TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/14 L511 2141682-1

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Veröffentlicht am 14.04.2020
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Entscheidungsdatum

14.04.2020

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
ASVG §410
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L511 2141682–1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte OG GABL/KOGLER/LEITNER/STÖGLEHNER/BODINGBAUER, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 13.10.2016, GZ XXXX , zu Recht (mitbeteiligte Partei XXXX ):

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als seitens des Bundesverwaltungsgerichts ausgesprochen wird, dass XXXX , VSNR XXXX , hinsichtlich der für XXXX gemeldeten Tätigkeit als Kundenbetreuerin im Zeitraum von 04.04.2016 bis 13.10.2016 (anstelle von: „bis laufend“) NICHT als Dienstnehmerin der Vollversicherung (Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall-, und Pensionsversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung unterliegt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor der Gebietskrankenkasse [OÖGKK]

1.1.    Der Beschwerdeführer hatte seine Gattin XXXX [im Folgenden auch: Mitbeteiligte] bei der OÖGKK als Kundenbetreuerin mit 39 Wochenstunden ab 04.04.2016 mit einem monatlichen Bruttoverdienst in der Höhe von EUR 2.032,80 vollversichert angemeldet, wobei die Firmenadresse der Wohnadresse des Ehepaares entsprach.

1.2.    Am 09.06.2016 um 10.40 Uhr fand eine Kontrolle im Rahmen der Risiko- und Auffälligkeitsanalyse im Dienstgeber- und Dienstnehmerbereich gemäß § 42b ASVG (RAD) an der Wohnadresse des Beschwerdeführers statt. Dabei sei die Mitbeteiligte, die kaum Deutsch spreche, beim Fernsehen angetroffen worden und es seien keine Büroräumlichkeiten vorhanden gewesen (Aktenzahl der vorgelegten Aktenteile [AZ] 1 und 2).

1.3.    Im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens wurden am 09.06.2016 und am 11.07.2016 der Beschwerdeführer (AZ 8) sowie am 19.09.2016 seine Ehefrau unter Beiziehung einer Dolmetscherin und in Anwesenheit des Beschwerdeführers jeweils befragt (AZ 10).

1.3.1.  Der Beschwerdeführer gab dabei an, seine Gattin arbeite 8 Stunden pro Tag. Ihr Aufgabenbereich sei die Rechnungslegung für ca. 10 bis 15 Aufträge im Monat und Vorbereitungsarbeiten für den Steuerberater. Sie führe Telefonate und bringe Baumaterial auf die Baustelle nach. Stundenaufzeichnungen würden von seinem Personal – neben seiner Frau habe er noch Arbeiter beschäftigt – händisch geführt und ihm am Monatsende übergeben (AZ 1, 8).

1.3.2.  Die mitbeteiligte Ehegattin des Beschwerdeführers gab an, bereits in der Türkei im Büro gearbeitet zu haben und auch über Buchhaltungskenntnisse zu verfügen. Sie schreibe etwa 10 Rechnungen im Monat wofür sie etwa 10 Minuten pro Rechnung benötige. Für das Ausfüllen von Zahlscheinen benötige sie etwa eine halbe Stunde im Monat. Sie bringe ihrem Mann Materialien auf die Baustelle und führe Telefonate, sofern diese türkisch zu führen sind. Wenn Kunden kommen, koche und putze sie. Sie habe zweimal Urlaub genommen, und zwar ab 27.07.2016 und ab 10.08.2016 (AZ 10).

1.4.    Mit Bescheid [B] vom 13.10.2016, GZ XXXX , stellte die OÖGKK fest, dass die Mitbeteiligte hinsichtlich der für den Beschwerdeführer durchgeführten Tätigkeit im Zeitraum von 04.04.2016 bis laufend NICHT als Dienstnehmerin der Vollversicherung (Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit.a AlVG unterlag (AZ 19).

Begründend wurde ausgeführt, die Mitbeteiligte habe für den Beschwerdeführer keine Tätigkeiten in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erbracht, sondern allenfalls Hilfstätigkeiten aufgrund der persönlichen Nahebeziehung bzw. Ehe. Die Voraussetzungen für eine Dienstnehmereigenschaft gemäß § 4 Abs. 2 ASVG seien ebensowenig erfüllt wie jene gemäß § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 EStG. Die vom Beschwerdeführer erstellte Meldung zur Pflichtversicherung der Mitbeteiligten sei daher zu stornieren und es bestehe für diesen Zeitraum somit auch keine Arbeitslosenversicherung.

1.5.    Mit Schreiben vom 03.11.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen diesen Bescheid (AZ 21).

Begründend wurde zunächst auf die mangelhafte Einvernahme der Mitbeteiligten verwiesen, da die beigezogene Dolmetscherin keine hinreichenden Türkisch-Kenntnisse gehabt habe. Zum Tätigkeitsfeld der Mitbeteiligten wurde ausgeführt sie sei als Kundenbetreuerin und für sonstige Büro- und Hilfsdienste angestellt gewesen. Ihr sei die Arbeitseinteilung, Überprüfung der Einhaltung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter, Auftragsentgegennahme, Bestellung von notwendigen Materialien, Fakturierung, Reklamationsannahme, Büroreinigung, Lagerverwaltung, Kontrolltätigkeit auf der Baustelle und vieles mehr oblegen.

Zum Beweis für die geleisteten 39 Wochenstunden wurden handschriftliche Arbeitszeitaufzeichnungen von April 2016 – Oktober 2016 vorgelegt.

1.6.    Die Mitbeteiligte erhob keine Beschwerde.

2.       Die OÖGKK legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 06.12.2016 die Beschwerde samt durchnummerierten Auszügen aus dem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ 1-31]).

II.      ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Der Beschwerdeführer verfügt seit 15.09.2015 über eine Gewerbeberechtigung „Baugewerbe eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten und zwar auf Innen- und Außenputz“ und betreibt eine Einzelfirma (AZ 11). Der Firmensitz ist ident mit dem Wohnsitz des Beschwerdeführers (AZ 26, 1).

1.2.    Ab 04.04.2016 meldete der Beschwerdeführer seine Ehefrau XXXX (die Mitbeteiligte) als Kundenbetreuerin für 39 Stunden pro Woche mit einem Bruttoverdienst idHv EUR 2.032,80 zur Sozialversicherung an (AZ 7). Ein schriftlicher Dienstvertrag zwischen der Einzelfirma und der Mitbeteiligten liegt nicht vor.

1.3.    Das Büro befindet sich im Keller an der Wohnadresse und bestand zum Zeitpunkt der Kontrolle aus einem Laptop, einem Scanner, sowie fünf Aktenordnern (AZ 26). Im Betrieb waren neben der Mitbeteiligten fünf bis sechs Mitarbeiter angestellt, welche auf Baustellen tätig waren, ein Mitarbeiter war als gewerberechtlicher Geschäftsführer angestellt (AZ 1, 8, 13). Das Tätigkeitsfeld der Mitbeteiligten umfasste die Rechnungserstellung, Vorarbeiten für die Lohnverrechnung, fallweise Telefonate in türkischer Sprache. Dabei waren ca. 10 bis 15 Rechnungen im Monat an Kunden zu schreiben, sowie die Buchhaltungs- und Lohnunterlagen für den Steuerberater vorzubereiten. Die Mitbeteiligte benötigt für eine Rechnung ca. 10 min, für die Zahlscheine und Überweisungen zur Lohnabrechnung ca. 30 min im Monat. Ergänzend brachte die Mitbeteiligte fehlendes Material auf die Baustellen nach und reinigte das Büro.

1.4.    Der Gesamtstundenaufwand lag bei maximal 30 bis 35 Stunden im Monat, zusammengesetzt aus ca. 10 Stunden im Monat Aufwand für die Buchhaltung und Lohnverrechnung, max. 20 Stunden pro Monat für werktägliche Baustellenfahrten und ca. 4 Stunden im Monat für die Büroreinigung.

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG folgende Unterlagen herangezogen:

?        Einvernahmen des Beschwerdeführers und der Mitbeteiligten (AZ 1, 8 und 10)

?        Reisepass der Ehefrau (AZ 3)

?        Bescheid vom 13.10.2016 (AZ 19)

?        Beschwerde vom 03.11.2016 (AZ 20)

?        Arbeitszeitaufzeichnungen vorgelegt am 03.11.2016 (AZ 21)

?        Fotos des Büros der Einzelfirma (AZ 2, 26)

?        Gewerberegisterauszug (AZ 11)

2.2.    Die Feststellungen zur Einzelfirma (Punkt 1.1.) und zur Anmeldung der Mitbeteiligten als Kundenbetreuerin (Punkt 1.2.) ergeben sich aus den Auszügen aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (AZ 11) und dem elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger (AZ 7), an denen kein Grund zu zweifeln bestand, und stehen mit den Aussagen des Beschwerdeführers (AZ 1, 8) und der Mitbeteiligten (AZ 10) in Einklang.

2.3.    Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde zur Einvernahme der Mitbeteiligten ausführt, diese sei mangelhaft gewesen, da die beigezogene Dolmetscherin keine hinreichenden Türkisch-Kenntnisse besessen habe und stelle deshalb keine taugliche Entscheidungsgrundlange dar, ist ihm entgegenzuhalten, dass er türkisch spricht, bei der Einvernahme am 19.09.2016 anwesend war, und die Niederschrift ohne dagegen Einwendungen erhoben zu haben mitunterfertigt hat (AZ 10). Zumal auch nicht ausgeführt wurde, was falsch verstanden oder falsch übersetzt worden wäre und welche Aussagen die Mitbeteiligte gemacht hätte, ist die Niederschrift als öffentliche Urkunde, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den vollen Beweis dessen liefert, was darin festgehalten wurde, anzusehen (vgl. dazu VwGH 25.05.2011, 2008/08/0057; 22.12.2011, 2009/07/0027).

2.4.    Der Tätigkeitsbereich der Mitbeteiligten (Punkt 1.3.) ergibt sich ausschließlich aus den vom Beschwerdeführer und der Mitbeteiligten getätigten Angaben bei den jeweiligen Einvernahmen (AZ 1, 8, 10).

2.4.1.  Den Aussagen in der Beschwerde, wonach der Mitbeteiligten zusätzlich noch die Arbeitseinteilung, die Überprüfung der Einhaltung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter, die Auftragsentgegennahme, Bestellung von notwendigen Materialien und Reklamationsannahme, die Lagerverwaltung und die Kontrolltätigkeit auf der Baustelle obliege, wird nicht gefolgt. Zunächst sind diese Bereiche ausschließlich als Schlagwörter ohne Tätigkeitsbeschreibung und Stundenaufwand aufgelistet, darüber hinaus widerspricht die Auflistung den übrigen Verfahrensergebnissen.

Für den Aufgabenbereich „Auftragsentgegennahme, Bestellung von notwendigen Materialien und Reklamationsannahme“ ist nicht nachvollziehbar, wie dies der Mitbeteiligten, die kaum Deutsch spricht und deren Einvernahme nur mit Hilfe einer Dolmetscherin erfolgen konnte, möglich sein sollte, zumal nicht vorgebracht wurde, dass sich der gesamte Kundenkreis des Beschwerdeführers aus türkischsprachigen Personen zusammensetzt.

Zur „Arbeitseinteilung und Überprüfung der Einhaltung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter“ ist auf die Aussagen des Beschwerdeführers in seinen Einvernahmen zu verweisen, wonach die Mitarbeiter die Stundenaufzeichnungen selbst schreiben und er selbst diese dann gegenzeichne. Dass die Mitbeteiligte diese vor der Gegenzeichnung überprüfe wurde hier nicht erwähnt (AZ 1, 8).

Zur „Lagerverwaltung und Kontrolltätigkeit auf der Baustelle“ bleibt festzuhalten, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch die Mitbeteiligte, dies in ihren Einvernahmen mit keinem Wort erwähnten, sondern beide lediglich davon sprachen, dass die Mitbeteiligte gelegentlich Baumaterial auf die Baustellen nachbrachte.

2.5.    Der festgestellte Gesamtstundenaufwand von ca. 30 bis 35 Stunden im Monat (Punkt 1.4.) ergibt sich aus dem Aufwand für Buchhaltung und Lohnverrechnung mit aufgerundet ca. 10 Stunden im Monat, die sich aus den vom Beschwerdeführer angegebenen ca. 50 Rechnungen und Formularen, wofür die Mitbeteiligte ca. 10 Minuten brauchte, ergeben. Die gelegentlichen Baustellenfahrten wurden mit einer Stunde pro Werktag somit mit ca. 20 Stunden im Monat angesetzt, für die Reinigung des Büroraumes wurde eine Stunde pro Woche, somit ca. 4 Stunden im Monat veranschlagt.

