TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/14 L511 2130349-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §25
GSVG §40

Spruch

L511 2130349-1/9E
L511 2130349-2/4E
L511 2130349-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , gegen den Versicherungspflichtbescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), Landesstelle Salzburg, vom 09.05.2016, Zahl: XXXX , sowie den Beitragsbescheid und den Beitragszuschlagsbescheid vom 10.05.2016, Zahlen: XXXX , zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde gegen den Versicherungspflichtbescheid vom 09.05.2016, Zahl: XXXX , wird gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1 des Beitragsbescheides vom 10.05.2016, Zahl: XXXX , wird gemäß § 25 GSVG iVm §40 GSVG als unbegründet abgewiesen.

III.    Der Beschwerde gegen Spruchpunkt 2 des Beitragsbescheides vom 10.05.2016, Zahl: XXXX , wird teilweise stattgegeben und Spruchpunkt 2.a gemäß § 40 GSVG ersatzlos behoben.

IV.      Der Beschwerde gegen den Beitragszuschlagsbescheid vom 10.05.2016, Zahl: XXXX , wird teilweise stattgegeben und der Beitragszuschlag für 2010 bis 2012 mit EUR 883,69 (anstelle von EUR 927,93), der Beitragszuschlag für 2013 mit EUR 822,12 festgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA]

1.1.    Mit Versicherungspflichtbescheid vom 09.05.2016, Zahl: XXXX , stellte die SVA fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterlegen sei (AZ 150-171).

Begründend führte die SVA aus, der Beschwerdeführer habe am 17.08.2004 eine Versicherungserklärung gemäß §2 Abs.1 Z4 GSVG für die Jahre 2001 und 2002 übermittelt, worin er angegeben habe seit 1989 seine selbständige Erwerbstätigkeit in Form von Veröffentlichungen, Vorträgen und Gutachten auszuüben. Ab 2003 sei der Beschwerdeführer von der Versicherungspflicht wegen Nichtüberschreiten der Versicherungsgrenze ausgenommen gewesen. Aus dem Ermittlungsverfahren im Jahr 2015 habe sich ergeben, dass der Beschwerdeführer Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Form von Vorträgen, Beratungen und Gutachtertätigkeiten in XXXX habe, was er der SVA nicht mitgeteilt habe. Er habe lediglich das Vorliegen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in XXXX mitgeteilt. Da Anknüpfungspunkte zu mehreren Mitgliedstaaten vorliegen komme die VO (EG) 883/2004 sowie die VO (EWG) 1408/71 zur Anwendung, wonach Beamte immer den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates unterliegen, in dem sie als Beamte versichert sind (VO 1408/71) bzw. dem die beschäftigende Verwaltungseinheit angehört (VO 883/2004). Die Einkünfte des Beschwerdeführers stammen aus einer selbständigen Tätigkeit, lägen über den Versicherungsgrenzen und es bestünde keine andere Pflichtversicherung für diese Tätigkeit.

1.2.    Mit Beitragsbescheid vom 10.05.2016, Zahl: XXXX , (AZ 130-148) stellte die SVA in Spruchpunkt 1 gemäß § 25 GSVG die monatlichen Beitragsgrundlagen in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 fest. In Spruchpunkt 2 verpflichtete die SVA den Beschwerdeführer gemäß §§ 27, 35 Abs. 6, 35b und 40 GSVG unter Beachtung der Vorschriften über die Verjährung zur Entrichtung von monatlichen Beiträgen in der Pensionsversicherung von 01.10.2010 bis 31.12.2013.

1.3.    Mit Beitragszuschlagbescheid vom 10.05.2016, Zahl: XXXX , (AZ 118-128), verpflichtete die SVA den Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 6 GSVG zur Entrichtung eines Beitragszuschlages für die Kalenderjahre 2010 bis 2013 in der Höhe von EUR 1.750,05.

1.4.    Gegen die am 23.05.2016 zugestellten Bescheide erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 14.06.2016 fristgerecht Beschwerde gegen die Einbeziehung in die Versicherungspflicht für den bezeichneten Zeitraum, sowie gegen die Feststellung der monatlichen Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung und in der Krankenversicherung und die Vorschreibung des Beitragszuschlages.

Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen zusammengefasst aus, die Anwendbarkeit der VO(EG) 883/2004 sei erst ab 01.05.2010 gegeben, davor sei nur österreichisches Einkommen der Sozialversicherungspflicht nach dem GSVG unterlegen. Es träfe ihn keine Sorgfaltspflichtverletzung, weshalb die 5-jährige Verjährungsfrist nicht zuträfe. Er habe erstmals durch Schreiben der SVA vom 08.10.2015 erfahren, dass seine XXXX Einkünfte in Österreich der Sozialversicherungspflicht unterlägen. Es sei daher eine Verjährung bis zum 3. Quartal 2013 anzunehmen. Aus diesen Gründen sei auch der Beitragszuschlag nicht zulässig.

2.       Die SVA legte am 19.07.2016 dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] die Beschwerde samt Inhaltsverzeichnis und Auszügen aus dem Verwaltungsakt in gescannter Form vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [AZ 1-219]).

2.1.    Das BVwG ersuchte die Verfahrensparteien um Übermittlung der Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2013 (OZ 5-8).

2.2.    Über Aufforderung des BVwG die Beschwerdeausführungen hinsichtlich der Anwendbarkeit von EU-Recht vor dem 01.05.2010 zu konkretisieren, führte der Beschwerdeführer aus, für den Zeitraum von 01.01.2010 bis 30.04.2010 nicht mehr davon auszugehen, dass nur österreichisches Einkommen der Sozialversicherungspflicht nach dem GSVG unterlegen sei und in diesem Zeitraum die VO (EWG) 1408/71 anwendbar sei (OZ 7).

II.      ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Der Beschwerdeführer ist seit 1999 Universitätsprofessor in Österreich und verfügt seit 2004 über einen weiteren Wohnsitz in XXXX . Als Universitätsprofessor ist er bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) sozialversichert und es liegen eine E101-Bescheinigung für den Zeitraum 01.01.2004 bis 30.04.2010 sowie eine A1-Bescheinigung für den Zeitraum 01.05.2010 bis 31.12.2016 über die Anwendbarkeit der österreichischen Rechtsvorschriften der Sozialversicherung in diesen Zeiträumen vor (AZ 39-48).

1.2.    Von seinem Wohnsitz aus betreibt der Beschwerdeführer seit 1989 selbständige Forschungstätigkeit, etwa Erstellung von Rechtsgutachten mit Bezug zu XXXX , Beratungstätigkeit für XXXX Strafverteidiger sowie Vortragstätigkeit mit XXXX bezug. Der Wohnsitz des Beschwerdeführers lag bis 1998 in XXXX , von 1999 bis 2003 ausschließlich in Österreich, seit 2004 verfügt er wieder über einen weiteren Wohnsitz in XXXX (AZ 1-4, 55-58).

1.3.    Der Beschwerdeführer übermittelte der SVA am 17.08.2004 eine Versicherungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Darin gab der Beschwerdeführer an, sein Wohnsitz läge in XXXX . Seit 1989 über er eine selbständige Erwerbstätigkeit in Form von Veröffentlichungen, Vorträgen und Gutachten aus. Er gab unter Punkt 3. der Versicherungserklärung an, dass seine Einkünfte in den Kalenderjahren 2001 und 2002 die maßgebliche Versicherungsgrenze überschreiten, 2004 dies nicht der Fall sei sowie, dass für 2003 mangels momentanem Zugriff auf die Unterlagen [diese seien beim Steuerberater] keine Prognose abgegeben werden könne. Ergänzend wurde unter Punkt 4. angegeben, dass der Beschwerdeführer auch Mieteinkünfte in XXXX erziele. Am 06.10.2004 teilte der Beschwerdeführer mit, die Einkünfte aus 2003 würden ebenfalls unter der Versicherungsgrenze liegen (AZ 1-4, 8).

1.4.    Mit Schreiben vom 08.10.2004 teilte die SVA dem Beschwerdeführer mit, dass er ab 01.01.2003 von der Pflichtversicherung in der GSVG vorläufig ausgenommen sei, und wies darauf hin, dass für die kommenden Jahre, die Pflichtversicherung erst dann gegebenenfalls rückwirkend festgestellt werde, sobald Einkommensteuerbescheide für die jeweiligen Jahre vorlägen (AZ 10).

1.5.    Am 27.04.2015 wurde der SVA im Wege des Datenaustauschs gemäß § 229a GSVG der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2013 vom 26.02.2015 übermittelt, wonach im Jahr 2013 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit idHv EUR 88.605,56, Einkünfte aus selbständiger Arbeit idHv EUR 43,51 sowie Progressionseinkünfte idHv EUR 50.954,00 vorlagen (AZ 12).

1.6.    Mit Schreiben vom 29.04.2015 leitete die SVA das Ermittlungsverfahren für die Feststellung der Sozialversicherungsbeiträge 2013 ein (AZ 12). Der Beschwerdeführer übermittelte daraufhin am 27.05.2015 den ausgefüllten EWR-Fragebogen und seinen XXXX Einkommensteuerbescheid 2013 (AZ 13-36), aus eigenem übermittelte er am 16.09.2015 darüber hinaus seine XXXX Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2010 – 2012 (AZ 55-90).

1.7.    Mit Schreiben vom 08.10.2015 teilte die SVA dem Beschwerdeführer die Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach dem GSVG für das Jahr 2013 mit (AZ 52). Am 06.11.2015 wurde der Beschwerdeführer in die Pflichtversicherung nach dem GSVG für die Jahre 2010 bis 2012 einbezogen (AZ 96).

1.8.    Auf die österreichischen Einkommensteuerbescheide [EStB] der Jahre 2010 bis 2012 wurde von der SVA im Verfahren weder Bezug genommen, noch wurden sie vom Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren angefordert (AZ 12, 38, 52, 92-100).

Der EStB 2010 datiert vom 12.07.2011 und weist Einkünfte aus selbständiger Arbeit idHv EUR 436,20 sowie ausländische Gesamteinkünfte idHv EUR 11.839,00 auf; der EStB 2011 datiert vom 12.11.2012 und weist Einkünfte aus selbständiger Arbeit idHv EUR 165,12 sowie ausländische Gesamteinkünfte idHv EUR 38.863,00 auf; der EStB 2012 datiert vom 09.01.2014 und weist Einkünfte aus selbständiger Arbeit idHv EUR 65,43 sowie ausländische Gesamteinkünfte idHv EUR 18.781,00 auf; der EStB 2013 datiert vom 29.01.2015 und weist Einkünfte aus selbständiger Arbeit idHv EUR 43,51 sowie ausländische Gesamteinkünfte idHv EUR 50.954,00 auf (OZ 8, 9).

1.9.    Der Beschwerdeführer hatte in den Jahren 2010 bis 2013 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in XXXX , welche der Beschwerdeführer jeweils in XXXX versteuerte und in der österreichischen Einkommensteuererklärung angab. Im Jahr 2010 idHv EUR 11.710,00; 2011 idHv EUR 38.191,00; 2012 idHv EUR 16.100,00 und 2013 idHv EUR 47.743,00 (AZ 13-36; 55-90; OZ 7, 8).

1.10.   Die Einkünfte aus der Tätigkeit als Beamter in Österreich überschritten die jeweils geltenden Höchstbeitragsgrundlagen gemäß § 48 GSVG (im Jahr 2010 idHv EUR 4.795,00, im Jahr 2011 idHv EUR 4.900,00, im Jahr 2012 idHv EUR 4.935,00, im Jahr 2013 idHv EUR 5.180,00).

1.11.   Die Versicherungsgrenze bei zusätzlichen Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit betrug gemäß § 25 Abs. 4 Z2b GSVG im Jahr 2010 EUR 4.395,96; im Jahr 2011 EUR 4.488,24; im Jahr 2012 EUR 4.515,12 und im Jahr 2013 EUR 4.641,60.

1.12.   Für die Jahre 2010 bis 2013 lagen keine Anzeigen der Überschreitung der Versicherungsgrenze durch den Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 Z4 2. Satz GSVG vor.

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus den jeweils zitierten Aktenteilen und sind zwischen den Parteien unstrittig geblieben.

Die Versicherungsgrenzen und Höchstbeitragsgrundlagen (Pkt. 1.10, 1.11) ergeben sich aus § 25 Abs. 4 Z2b GSVG und § 48 GSVG im Jahr 2010 idF BGBl. II Nr. 450/2009; im Jahr 2011 idF BGBl. II Nr. 403/2010; im Jahr 2012 idF BGBl. II Nr. 398/2011 und im Jahr 2013 idF BGBl. II Nr. 441/2012.

2.2.    Strittig blieb im Verfahren ausschließlich die Frage der Verjährung (AZ 102, 58; OZ 7; siehe dazu unter Rechtliche Beurteilung).

3.       Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1.    Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2.    Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.

4.       Rechtliche Beurteilung

4.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2.  Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.1.3.  Das Bestehen oder Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht ist nicht nur hinsichtlich der maßgeblichen Sachlage, sondern auch hinsichtlich der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (VwGH 20.12.2001, 98/08/0062 mwN). Verfahrensgegenständlich kommt daher sowohl für die Versicherungspflicht, als auch für die Beitragshöhe das GSVG in der Fassung für die Jahre 2010 bis 2013 zur Anwendung.

4.2.    Spruchpunkt I – Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf die Versicherungspflicht

4.2.1.  Verfahrensgegenständlich ist auf Grund der im Jahr 2004 abgegebenen Versicherungserklärung nicht strittig, dass die Tätigkeit bei Überschreiten der Versicherungsgrenze grundsätzlich der Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliegt. Ebenso ist unstrittig, dass einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus XXXX über der jeweiligen Versicherungsgrenze vorlagen, und dass diese in Österreich auf Grund der VO 1408/71 sowie ab 01.05.2010 auf Grund der VO 883/2004 der Sozialversicherungspflicht unterlagen.

4.2.2.  Bestritten wird (nur) die Zulässigkeit der Einbeziehung in die Pflichtversicherung für die Zeiträume vor dem 3. Quartal 2013.

4.2.3.  Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verjährung ist festzuhalten, dass eine Verjährung des Rechts, die Versicherungspflicht festzustellen, im GSVG nicht vorgesehen ist. Die Verjährungsbestimmung des § 40 Abs. 1 GSVG unterwirft ausschließlich das Recht der Sozialversicherungsanstalt auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen der Verjährung (VwGH 20.02.2008, 2008/08/0026).

4.2.4.  Die Einbeziehung des Beschwerdeführers in die bestehende und nicht bestrittene grundsätzliche Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z4 GSVG erfolgte somit zurecht, da die jeweils heranzuziehenden Versicherungsgrenzen der Jahre 2010 bis 2013 jeweils überschritten wurden.

4.3.    Spruchpunkt II – Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf die Feststellung der Beitragsgrundlagen

4.3.1.  Fallbezogen hat der Beschwerdeführer weder die Richtigkeit der festgestellten Beitragsgrundlagen (Spruchpunkt 1), noch die Richtigkeit der Höhe der vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge (Spruchpunkte 2) bestritten. Bestritten wird (nur) die Zulässigkeit der Feststellung und Einhebung für die Zeiträume vor dem 3. Quartal 2013.

4.3.2.  Die Verjährungsbestimmung des § 40 Abs. 1 GSVG unterwirft ausschließlich das Recht der Sozialversicherungsanstalt auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen der Verjährung, die Feststellung der Beitragsgrundlagen ist davon unberührt (VwGH 20.02.2008, 2008/08/0026).

4.3.3.  Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1 des Beitragsbescheides vom 10.05.2016, mit dem die SVA die Beitragsgrundlagen und die Beitragszahlungen festgestellt hat, ist daher spruchgemäß abzuweisen.

4.4.    Spruchpunkt III – teilweise Stattgabe der Beschwerde im Hinblick auf die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung

4.4.1.  In Fällen wie dem gegenständlichen, in denen der Betroffene keine Versicherungserklärung iSd § 2 Abs. 1 Z 4 3. Satz GSVG abgibt, kann die Pflichtversicherung erst nach Vorliegen der maßgeblichen (rechtskräftigen) Einkommensteuerdaten festgestellt werden. Ergibt sich aus diesen Daten die Überschreitung der im Kalenderjahr maßgeblichen Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6 GSVG, so stellt der Versicherungsträger rückwirkend die Pflichtversicherung fest (§ 2 Abs. 1 Z 4 letzter Satz GSVG).

4.4.2.  Die SVA hat in Spruchpunkt 2 des bekämpften Beitragsbescheides die monatlichen Beiträge für die Jahre 2010 bis 2013 gemäß § 27f GSVG in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung festgesetzt. Der Beschwerdeführer ist der Höhe der Beitragsvorschreibungen in seiner Beschwerde nicht entgegengetreten und diese erweist sich der Aktenlage zu Folge auch als korrekt. Der Beschwerdeführer wendet sich jedoch gegen die von der SVA angenommene erhöhten 5-jährigen Verjährungsfrist.

4.4.3.  Gemäß § 40 GSVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Versicherte die Erstattung einer Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.

