TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/18 W220 2222086-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.11.2019
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Entscheidungsdatum

18.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2

Spruch

W220 2222086-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Vietnam, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, Zl. 651015808-181035311, erkannt:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG auf achtzehn Monate herabgesetzt wird; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer, einem vietnamesischen Staatsangehörigen, wurde erstmals am 28.11.2013 mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX gemäß § 63 Abs. 1 NAG ein Aufenthaltstitel "Schüler" erteilt. Dieser Aufenthaltstitel wurde in der Folge regelmäßig verlängert, zuletzt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 28.11.2017 bis zum 19.07.2018.

Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 28.11.2018, Zahl 2.2.B/122-2013, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 19.07.2018 auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" gemäß § 63 Abs. 1 NAG abgewiesen.

Am 08.07.2019 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG einen Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer.

Am 10.07.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgrund des oben angeführten Festnahmeauftrages durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und in ein polizeiliches Anhaltezentrum überstellt. Der Reisepass des Beschwerdeführers wurde dabei sichergestellt.

Am 11.07.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und insbesondere zu seinen Lebensumständen in Österreich und in Vietnam befragt.

Mit oben genanntem, gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, 651015808-181035311, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 nach Vietnam zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, 651015808-190703976, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der Beschwerdeführer wurde am 15.07.2019 auf dem Luftweg nach Vietnam abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Vietnam. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX , seine Identität steht fest. Er ist alleinstehend und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer beherrscht Vietnamesisch, Englisch und Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist in Vietnam geboren und hat dort den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht. In Vietnam leben nach wie vor der Vater des Beschwerdeführers samt Ehefrau sowie die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer war seit dem 28.11.2013 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig. Von 28.11.2013 bis 25.10.2018 war der Aufenthalt des Beschwerdeführers rechtmäßig; seit 26.10.2018 hielt sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich die Schule und verfügt infolgedessen naturgemäß über soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, wobei das Bestehen besonders intensiver Bindungen nicht hervorgekommen ist. Er wohnte in Österreich teils bei seinem Onkel sowie teils bei einem Freund, wobei das Vorliegen eines aufrechten gemeinsamen Haushaltes bzw. Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses jeweils nicht hervorgekommen ist.

Der Beschwerdeführer darf in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehen. Er ist im Bundesgebiet mittellos.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation in Vietnam sowie einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers dorthin:

Der Beschwerdeführer läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Vietnam vom 14.01.2019, gekürzt auf die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen:

"[...]

Politische Lage

Die Sozialistische Republik Vietnam befindet sich in Südostasien und erstreckt sich mit einer Fläche von 329.560 km² vom Delta des Roten Flusses im Norden zum Mekong Delta im Süden. Sie grenzt an China, Laos und Kambodscha. Die Einwohnerzahl wird mit Stand 2016 auf 95,3 Millionen geschätzt, Hauptstadt und Regierungssitz ist Hanoi (GIZ 10.2018). Das Staatsgebiet umfasst 59 Provinzen und fünf Städte (GIZ 12.2018a).

Vietnam befindet sich seit dem Beschluss des VI. Parteitags zur sogenannten "Doi-Moi"-Politik (Erneuerung) im Jahr 1986 in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess Richtung marktwirtschaftliches System (AA 10.2018). Das politische System ist nach wie vor durch den alleinigen Machtanspruch der Kommunistischen Partei (KPV) geprägt, deren Führungsrolle für Staat und Gesellschaft in der 2014 in Kraft getretenen Verfassung unverändert festgeschrieben wird (AA 10.2018; vgl. GIZ 12.2018a; USDOS 20.4.2018). Pluralismus und eine formale Opposition existieren in Vietnam nicht. Opposition kommt, wenn überhaupt, aufgrund der Herausbildung innerparteilicher Interessengruppen, aus den eigenen Reihen (GIZ 12.2018a). Die in der am 1.1.2014 in Kraft getretenen Verfassung festgeschriebenen Prinzipien zu Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Grundrechtsschutz finden häufig keinen Niederschlag in den gesetzlichen Regelungen, im Verwaltungshandeln oder in der Rechtsprechung (AA 14.12.2018; vgl. GIZ 12.2018a).

Die politische Führung Vietnams besteht aus dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei (KPV), dem Premierminister, dem Präsidenten und dem Vorsitzenden der Nationalversammlung (NV) (USDOS 20.4.2018; vgl. KAS 14.12.2018).

Der Generalsekretär der KPV hat verfassungsgemäß zwar keine formelle Rolle, dennoch werden die wichtigsten politischen Entscheidungen im ihm unterstellten Zentralkomitee und im Politbüro getroffen. Das 19-köpfige Politbüro bestimmt die Richtlinien der Politik. Das 180-köpfige Plenum des Zentralkomitees als zweitwichtigstes Parteiorgan tagt in der Regel zweimal im Jahr (AA 10.2018). Die Amtszeit des Generalsekretärs ist auf maximal zwei Legislaturperioden zu je fünf Jahren begrenzt (KAS 14.12.2018). Seit 2011 ist Nguyen Phu Trong Generalsekretär (AA 10.2018).

Die Regierung, geführt vom Premierminister, ist die höchste Institution der Exekutive. Sie wird von der Nationalversammlung gewählt und ist ihr gegenüber rechenschaftspflichtig. Die Amtszeit des Premierministers ist auf maximal zwei Legislaturperioden zu je fünf Jahren begrenzt (KAS 14.12.2018). Seit Juli 2016 steht Premierminister Nguyen Xuan Phuc an der Spitze der Regierung (AA 10.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Seinem Kabinett gehören fünf stellvertretende Premierminister, 18 Fachminister und vier weitere Personen im Ministerrang an (AA 10.2018).

