Entscheidungsdatum
11.05.2020Norm
AsylG 2005 §55Spruch
L507 2146726-1/38E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.11.2017 und 04.12.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 55 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 4 und Abs. 9, 46, 53 Abs. 1 und Abs. 2 Z 8, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer hat am 16.08.2008 in der Türkei eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und hält sich seit 16.01.2009 im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer verfügte bis 07.07.2015 über den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ und von 08.07.2015 bis 08.07.2016 über den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“.
2. Am 03.01.2015 erstattete die (damalige) Ehegattin des Beschwerdeführers vor der PI Innere Stadt XXXX eine Selbstanzeige und gab an, dass sie den Beschwerdeführer geheiratet habe, damit dieser sich dauerhaft im Bundesgebiet niederlassen könne. Tatsächlich habe sie aber mit dem Bruder des Beschwerdeführers eine Beziehung geführt und in Absprach mit diesem den Beschwerdeführer nach Österreich „geholt“.
2. Mit Schreiben des BFA vom 22.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass aufgrund des Eingehens einer Aufenthaltsehe beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich zu erlassen. Zudem wurden der Beschwerdeführer gebeten, Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich, seinem Gesundheitszustand, seinen Beschäftigungsverhältnissen, seiner wirtschaftlichen Lage, seinen persönlichen Verhältnissen, seinen Lebensumständen, seinen Integrationsbemühungen, zu seinen familiären Verhältnissen sowie zu seinen Bindungen zum Herkunftsstaat zu beantworten. Dem Beschwerdeführer wurde auch eine aktuelle Zusammenfassung der Situation im Zielland übermittelt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahe eingeräumt (AS 189).
3. Mit Schriftsatz der damaligen rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 27.10.2016 wurde eine Stellungnahme erstattet. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Aufenthaltsehe geführt habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Integration sei eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unverhältnismäßig und unzulässig und habe der Beschwerdeführer ein „assoziationsrechtliches Recht“ auf Aufenthalt und Verbleib in Österreich (AS 221).
4. Mit Bescheid des BFA vom 29.12.2016 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG nicht erteilt und gemäß
§ 52 Abs. 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß
§ 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). Zudem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
5. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 29.12.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt und gemäß
§ 52a Abs. 2 BFA-VG die Verpflichtung mitgeteilt, innerhalb von zwei Wochen ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
6. Gegen diesen am 11.01.2017 dem Vertreter des Beschwerdeführers ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde mit Schreiben vom 23.01.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben.
Darin wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer keine Scheinehe geführt habe und der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auch rechtmäßig sei. Zum Familienleben des Beschwerdeführers wurde angemerkt, dass dieser mittlerweile eine Lebensgemeinschaft mit einer türkischen Staatsangehörigen führe, welche über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ verfüge. Sie würden in einem gemeinsamen Haushalt leben und entstamme dieser Beziehung ein gemeinsamer Sohn. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes würde unzulässig in das aktuelle Familienleben des Beschwerdeführers eingreifen.
7. Am 21.11.2017 und 04.122019 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde der Beschwerdeführer zu seinem bisherigen Lebenslauf sowie zu seinen privaten Verhältnissen in der Türkei, in Deutschland und in Österreich befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, moslemischen Glaubens und lebte vor seiner Ausreise aus der Türkei in XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt über einen Hauptschulabschluss und verdiente sich seinen Lebensunterhalt in der Türkei als Fleischhauer.
Am 16.08.2008 heiratete der Beschwerdeführer in der Türkei eine österreichische Staatsbürgerin und hält sich seit 16.01.2009 im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer verfügte bis 07.07.2015 über den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ bzw. von 08.07.2015 bis 08.07.2016 über den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ und stellte am 08.06.2016 einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist rechtmäßig.
Am XXXX wurde die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen geschieden. Dabei handelte es sich um eine Aufenthaltsehe. Die Ex-Ehegattin des Beschwerdeführers führte von 2007 bis 2013 eine Lebensgemeinschaft mit dem Bruder des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich mit krankheitsbedingten sowie saisonalen Unterbrechungen seit dem Februar 2009 erwerbstätig. Unter anderem war der Beschwerdeführer in der Bau- und Tourismusbranche, in einem Imbiss sowie als Fleischhauer in einem Supermarkt tätig.
Der Beschwerdeführer leidet seit 2015 an chronische Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, erhält dahingehend eine medikamentöse Schmerz- sowie Physiotherapie. Eine Operationsindikation ist nicht gegeben. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht und spricht auf dem Niveau B1 die deutsche Sprache. Eine Verständigung in deutscher Sprache auf einfachem Niveau ist möglich.
