TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/2 L511 2131307-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2020
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Entscheidungsdatum

02.04.2020

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L511 2131307–1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch QUINTAX, Gerlich-Fischer-Kopp, SteuerberatungsGmbH, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 03.05.2016, GZ: XXXX zu Recht (mitbeteiligte Partei XXXX ):

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor der Gebietskrankenkasse [GKK]

1.1.    Gegenständliches Verfahren wurde aufgrund einer anonymen Anzeige bei der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption eingeleitet. Im Folgenden führte die Salzburger GKK eine gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben [GPLA] bei der beschwerdeführenden Partei [I] durch.

1.2.    Im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergab sich aufgrund des Betriebssitzes der I in OÖ eine Zuständigkeit der OÖGKK, welche in der Folge zur Prüfung einer etwaigen Pflichtversicherung XXXX (TS) am 13.01.2015 und XXXX (HK) am 11.02.2015 niederschriftlich befragt (AZ 2). TS und HK (dieser ist vom gegenständlichen Verfahren nicht betroffen) wurden jeweils zur Ausgestaltung ihrer Tätigkeit für die I in Hinblick auf Arbeitszeit, Weisungsgebundenheit, Wettbewerbsverbot, Entlohnung, Betriebsstätte und Betriebsmittel sowie persönliche Arbeitspflicht befragt.

TS gab im Wesentlichen an, er habe für die I ab März 2003 Computersysteme implementiert und sei auch im Beratungsbereich sowie für Wartungsarbeiten eingesetzt worden. Im Jahr 2005 sei die Firma an ihn herangetreten, da es Auslastungsprobleme gegeben habe und habe ihm die Tätigkeit auf selbständiger Basis angeboten. Er sei daher mit September 2005 gekündigt worden und habe bis 2013 die selbe Tätigkeit weiter ausgeübt, jedoch auf selbständiger Basis, wofür er einen Gewerbeschein gelöst habe. Er habe Schulungen beim Softwarehersteller besucht, welche von diesen gratis angeboten worden waren. Seinen Arbeitsplatz – einen Schreibtisch, Computer, Handy, Visitenkarte und Büroschlüssel – habe er bei der I gehabt. Es habe keine fixen Bürozeiten gegeben, er sei meistens zwischen 6.00 Uhr und 8.00 Uhr früh im Büro gewesen. Die Kundentermine habe er von der I erhalten, er selbst habe keine Kunden akquiriert. Aufträge der I habe er nie abgelehnt, da er sonst den Tagessatz verloren hätte. Seine Tätigkeit habe er in einem EDV-Programm der I dokumentieren müssen und er habe regelmäßig an Projektmeetings teilgenommen. Arbeitsanweisungen seien nicht erforderlich gewesen, die hätten sich aus den Kundenwünschen ergeben. Kundenreklamationen seien direkt zu ihm gekommen oder seien ihm durch die I weitergeleitet worden. Er habe nur für die I gearbeitet, ein Wettbewerbsverbot sei nicht vereinbart worden. Über eine persönliche Arbeitspflicht sei nie gesprochen worden, sie sei aber von vornherein klar gewesen. Es habe keine Vertretung für ihn gegeben, da die Tätigkeit ein Spezial- und Insiderwissen erfordert habe. Seine Tätigkeit sei mit einem Tagessatz abgegolten worden. Für seine Tätigkeit habe er sein eigenes Auto verwendet und habe dafür in der Einkommensteuererklärung Kilometergelder geltend gemacht. Die Handyrechnung habe die I bezahlt. Seine Tätigkeit habe er der I monatlich in Rechnung gestellt.