Der Präsident wird von der Nationalversammlung gewählt und vertritt den Staat auf nationaler und internationaler Ebene. Gemeinsam mit dem Premierminister bildet er eine doppelköpfige Exekutive. Gemäß der Verfassung ist der Präsident auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte und sitzt ausgewählten Ausschüssen des Zentralkomitees vor (KAS 14.12.2018). Der Präsident wird von der NV für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt und ist für die Ernennung des Premierministers verantwortlich, welcher wiederum von der Legislative bestätigt wird (FH 1.2018). Nach dem krankheitsbedingten Tod von Präsident Tran Dai Quang am 21.09.2018 übernahm Vizepräsidentin Dang Thi Ngoc Thinh interimistisch das Präsidentenamt. Am 23.10.2018 wurde der Generalsekretär der KPV, Nguyen Phu Trong, unter Beibehaltung seines Amts als Parteichef, zum neuen Präsidenten gewählt (KAS 14.12.2018; vgl. AA 10.2018). Es handelt sich dabei um die erste Doppelbesetzung und derartige Machtkonzentration an der vietnameischen Führungsspitze seit dem Tod von Ho Chi Minh im Jahr 1969 (KAS 14.12.2018).

Die Nationalversammlung (NV) ist für die Gesetzgebung und die Kontrolle über alle staatlichen Aktivitäten zuständig. Sie tritt zweimal jährlich zusammen und wurde im Mai 2016 für die Legislaturperiode 2016 bis 2021 neu gewählt. Der aktuellen NV gehören 489 Abgeordnete an, deren Mitglieder, bis auf 21 Unabhängige, KPV-Mitglieder sind. Es durften nur wenige unabhängige Kandidaten antreten (AA 10.2018). Die NV wird alle fünf Jahre in geheimer Abstimmung gewählt (GIZ 12.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018). Vorsitzende der Nationalversammlung ist seit März 2016 Nguyen Thi Kim Nga, die erste Frau in diesem Amt (UKHO 9.2018).

In der Praxis werden Legislative, Exekutive und Judikative weiterhin von der KPV-Führung angeleitet und kontrolliert (AA 10.2018; vgl. BTI 2018). In den letzten Jahren kann man beobachten, dass sich die KPV aus dem politischen "Alltagsgeschäft" zurückzieht und der Regierung damit eine größere Rolle zukommt (GIZ 12.2018a). Die Exekutive ist mit Volkskomitees in den Provinzen, den Distrikten und Dorfgemeinden vertreten. Daneben gibt es auf allen Verwaltungsebenen Parteikomitees (GIZ 12.2018a).

Die Möglichkeit der Bürger, ihre Regierung auf demokratischem Wege zu ändern ist stark eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Wahlgesetze und -rahmen stellen sicher, dass die KPV jede Wahl dominiert und das politische System kontrolliert. Die Vietnamesische Vaterlandsfront (VVF), die als Arm der KPV fungiert, ist für die Überprüfung aller Kandidaten für die NV zuständig. Bei den Wahlen von 2016 konnten auch unabhängige Kandidaten kandidieren. 100 unabhängigen, reformorientierten Kandidaten wurde vom Gremium die Kandidatur jedoch untersagt (FH 1.2018). Die letzten Wahlen zur Nationalversammlung im Mai 2016 waren trotz des begrenzten Wettbewerbs zwischen den von der KPV zugelassenen Kandidaten weder frei noch fair (USDOS 20.4.2018). Die Wahlbeiteilung lag laut Regierungsangaben bei 99 Prozent, wobei es Berichte über das Auffüllen von Wahlurnen gab (FH 1.2018).

Vietnam nimmt eine zentrale Position in der Region Südostasien ein und ist Mitglied der Staatengemeinschaft ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) (GIZ 12.2018a). Wichtigste außenpolitische Partner sind die ASEAN-Mitgliedstaaten, sowie China, Japan, Südkorea, Russland, die USA, in den vergangenen Jahren verstärkt auch Indien, Australien und die EU (AA 10.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Die vietnamesische Außenpolitik verfolgt drei Kernziele: Die Sicherheit Vietnams - jüngst vor allem mit Blick auf territoriale Streitigkeiten im Südchinesischen Meer, die Sicherung der wirtschaftlichen Entwicklung und eine verstärkte Einbindung in die Arbeit internationaler Organisationen (AA 10.2018). China ist der mit Abstand größte Handelspartner Vietnams, wobei sich die Beziehungen aufgrund der maritimen Gebietsstreitigkeiten weiterhin kompliziert gestalten (HRW 18.1.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnamstand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

-AA - Auswärtiges Amt (10.2018): Vietnam, Außen- und Europapolitik, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/vietnam-node/-/217340, Zugriff 17.12.2018

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.btiproject.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

-FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442521.html, Zugriff 18.12.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (10.2018): Vietnam, Überblick, https://www.liportal.de/vietnam/ueberblick/, Zugriff 7.12.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018

-HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422603.html, Zugriff 11.12.2018

-KAS - Konrad Adenauer Stiftung (14.12.2018): Vietnam: kollektive Führung vs. konzentrierte Macht?, https://www.kas.de/web/vietnam/laenderberichte/detail/-/content/vietnam-kollektivefuhrung-vs-konzentrierte-macht-, Zugriff 18.12.2018