Der Beschwerdeführer lernte im Jahr 2013 seine jetzige Lebensgefährtin, eine türkische Staatsbürgerin, kennen und entstammen dieser Beziehung zwei Söhne, welche am 07.09.2016 und 22.08.2018 in Österreich geboren wurden. Seit 04.02.2016 besteht mit der Lebensgefährtin und später mit den beiden Söhnen ein gemeinsamer Wohnsitz. Der ältere Sohn des Beschwerdeführers besucht keinen Kindergarten.
Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers verfügt in Österreich über einen bis 19.11.2023 befristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“. Die Lebensgefährtin litt an einem Herzklappenfehler (Mitralinsuffizienz mit Vergrößerung des linken Vorhofes bzw. verminderte Schlussfähigkeit der Segelklappe) und wurde dahingehend im Sommer 2019 operiert. Im Juni 2017 wurde bei der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers eine posttraumatische Belastungsstörung in Remission festgestellt. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers verfügt über einen bis 31.10.2022 gültigen Behindertenpass. Die Söhne des Beschwerdeführers verfügen über die befristeten Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ (18.12.2021 und 19.09.2020).
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über freundschaftliche und soziale Kontakte. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
In der Türkei sind die Mutter, zwei Brüder sowie zwei Schwestern des Beschwerdeführers aufhältig. In Österreich halten sich ein Bruder sowie ein Onkel des Beschwerdeführers auf. Ein gemeinsamer Wohnsitz besteht nicht. Der Beschwerdeführer war zuletzt 2012 oder 2013 in der Türkei aufhältig.
Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Türkei in eine seine Existenz gefährdende Notlage geraten würde.
Weiters konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nach § 46 FPG unzulässig wäre.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
? Einsicht in den Akt des BFA;
? Mündliche Verhandlung am 21.11.2017 und 04.12.2019;
? Einsicht in die unter 2.2. angeführten Urkunden.
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.
Die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen sowie die Ehescheidung des Beschwerdeführers ist dem Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , zu entnehmen. Obwohl im Scheidungsurteil das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nicht festgestellt wurde, folgt das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Bestehens einer Aufenthaltsehe den Ausführungen im Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX . Im dahingehenden Unterhaltsverfahren hat sich aus mehreren Umständen ergeben, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ex-Ehegattin eine Aufenthaltsehe eingegangen ist. Deutlich ergibt sich dies auch aus den widerspruchsfreien, plausiblen und nachvollziehbaren Angaben der Ex-Ehegattin, wonach die Eheschließung durch den Bruder des Beschwerdeführers, mit welchem die Ex-Ehegattin des Beschwerdeführers tatsächlich eine Beziehung führte, angebahnt wurde, um dem Beschwerdeführer einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen sowie eine Wohnung für die Mutter des Beschwerdeführers und dessen Bruder in der Türkei zu finanzieren. Auch der Umstand, dass sämtliche im Unterhaltsverfahren vor dem Bezirksgericht XXXX einvernommenen Zeugen bestätigten, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern dessen Bruder eine Beziehung mit der Ex-Ehegattin des Beschwerdeführers geführt hat, ist maßgeblich für die Annahme, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen ist.
Die leugnenden Aussagen des Beschwerdeführers sowie seines Bruders sind demgegenüber nicht glaubwürdig und ist dahingehend insbesondere auf die Verurteilung des Bruders des Beschwerdeführers vor dem Landesgericht XXXX vom XXXX , zu verweisen, wonach dieser vor dem Bezirksgericht XXXX im Verfahren XXXX bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache als Zeuge falsch ausgesagt hat. Der Bruder des Beschwerdeführers hat demnach wahrheitswidrig angegeben, dass er die Ex-Ehegattin des Beschwerdeführers erst durch den Beschwerdeführer kennengelernt habe und mit dieser zu keinem Zeitpunkt eine Lebensgemeinschaft geführt und lediglich in alkoholisiertem Zustand ein paar Mal Geschlechtsverkehr mit der Ex-Ehegattin seines Bruders gehabt habe. Die beweiswürdigen Ausführungen stützten sich auch in diesem Verfahren auf die glaubwürdigen Ausführungen der Ex-Ehegattin des Beschwerdeführers, welche sich mit den übrigen Beweisergebnissen in Einklang bringen ließen.
