TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/14 G310 2227927-5

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Veröffentlicht am 14.05.2020
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Entscheidungsdatum

14.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G310 2227927-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER im Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft von XXXX , geb. am XXXX , StA.: Indien, Zl. XXXX , zu Recht:

A)       Es wird gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, spätestens jedoch am XXXX .2019 nicht rechtmäßig nach Österreich ein. Am XXXX .2019 wurde er aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich festgenommen, am XXXX .2019 in das PAZ überstellt und ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde gegen BF vom 03.10.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet, die im Anhaltezentrum Vordernberg vollzogen wird.

Im Rahmen der amtswegigen Überprüfung der andauernden Anhaltung in Schubhaft wurde mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 30.01.2020, vom 25.02.2020, vom 19.03.2020 und vom 20.04.2020 jeweils festgestellt, dass zum Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei. Gegen diese Entscheidungen wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Am 13.05.2020 legte das BFA dem BVwG die Akten unter Darlegung der Gründe, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig sei, zu einer weiteren Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft vor.

Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Indien; seine Muttersprache ist Punjabi. Er ist haftfähig; es bestehen keine schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme.

Am 04.01.2019 beantragte der BF bei der Botschaft der tschechischen Republik in Neu-Delhi die Erteilung eines Schengen-Visums für die Dauer von 17.01.2019 bis 22.01.2019, dieser Antrag wurde mangels Rückkehrabsichten am 10.01.2019 abgelehnt.

Mit Bescheid des BFA vom 24.10.2019 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig ist. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde aberkannt. Gleichgehend wurde gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von 4 Jahren erlassen, weil er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte. Diese Entscheidung erwuchs, da der BF kein Rechtsmittel dagegen einlegte, am 22.11.2019 in erster Instanz in Rechtskraft.

Am 27.12.2019 beantragte der BF internationalen Schutz. Mit Aktenvermerk gem. § 76 Abs. 6 FPG vom 27.12.2019 wurde dem Fremden nachweislich mitgeteilt, dass die Schubhaft trotz Asylantragsstellung aufrechterhalten wird. Dieser Antrag wurde mit dem Bescheid des BFA vom 17.01.2020, Zl. XXXX vollinhaltlich abgewiesen, ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gem. § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.. Die Beschwerde des BF dagegen wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 09.03.2020, W191 2228199-1/6E, als unbegründet abgewiesen.

Der BF ist nicht bereit, nach Indien auszureisen und verweigerte zunächst jegliche Kooperation bei der Befüllung der Unterlagen für ein Heimreisezertifikat. Anlässlich der vor dem BVwG am 30.01.2020 zu G307 2227927-1 durchgeführten mündlichen Verhandlung betonte der BF mehrmals, in Schubhaft verbleiben und nicht freiwillig ausreisen zu wollen. Von 04.04.2020 bis 07.04.2020 befand sich der BF im Hungerstreik, jedoch sind laut ärztlicher Untersuchung keine gesundheitlichen Folgen, auch nicht in psychischer Hinsicht, gegeben.

Derzeit liegt ein für den Zeitraum vom XXXX .2020 bis XXXX .07.2020 gültiges Heimreisezertifikat vor. Eine für den XXXX .01.2020 geplante Abschiebung nach Indien, wurde durch die verspätete Asylantragstellung verhindert.

Der BF ist in Österreich nicht sozial verankert. Weder bestehen familiäre Bindungen noch hat er hier je eine legale Erwerbstätigkeit ausgeübt. Er verfügt – abgesehen von geringen Barmitteln – über keine finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie wurde die indische Botschaft in Wien am 17.03.2020 vorübergehend geschlossen und ist sie dies nach wie vor. Seit dem 18.03.2020 ist allen aus der Europäischen Union kommenden Passagieren die Einreise nach Indien untersagt (https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/indien).

Trotz der COVID 19 Einschränkungen ist es nach wie vor wahrscheinlich, dass bis XXXX .07.2020 seine Abschiebung nach Indien durchgeführt werden kann. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit im Inland untertauchen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der Gerichtsakten des BVwG.

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf seinen konsistenten Angaben dazu. Die von ihm angegebene Muttersprache ist aufgrund seiner Herkunft plausibel, zumal keine Anhaltspunkte für Verständigungsprobleme mit der im vorangegangenen Verfahren beim BVwG beigezogenen Dolmetscherin für Punjabi hervorgekommen sind.

Es sind keine Hinweise auf signifikante Erkrankungen oder Einschränkungen der Haftfähigkeit des BF aktenkundig.

Die Feststellungen zu den bisherigen, den BF betreffenden Verfahren beim BFA und beim BVwG werden anhand der angegebenen Gerichtsakten, Niederschriften und Erkenntnisse getroffen, wie auch anhand der Abfragen des Visa-Informationssystem, Strafregisterauskunft, Zentralem Melderegister, Sozialversicherungsauszug und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister.

Aufgrund der eigenen Angaben des BF sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte. Er reiste nicht rechtmäßig ein und verhielt sich zunächst unkooperativ. Sein Antrag auf internationalen Schutz rund zwei Monate nach Anordnung der Schubhaft wie auch der Hungerstreik untermauern seinen Unwillen nach Indien zurückkehren zu wollen. Die fehlende Ausreisebereitschaft des BF ergibt sich auch aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 30.01.2020 und der Verweigerung eines Visums durch Botschaft der tschechischen Republik in Neu-Delhi mangels Rückkehrbereitschaft. Daher ist zu Recht davon auszugehen, dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, sich durch Untertauchen seiner Abschiebung zu entziehen.

Es gibt keine Beweisergebnisse, aus denen sich eine maßgebliche soziale Verankerung des BF in Österreich ableiten lässt. Dies wurde auch von ihm selbst bei den vorangegangenen Verfahren nicht ins Treffen geführt. Die beschränkten finanziellen Mittel des BF ergeben aus der Bargeldaufstellung laut der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung und der Erlassung eines befristeten Einreiseverbots wegen Mittellosigkeit.

Der Gang des Verfahrens zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments für den BF und die vorübergehende Unmöglichkeit einer Außerlandesbringung des BF wurde vom BFA schlüssig und im Einklang mit den Ausführungen in den vorangegangenen Verfahren zur Schubhaftprüfung dargelegt. Den vorgelegten Unterlagen ist auch zu entnehmen, dass die tatsächliche Abschiebung bei Vorhandensein einer Flugverbindung innerhalb weniger Tage möglich ist.

Die Feststellungen zu den aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und den dazu erlassenen Vorschriften. Da diese Maßnahmen sowohl im Inland als auch im Ausland durchwegs vorübergehend bzw. befristet angeordnet wurden, ist dessen ungeachtet davon auszugehen, dass zeitnah, also innerhalb der nächsten Monate, seine Rückführung nach Indien bewerkstelligt werden kann. Dafür spricht letztlich auch, dass vor Inkrafttreten dieser Maßnahmen bereits einen Tag nach Ausstellung des Heimreisezertifikats eine Rückführung stattfinden hätte können.

Rechtliche Beurteilung

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

An den Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft hat sich seit der letzten Entscheidung des BVwG darüber am 20.04.2020 nichts Entscheidungswesentliches geändert. Gegen dem BF besteht eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (vgl. VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

In Zusammenschau mit der fehlenden sozialen Verankerung und der mangelnden Rückkehrbereitschaft liegt nach wie vor Fluchtgefahr iSd § 76 Abs 3 Z 3 und 9 FPG vor. Der Zweck der Schubhaft kann auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, zumal der BF mittellos ist, keine Unterkunftmöglichkeit vorhanden ist und eine erhebliche Gefahr des Untertauchens besteht.

Die Schubhaftdauer überschreitet zwar schon sechs Monate. Da der BF aber deshalb nicht abgeschoben werden kann, da der Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde und deswegen eine im Jänner 2019 geplante Abschiebung nicht stattfinden konnte, und er nach rechtskräftiger Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz in Hungerstreik getreten ist, erscheint dessen Abschiebung iSv § 80 Abs 4 Z 4 FPG nach wie vor gefährdet. Auch hat er durch seine anfängliche Verweigerung der Mitwirkung die Ausstellung des Heimreisezertifikates zunächst verhindert.

Bei einer höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten ist die Aufrechterhaltung der seit 03.10.2019 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft und da davon auszugehen ist, dass für den BF innerhalb der nächsten Monate seine Rückführung nach Indien kurzfristig durchgeführt werden kann, ist die Schubhaft trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs, der Aussetzung von Einzelrückführungen und der Schließung der indischen Botschaft in Wien derzeit noch verhältnismäßig. Eine Weiterreise des BF in ein anderes europäisches Land ist zwar aufgrund der Grenzkontrollen und -schließungen, der Einreisebeschränkungen und der Einschränkungen beim grenzüberschreitenden Zug- und Busverkehr unwahrscheinlich. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens ist aber (wie oben dargelegt) davon auszugehen, dass er nach seiner allfälligen Enthaftung im Inland untertauchen und sich verborgen halten würde, bis sich eine Möglichkeit zur Weiterreise bietet.

Da die Beschränkungen für Reisen nach Indien, die Schließung der Botschaft und die Aussetzung von Rückführungen nur vorübergehend bzw. befristet sind, ist davon auszugehen, dass diese Maßnahmen bis Juli 2020 wieder aufgehoben oder so eingeschränkt werden, dass seine Abschiebung nach Indien durchgeführt werden kann. Ein aus den Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie allenfalls resultierendes Abschiebehindernis ist daher aufgrund der zeitlichen Beschränkung dieser Maßnahmen aus heutiger Sicht noch als vorübergehend anzusehen und wird voraussichtlich in der nächsten Zeit wieder wegfallen, sodass die Schubhaftdauer beim BF verhältnismäßig bleibt.

Da der BF zuletzt am 30.01.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung zur Schubhaftprüfung durchgeführt wurde, unterbleibt eine weitere Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 4 VwGVG, weil der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt werden konnte und von der mündlichen Erörterung keine weitere Aufklärung zu erwarten ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war und sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte. So hat sich der VwGH im Beschluss vom 01.04.2020, Ra 2020/21/0116, unter anderem mit den Auswirkungen der aktuellen weltweiten Flugreisebeschränkungen auf die Verhältnismäßigkeit einer weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft auseinandergesetzt und festgehalten, dass die Annahme, es wäre mit einer Aufhebung dieser Maßnahmen binnen weniger Wochen zu rechnen, nicht unvertretbar sei.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf soziale Bindung Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2227927.5.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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