Entscheidungsdatum
08.05.2020Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
L503 2208700-1/6Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX vom 24.10.2018 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Verfahrens im Rahmen seiner Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 16.07.2018, Zl. XXXX , nach ergangener Beschwerdevorentscheidung vom 12.10.2018, Zl. XXXX , beschlossen:
A) Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG stattgegeben und die Verfahrenshilfe bewilligt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom 16.7.2018 sprach die SGKK aus, dass der Antragsteller als ehemaliger Geschäftsführer der Beitragskontoinhaberin F. GmbH der SGKK gemäß § 67 Abs 10 iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume April 2016 bis Februar 2017 in Höhe von € 13.151,12 zuzüglich näher genannter Verzugszinsen zu bezahlen habe.
2. Mit E-Mail vom 15.8.2018 erhob der Antragsteller fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der SGKK vom 16.7.2018.
3. Mit Bescheid vom 12.10.2018 wies die SGKK die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab.
4. Am 24.10.2018 richtete der BF ein E-Mail an die SGKK mit dem Betreff „Verfahrenshilfe- und Vorlageantrag“, wobei sich im Anhang (lediglich) ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (unter anderem zur Abfassung und Einbringung eines Vorlageantrags) samt Vermögensbekenntnis und diverse, diesbezügliche Dokumente befinden.
5. Am 29.10.2018 legte die SGKK den Akt dem BVwG vor und beantragte – näher begründet – die Abweisung der Beschwerde.
6. Mit Schreiben vom 9.4.2020 forderte das BVwG den Antragsteller auf, sein Vermögensbekenntnis in einem näher genannten Punkt genauer zu erläutern und weitere Umstände bekanntzugeben.
7. Mit Schreiben ebenfalls vom 9.4.2020 forderte das BVwG die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), Landesstelle Salzburg, auf, bekanntzugeben, ob sich in ihren Unterlagen tatsächlich kein Vorlageantrag des BF findet.
8. Mit E-Mail vom 19.4.2020 erteilte der BF die vom BVwG gewünschten Auskünfte hinsichtlich seines Vermögensbekenntnisses.
9. Mit Schreiben vom 21.4.2020 gab die ÖGK dem BVwG bekannt, dass der BF keine weiteren Dokumente übermittelt habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Gewährung der Verfahrenshilfe
Einschlägige Rechtsgrundlage (§ 8a VwGVG):
§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.
Im konkreten Fall bedeutet dies:
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der „Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse“; in jenen Fällen, in denen es „unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde,“ müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Den gegenständlichen Fall betreffend ist auszuführen, dass der Antragsteller offensichtlich über keine juristischen Fachkenntnisse verfügt. Verfahren, wie vorliegend, betreffend eine Geschäftsführer-Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG kann eine gewisse Komplexität nicht abgesprochen werden und bedarf es, um sich als ehemaliger Geschäftsführer allenfalls exkulpieren zu können, zumeist doch einer entsprechend fundierten Argumentation. Vor diesem Hintergrund kann aktuell auch nicht hinreichend festgestellt werden, dass die Rechtsverfolgung offenbar aussichtlos wäre. Auch die Höhe des strittigen Betrages (mehr als € 13.000) kann nicht als unbedeutend qualifiziert werden.
Aufgrund des vom Antragsteller abgegebenen Vermögensbekenntnisses ist zudem davon auszugehen, dass er außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.
Folglich ist dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG stattzugeben.
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass bis dato kein Vorlageantrag des Antragstellers vorliegt. Hat die Partei innerhalb der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Frist zur Stellung eines Vorlageantrags mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid (hier: Ausgangsbescheid sowie Beschwerdevorentscheidung) diesem zugestellt sind (vgl. § 8a Abs 7 VwGVG).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verfahrenshilfe VermögensbekenntnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2208700.1.00Im RIS seit
20.11.2020Zuletzt aktualisiert am
20.11.2020