1.3.    Die I verwies in ihrer Stellungnahme zur Niederschrift von TS zunächst darauf, dass dieser für seine Tätigkeit seinen eigenen PKW verwendet habe und es sich dabei um ein wesentliches Betriebsmittel handle. Die Zurverfügungstellung des Firmenhandys und des Notebooks seien hingegen geringfügig und für die Abgrenzungsfrage unbeachtlich. Auch habe TS einen Gewerbeschein gelöst und es liege somit eine Ausnahme von der Pflichtversicherung vor. Der Vertrag mit TS sei auf dessen Wunsch hin 2005 geändert worden und TS habe auch für andere Firmen gearbeitet.

1.4.    Mit Versicherungspflichtbescheid [VPflB] vom 03.05.2016, GZ XXXX stellte die OÖGKK fest, dass TS hinsichtlich der für die I ausgeübten Tätigkeit als XXXX im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.07.2013 als Dienstnehmer der Vollversicherung (Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit.a AlVG unterlag (AZ 8).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeit von TS sei nicht bestritten worden. die wesentlichen Kriterien der Dienstnehmereigenschaft im Vergleich zu den Merkmalen der selbständigen Tätigkeit überwiegten und es liege daher ein abhängiges Dienstverhältnis vor.

Die Arbeitszeit sei von den Kunden der I vorbestimmt gewesen, TS habe (anders als ein selbständiger Handelsvertreter) darauf keinen Einfluss gehabt. Die Protokollierung der Tätigkeiten sei als Weisungsbindung zu sehen, die schriftliche Berichtspflicht über absolvierte Kundentermine spräche für die Dienstnehmereigenschaft. Ein Wettbewerbsverbot sei nicht vereinbart gewesen, was als Element für eine selbstständige Tätigkeit gewertet werden könne. Die Tagessatzbasis habe die Funktion eines Fixums gehabt und sämtliche Hotelaufenthalte, Bewirtungen und Reisekosten seien vom Unternehmen ersetzt worden. TS habe über ein eigenes Büro in den Räumlichkeiten der I verfügt, und daher keine eigene Betriebsstätte gehabt. Als Betriebsmittel habe er den Firmencomputer sowie ein Handy, das ebenfalls von der I zur Verfügung gestellt worden sei, verwendet. Lediglich der PKW sei von TS selbst eingebracht worden. Der Umstand, dass ein notwendiges Betriebsmittel vom Beschäftigten zur Verfügung gestellt werde bzw. werden muss, sei jedoch im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nicht als ein Überwiegen der Merkmale der persönlichen Unabhängigkeit zu werten. Weiters sei eine persönliche Arbeitspflicht gegeben gewesen, da eine Ablehnung von Aufträgen nie erfolgt sei und auch seitens der I nicht erwartet wurde. Eine generelle Vertretungsbefugnis ist aufgrund der Qualifikationen und Insider-Kenntnisse von TS ausgeschlossen, weshalb dieser auch persönlich abhängig gewesen sei.

TS sei aufgrund der vermittelten Erstkundentermine, den Vorbereitungsarbeiten im Büro der Firma, den regelmäßigen Projektmeetings sowie der Bearbeitung von Kundenreklamationen organisatorisch im Betrieb der I eingegliedert gewesen. Habe bei seiner Tätigkeit kein Unternehmerrisiko übernommen und keine eigene unternehmerische Struktur aufgewiesen. Er sei überwiegend für die I tätig gewesen, sodass die Ungebundenheit durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet war. TS sei daher wirtschaftlich abhängig gewesen.

1.5.    Mit Schreiben vom 30.05.2016, Postaufgabe am 02.06.2016, erhob die I fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen diesen Bescheid.

Darin führte die I ergänzend zum bisherigen Sachverhalt aus, das Ausscheiden von TS im Jahr 2005 sei auf ausdrückliches Betreiben von TS erfolgt. TS habe einen Gewerbeschein gehabt und sei somit selbständig tätig gewesen. Er sei in den Betrieb der I nicht eingebunden gewesen, sei für tatsächliche Arbeitsleistung bezahlt worden und hätte Aufträge ablehnen können. Aufwendungen im Zusammenhang mit dem privaten PKW habe TS selbst bezahlt und es habe dafür keinen Kostenersatz gegeben (AZ 10).