- UKHO - UK Home Office (9.2018): Country Policy and Information Note Vietnam: Opposition to the State, https://www.ecoi.net/en/file/local/1443687/1226_1537346679_vietnam-oppn-to-vcpcpin-v3-0-september-2018.pdf, Zugriff 7.12.2018

-USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

Sicherheitslage

Nachdem es mehrfach zu gewaltsamen Übergriffen Roter Khmer auf vietnamesisches Territorium gekommen war, marschierte Vietnam 1978 in Kambodscha ein und bekämpfte bis 1989 die Roten Khmer im Kambodscha. Auch nach der Lösung dieses Konflikts durch das Pariser Friedensabkommens 1991 kommt es immer wieder zu Spannungen und Grenzstreitigkeiten (GIZ 12.2018a).

Nicht explodierte Minen und Munition stellen eine anhaltende Gefahr auf ehemaligen Schlachtfeldern dar, insbesondere in Zentralvietnam und entlang der Laosgrenze, die früher vom Ho Chi Minh Pfad durchquert wurde (FCO 19.12.2018). Einige Proteste in den letzten Jahren sind gewalttätig geworden oder wurden von den Behörden gewaltsam unterdrückt (FCO 19.12.2018). Insbesondere bewaffneter Widerstand gegen Landraub bedrohte das Gewaltmonopol des Staates (BTI 2018).

Quellen:

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.btiproject.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

- FCO - Foreign and Commonwealth Office (19.12.2018): Foreign travel advice Vietnam, Safety and Security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/vietnam/safety-and-security, Zugriff 14.1.2019

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018

[...]

Allgemeine Menschenrechtslage

Eine neue Verfassung ist am 1.1.2014 in Kraft getreten (AA 14.12.2018). In dieser wird den Menschenrechten erstmals ein eigener Abschnitt gewidmet, der das Recht auf Leben und Privatsphäre, frei von willkürlicher Verhaftung und Folter garantiert (BTI 2018). Die zahlreichen angeführten Grundrechte werden in der Regel jedoch durch eine restriktive Konkretisierung, durch umfassende Eingriffsrechte oder mangelhaften Schutz aufgrund von Umsetzungsdefiziten beschnitten (AA 14.12.2018). Artikel 258 des Strafgesetzbuches besagt, dass "jeder, der die Meinungs-, Presse-, Religions-, Vereinigungs-, Versammlungs- und sonstigen Freiheiten nutzt, um die Interessen des Staates und die Rechte und Rechtsinteressen anderer Organisationen und Bürger zu beeinträchtigen, bestraft wird". Die Bestrafung reicht von Verwarnungen über drei Jahre Umerziehung in einem Zwangsarbeitslager bis zu einer drei- bis siebenjährigen Haftstrafe. Dieses Gesetz ermöglicht es der Polizei, friedlichen Protesten mit übermäßiger Gewalt zu begegnen und politische Aktivisten zu verhaften, die sich friedlich für politische Rechte, Demokratie und Veränderungen in der Regierungspolitik gegenüber China einsetzen (BTI 2018). Um innenpolitische Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik zu unterdrücken wendet die Regierung Überwachung, Strafverfolgung und Inhaftierung, Eingriffe in die persönliche Kommunikation und Einschränkungen bei der Ausübung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit an (USDOS 20.4.2018). Die Vorstellung von Grundrechten als Abwehr- und Schutzrechte gegenüber dem Staat beginnt sich nur zögerlich durchzusetzen (AA 14.12.2018).

Vietnam hat sieben der wichtigsten Menschenrechtskonventionen gezeichnet bzw. ratifiziert. Probleme gibt es vor allem bei der Umsetzung international eingegangener Verpflichtungen. So werden elementare, von den Menschenrechtskonventionen garantierte Menschenrechte wie Meinungs-, Versammlungs-, Religionsfreiheit weiterhin zum Teil stark eingeschränkt. Vietnam ist an folgende internationale Menschenrechtsabkommen gebunden:

? Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte;

? Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte;

? Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung;

? Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau;

? Übereinkommen über die Rechte des Kindes mit seinen beiden Zusatzprotokollen betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und den Verkauf von Kindern sowie Kinderprostitution und Kinderpornographie.

? Anti-Folter-Konvention

? UN-Behindertenrechtskonvention (AA 14.12.2018).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsverletzungen gehören: willkürliche und rechtswidrige Tötungen; Folter und grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung von Personen; systemischer Missbrauch im Rechtssystem einschließlich der Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt, der Besuche von Familienangehörigen und eines fairen und schnellen Prozesses; Eingriffe der Regierung in die Privatsphäre, die Familie, das Zuhause und die Korrespondenz; Beschränkungen der Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs-, Bewegungs- und Religionsfreiheit, einschließlich der Zensur der Presse und Beschränkungen der Internetfreiheit; Korruption; häusliche Gewalt; Kindesmissbrauch; und Beschränkungen des Rechts der Arbeitnehmer auf Gründung und Beitritt zu unabhängigen Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).

Die Regierung ergreift manchmal Korrekturmaßnahmen einschließlich Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Beamte, die gegen das Gesetz verstoßen haben, dennoch handeln Polizisten manchmal ungestraft. Es gibt auch Berichte über willkürliche oder rechtswidrige Tötungen, wobei Sicherheitsbeamte in einigen Fällen zur Verantwortung gezogen werden. Es gibt keine Berichte über das Verschwinden von Personen durch oder im Namen von Regierungsbehörden (USDOS 20.4.2018).