2.5.1.  Die mit der Beschwerde vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen (AZ 21) sind dagegen nicht geeignet 39 Wochenstunden zu belegen. Zunächst gab der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren von Juni bis September an, keine Zeitaufzeichnungen zu haben. Die vorliegenden Aufzeichnungen wurden in der Folge erstmals mit der Beschwerde vorgelegt. Diese sind in einer regelmäßigen Handschrift in einem Zug durchgeschrieben, was für eine nachträgliche Erstellung spricht. Weiters sind an Feiertagen regelmäßig 8 Stunden Tagesarbeitszeit eingetragen. Ergänzend kommt hinzu, dass regelhaft 40 Stunden pro Woche und nicht 39 Stunden eingetragen sind.

2.5.2.  Ergänzend kommt hinzu, dass die Mitbeteiligte, ihren Angaben folgend und anhand des Ausreisestempels in ihrem Reisepass dokumentiert, ab dem 10.08.2016 Urlaub wegen eines Begräbnisses in der Türkei hatte (AZ 3, 10). Dennoch sind am 11.08.2016 und am 12.08.2016 jeweils 8 Arbeitsstunden in ihren Arbeitszeitaufzeichnungen eingetragen (AZ 21/5).

3.       Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1.1.  Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.1.2.  Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).

4.       Rechtliche Beurteilung

4.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die GKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2.  Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2.    Zur Abweisung der Beschwerde

4.2.1.  Im gegenständlichen Verfahren ist unstrittig, dass die Mitbeteiligte die festgestellten Tätigkeiten für die Einzelfirma des Beschwerdeführers durchführte. Strittig blieb im Verfahren der erforderliche Stundenaufwand für die Tätigkeit sowie ob es sich um familiäre Mithilfe im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht handelte.

4.2.2.  Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer nach dem ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. […] Als Dienstnehmer nach dem ASVG gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist. Gemäß § 90 Abs. 1 ABGB sind Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Gemäß Abs. 2 hat der Ehegatte im Erwerb des anderen mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar ist, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht anderes vereinbart ist. Gemäß § 98 ABGB hat ein Ehegatte, wenn er im Erwerb des anderen mitwirkt, Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Art und Dauer der Leistungen; die gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten, besonders auch die gewährten Unterhaltsleistungen, sind angemessen zu berücksichtigen.

4.2.3.  Bei der Beurteilung von Arbeitsleistungen durch Ehegatten sind auch die §§ 90, 98 und 100 ABGB in der Fassung BGBl. I Nr. 75/2009 von Bedeutung. Die Abgrenzung familiärer Beschäftigungsverhältnisse von solchen, die in wechselseitigen rechtlichen Verpflichtungen ihren Grund haben, bereitet vor allem deshalb Schwierigkeiten, weil der tatsächliche Vorgang der Mitarbeit Angehöriger bei sämtlichen denkbaren Rechtsformen gleich aussieht und das äußere Bild eines solchen Leistungsaustausches daher ebenso gut in den vertraglichen wie in den familiären Bereich eingeordnet werden kann. Die Unterstützung eines Ehepartners durch den anderen muss auch im wirtschaftlichen Bereich als die Regel und die Begründung eines Dienst- bzw. Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten eher als Ausnahmefall angesehen werden. Ein Ehepartner steht in dem für die Rechnung des anderen Ehepartners geführten Betrieb nur dann in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn er seine Tätigkeit in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit – ähnlich einem familienfremden Dienstnehmer – ausübt und infolge einer ausdrücklichen oder schlüssigen Vereinbarung für diese Tätigkeit einen Entgeltanspruch hat. Für den Fall der Mithilfe von Ehegatten in deren wirtschaftlichem Bereich ist im Zweifel von einer unentgeltlichen Beschäftigung als Ausfluss einer familienrechtlichen Verpflichtung auszugehen. Der bloße Erhalt einer Geldleistung ohne entsprechenden dienstvertraglichen Anspruch vermag die Vermutung des Vorliegens einer familienhaften Beschäftigung iSd § 98 ABGB nicht zu entkräften, weil eine solche Abgeltung auch im Hinblick auf den schon während aufrechter Ehe (konkludent) fällig gestellten Anspruch gemäß § 98 ABGB zu leisten ist. Einer familienhaften Beschäftigung iSd § 98 ABGB steht auch nicht entgegen, dass es sich um eine vollzeitig ("hauptberuflich") ausgeübte Beschäftigung gehandelt hat, weil eine Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten iSd § 98 ABGB über den Umfang der bloßen Mitwirkungspflicht nach § 90 zweiter Satz ABGB hinausgehen kann. Nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, ob zwischen den Ehegatten ein Dienstverhältnis vereinbart wurde. Auch die Anmeldung zur Sozialversicherung ist nicht von entscheidender Bedeutung (VwGH 09.09.2014, Ro2014/09/0006, 23.05.2012, 2010/08/0183 jeweils mwN; OGH 18.07.2002, 10ObS196/02z).

4.2.4.  Im vorliegenden Fall meldete der Beschwerdeführer seine Ehefrau zur Sozialversicherung an und überwies ihr ein Entgelt idHv EUR 2.032,80 für eine 40-Stunde-Woche. Tatsächlich beläuft sich allerdings der für den Aufgabenbereich der Mitbeteiligten erforderliche tatsächliche Aufwand aber auf nur (bereits sehr hoch) geschätzte 35 Stunden pro Monat und nicht pro Woche. Das vereinbarte und geleistete Entgelt ist somit in einem Ausmaß überdotiert, dass es einem Fremdvergleich nicht standhält. Es ist daher davon auszugehen, dass verfahrensgegenständlich ein Scheinvertrag zum Zwecke der Erlangung von möglichst hohen Sozialversicherungsbeiträgen vorliegt.

4.2.5.  Diese begründeten Zweifel an der vertraglichen Vereinbarung der Ehegatten führt jedoch dazu, dass von einer familienhaften Beschäftigung iSd § 98 ABGB auszugehen ist (VwGH 09.09.2014, Ro2014/09/0006). Die OÖGKK hat somit die Pflichtversicherung der Mitbeteiligten ab 04.04.2016 zurecht verneint.

4.2.6.  Die OÖGKK hat im gegenständlichen Bescheid festgestellt, dass die Mitbeteiligte vom "04.04.2010 bis laufend" nicht der Vollversicherung in der Kranken-, Unfall und Pensionsversicherung und der Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Der Spruch eines Bescheides der die Formulierung "bis laufend" aufweist, ist so zu verstehen, dass damit ein für die Zukunft offener Abspruch über das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des betreffenden Bescheides, erfolgt ist (vgl. VwGH 08.02.1994, 93/08/0223). Allerdings hat das BVwG die Versicherungspflicht "zeitraumbezogen" zu beurteilen (vgl. VwGH 29.3.2006, 2003/08/0032, mwN; 14.11.2012, 2010/08/0029), sodass insofern spruchgemäß eine Einschränkung auf das Datum des Versicherungspflichtbescheids der OÖGKK, somit auf den 13.10.2016, vorzunehmen war.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die gegenständliche Entscheidung der Annahme einer nicht vorhandenen Vollversicherung in der Krankenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung der Mitbeteiligten auch für die Zeit nach dem 13.10.2016 nicht entgegensteht, solange sich am maßgeblichen Sachverhalt (und der Rechtslage) nichts geändert hat bzw. sich nichts ändert.

4.2.7.  Die Beschwerde ist somit spruchgemäß mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, als ausgesprochen wird, dass die Mitbeteiligte vom 04.04.2016 bis 13.10.2016 nicht als Dienstnehmerin des Beschwerdeführers der Vollversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung unterlag.

III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision

Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion stützt sich auf die umfangreiche und einheitliche jeweils zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Mithilfe von Ehegatten in deren wirtschaftlichem Bereich, etwa VwGH 09.09.2014, Ro2014/09/0006, 23.05.2012, 2010/08/0183 jeweils mwN; aber auch OGH 18.07.2002, 10ObS196/02z. Die vorliegende Entscheidung weicht bei der Betrachtung des gegenständlichen Einzelfalls von dieser Rechtsprechung auch nicht ab.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Arbeitszeit Ehepartner familiäre Situation Pflichtversicherung Scheinvertrag Sozialversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2141682.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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