Zusammenschauend ergab sich daraus, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen ist und damit bezweckte, eine Aufenthaltsberechtigung sowie den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen und, dass die Ex-Ehegattin des Beschwerdeführers tatsächlich eine Lebensgemeinschaft mit dem Bruder des Beschwerdeführers geführt hat.
Dass der Beschwerdeführer bis 08.07.2016 über einen gültigen Aufenthaltstitel für Österreich verfügte und am 08.06.2016 fristgerecht einen Verlängerungsantrag stellte, geht aus dem zentralen Fremdenregister hervor. Aus § 24 Abs. 1 NAG folgt, dass sich der Beschwerdeführer weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers ist dem Sozialversicherungsdatenauszug, der Arbeits- und Gehaltsbestätigung des XXXX vom 25.09.2018, der Arbeits- und Lohnbestätigung von XXXX vom 10.12.2018, dem Schreiben von XXXX vom 24.11.2017 sowie der Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 18.10.2017 zu entnehmen.
Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den im Akt befindlichen medizinischen Unterlagen. Durch die Vorlage der vorrübergehenden Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 18.10.2017 konnte eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers jedoch nicht abgeleitet werden. Der Beschwerdeführer ist aktuell berufstätig und erklärte auch in der mündlichen Verhandlung am 21.11.2017, dass er eine Physiotherapie mache und es ihm gut gehe.
Der Besuch von Deutschqualifikationsmaßnahmen sowie die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers beruhen auf der Einladung und der Anmeldebestätigung des XXXX vom 16.01.2018, dem ÖSD Zertifikat vom 23.01.2018 sowie auf der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen der bestehenden Lebensgemeinschaft mit einer türkischen Staatsangehörigen sowie zu den zwei gemeinsamen Kindern – ebenfalls türkische Staatsangehörige – gründen sich auf die dahingehend konsistenten Angaben des Beschwerdeführers sowie seiner Lebensgefährtin und den dahingehend vorgelegten Urkunden (Geburtsurkunden Standesamt XXXX vom XXXX und XXXX , türkische Reisepässe der Kinder).
Die Feststellungen zum Wohnsitz des Beschwerdeführers gehen aus dem zentralen Melderegister hervor.
Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers geht aus dem Strafregisterauszug der Republik Österreich hervor.
Dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sowie dessen Söhne in Österreich über befristete Aufenthaltstitel verfügen ist dem zentralen Fremdenregister zu entnehmen.
Dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers an einem Herzklappenfehler litt und dahingehend im Sommer 2019 operiert wurde, ist den im Akt befindlichen medizinischen Unterlagen sowie den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen. Dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers über einen bis 31.10.2022 gültigen Behindertenpass verfügt, geht aus dem Ausweis des Sozialministeriumsservice hervor.
Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat beruht darauf, dass der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG aus vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre
(§ 52 Abs. 9 FPG).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides bzw. zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
3.2.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:
"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."
3.2.2. Der mit "Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel" betitelte § 11 NAG lautet auszugsweise:
(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn
1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder
2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.
(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.
3.2.3. § 55 AsylG lautet:
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
3.2.4. Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
3.2.5 Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich Folgendes:
3.2.5.1 Der Beschwerdeführer war im Besitz eines bis 08.07.2016 gültigen, befristeten Aufenthaltstitels und hat am 08.06.2016 einen Verlängerungsantrag gestellt. Aufgrund der fristgerechten Antragsstellung erweist sich der Aufenthalt des Beschwerdeführers gemäß
§ 24 Abs. 1 2. Satz NAG als durchgehend rechtmäßig. Der Beschwerdeführer ging jedoch eine Aufenthaltsehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein und hat unter Berufung auf diese Aufenthaltsehe Erst- bzw. Verlängerungsanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Damit hat der Beschwerdeführer einen Ausschlussgrund iSd § 11 Abs. 1 Z 4 NAG gesetzt.
Demzufolge erweist sich die Stützung einer Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 4 Z 4 FPG dem Grunde nach als zulässig.