Die repressive Linie des vietnamesischen Sicherheitsapparates wird von der nationalistischen "Rote-Flaggen-Bewegung" unterstützt. Diese ist vor allem im Internet aktiv, scheut aber auch nicht vor physischen Einschüchterungsversuchen liberaler Regimekritiker zurück (GIZ 12.2018a).

Im Menschenrechtsbereich ist die vietnamesische Führung innerhalb enger Grenzen zu internationaler Zusammenarbeit bereit und führt mit der EU, Schweiz, Norwegen, Australien, Neuseeland und den USA Menschenrechtsdialoge (USDOS 20.4.2018). Mit der EU führt Vietnam seit 2001 einen jährlichen Menschenrechtsdialog. Der letzte Dialog fand im Dezember 2017 in Hanoi statt (AA 10.2018). Anfragen an die Regierung zu Menschenrechtsfällen werden nur in Einzelfällen beantwortet. Vietnam war von 2014 bis 2016 Mitglied des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen und hat sich 2014 dem Staatenüberprüfungsverfahren der Vereinten Nationen (Universal Periodic Review, UPR) unterzogen. Für Anfang 2019 steht Vietnam erneut zum UPR an (AA 14.12.2018). Im November 2017 erlaubte die Regierung den Besuch des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung (USDOS 20.4.2018).

Mit der Entführung eines vietnamesischen Staatsangehörigen aus Berlin im Sommer 2017 durch vietnamesische staatliche Stellen hat das Bemühen um weitere internationale Integration und die Förderung des vietnamesischen Ansehens in der Welt einen Rückschlag erlitten (AA 10.2018; vgl. GIZ 12.2018a).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnamstand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

-AA - Auswärtiges Amt (10.2018): Vietnam, Außen- und Europapolitik, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/vietnam-node/-/217340, Zugriff 17.12.2018

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.btiproject.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Vietnam, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/vietnam/geschichte-staat/, Zugriff 7.12.2018

-USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

[...]

Grundversorgung und Wirtschaft

Die Sozialistische Republik Vietnam befindet sich in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess von einem zentral gesteuerten zu einem marktwirtschaftlich orientierten System mit dem Anspruch, sozialistisch zu sein. Steigende (versteckte) Arbeitslosenzahlen, unter anderem bedingt durch eine hohe Zahl von Schulabgängern (ca. 1 bis 1,5 Millionen jährlich), sowie ein wachsendes Gefälle zwischen Stadt und Land und zwischen Arm und Reich sind Begleiterscheinungen des Wandels. Reformen konzentrieren sich jedoch überwiegend auf den Wirtschaftssektor; in der Politik hält die Kommunistische Partei Vietnams (KPV) an ihrem politischen Machtmonopol weiter fest (AA 14.12.2018).

Die vietnamesische Wirtschaft boomte mit einer kurzen Unterbrechung während der asiatischen Finanzkrise und erzielte laufend hohe Wachstumsraten. Vor allem die Privatbetriebe, die im Zuge von Doi Moi, der seit 1986 eingeleiteten Reformpolitik, entstanden sind, tragen hierzu bei. In der ersten Hälfte des Jahres 2018 erreichte das Wirtschaftswachstum mit sieben Prozent den höchsten Wert seit acht Jahren (GIZ 9.2018).

Der allgemeine Lebensstandard ist, vor allem auf dem Land, niedrig. Das Angebot an Grundnahrungsmitteln ist gesichert. Vietnam ist weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt, obgleich hier in den letzten Jahren eine positive Entwicklung verzeichnet werden konnte (Pro-KopfEinkommen 2017: 2.300 US-Dollar (2011: 1.500 US-Dollar), Platz 116 auf dem Human Development Index 2018 (2016: Platz 115) (AA 14.12.2018). Bei der Bekämpfung der Armut konnten in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte erzielt werden. Die Armutsrate ging von 58 Prozent im Jahre 1993 auf 13,5 Prozent zurück (GIZ 9.2018). Die nationale Armutsgrenze wurde von der Regierung 2017 angepasst und liegt nun bei 8,4 Millionen Vietnamesischen Dong (VND) [Anm.: ca. 315 Euro] pro Kopf und Jahr. Im Jahr 2017 lebten 6,7 Prozent aller vietnamesischer Haushalte (1,642 Millionen Haushalte) unterhalb der Armutsgrenze. 212.229 Familien (fast 1 Millionen Menschen) leben in extremer Armut (AA 14.12.2018).

Es bestehen erhebliche Einkommensunterschiede zwischen den relativ "reichen" Städten und ländlichen Gebieten (AA 14.12.2018). Während in den Städten eine Mittelschicht und eine Schicht konsumorientierter Neureicher entstanden ist, ist die Armutsrate in einigen Regionen unverändert hoch. Dies betrifft vor allem ethnische Minderheiten im Nordwesten und im Zentralen Hochland (GIZ 12.2018b). Die zum Teil verdeckte Arbeitslosigkeit in ländlichen Gebieten ist hoch und es herrscht eine, insbesondere saisonale, Unterbeschäftigung (AA 14.12.2018).

Das Sozialversicherungssystem verfügt zwar mittlerweile über eine solide Grundstruktur, die jedoch aufgrund einer Vielzahl von jüngsten Reformen noch nicht als gefestigt angesehen werden kann. Von ca. 53 Millionen Erwerbstätigen in Vietnam sind ca. zehn Millionen renten- und arbeitslosenversichert. Diese niedrige Zahl erklärt sich vor dem Hintergrund, dass lediglich die im formellen Sektor arbeitenden Vietnamesen sich eine derartige Pflichtversicherung leisten können. Die im informellen Sektor tätigen ca. 42 Millionen Vietnamesen verfügen weit überwiegend über keine Renten- und Arbeitslosenversicherung, da sie auch von der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung keinen Gebrauch machen. Im Ergebnis scheint die Finanzierbarkeit eines sozialen Sicherungssystems in Vietnam noch nicht gewährleistet (AA 14.12.2018).

Berufstätige mit unbefristeten oder befristeten Verträgen über drei Monaten müssen ein Prozent ihres Gehalts in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Um für Arbeitslosenhilfe bezugsberechtigt zu sein, muss man für 24 bis 36 Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses in die Versicherung eingezahlt und den Antrag auf Arbeitslosenhilfe innerhalb von drei Monaten nach Vertragsauflösung eingereicht haben. Die Arbeitslosenhilfe beträgt 60 Prozent des Durchschnittslohns der letzten sechs Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit. Die Dauer des Leistungsbezugs variiert je nach Einzahlungsdauer. Bei einer Beitragszahlung von 12 bis 36 Monaten erhält man drei Monate lang Bezüge. Bei 36 bis 72 Monaten sind es sechs Monate, bei 72 bis 144 Monaten sind es neun Monate und bei mindestens 144 Beitragsmonaten erhält man für ein Jahr Arbeitslosengeld (IOM 2018).

Vietnams Rentensystem besteht aus einer staatlichen und freiwilligen Rentenversicherung (IOM 2018). Frauen gehen mit 55, Männer erst mit 60 Jahren in Rente (AA 14.12.2018; vgl. IOM 2018). Jeder, der mindestens 20 Jahre Versicherungsbeiträge gezahlt hat, kann Rente beziehen. Der monatliche Rentensatz beträgt 75 Prozent des Durchschnittsgehalts der gesamten Beitragszeit für die Sozialversicherung (IOM 2018). Die Sozialrenten decken 1,3 Prozent der 60- bis 79-Jährigen und 79 Prozent der über 80-Jährigen ab. Das Leistungsniveau ist mit unter zehn Prozent des ProKopf-Einkommens bescheiden. Insgesamt erhalten die meisten Menschen ab 60 Jahren keinerlei Rente (BTI 2018).

Für Schutzbedürftige Personen - Personen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen, Minderheiten, Frauen, Kinder, Ältere, HIV-Infizierte, Drogenabhängige, LGBT oder vom Klimawandel betroffene Personen - gibt es verschiedene Projekte, deren Dauer jedoch variieren können und die vom Ministerium für Arbeit, Invaliden und Soziales (MoLISA), dem Roten Kreuz, Agenturen der Vereinten Nationen, IOM, internationalen Organisationen und NGOs angeboten werden (IOM 2018).

Behinderungen führen in Vietnam häufig zur Auflösung der Familienbande und zu sozialer Ausgrenzung aufgrund der Stigmatisierung. Laut Gesetz sollen Menschen mit Behinderungen zwei bis drei Prozent der Belegschaft eines Betriebs bilden, andernfalls drohen den Unternehmen Geldstrafen. Die Einhaltung der Quote wird allerdings nur sporadisch überprüft. Chancen für die Aufnahme einer geregelten Erwerbstätigkeit bestehen für Menschen mit Behinderung in Vietnam somit kaum. Vietnam hat die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz Behinderter im Jahr 2014 ratifiziert (AA 14.12.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnamstand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Vietnam Country Report, https://www.btiproject.org/en/reports/country-reports/detail/itc/VNM/, Zugriff 17.12.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Vietnam, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/vietnam/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 7.12.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018b): Vietnam, Gesellschaft, https://www.liportal.de/vietnam/gesellschaft/, Zugriff 7.12.2018

- IOM - International Organization for Migration (Autor), veröffentlicht von ZIRF - Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (2018): Vietnam - Country Fact Sheet 2018, http:// files.returningfromgermany.de/files/CFS%20_2018_Vietnam_DE.pdf, Zugriff 7.1.2019

Medizinische Versorgung

Die Gesundheitsversorgung hat sich in den letzten Jahren verbessert, entspricht aber insgesamt bei weitem nicht europäischem Niveau. Gemessen am Entwicklungsstand des Landes ist sie in der Breitenwirkung relativ hoch, in der Qualität aber weiterhin bei anspruchsvolleren Behandlungen schwach (AA 14.12.2018). Traditionelle Medizin, die stark von der chinesischen Medizin beeinflusst ist, ist in Vietnam nach wie vor weit verbreitet, auch wenn die Nachfrage nach westlicher Medizin angestiegen ist (GIZ 12.2018b). Die gängigen Medikamente, bzw. Generika sind in Vietnam erhältlich (AA 14.12.2018; vgl. IOM 2018). Es kann allerdings zu qualitativen oder zeitlichen Engpässen kommen. Produktfälschungen kommen vor. Über private Spezialkliniken lassen sich zu entsprechenden Preisen Medikamente fast jeglicher Art innerhalb kurzer Zeit importieren (AA 14.12.2018).