4.4.3.1. Die SVA geht in ihrem Bescheid von der erhöhten 5-jährigen Verjährungsfrist aus, weil der Beschwerdeführer die ihm obliegenden Meldepflicht, nämlich der SVA binnen eines Monates den Eintritt über die Voraussetzungen für den Beginn und das Ende der Pflichtversicherung, also die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit in XXXX zu melden, nicht nachgekommen sondern davon ausgegangen sei, dass die Finanzbehörde der SVA das Vorliegen von selbständigen Einkünften melde.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer hat in seiner Versicherungserklärung im Jahr 2004 seine Tätigkeit klar geschildert, diese hat sich, soweit aus der Aktenlage ersichtlich, auch nicht verändert. Dass er diese im Jahr 2004 bereits in XXXX ausgeübt hat ergibt sich aus der Versicherungserklärung, in welcher ein XXXX Hauptwohnsitz aufscheint. Dass die SVA dies offensichtlich missinterpretiert hat, und nur die Mieteinkünfte in XXXX zugeordnet hatte, stellt keine Sorgfaltspflichtverletzung des Beschwerdeführers dar.

Eine Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Vorlage der erforderlichen Einkommensteuerbescheide im Rahmen des § 18 GSVG bestand ebensowenig. Eine solche findet sich seit der elektronischen Übermittlung durch die Finanzbehörden gemäß §229a GSVG nur mehr in § 22 Abs. 1 GSVG, das heißt nur auf Verlangen der Sozialversicherungsanstalt (VwGH 26.05.2004, 2002/08/0126). Eine derartige Aufforderung seitens der SVA erging jedoch seit 2004 zu keinem Zeitpunkt.

Ergänzend ist festzuhalten, dass die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012, wie jener aus 2013, Einkünfte aus selbständiger Arbeit aufweisen, weshalb auch diese der SVA im Wege des Datenaustauschs gemäß § 229a GSVG zugekommen sein müssen. Aber selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, kann nicht dem Beschwerdeführer als Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden.

Zusammenfassend vermag das BVwG keine Sorgfaltspflichtverletzung des Beschwerdeführers erkennen, weshalb von einer 3-jährigen Verjährungsfrist auszugehen ist.

4.4.4.  Die Feststellungsverjährungsfrist beginnt gemäß § 40 Abs. 1 GSVG mit der Fälligkeit der Beiträge. Werden Beiträge - auf Grund einer nachträglichen Feststellung der Einkünfte des Versicherten durch die Finanzbehörden vorgeschrieben, so sind sie gemäß § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG mit dem Letzten des zweiten Monats des Kalendervierteljahres fällig, in dem die Vorschreibung erfolgt. Wird die Vorschreibung nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen, so tritt die Fälligkeit schon nach Maßgabe jenes (früheren) Zeitpunkts ein, in welchem der Sozialversicherungsanstalt auf Grund der Verfügbarkeit der Daten des Einkommensteuerbescheides eine Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage möglich gewesen wäre, wobei die Vorschreibung nicht vor Beginn des auf das Vorliegen des rechtskräftigen Bescheides nächstfolgenden Quartals erfolgen muss (VwGH 02.05.2019, 2019/08/0070, mwN). Unterbrochen wird die Verjährung des Feststellungsrechtes gemäß § 40 durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Als Maßnahme ist jede nach außen hin in Erscheinung tretende und dem Schuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des zuständigen Versicherungsträgers, die der rechtswirksamen Feststellung der Beiträge dient, aber auch durch objektiv dem Feststellungsziel dienende Aktivitäten des Sozialversicherungsträgers, wie z.B. die Übersendung von Kontoauszügen über Rückstände an bestimmten Beiträgen geeignet (VwGH 27.07.2015, 2013/08/0114 mwN).

4.4.5.  Fallbezogen unterbrach die Einleitung des Feststellungsverfahrens zu Einkünften des Jahres 2013 am 29.04.2015 die Feststellungsverjährung für die Sozialversicherungsbeiträge des Jahres 2013. Die Mitteilung der SVA vom 06.11.2015 über die Einbeziehung des Beschwerdeführers in die Pflichtversicherung für die Jahre 2010 bis 2012 unterbrach die Feststellungsverjährung für die Sozialversicherungsbeiträge der Jahre 2010 bis 2012.

4.4.6.  Die Beiträge für 2010 hätten auf Grund der im August 2011 eingetretenen Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides (vom 12.07.2011) frühestens im 3. Quartal 2011 vorgeschrieben werden können, womit die Fälligkeit mit 30.11.2011 eintrat. Die Feststellungsfrist für diese Beiträge lief daher gemäß § 40 GSVG mit 30.11.2014, somit noch vor der Unterbrechung vom 06.11.2015 ab, und es trat für die Beiträge 2010 Verjährung ein.

Die Beiträge von 2011 hätten auf Grund der im Dezember 2012 eingetretenen Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides (vom 12.11.2012) frühestens im 1. Quartal 2013 vorgeschrieben werden können, und die Fälligkeit trat mit 28.02.2013 ein. Die Feststellungsfrist lief für diese Beiträge daher mit 29.02.2016 ab. Da mit 06.11.2015 die Unterbrechung iSd § 40 GSVG erfolgte, konnte für die Beiträge 2011 keine Verjährung eintreten.

Für die Beiträge 2012 und 2013 konnte infolge noch späterer Rechtskraft der Einkommensteuerbescheide (vom 09.01.2014 und 29.01.2015) ebenfalls keine Verjährung eintreten.

4.4.7.  Der Höhe der Beitragsvorschreibungen ist der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht entgegengetreten und diese erweisen sich der Aktenlage zu Folge auch als korrekt.

4.4.8.  Zusammenfassend waren zum Zeitpunkt der Unterbrechung der jeweiligen Feststellungsverjährungen am 06.11.2015 nur die Beiträge 2010 bereits verjährt, so dass Spruchpunkt 2a des Beitragsbescheides spruchgemäß zu beheben ist.

4.5.    Spruchpunkt IV – teilweise Stattgabe der Beschwerde im Hinblick auf die Verpflichtung zur Entrichtung eines Beitragszuschlages

4.5.1.  Mit dem bekämpften Bescheid wurde der Beschwerdeführer zur Entrichtung eines Beitragszuschlages gemäß § 35 Abs. 6 GSVG für die Jahre 2010 bis 2013 verpflichtet.

4.5.2.  Gemäß § 35 Abs. 6 haben Versicherte, deren Pflichtversicherung nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises für das maßgebliche Beitragsjahr rückwirkend festgestellt wird, zu den Beiträgen auf Grund der Beitragsgrundlage gemäß § 25 einen Zuschlag in der Höhe von 9,3% der Beiträge zu leisten. Dies gilt nicht für Personen, die einen Antrag nach § 3 Abs. 1 Z 2 gestellt haben (Z1) oder innerhalb von acht Wochen ab Ausstellung des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides den Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung gemeldet haben (Z2). Auf diesen Zuschlag sind alle für die Beiträge zur Pflichtversicherung geltenden Rechtsvorschriften anzuwenden.

Dieser Zuschlag ist somit immer dann zu leisten, wenn die Meldung der Pflichtversicherung erst 8 Wochen nach Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides, gar nicht oder mit einer Einkommensprognose unter der Versicherungsgrenze erfolgt ist. Auf das Verschulden kommt es dabei nicht an, da es sich nicht um eine Strafbestimmung, sondern um genormte Verzugszinsen handelt (vgl. dazu Taudes in Sonntag, GSVG(2019) §35 Rz28-32).

4.5.3.  Der Beschwerdeführer hat für die Jahre 2010 bis 2013 vor Rechtskraft der jeweiligen Einkommensteuerbescheide weder eine Überschreitungserklärung abgegeben, noch den Eintritt der Versicherung binnen 8 Wochen ab Ausstellung der Einkommensteuerbescheide gemeldet, weshalb die Vorschreibung des Beitragszuschlages dem Grund nach zu Recht erfolgte. Auch die Höhe des Beitragszuschlages erfolgte gesetzeskonform.

4.5.4.  Der Beitragszuschlag knüpft jedoch an zu leistende Beiträge an, so dass auch der Beitragszuschlag für die bereits verjährten Beiträge 2010 idHv EUR 44,24 (9,3% von 158,57*3) zu entfallen hat, und der Beitragszuschlag spruchgemäß zu reduzieren ist.

III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision

Die gegenständliche Beurteilung erfolgte im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Zur fallbezogen relevanten Nichtverjährung der Versicherungspflicht und der Feststellung der Beitragsgrundlagen VwGH 20.02.2008, 2008/08/0026. Zur Verjährung samt Unterbrechungsmaßnahmen der Beitragsfestsetzung VwGH 02.05.2019, 2019/08/0070 und 27.07.2015, 2013/08/0114 jeweils mit mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Beitragsgrundlagen Beitragsschuld Sorgfaltspflicht Teilstattgebung Verjährung Verjährungsfrist Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2130349.2.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten