereits oben ausgeführt - erst aufgrund einer gegen eine solche Anordnung rechtzeitig erhobenen Beschwerde gemäß § 120 StVG zugestellt werden müssen. Eine Vertretung in bezug auf derartige Anordnungen gemäß § 22 Abs. 3 StVG dergestalt, daß eine solche rechtswirksam nur dem Vertreter gegenüber verkündet werden könnte, wäre nicht nur mit der Durchführung eines effektiven und sinnhaften Strafvollzuges unvereinbar, sondern entspräche auch nicht § 22 Abs. 3 StVG, welcher zwischen Anordnungen "und Entscheidungen einschließlich der Bescheide" klar unterscheidet. Die behördliche Erledigung als eine "Anordnung" hat unter Verzicht auf jegliches förmliches Verfahren gerade den Zweck, die Angelegenheiten im Strafvollzug nach einer unmittelbaren und persönlichen Herstellung des Kontaktes mit dem Strafgefangenen einer sinnvollen Klärung zuzuführen und solcherart in einem klärenden Gespräch förmliche Beschwerdeverfahren weitgehend zurückzudrängen. Nur insoweit können die im Strafvollzug notwendigen Anordnungen auch den mit diesem verbundenen erzieherischen Zwecken Rechnung tragen.

Durch die Regelung des § 22 Abs. 3 StVG ist klargestellt, daß (abgesehen von den Fällen einer Entscheidung des Vollzugsgerichtes) ein formelles Verfahren und eine bescheidmäßige Erledigung nur im Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten und bei der Erledigung von Beschwerden der Strafgefangenen Platz greift. Wenn nach der anzuwendenden Rechtslage der Anstaltsleiter zunächst von Rechts wegen nicht verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen, so ist nicht anzunehmen, daß der formlosen Verkündung einer Arbeitseinteilung Bescheidqualität innewohnt. Der Beschwerdeführer spricht selbst davon, daß ihm die "Anordnung" des Anstaltsleiters mitgeteilt worden sei, wogegen er eine Beschwerde gemäß § 120 StVG erhoben habe. Aufgrund des gerade im Strafvollzug weitgehenden Verzichtes auf ein förmliches Verfahren bei behördlichen Erledigungen kommt der nur bei Bescheiden vorgesehenen Einhaltung der Form maßgebliche Bedeutung zu. Die Rechtskraftfähigkeit ist dann Folge deren normativen Natur, die sich hier aus dem Spruch und der Einhaltung der Form eindeutig ergeben muß. Dem von einer Anordnung betroffenen Strafgefangenen bleibt es unbenommen, sein Anliegen zum Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens nach den § 120 StVG zu machen und so einen bescheidförmigen Abspruch zu erwirken, wie dies ja der Beschwerdeführer - allerdings verspätet - getan hat.

Da somit keine Veranlassung bestand, die bekämpfte Anordnung über die Arbeitseinteilung einem - sofern überhaupt namhaft gemachten - Vertreter des Beschwerdeführers mitzuteilen, ist die belangte Behörde zu Recht von einer die Beschwerdefrist des § 120 Abs. 2 StVG auslösenden Verkündung (gegenüber dem Beschwerdeführer) am 31. Oktober 1996 ausgegangen. Die erst am 4. Dezember 1996 erhobene Beschwerde gemäß § 120 Abs. 1 StVG war deshalb zutreffend als verspätet zurückzuweisen.

Die gegenständliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung abzuweisen.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Justiz Justizverwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997200395.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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