TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/7 L525 2230565-1

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Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

AlVG §24
AlVG §38
AlVG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13

Spruch

L525 2230565-1/4Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. REINTHALER und Monika DANILKOW über die Beschwerde von XXXX , SVNr. XXXX , gegen den Bescheid des AMS Salzburg vom 30.3.2020, nach Durchführung einer nichtöffentlichen Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt B) des Bescheides vom 30.3.2020 wird stattgegeben und wird Spruchpunkt B) behoben. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.2.2020 kommt daher die aufschiebende Wirkung zu.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des AMS Salzburg vom 10.2.2020 wurde die Auszahlung der Notstandshilfe an den Beschwerdeführer wegen Arbeitsunwilligkeit eingestellt (prot. zu hg. Zl. L525 2230565-1). Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Das AMS Salzburg erließ daraufhin am 2.4.2020 (Zustellung) eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher das AMS Salzburg die Beschwerde als unbegründet abwies (Spruchpunkt A)). Mit Spruchpunkt B) wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen. Begründend führte das AMS Salzburg zu Spruchpunkt B) aus, der Leistungsbezug des Beschwerdeführers werde wegen Arbeitsunwilligkeit eingestellt. In der Vergangenheit sei es bereits zu drei rechtskräftigen Ausschlussfristen wegen temporärer Arbeitsunwilligkeit während der laufenden Anwartschaft gekommen. Das letzte Dienstverhältnis sei bis zum 30.9.2012 gegangen und habe der Beschwerdeführer die letzte Anwartschaft auf Arbeitslosengeld im Jahr 2012 erfüllt. Für das AMS Salzburg würden unter diesen Vorzeichen begründete Zweifel an der späteren Einbringlichkeit der Forderung (Anm: offenbar gemeint: im Falle der Beschwerdeabweisung) bestehen. Es überwiege das Interesse der Versicherungsgemeinschaft an der Verfügbarkeit von Mitteln für die Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes werde mit der vorliegenden Beschwerdevorentscheidung die Entscheidung des AMS Salzburg bestätigt. Würde aufgrund der gegebenen Umstände die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht ausgeschlossen ginge der im öffentlichen Interesse liegenden Sanktionscharakter verloren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtshofes (sic!; offenbar gemeint: des Bundesverwaltungsgerichtes) werde davon ausgegangen, dass die mit einer Sanktion verbundene Unterbrechung des Leistungsbezuges das am ehesten geeignete Mittel sei, um den Beschwerdeführer wieder zur Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung zu bewegen.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 21.4.2020 die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

§ 13 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl I Nr. 33/2013 idgF lautet:

"Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(4) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen."

Eingangs hält das erkennende Gericht fest, dass es den Vorlageantrag vom 21.4.2020 auch als Beschwerde gegen Spruchpunkt B) der Entscheidung vom 30.3.2020 wertet.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer regionalen Geschäftsstelle des AMS das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören. Der Tatbestand, aus dem sich die Senatszuständigkeit ableitet, stellt nur auf die bescheiderlassende Behörde und nicht etwa darauf ab, worüber sie entschieden hat. Die Regelung trägt dem Legalitätsprinzip iSd Art. 18 Abs. 1 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG Rechnung, wonach der Gesetzgeber insbesondere in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung verpflichtet ist und eine Zuständigkeitsfestlegung klar und unmissverständlich sein muss. Gegenständlich ist Hauptsache die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den die aufschiebende Wirkung ausschließenden Bescheid der belangten Behörde. Auch solche Sachen sind daher im Senat zu entscheiden (vgl. dazu grundlegend das Erk. des VwGH vom 7.9.2017, Zl. Ra 2017/08/0065).

Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessensabwägung vornehmen zu können, hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiters erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat. Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 AlVG (iVm § 38 leg. cit.) gegeben, deren disziplinärer Zweck weitegehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessensabwägung kann vor allen dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezugs gefährdet ist. Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. dazu grundlegend das Erk. des VwGH vom 11.4.2018, Zl. Ro 2017/08/0033). Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56).

Im Falle des Überwiegens der öffentlichen Interessen ist der Ausschluss aber nur dann statthaft, wenn in einem zweiten Schritt festgestellt wird, dass der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. "Gefahr im Verzug" iSd § 13 Abs. 2 VwGVG bedeutet, dass den berührten öffentlichen Interessen oder den Interessen einer anderen Partei (als des Beschwerdeführers) ein derart gravierender Nachteil droht, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides dringend geboten ist. Die Annahme, dass Gefahr in Verzug vorliegt, bedingt eine sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung durch die Behörde (Eder/Martschin/Schmid, Verwaltungsgerichte, K10 f. zu § 13 VwGVG mH auf die Erkenntnisse des VwGH vom 24.05.2002, Zl. 2002/18/0001, und vom 22.03.1988, Zl. 87/07/0108). Die Gefahr muss konkret bestehen (Hengstschläger/Leeb, AVG zu § 64 Rz 31). Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierende Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll.

Gegenständlich steht für das erkennende Gericht außer Zweifel, dass die öffentlichen Interessen die Partikularinteressen des Beschwerdeführers überwiegen und höher einzustufen sind. Das ergibt sich zunächst bereits aus dem Umstand, dass der Sanktionscharakter der Einstellung wegen Arbeitsunwilligkeit ad absurdum geführt werden würde, wenn die Sanktion erst viel später – nämlich nach Rechtskraft des Bescheides – eintreten würde und über den Beschwerdeführer ja bereits mehrmals eine Sperre verhängt wurde. Der Beschwerdeführer brachte dagegen insbesondere keine Bescheinigungen vor, die es dem erkennenden Gericht nachvollziehbar machen, dass seine Existenzgrundlage in irgendeiner Weise gefährdet sei. Dem angefochtenen Bescheid sind aber keine Überlegungen zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Beschwerdeabweisung nicht gewillt oder fähig wäre, den erhaltenen Betrag zurückzuzahlen. Dass bei jedem Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung die Rückforderung von zu Unrecht erhaltenen Leistungen erschwert wäre, wurde bereits vom Verfassungsgerichtshof verworfen. So ist der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu entnehmen, dass dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist (vgl. ausdrücklich bereits VfSlg. 11195/1986) und eine Abweichung von den allgemeinen Verfahrensregelungen nur dann getroffen werden dürfen, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes unerlässlich sind (vgl. bereits VfSlg 8945/1980). So sah im Falle des AlVG § 56 Abs. 3 (welcher mit VfSlg. 19921/2014 als verfassungswidrig aufgehoben wurde) vor, dass Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle und Vorlageanträge keine aufschiebende Wirkung haben und im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung unter näher angeführten Gründen die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden kann. Der Verfassungsgerichtshof führte in den Gründen, die zur Aufhebung der Bestimmung führten, aus, dass eine derartige Regelung nicht zulässt die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen der Verfahrenspartei abzuwägen, weshalb die Bestimmung dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht (vgl. dazu näher VfSlg. 19921/2014). Nach Maßgabe des vorliegenden Sachverhaltes vermag das erkennende Gericht im konkreten Fall nicht davon ausgehen, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, zumal sich hierfür aus den übermittelten Verwaltungsakten keine ausreichenden Anhaltspunkte ergeben. Eine dahingehend nachvollziehbare und schlüssige Begründung inwieweit gegenständlich die vorzeitige Vollstreckung zur Abwendung eines gravierenden Nachteils für das öffentliche Wohl jedenfalls notwendig ist, ist dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde unterließ insbesondere darzulegen, ob andere Zahlungsverpflichtungen gegen den Beschwerdeführer bestehen, was es für das erkennende Gericht nachvollziehbarer gemacht hätte, eine Gefahr im Verzug anzunehmen.

Das erkennende Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen wird und zu einem späteren Zeitpunkt gesondert erfolgt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Begründungsmangel Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L525.2230565.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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