3.2.5.2. Zu den Ausführungen in der Stellungnahme vom 27.10.2016, wonach der Beschwerdeführer ein assoziationsrechtliches Recht auf Aufenthalt und Verbleib in Österreich habe, ist auf die diesbezügliche Judikatur des EuGH und Verwaltungsgerichtshofes zu vereisen:
Demnach setzt die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung iSd ARB1/80 Art 6 Abs. 1 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus. In diesem Zusammenhang hat der EuGH wiederholt ausgesprochen, dass Beschäftigungszeiten, die ein türkischer Arbeitnehmer während der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt hat, die ihm nur aufgrund einer Täuschung der Behörden durch ihn erteilt worden ist, nicht auf einer gesicherten Position beruhen, sondern als in einer nur vorläufigen Position zurückgelegt zu betrachten sind, da ihm während dieser Zeiten von Rechts wegen kein Aufenthaltsrecht zustand (Hinweis EuGH Urteil 5.6.1997, Rs C-285/95, (Kol), Slg 1997, I-3069, Rn 27, 28; Urteil 30.9.1997, Rs C-36/96, (Günaydin), Slg 1997, I-5159, Rn 45; Urteil 30.9.1997, Rs C-98/96, (Ertanir), Slg 1997, I-5179, Rn 51; Urteil 26.11.1998, Rs C-1/97, (Birden), Slg 1998, I-7747, Rn 59; E 24.10.1996, 96/18/0418).
Auch der VwGH geht davon aus, dass eine durch eine Aufenthaltsehe rechtsmissbräuchlich erlangte Bewilligung zum Aufenthalt und zur Beschäftigung in Österreich grundsätzlich nicht zu einer Berechtigung nach ARB1/80 Art 6 führen kann (VwGH 2012/22/0235 vom 17.04.2013; VwGH 98/18/0100 vom 03.08.2000).
Die seitens des Beschwerdeführers eingegangene Aufenthaltsehe steht der Erlangung einer Begünstigung nach dem ARB 1/80 daher entgegen.
3.2.6. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).
Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen darf jedoch nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern ist auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Das folgt unzweifelhaft daraus, dass eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bezogen sein sollen (VwGH 26.03.2015, 2013/22/0284).
3.2.6.1. Der Beschwerdeführer verfügt über familiären Bindungen in Österreich, zumal er seit 2013 eine Lebensgemeinschaft mit einer türkischen Staatsangehörigen führt, dieser Beziehung zwei gemeinsame Kinder entstammen und seit 04.02.2016 ein gemeinsamer Wohnsitz besteht. Zudem halten sich ein Bruder sowie ein Onkel des Beschwerdeführers in Österreich auf. Ein gemeinsamer Wohnsitz besteht mit diesen nicht.
Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd Art 8 MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziff 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziff 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).
Merkmale einer Abhängigkeit von seinem Bruder oder Onkel, die über die üblichen Bindungen hinausgehen, liegen nicht vor. Sporadische Besuche, Telefonate, gelegentliche gegenseitige Unterstützung im Krisenfall oder allgemeine Unterstützungsleistungen bei alltäglichen Angelegenheiten vermögen jedenfalls keine über die üblichen Bindungen hinausgehende Abhängigkeit des Beschwerdeführers von seinem Bruder oder Onkel zu begründen. Hinsichtlich seines Bruders und Onkels hat der Beschwerdeführer weder ein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis, welches über die üblichen Beziehungen von volljährigen Geschwistern bzw. zu einem Onkel hinausgeht, behauptet oder nachweisen können, noch hat er dartun können, dass seine Angehörigen auf eine Betreuung durch ihn angewiesen wären. Da der Beschwerdeführer erwachsen ist, ist nicht zu erkennen, inwieweit er auf eine Familiengemeinschaft mit seinem Bruder oder Onkel derart angewiesen wäre, dass die gesetzte Maßnahme einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Familienleben darstellen würde.
Hinsichtlich der Lebensgefährtin und Kinder des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof in ihrer Rechtsprechung darauf abstellen, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (VwGH 30.04.2009, 2009/21/086, VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).
Der Beschwerdeführer ging im Jahr 2008 wissentlich eine Aufenthaltsehe ein und musste es ihm bewusst sein, dass die darauffolgende Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung nur aufgrund dieses gesetzwidrigen Verhaltens möglich war. Der Beschwerdeführer begründete seine Lebensgemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin daher zu einem Zeitpunkt, in dem er sich seines unsicheren Aufenthalts in Österreich bewusst war. Unter Zugrundelegung der Judikatur des VwGH und des EGMR ist daher auszuführen, dass der Beschwerdeführer nicht darauf vertrauen konnte, dass ein in dieser Zeit entstandenes Familienleben fortgesetzt werden kann. Im Hinblick darauf ist auch festzuhalten, dass die wiederholte Asylantragstellung, das Schließen einer "Aufenthaltsehe" sowie die Nichtbeachtung des daran anknüpfenden Aufenthaltsverbotes Umstände darstellt, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (Ra 2019/21/0117 vom 24.10.2019).