Das öffentliche Gesundheitsnetz ist mit Gesundheitseinrichtungen auf der Gemeinde-, Bezirks-, Provinz- und Zentral (National) Ebene breit aufgestellt (MedCOI 10.5.2016). Generell ist in Vietnam die Grundbehandlung der meisten Krankheiten möglich. Krankenhäuser und Privatkliniken, in denen lebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können, existieren in den Großstädten und Provinzhauptstädten. Bereits etwas kompliziertere Behandlungen sind jedoch nur in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt sowie eventuell noch in einigen anderen großen Städten durchführbar. Das Ausbildungsniveau kann als solide bezeichnet werden, jedoch ist die Ausstattung in Arztpraxen und Krankenhäusern oft defizitär bzw. vermag das Personal die Geräte nicht zu bedienen (AA 14.12.2018).

In Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt sowie anderen größeren Städten werden in der letzten Zeit verstärkt auch halbstaatliche medizinische Dienstleistungen angeboten. Gebäude und Personal stammen z.B. von der Armee, Ärzte arbeiten aber kostendeckend auf private Rechnung. Die Untersuchungskosten in diesen Zentren sind relativ günstig (unter zehn US Dollar je nach Art der Untersuchung). Die Ausstattung mit medizinischem Gerät ist angemessen (z.B. Ultraschall-, Röntgengerät etc.). Eine weitere Art von privaten Gesundheitsinstitutionen in Hanoi und Ho-Chi- Minh-Stadt sind die sog. "Family-Doctor-Services". Diese operieren in Teilbereichen auf Mitgliederbasis und bieten medizinische Versorgung zu relativ hohen Preisen an. Eine westlichen Standards entsprechende medizinische Versorgung (stationär und ambulant) ist im "Französischen Krankenhaus" in Hanoi und in den "SOS-Kliniken" in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt verfügbar. Insgesamt gibt es in Vietnam nach offiziellen Angaben 1.062 öffentliche und 80 private Krankenhäuser (AA 14.12.2018).

Vietnams Gesundheitswesen besteht aus einer staatlichen und einer freiwilligen Krankenversicherung (IOM 2018). Die staatliche Krankenversicherung, welche Anfang 2015 zu einer allgemeinen Pflichtversicherung mit reduzierten Beiträgen für Familien und Bedürftige ausgebaut wurde, ist im Aufbau begriffen. Aktuell sind nach Angaben des Arbeits- und Sozialministeriums 82 Prozent der Bevölkerung versichert (AA 14.12.2018). Arbeitnehmer müssen 1,5 Prozent ihres Gehalts abführen, der Arbeitgeber zahlt einen Betrag in Höhe von 3 Prozent des Gehalts ein (AA 14.12.2018; vgl. IOM 2018). Über "Health Insurance Cards" oder die direkte Vergütung von Leistungen soll eine medizinische Grundversorgung gewährleistet werden. Für bedürftige ältere Menschen sowie für Kriegsversehrte besteht zudem die Möglichkeit, bei den örtlichen Volkskomitees einen Antrag auf eine Bescheinigung zu stellen, die zu einer günstigen oder gegebenenfalls auch kostenlosen Krankenbehandlung berechtigt (AA 14.12.2018). Private Krankenversicherungen sind möglich (MedCOI 10.5.2016). Um medizinische Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können, werden Personal- und Krankenversicherungsausweis benötigt. Personen, die nicht versichert sind, müssen die Kosten vollständig selbst tragen (IOM 2018). Die Regierung hat auch ein spezielles Versicherungssystem für unterprivilegierte Haushalte eingeführt (MedCOI 10.5.2016).

Korruption ist in Krankenhäusern weit verbreitet (GIZ 12.2018b; vgl. AA 14.12.2018). Durch mittlerweile obligatorische Bestechungszahlungen sind die Behandlungskosten für viele Arme zu hoch (GIZ 12.2018b), das Ob und Wie der Behandlung hängt von der Höhe der "Bezahlung" ab. Viele in staatlichen Krankenhäusern tätige Ärzte arbeiten mittlerweile nach Feierabend auf "eigene Rechnung" (AA 14.12.2018).

HIV/AIDS stellt ein besonderes Gesundheitsproblem dar, das sich in Vietnam immer mehr verbreitet (GIZ 12.2018b). Die offizielle Zahl der registrierten an HIV/AIDS Erkrankten lag im Juni 2015 bei 250.000, mit einer Dunkelziffer von bis etwa. 290.000 ist zu rechnen. Mittlerweile erhalten mehr als die Hälfte der registrierten AIDS-Erkrankten eine antiretrovirale Behandlung (AA 14.12.2018). In den HIV-Zentren in Hanoi und Ho Chi Minh ist die Behandlung kostenlos.

HIV/AIDS kann auch in jedem großen Spital behandelt werden, die Behandlung ist dort allerdings teuer. Insgesamt kann eine antiretrovirale Behandlung in 364 Ambulanzen durchgeführt werden (MedCOI 10.5.2016).

Krebs kann in spezialisierten Einrichtungen in Hanoi und Ho Chi Minh behandelt werden. Eine finanzielle Unterstützung durch die Regierung oder Sozialversicherung ist zwar nicht gegeben, die Behandlungskosten können jedoch mit einer zusätzlichen Krankenversicherung abgedeckt werden. Vietnam verfügt über sechs spezialisierte öffentliche Onkologie-Kliniken in Hanoi, Ho-Chi- Minh-Stadt, Nghe An, Da Nang und Can Tho. Darüber hinaus gibt es 43 onkologische Abteilungen in zentralen und provinziellen Allgemein- und Fachkliniken (MedCOI 10.5.2016).

Nierenversagen ist in spezialisierten Einrichtungen in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt und Da Nang behandelbar. Es gibt ausreichend Dialysezentren und der Zugang zur Behandlung ist einfach. Die vietnamesische Krankenkasse deckt 80 Prozent der Kosten für Dialysebehandlungen, für besondere Patientengruppen, wie "revolutionäre Beitragszahler" und "Sozialschutzgruppen" sogar 100 Prozent (MedCOI 10.5.2016).

Nach neuesten Statistiken haben ca. fünf Prozent aller Vietnamesen Diabetes (GIZ 12.2018b). Die Behandlung von Diabetes wird nicht von einer staatlichen Versicherung bezahlt, aber viele private Versicherungen übernehmen die Kosten. Wenn der Patient versichert ist, werden die Kosten für Insulin übernommen (MedCOI 10.5.2016).

Die Behandlungskosten für Hepatitis werden komplett durch eine private Versicherung abgedeckt (MedCOI 10.5.2016).

Tuberkulose (TB)-Behandlung ist in Vietnam auf Distriktebene möglich. Alle Distrikte verfügen über eine spezialisierte öffentliche TB-Klinik/Einheit, in der die notwendigen Tests für die Diagnose durchgeführt werden können. Die Patienten werden zur Bestätigung der Diagnose an das öffentliche TB/Lungenkrankenhaus der Provinz überwiesen, um zusätzliche Tests und Röntgenbilder zu machen und Kulturen anzulegen. Während die Diagnose und Behandlung von TB kostenlos angeboten wird, können die tatsächlichen Kosten für einen Patienten bis zu einem Jahreseinkommen betragen. Die Tests kosten etwa VND 100.000, wobei um die 30 Prozent der Patienten angaben, dass die Kosten von der Versicherung übernommen wurden. Nur etwa 52 Prozent der Tuberkulosepatienten erhalten eine Behandlung (MedCOI 10.5.2016).

In den letzten Jahren haben sich Depressionen und Selbstmorde in Vietnam stark ausgeweitet (GIZ 12.2018b). Die psychiatrischen Einrichtungen sind auf einem relativ hohen Niveau, stehen jedoch nur in den Großstädten zur Verfügung (AA 14.12.2018). Dienstleistungen durch Psychiater werden von zwei zentralen und 31 provinziellen psychiatrischen Krankenhäusern sowie von 23 psychiatrischen Abteilungen in den allgemeinen Provinzkrankenhäusern, zwei Tageskliniken und einer stationären Kinder- und Jugendklinik angeboten. Nachsorge wird durch Allgemeinmediziner auf Gemeindebasis erbracht. Generische Antipsychotika der zweiten Generation sind zwar kostenlos erhältlich, deren Verfügbarkeit ist jedoch auf die großen städtischen psychiatrischen Einrichtungen beschränkt. Schizophrenie und Epilepsie werden durch das Nationale Programm für psychische Gesundheit (NMHP) abgedeckt (MedCOI 10.5.2016).

Die Zahl der Menschen mit Behinderungen beträgt rund sieben Millionen. Ein Viertel davon sind Kriegsversehrte und gut ein Drittel Analphabeten. Viele Behinderte haben keinen Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen. Orthopädietechnische Versorgungsstrukturen für die durch das Herbizid Agent Orange Geschädigten befinden sich aufgrund der fehlenden Tradition orthopädischer Behandlungsmaßnahmen in Vietnam noch im Aufbau (AA 14.12.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnamstand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018b): Vietnam, Gesellschaft, https://www.liportal.de/vietnam/gesellschaft/, Zugriff 7.12.2018

- IOM - International Organization for Migration (Autor), veröffentlicht von ZIRF - Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (2018): Vietnam - Country Fact Sheet 2018, http:// files.returningfromgermany.de/files/CFS%20_2018_Vietnam_DE.pdf, Zugriff 7.1.2019

- MedCOI - Belgian Immigration Office (10.5.2016): Country Fact Sheet Vietnam update 2016

Rückkehr

Die ungenehmigte Ausreise aus Vietnam und der unerlaubte Verbleib im Ausland stehen grundsätzlich unter Strafe (Art. 274 StGB, Art. 35 Änderungsgesetz zum StGB). Dem deutschen Auswärtigen Amt, anderen befragten westlichen Botschaften in Vietnam und dem UNHCR sind keinerlei Strafverfolgungsmaßnahmen gegenüber Rückkehrern wegen ungenehmigter Ausreise bekannt. Auch eine Drangsalierung von Rückkehrern ist dem Auswärtigen Amt in den letzten Jahren nicht bekannt geworden (AA 14.12.2018). Das Ministerium für öffentliche Sicherheit befragte Personen die in andere Länder ausgewandert waren oder es versucht hatten, einschließlich Asylbewerber, nach ihrer Rückkehr nach Vietnam (USDOS 20.4.2018).

Rückkehrern kann allerdings im Einzelfall eine Bestrafung wegen Propaganda gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung nach dem Strafgesetzbuch drohen. Dies hängt vom Charakter der jeweiligen politischen Betätigung ab. Sollten vor der Ausreise aus Vietnam sonstige Straftaten begangen worden sein, muss mit einer Strafverfolgung nach der Rückkehr gerechnet werden. Der Grundsatz "ne bis in idem" (gegen Doppelbestrafung) ist in Art. 28 Abs. 3 StGB enthalten (AA 14.12.2018).

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Rahmen des Programmes AVRR Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr an (IOM 2018). Die Hilfeleistungen beinhalten, abhängig von den jeweiligen Projekten und finanziellen Ressourcen, die Aufnahme nach der Ankunft, weiterführende Reise zum Zielort, temporäre Unterkunft, kurz- oder mittellange Reintegrationshilfe, inklusive Geschäftseröffnung, Berufsschule, Bildung, medizinische Hilfe und weitere maßgeschneiderte Hilfe. Spezielle Wohnungsangebote für Rückkehrer gibt es nicht. Außer durch IOM gibt es keine spezielle, offizielle Unterstützung für Rückkehrende (IOM 2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: Oktober 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1456142/4598_1547112916_deutschland-auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-sozialistischen-republik-vietnamstand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 17.12.2018

- IOM - International Organization for Migration (Autor), veröffentlicht von ZIRF - Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (2018): Vietnam - Country Fact Sheet 2018, http:// files.returningfromgermany.de/files/CFS%20_2018_Vietnam_DE.pdf, Zugriff 7.1.2019

-USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430218.html, Zugriff 3.12.2018

[...]"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem dem Verwaltungsakt in Kopie einliegenden, bis zum 12.07.2028 gültigen Reisepass des Beschwerdeführers (AS 97). Die Feststellungen zum Familienstand und den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren (AS 91), dem Umstand, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch/Deutsch einvernommen wurde (AS 89), in Österreich die Schule besucht hat und die ersten dreizehn Jahre seines Lebens in Vietnam verbracht hat.

Die Feststellungen zum Geburtsort des Beschwerdeführers, seinen Aufenthaltsorten und seinen Familienangehörigen bzw. deren Aufenthaltsorten beruhen auf den plausiblen und sohin glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (AS 91 und 93), an denen kein Grund zu zweifeln besteht.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich sowie seinen Lebensumständen im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 24.09.2018, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" abgewiesen wurde (AS 5ff) in Verbindung mit einer Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister sowie den eigenen Angaben des Beschwerdeführers (AS 91 und 93) in Verbindung mit einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, einem Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 11.07.2019 sowie der Beschwerdeschrift (AS 262), wonach der Beschwerdeführer nicht mehr bei seinem Onkel wohne. Das unsubstantiierte Beschwerdevorbringen (AS 262), dem Beschwerdeführer sei ab September 2019 ein Aufenthaltstitel "Schüler" bewilligt worden, wurde nicht weiter belegt und ergibt sich aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister nicht, dass der Beschwerdeführer derzeit über einen Aufenthaltstitel verfügen würde.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehen darf und mittellos ist, resultiert aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder über ein Aufenthaltsrecht noch eine Beschäftigungsbewilligung verfügt sowie aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Vermögensverhältnissen (AS 91). Dass der volljährige Beschwerdeführer einen Unterhaltsanspruch hätte bzw. Unterhalt tatsächlich erhalten würde, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Dass der volljährige Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass er in Österreich die Schule besucht hat und Anhaltspunkte für das Vorliegen gesundheitlicher Probleme im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen sind.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation in Vietnam sowie einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers dorthin:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte im gegenständlich angefochtenen Bescheid zutreffend aus, dass sich weder aus den Feststellungen zur Lage in Vietnam noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinne der Art. 2, 3 EMRK ergebe.

Dem Beschwerdeführer, der in Vietnam über Familienangehörige verfügt, ist im Fall einer Rückkehr nach Vietnam aufgrund der dortigen Lage, des Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers die Teilnahme am dortigen Erwerbsleben möglich und zumutbar und ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der über Schulbildung verfügt, seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat erwirtschaften können wird.

Es ist sohin dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegenzutreten, wenn es zu dem Schluss kommt, dass keine Anhaltspunkte dahingehend gefunden hätten werden können, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Vietnam einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Dies wird auch in der Beschwerde nicht bestritten.

Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Vietnam ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die auch dieser Entscheidung zugrunde gelegt werden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Vietnam ergeben. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

3.1.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verbieten verfassungsrechtliche Überlegungen eine Erstreckung der Anordnung des § 21 Abs. 5 BFA-VG auf Entscheidungen über Beschwerden gegen eine Rückkehrentscheidung (jedenfalls nach § 52 Abs. 1 FPG 2005). § 21 Abs. 5 BFA-VG ist daher trotz des überschießenden Wortlauts, indem alle aufenthaltsbeendenden Maßnahmen davon erfasst sind, eingeschränkt zu verstehen, was auch durch die Anordnung des § 52 Abs. 8 zweiter Satz FPG 2005 zum Ausdruck gebracht wird (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234). Das Bundesverwaltungsgericht hat daher gegenständlich "in der Sache selbst", auf Grundlage der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage, über die gegen die Rückkehrentscheidung erhobene Beschwerde zu erkennen.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, so ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Der Beschwerdeführer hielt sich zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Im Bundesgebiet lebt ein Onkel des Beschwerdeführers, bei dem der Beschwerdeführer teilweise gewohnt hat. Das Vorliegen eines aufrechten gemeinsamen Haushaltes oder das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses ist jedoch nicht hervorgekommen. Die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Onkel fällt daher nicht in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sohin zutreffend festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Österreich kein tatsächliches Familienleben führt (AS 155).

Ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben des Beschwerdeführers ist demnach zu verneinen.

Die aufenthaltsbeenden Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente spielt jedoch eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua, mwH).

Zunächst wird nicht verkannt,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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