1.6.    TS erhob keine Beschwerde.

2.       Mit Beitragsnachverrechnungsbescheid [NVB] vom 04.05.2016, XXXX , (hg. GZ 2131307-2) verpflichtete die OÖGKK die I nachverrechnete Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge zur Betrieblichen Vorsorge sowie einen Beitragszuschlag in einer Gesamthöhe von EUR 102.932,21 an die OÖGKK zu entrichten.

2.1.    Die gegen den Versicherungspflichtbescheid gerichtete Beschwerde richtet sich gleichermaßen gegen den Beitragsnachverrechnungsbescheid.

3.       Die OÖGKK legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 21.07.2016 die Beschwerde samt durchnummerierten Auszügen aus dem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ 1-12]).

II.      ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Die I GmbH, XXXX , ist im Geschäftszweig Vertrieb von EDV-gestützten Lösungen und Systemen tätig und bietet XXXX Beratungen an.

1.2.    TS war von 01.03.2003 bis 30.09.200 sowie von 01.08.2013 bis 31.10.2013 in einem Angestelltenverhältnis bei der I beschäftigt und bei der Gebietskrankenkasse pflichtversichert. Von 01.10.2005 bis 31.07.2013 verfügte TS über eine Gewerbeberechtigung „Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik“ und war in diesem Zeitraum bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft [SVA] gemäß § 2 Abs. 1 Z1 bis Z3 GSVG pflichtversichert. In diesem Zeitraum hatte er – bis auf einen kurzen Zeitraum von Oktober 2005 bis Ende 2006 – ausschließlich mit der I ein Vertragsverhältnis über EDV-Dienstleistungen. Einen schriftlichen Vertrag für den Zeitraum 2005 bis 2013 gab es nicht.

1.3.    Die Tätigkeit von TS für die I veränderte sich über den gesamten Zeitraum von 2003 bis 2013 weder vom grundsätzlichen Ablauf noch vom Inhalt, wenngleich die Firma mehrfach Gesellschafter- und Namensänderungen erfuhr.

TS führte die Installation von CAD und XXXX -Systemen bei Kunden, die Beratung von Kunden betreffend die Implementierung dieser Systeme in Arbeitsprozesse und laufende Wartungsarbeiten durch. Nach Anbahnung eines Verkaufs durch einen Vertriebsmitarbeiter der I, fuhr er zu Kunden, präsentierte das Produkt und veranschaulichte die Anwendung. Bei Abschluss des Geschäftes implementierte er das Produkt in die bestehende EDV-Struktur der Kunden. Er akquirierte keine Kunden, die Erstkundentermine erhielt er von Vertriebsmitarbeitern. Bei Wartungsarbeiten und Reklamationen traten die Kunden entweder direkt an ihn, oder vereinbarten Termine über das Büro.

1.4.    Die Hauptzeit der Tätigkeit verbrachte TS auswärts bei Kunden. Die Tätigkeit erfolgte grundsätzlich von Montag bis Freitag, teilweise jedoch auch an Wochenenden auf Messen. Vorbereitungsarbeiten erledigte er in der Firma, wo ihm auch einen Arbeitsplatz mit Computer zur Verfügung stand. TS verfügte über einen Büroschlüssel und konnte das Büro zu jeder Zeit benützen. Es gab keine fixen Bürozeiten; er war aber häufig zwischen 6:00 Uhr und 8:00 Uhr früh im Büro, sowie zwischendurch auch tagsüber. Er erhielt von der I auch ein Firmenhandy und Visitenkarten. Die Kosten für die Nutzung des Handys, sowie sämtliche Reisekosten wurden von der I übernommen. Teilweise habe er sein eigenes Notebook verwendet.

1.5.    Eine etwaige Vertretung durch Außenstehende war aufgrund der erforderlichen Qualifikationen und Spezialkenntnisse nicht möglich. Bei Erkrankung von TS sind die Termine bei den Kunden verschoben worden.

1.6.    Es gab keine Einschulung für die Tätigkeit von TS bei der Firma, allerdings besuchte er Software-Schulungen der Softwarehersteller, welche diese gratis angeboten haben. Direkte Arbeitsanweisungen seitens der Firma gab es nicht, diese ergaben sich aus den Kundenwünschen bzw. aus dem Projekt selbst. Dazu fanden bis zu einmal wöchentlich bzw. alle 2 Wochen Projektmeetings am Betriebssitz der Firma statt, bei denen Geschäftsleitung, Vertriebsmitarbeiter, Softwareentwickler sowie häufig auch Kunden anwesend waren. Eine Beschreibung der Tätigkeit, die Projektabläufe sowie der diesbezügliche Zeitaufwand waren im firmeneigenen EDV-Programm für die Nachvollziehbarkeit des Projektfortschrittes zu dokumentieren.

1.7.    Der Gesamtstundenaufwand war unterschiedlich, teilweise betrug er bis zu 260 Stunden im Monat. Die Entlohnung betrug zunächst als Angestellter EUR 4.500 brutto all-in zuzüglich der Reisekosten, zwischen 2005 und 2013 erhielt er einen Tagessatz von EUR 200 bis EUR 480 (unabhängig von den an diesen Tagen geleisteten Stunden) zuzüglich der Reisekosten. TS legte monatliche Rechnungen über seine Tätigkeit. Er nahm sämtliche Aufträge der I an, um seinen Tagessatz nicht zu verlieren. Im Falle einer Krankheit kam es zu keiner Auszahlung.

1.8.    Für die erforderlichen Fahrten mit dem eigenen PKW hat TS keinen Fahrtkostenersatz erhalten, jedoch steuerlich Kilometergelder geltend gemacht.

1.9.    Es gab weder einen Gebietsschutz, noch ein Konkurrenzverbot. Von Oktober 2005 bis Ende 2006 hat TS neben der Tätigkeit für die I noch eine weitere Tätigkeit ausgeübt, und zwar die Herstellung von Hausanschlüssen für Funkinternet. Der Aufwand für diese Tätigkeit betrug in diesem Zeitraum ca. 40 % seiner Gesamttätigkeit.

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG folgende Unterlagen herangezogen:

?        Niederschrift vom 13.01.2016 mit TS (AZ 2)

?        Schlussbesprechung vom 15.10.2015 (AZ 6)

?        Rechnungen, Reisekosten- und Spesenabrechnungen von TS (AZ 12)

?        Stellungnahme, Bescheidantrag und Beschwerde (AZ 4, 7 und 10)

?        Bescheide und Beschwerdevorlage (AZ 8 und 11)

?        Versicherungsdatenauszug des TS (AZ 2, OZ 4)

?        Auszug aus dem Gewerberegister[GIS] betreffend TS (OZ 4)

?        Auszug aus dem Firmenbuch [FB] (OZ 4)

2.2.    Die Feststellung ergeben sich aus den Aussagen von TS im Verfahren (AZ 2), denen die I weder in der Stellungnahme, noch in der Beschwerde (AZ 4, 10) entgegengetreten ist.

2.2.1.  Strittig geblieben ist im Verfahren ausschließlich die rechtliche Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes (vgl. AZ 4, AZ 10).

2.2.2.  Eine Divergenz bestand lediglich dahingehend, ob die Umstellung von einem Angestelltenverhältnis auf ein selbständiges Vertragsverhältnis von der I (Bsw) oder von TS (AZ 2, S 1) ausging. Zumal dies jedoch für die rechtliche Einordnung der Tätigkeit keine Relevanz entfaltet, brauchte darauf auch nicht eingegangen zu werden.

3.       Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1.1.  Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.1.2.  Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).

4.       Rechtliche Beurteilung

4.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die GKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2.  Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2.    Werkvertrag oder Dienstvertrag

4.2.1.  Im gegenständlichen Verfahren ist unstrittig, dass TS für die I Installierung von bestehenden EDV-Systemen bei Kunden und Wartungsarbeiten dieser Systeme sowie diesbezügliche Kundenberatungen durchführte.

Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich nicht um die Herstellung eines gewährleistungstauglichen Werkes, sondern um eine Vereinbarung über laufend zu erbringenden Dienstleistungen (vgl. zur grundsätzlichen Abgrenzung für viele VwGH 21.08.2017, Ra2016/08/0119 mHa VwGH 20.05.1980, 2397/79). Dies blieb im Verfahren auch seitens der I unbestritten.

4.2.2.  Es bleibt daher zu prüfen, ob TS die Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von der I als Dienstgeberin gemäß § 35 ASVG, im Rahmen eines freien Dienstvertrags, der sich von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber (vgl. VwGH 24.01.2006, 2004/08/0101 mwN) unterscheidet, oder – wie von der I in der Verfahren vorgebracht – als selbständige Tätigkeit erbracht hat.

4.3.    Zum Vorliegen eines Dienstverhältnisses

4.3.1.  Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer nach dem ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. […] Als Dienstnehmer nach dem ASVG gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist.

4.3.2.  Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG schon deshalb nicht vor. Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind die Bindung des Beschäftigten an (1) Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden (2) Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (3) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung (VwGH 01.10.2015, Ra2015/08/0020, Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG8, § 4). Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Absatz 2 ASVG gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder – wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, etwa aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages – nur beschränkt ist (VwGH 21.09.2015, Ra2015/08/0045 mwN; 31.07.2014, 2013/08/0247 mwN).

4.3.2.1. Im Hinblick auf die (1) Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten ergibt sich aus den Feststellungen, dass TS seine Tätigkeit überwiegend bei Kunden im Außendienst verbrachte, sowie Vorbereitungstätigkeiten im Büro erledigte. Sämtliche für die Tätigkeit notwendigen Betriebsmittel, wie Computer, Software, Schreibtisch, etc., wurden von der I bereitgestellt. TS konnte sich seine Zeit zwar frei einteilen, musste sich dabei jedoch an projektbezogene Termine in Absprache mit Kunden, somit gegenüber dem Auftraggeber der I, orientieren. Damit orientierte sich die Arbeitszeitgestaltung im Kern an den Bedürfnissen der I (vgl. VwGH 11.12.2013, 2011/08/0322 mwN).

4.3.2.2. TS hat ohne spezielle Einschulung weitgehend ohne Anweisungen gearbeitet, da er über das erforderliche Spezialwissen bereits verfügte und auch Schulungen bei den jeweiligen Softwareherstellern besuchte. Dass somit ausdrückliche (2) Weisungen nicht erteilt wurden, ist vor dem Hintergrund der fachlichen Qualifikation von TS zu beurteilen. Da gerade mit steigender Qualifikation in der Regel auch die fachliche bzw. sachliche Entscheidungsbefugnis erweitert ist, wird – wie auch gegenständlich - die ausdrückliche Erteilung von persönlichen Weisungen und Kontrollen häufig durch die "stille Autorität" des Arbeitgebers substituiert (VwGH 01.10.2015, Ro2015/08/0020 mwN; 15.05.2013, 2013/08/0051). Dass diese gegeben war, ergibt sich etwa daraus, dass TS sämtliche Kundenaufträge ausschließlich von der I erhielt und den jeweiligen Projektfortschritt nachvollziehbar in Datensystem der I eintragen musste.

4.3.2.3. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass TS die Tätigkeiten immer (3) persönlich erbracht hat, weil aufgrund der erforderlichen Qualifikationen und Spezialkenntnissen eine Vertretung nicht möglich war. Im Falle einer Krankheit wurden die Termine von TS verschoben. Auch eine sanktionslose Ablehnung von erteilten Aufträgen war nicht vorgesehen. Da selbst die Befugnis eines Erwerbstätigen, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, etwa im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen, keine generelle Vertretungsberechtigung darstellen würde (etwa VwGH 11.06.2014, 2012/08//0157 mwN), war im gegenständlichen Fall jedenfalls keine generelle Vertretungsbefugnis gegeben.

4.3.2.4. Zusammenfassend ergibt sich aus dem Gesamtbild der Beschäftigung nach Abwägung der maßgeblichen Kriterien nach der Methode des beweglichen Systems (VwGH 11.06.2014, 2012/08/0157), dass TS die Tätigkeit ausschließlich persönlich erbrachte, dabei in die betriebliche Organisation eingebunden war, etwa durch zeitliche und inhaltliche Unterordnung unter die Bedürfnisse der I, durch Zuweisung von Betriebsmitteln wie Schreibtisch, Benutzung der innerbetrieblichen Informationstechnologie, … (vgl. dazu VwGH 03.04.2019, Ro2019/08/0003) und damit auch der „stillen Autorität“ der I unterlag.

Dass TS sich seine Zeit selbst einteilen konnte und seinen eigenen PKW verwendete, steht einem Dienstverhältnis nicht entgegen (vgl. zur freien Zeiteinteilung VwGH 15.05.2013, 2013/08/0051, zur Verwendung des eigenen PKW VwGH 01.10.2015, Ro2015/08/0020), zumal TS im Grunde nur über die eigene Arbeitskraft und sein Know-how disponierte (vgl. VwGH 12.01.2016, Ra2015/08/0188) und sich auch die Arbeitszeit an den Bedürfnissen der I orientierte.

Gegenständlich war daher aus Sicht des BVwG die Bestimmungsfreiheit von TS durch die Beschäftigung nicht nur beschränkt, sondern weitgehend ausgeschaltet (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra2016/08/0011) und es überwiegen daher die Merkmale persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG somit jedenfalls jene persönlicher Unabhängigkeit (vgl. VwGH 03.04.2019, Ro2019/08/0003).

4.3.3.  Dass TS über eine einschlägige Gewerbeberechtigung verfügte steht dem Eintritt einer am Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses anknüpfenden Pflichtversicherung im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG nicht entgegen (VwGH 21.08.2017, Ra2016/08/0119). Ebenso vermag die von der I eingewendete, (zeitweise) gleichzeitige Tätigkeit von TS für eine weitere Firma, an der rechtlichen Einordnung nichts ändern, weil das Gesetz auch für unselbständig Erwerbstätige mehrere unselbständige oder sowohl unselbständige als auch selbständige Tätigkeiten nebeneinander zulässt (vgl. dazu VwGH 12.10.2016, Ra2015/08/0173).

4.3.4.  Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit bleiben die außerhalb der Erwerbstätigkeit bestehenden Vermögensverhältnisse eines Dienstnehmers außer Betracht. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist daher nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit dem Angewiesensein eines Beschäftigten auf ein Entgelt zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, gleichzusetzen. Sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ist daher bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Folglich kann wirtschaftliche Abhängigkeit zwar bei persönlicher Unabhängigkeit bestehen, nicht aber persönliche Abhängigkeit ohne wirtschaftliche Abhängigkeit (VwGH 24.11.2016, Ra2016/08/0011 mHa die ständige Rechtsprechung).

4.3.5.  Gegenständlich lag bei TS ein abhängiges Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG zur I vor, welches die Geringfügigkeitsgrenze für das Jahr 2009 gemäß § 5 Abs. 2 ASVG idH von EUR 357,74 pro Monat überschritt, weshalb die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen ist.

III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision

Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion stützt sich auf die umfangreiche jeweils zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 ASVG und weicht bei der Betrachtung des gegenständlichen Einzelfalls von dieser Rechtsprechung auch nicht ab.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Betriebsmittel Dienstnehmereigenschaft persönliche Abhängigkeit Pflichtversicherung stille Autorität wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2131307.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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