Darüber hinaus ist es der Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern des Beschwerdeführers zuzumuten, das gemeinsame Familienleben in der Türkei weiterzuführen, zumal auch die Ehegattin und die gemeinsamen Kinder des Beschwerdeführers türkische Staatsbürger sind und die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers mehr als die Hälfte ihres Lebens in der Türkei verbracht hat. Hinzu kommt, dass sich die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ihren eignen Angaben in der mündlichen Verhandlung zur Folge jährlich fünfzehn bis zwanzig Tage in der Türkei aufhält und dort nach wie vor ihre Eltern und Geschwister leben, welche sie regelmäßig besucht. Dass die Lebensgefährtin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Türkei leben könnte, hat sich im Verfahren ebenfalls nicht ergeben. Der Beschwerdeführer selbst führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass seine Lebensgefährtin hinsichtlich ihrer Herzklappenerkrankung im Sommer 2019 in Österreich erfolgreich operiert wurde. Im Übrigen hätte die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als türkische Staatsbürgerin auch Zugang zum türkischen Gesundheits- und Sozialsystem.
Weiters ist festzuhalten, dass sich die minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers (geboren 2016 und 2018) in einem anpassungsfähigen Alter befinden, das in der Rechtsprechung der Höchstgerichte jedenfalls zwischen sieben und elf Jahren angenommen wird (vgl. VfGH 07.10.2014, U 2459/2012 ua., sowie VwGH 19.09.2012, 2012/22/0143 ua.), sodass ihnen die Anpassung an die Lebensverhältnisse in der Türkei leicht gelingen wird. Da die Kinder im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern aufwachsen, ist auch vom Erwerb der Muttersprache der Eltern auszugehen und davon, dass sie mit den kulturellen Gegebenheiten ihres Heimatlandes vertraut gemacht wurden, weshalb ihnen eine Eingliederung in die türkische Gesellschaft mit Hilfe ihrer Familie leichter möglich sein wird. Dies ergibt sich insbesondere aufgrund ihres noch jungen Alters, in dem die Erkundung der Umgebung und der Spracherwerb im Zentrum des Interesses und der kindlichen Entwicklung stehen.
Die Sozialisation der 2016 und 2018 in Österreich geborenen Kinder des Beschwerdeführers hat im Übrigen gerade erst begonnen. Es ist daher nicht erkennbar, weswegen diese nicht auch in im Herkunftsstaat erfolgen kann, zumal sie im Heimatland weiter in Obsorge der Eltern sein und deren Begleitung die Eingliederung in den Herkunftsstaat ermöglichen wird (zur Sozialisation von Kindern etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres vgl. VwSlg. 14972 A/1998 und VwGH 19.01.2006, 2005/21/0297). Dies ergibt sich insbesondere aufgrund ihres noch jungen Alters, in dem die Erkundung der Umgebung und der Spracherwerb im Zentrum des Interesses und der kindlichen Entwicklung stehen. Anzumerken ist diesbezüglich auch, dass der ältere Sohn des Beschwerdeführers keinen Kindergarten in Österreich besucht, weshalb betreffend den älteren Sohn des Beschwerdeführers von einer überaus geringen Bindung zu Österreich auszugehen war.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer, seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern nicht möglich wäre, das Familienleben in der Türkei fortzusetzen.
Somit liegt im gegenständlichen Fall keine ungerechtfertigte Verletzung des Familienlebens des Beschwerdeführers vor.
3.2.6.2. Es ist weiters zu prüfen, ob Aspekte eines schützenswerten Privatlebens vorliegen, welche die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG allenfalls erforderlich erscheinen ließen bzw. ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).
Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).
Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423; 17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 20053, S. 282ff).
Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw. bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw. die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einer Vielzahl von Erkenntnissen mit der nach
§ 11 Abs. 3 NAG bzw. § 9 Abs. 2 BFA-VG durchzuführenden Interessenabwägung bei einem langjährigen (mehr als zehnjährigen) Inlandsaufenthalt des Fremden befasst. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich Folgendes ableiten:
Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (siehe zuletzt etwa das Erkenntnis des VwGH vom 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253, mwN).
Umgekehrt hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können.
Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, und vom 10. November 2015, Ro 2015/19/0001, sowie die Beschlüsse des VwGH vom 3. September 2015, Ra 2015/21/0121, und vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe das Erkenntnis des VwGH vom 16. Oktober 2012, 2012/18/0062, sowie den Beschluss des VwGH vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. den Beschluss des VwGH vom 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0039, sowie das zitierte Erkenntnis Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 31. Jänner 2013, 2012/23/0006).
Im Ergebnis bedeutet das, dass auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen ist, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtun