TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/3 W161 1438484-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9

Spruch

W161 1438484-3/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, Rechtsanwalt in 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2018, Zl. 820684705-181026339, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.10.2019, zu Recht erkannt:

A)

1.) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wird insoweit stattgegeben, dass XXXX XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z. 3 AsylG 2005 aberkannt wird und gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des XXXX XXXX in seinen Herkunftsstaat Afghanistan unzulässig ist.

2.) Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

3.) Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß § 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen sowie des sunnitisch-muslimischen Glaubens. Er stellte am 05.06.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Er gab an, 16 Jahre als zu sein, an sein genaues Geburtsdatum könne er sich nicht erinnern. Er sei in Kunar geboren und ledig. Er spreche Paschtu und Dari, habe neun Jahre die Grundschule in Kabul besucht und zuletzt auch dort gewohnt. Berufsausbildung habe er keine. Seine Eltern, seine zwei Brüder sowie zwei Schwestern seien in Kabul wohnhaft. Die Familie besitze keine Grundstücke oder Firmen, ihnen gehöre aber eine Wohnung in Kabul. Die finanzielle Situation der Familie sei gut.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er zusammengefasst vor, dass sein Vater als Staatsanwalt im XXXX arbeite, er daher mit Ausländern zu tun habe, die Taliban davon erfahren hätten und sie bedroht bzw. den Vater dazu aufgefordert hätten seine Arbeit zu beenden. Sein Vater habe sich geweigert, die Arbeit zu beenden. Daraufhin habe er einen Drohbrief erhalten, darin hätten die Taliban auch gedroht, die Söhne umzubringen, sollte er seine Tätigkeit nicht beenden. Der Vater habe daher beschlossen, dass der BF und sein Bruder Afghanistan verlassen sollen. Seinen Bruder habe er auf der Flucht aus den Augen verloren.

Am 10.08.2012 wurde der BF neuerlich seitens des Bundesasylamtes befragt, wobei der BF zu seinen Fluchtgründen wiederum zu Protokoll gab, dass sein Vater für das XXXX gearbeitet habe, viel mit Ausländern zu tun gehabt habe, ins Ausland gereist sei und die Taliban davon erfahren hätten. Der Vater habe einen Drohbrief bekommen und seien auf den Vater und den Onkel Schüsse abgegeben worden, wobei der Onkel verletzt worden sei. Dann habe der Vater realisiert, wie ernst die Lage sei und habe er den BF und seinen Bruder weggeschickt. Bei der Ankunft sei der BF von seinem Bruder getrennt worden, er wisse nicht, wo dieser sich aufhalte.

Am 24.09.2012 wurde über Auftrag des Bundesasylamtes ein gerichtsmedizinisches Gutachten betreffend die Altersfeststellung erstellt, dem sich entnehmen lässt, dass sich ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 19 Jahren beim BF ergibt.

Am 04.10.2012 wurde dem BF das Altersgutachten vorgehalten, wobei er angab, dass er betreffend sein Alter nicht gelogen habe. Er nehme aber zur Kenntnis, dass er jetzt als volljährig gelte.

Am 15.01.2013 wurde der BF erneut seitens des Bundesasylamtes einvernommen, wo er zu seinen Fluchtgründen ausführte, dass sein Vater XXXX ( XXXX ) gewesen sei und ins Ausland gefahren sei. Die Taliban hätten dies erfahren, dem Vater von der Arbeit abgeraten und auch einen Drohbrief geschickt. Der Vater habe dies ignoriert. Bei einem Beschuss sei der Onkel verletzt worden, dann habe der Vater die Ausreise für den BF und seinen Bruder organisiert.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er ergänzend an, er habe in der Heimat gemeinsam mit seinen Eltern, zwei Schwestern, zwei Brüdern und einem Onkel im Haus des Vaters gelebt. Ihre wirtschaftliche/finanzielle Lage sei gut gewesen. Der Vater arbeite noch immer als XXXX , die Mutter sei Hausfrau. Die Eltern würden noch an der gleichen Adresse in Kabul leben. Seine Schwestern und ein Bruder seien zu Hause. Der Familie gehe es gut. Der andere Bruder sei mit ihm gemeinsam unterwegs gewesen, er wisse nicht, wo dieser sich aufhalte. Der Onkel väterlicherseits habe ein eigenes Geschäft für Geldwechsel. Die wirtschaftliche/finanzielle Lage der Familie sei auch derzeit gut.

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, hier keine Verwandten zu haben. Er besuche keine Kurse und stehe nicht in Ausbildung. Er sei nicht erwerbstätig.

Der BF legte einen Drohbrief, Urkunden betreffend die Tätigkeit des Vaters, seine Tazkira und eine Bestätigung betreffend seinen Schulbesuch in einem Gymnasium vor.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2013 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde sein Antrag auf internationalen Schutz auch bezüglich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

3. Der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.05.2014, Zl. W104 1438484-1/4E, stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben sowie die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass sich die belangte Behörde nicht hinreichend mit dem Fluchtvorbringen des BF und den vorgelegten Beweismitteln auseinandergesetzt habe. Nach den Länderberichten sei die Lebensgefahr für Angehörige höherrangiger Regierungsmitarbeiter in Afghanistan offensichtlich beeinträchtigt. Es sei im bisherigen Verfahren nichts hervorgekommen, das die Aussagen des BF unglaubwürdig erscheinen ließe. Wenn es dem BF gelinge, glaubhaft zu machen, dass er tatsächlich Sohn eines hohen Beamten im XXXX sei, so könne bereits diese Tatsache zweifellos einen Asylgrund darstellen. Die Länderberichte würden nahelegen, dass ein hoher Regierungsbeamter überall im Lande als solcher identifiziert werde und bedroht sei. Die belangte Behörde werde daher Erhebungen zur Identität des BF und bzw. jener seines Vaters, zur Echtheit der vorgelegten Unterlagen, der Stellung des Vaters in der administrativen Hierarchie, den Familienverhältnissen des Vaters und auch Erhebungen im Herkunftsland des BF zu treffen haben.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der BF am 18.11.2014 neuerlich vom BFA einvernommen, wobei er ergänzend ausführte, dass sein Vater früher im XXXX gearbeitet habe, nunmehr arbeite er am XXXX als Anwalt. Die Mutter sei Hausfrau. Ein Bruder und zwei Schwestern wären zu Hause und könnten nicht zur Schule gehen. Zuletzt habe er ungefähr vor einem Monat Kontakt zur Familie gehabt. Der Familie gehe es gut, aber sie seien besorgt. Der Onkel sei seit einem Jahr verschwunden. Der Vater müsse immer bewaffnet sein und begleitet werden.

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, als Kochlehrling zu arbeiten und Grundversorgung zu erhalten.

Zu seinen Fluchtgründen brachte er wie bisher vor, dass sein Vater im XXXX gearbeitet habe, deshalb von den Taliban bedroht worden sei und auch einen Drohbrief erhalten habe. Dann habe es einen Beschuss gegeben und sei der Onkel verletzt worden. Der BF und sein Bruder hätten dann Afghanistan verlassen. Der Vater sei auch bei seiner neuen Tätigkeit wieder angerufen und bedroht worden. Der Vater lebe in Angst, der Onkel sei verschwunden.

Der BF legte einen Befund eines Facharztes für Radiologie, einen Lehrvertrag (Koch) vom 14.11.2014 sowie eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Koch vor.

Am 18.05.2015 brachte der BF eine Säumnisbeschwerde beim BFA ein.

4. Das BFA wies mit Bescheid vom 03.07.2015 den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte dem BF den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des BF nicht glaubhaft gewesen sei. Eine Rückkehr in seine Heimat Afghanistan - konkret nach Kabul, Mazar-e Sharif, Jalalabad oder Herat - sei ihm zumutbar.

Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht eine Beschwerde ein.

In weiterer Folge legte der BF mehrere Unterlagen (Lehrvertrag, Zeugnis einer Landesberufsschule, Urkunden betreffend die Tätigkeit seines Vaters, einen Reisepass des Vaters sowie Fotos) vor.

Am 02.06.2016 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, wobei der BF im Zuge dieser Verhandlung sein Vorbringen, welches er vor dem BFA erstattete, wiederholte.

5. Mit Schriftsatz vom 06.06.2016 zog der BF die Beschwerde betreffend Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zurück.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2016, GZ W202 1438484-2/11E, wurde das Verfahren betreffend die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wurde stattgegeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 27.05.2017 (in der Folge mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.08.2016 auf den 27.06.2017 berichtigt) erteilt. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes stellte im Wesentlichen fest, dass der BF in der Provinz Kunar geboren sei, seine Familie aber in Kabul lebe. Der Vater des BF sei im XXXX als Jurist tätig gewesen, sei wegen seiner Tätigkeit mehrmals ins Ausland gereist und habe Kontakt mit ausländischen Truppen in Afghanistan gehabt. Aufgrund seiner Tätigkeit sei der Vater zuerst telefonisch, dann mittels Drohbriefes bedroht worden. Der Onkel und der Vater des BF seien unterwegs von bewaffneten Leuten angegriffen, der Onkel dabei verletzt worden. Nachdem der Vater nach Hause zurückgekehrt wäre, habe er den BF und seinen Bruder ins Ausland geschickt. Im Zuge der Ausreise habe der BF seinen Bruder aus den Augen verloren. Zuletzt sei der Vater des BF bei der XXXX als Jurist tätig gewesen. Der BF habe den telefonischen Kontakt zu seinen Familienangehörigen verloren und wisse nicht, wo sich diese derzeit aufhalten.

Der BF lebe im Bundesgebiet mit seiner rumänischen Freundin zusammen, spreche mittlerweile Deutsch und absolviere eine Lehre als Koch, wobei er im letzten Lehrjahr sei.

Beweiswürdigend führte der erkennende Richter aus, dass das Vorbringen des BF in den Angaben durchwegs gleichlautend gewesen sei, seine Angaben ein stimmiges Bild ergeben würden und mit den allgemeinen Verhältnissen in Afghanistan im Einklang seien. Der BF habe sein Vorbringen durch die Vorlage des Drohbriefes, Urkunden betreffend die Tätigkeit des Vaters und dessen Reisen sowie Fotos des Vaters, die ihn in militärischer Uniform aus den USA zeigen würden, belegen können. Soweit sich das BFA darauf berufe, dass die Angehörigen des BF weiterhin in Afghanistan leben würden und sich das behauptete Bedrohungsszenario bislang nicht verwirklich habe, wies der erkennende Richter darauf hin, dass es nicht notwendig sei, zuzuwarten, bis sich ein Bedrohungsszenario verwirkliche, um einen Sachverhalt glaubhaft zu machen. Dem BF sei es gelungen, einen Sachverhalt aufzuzeigen, der sich nach den allgemeinen Gegebenheiten in Afghanistan, wie das aus den allgemeinen Feststellungen ergebe, eine Gefährdungslage für den BF darstelle. Die vom BFA aufgegriffenen Widersprüche habe der BF in der mündlichen Verhandlung ausreichend ausräumen können. Insgesamt liege daher ein im Wesentlichen widerspruchsfreier Sachverhalt vor, der sich stimmig auf das Bild in Afghanistan einfügen lasse und der in wesentlichen Punkten durch Urkunden bzw. Fotos beleget worden sei. Die allgemeine Lage ergebe sich aus den Beilagen zum Verhandlungsprotokoll (ua. die Berichte der Staatendokumentation), welche ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Afghanistan aufzeigen würden.

In der rechtlichen Beurteilung wurde auf die Judikatur zum subsidiären Schutz verwiesen und ausgeführt, dass sich aus den Feststellungen zur persönlichen Situation des BF vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen zu Afghanistan konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung des BF in seinen Herkunftsstaat Afghanistan ergeben würden. So ergebe sich aus den Feststellungen, dass der BF im Hinblick auf die Tätigkeit des Vaters beim XXXX konkret von den Taliban bedroht sei, weswegen maßgeblich wahrscheinlich sei, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan iSd § 8 Abs. 1 AsylG gefährdet wäre. Der BF könne von vor der Bedrohung durch die Taliban in Afghanistan auch nicht ausreichend geschützt werden, da die Inanspruchnahme eines Schutzes durch den afghanischen Staat vor dieser Bedrohung durch die Taliban angesichts der ineffizienten Schutzmechanismen des afghanischen Staates sowie der instabilen Sicherheitslage nicht gegeben sei. Insgesamt sei zu erkennen, dass der BF im Fall seiner Abschiebung – bezogen auf das gesamte Staatsgebiet – in eine auswegslose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Eine Rückverbringung des BF nach Afghanistan stehe nach dem Gesagten im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG und sei ihm daher der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

7. Am 02.05.2017 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung gemäß § 8 AsylG 2005. Mit Bescheid des BFA vom 17.05.2017 wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 27.06.2019 erteilt. Das BFA führte aus, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit seinem Vorbringen bzw. seinem Antrag, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet habe werden können.

Am 07.09.2017 langte beim BFA ein Haftmeldezettel, eine Vollzugsinformation und eine Berichterstattung der Landespolizeidirektion XXXX ein, wonach der BF am 06.09.2017 festgenommen worden sei und sich seit 07.09.2017 in einer Justizanstalt befinde (wegen des Verkaufes von Cannabiskraut an Jugendliche).

Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 08.09.2017, Zl.: XXXX wurde über den BF wegen des Verdachtes der Verbrechen des Suchgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Vedunkelungs- und Tatbegehungsgefahr verhängt.

Am 14.12.2017 langte beim BFA ein Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX ein, wonach der BF verdächtigt sei im Zeitraum von Anfang 2015 bis zuletzt am 06.09.2017 Suchtmittel in Form von 8,3 bis 11,112 kg Cannabiskraut erworben, besessen und somit in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge an zumindest 45 ermittelte, bekannt und teilweise minderjährige Abnehmer gewerbsmäßig und gewinnbringend angeboten, verschafft und überlassen zu haben (insgesamt EUR 83.000 bis 111.120). Ebenso langte eine Vollzugsinformation der Justizanstalt ein.

8. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 26.02.2018, AZ XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB nach § 28a Abs. 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen hat, indem er im Zeitraum von zumindest Sommer 2015 bis Anfang September 2017 insgesamt 8.176 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 9,2% gewinnbringend um einen Grammpreis von EUR 10,- an 43 Abnehmer veräußerte bzw. er am 06.09.2017 vorschriftswidrig Suchtgift (86,33 Gramm Cannabiskraut) mit dem Vorsatz es in Verkehr zu bringen, besessen hat.

Als erschwerend wurden das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, der lange Deliktszeitraum, sowie der Umstand, dass der BF seinen Lebensunterhalt ausschließlich aufgrund des erzielten Suchtgifterlöses bestritt und dabei seinen Suchtgifthandel professionell aufzog, gewertet. Als mildernd wertete das Gericht die im Wesentlichen geständigen Angaben des BF, seine bisherige Unbescholtenheit sowie die (ein weiteres In-Verkehrsetzen unterbindende) Sicherstellung von Suchtgift im Rahmen seiner Festnahme am 06.09.2017.

Der gegen dieses Strafurteil eingebrachten Berufung des BF wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX , XXXX keine Folge gegeben.

9. Das BFA leitete in der Folge ein Aberkennungsverfahren ein und wurde der BF am 13.12.2018 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Der BF gab an, sich nicht in ärztlicher Behandlung/Therapie zu befinden und keine Medikamente einzunehmen.

Zu seiner Integration in Österreich führte er aus, am Anfang einen Deutschkurs besucht zu haben, danach sei er ein paar Monate im Gymnasium gewesen. Dann habe er einen Lehrplatz als Koch gefunden, die Lehre habe er aber im dritten Lehrjahr abgebrochen. Daraufhin sei er beim BFI wegen seines Schulabschlusses gewesen. Von Juni 2017 bis September 2017 habe er als Koch gearbeitet, dann seit er verhaftet worden und habe im Gefängnis gearbeitet. Am 01.10.2018 sei er aus dem Gefängnis entlassen worden und trage seitdem eine Fußfessel. Seit seiner Haftentlassung arbeite er wieder im gleichen Lokal als Koch. Seine Arbeitgeberin sei seine Lebensgefährtin. Er sei seit Anfang 2016 mit ihr zusammen. Sie sei rumänische Staatsbürgerin und seit über 10 Jahren in Österreich. Sie habe eine „Anmeldebescheinigung“. Sie hätten zwei gemeinsame Kinder und lebe er mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt.

Zu seinem Leben in Afghanistan gab er an, in Kabul aufgewachsen zu sein. Seine Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern würden in Afghanistan leben. Er habe zuletzt vor ungefähr vier Jahren Kontakt zu seiner Familie gehabt. Die Telefonnummer habe dann nicht mehr funktioniert.

Die Frage, ob es für ihn die Möglichkeit gäbe nach Afghanistan zurückzukehren, verneinte der BF und gab an, hier seine eigene Familie zu haben. Er könne mit seiner Familie auch nicht nach Afghanistan, da er Kinder mit einer Europäerin habe und Probleme bekommen würde. Seine Eltern würden dies nicht akzeptieren. Zudem habe er hier seinen Beruf. In Afghanistan könne er nicht leben und arbeiten. Dort gäbe es keine Sicherheit und täglich Anschläge. Dort wäre er nicht sicher. Er habe aus seinen Fehlern gelernt und verspreche keine Fehler mehr zu machen.

Der BF legte folgende Unterlagen vor:

-        ÖSD Zertifikat Deutsch B1 vom 21.06.2017;

-        Dienstvertrag (auf unbestimmte Zeit, EUR 1.500,- Brutto, Vollzeitbeschäftigung) zwischen dem BF und seiner Lebensgefährtin für eine Beschäftigung des BF als Kellner;

-        rumänische Reisepässe der Kinder;

-        Vaterschaftsanerkenntnisse;

-        Stellungnahme Verein XXXX vom 07.12.2018, wonach der BF seit 01.10.2018 im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrests betreut werde und er seine Termine verlässlich wahrnehme;

-        Jahreszeugnis der ersten Fachklasse für den Lehrberuf Koch (Schuljahr 2015/16).

10. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 21.12.2018 erkannte das BFA dem BF den mit Erkenntis vom 28.06.2016 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.) und entzog ihm die mit Erkenntnis vom 28.06.2016 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.). In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde führt im Bescheid aus, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei ihrer Entscheidung auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung (noch) schlechte allgemeine Sicherheitslage sowie das Vorbringen hinsichtlich einer angeblichen Bedrohung/Verfolgung durch die Taliban gestützt habe. Der Sachverhalt der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten liege nun nicht mehr vor. Eine Verfolgung in Afghanistan sowie eine Bedrohungssituation im Falle einer Rückkehr habe nicht festgestellt werden können. Bereits vor Zuerkennung des subsidiären Schutzes durch das Bundesverwaltungsgericht habe der BF (mittlerweile) nachweislich mit Drogen gehandelt und habe er dies erst eingestellt, als er rund zwei Jahre später auf frischer Tat betreten und verurteilt worden sei.

Begründend wird ausgeführt, dass der Sachverhalt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nun nicht mehr vorliege. Er sei volljährig, gesund und arbeitsfähig. Somit sei er selbsterhaltungsfähig und sei es ihm zumutbar sich den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu finanzieren. Er verfüge laut seinen Angaben über eine neunjährige Schulbildung, habe bereits gearbeitet bzw. arbeite derzeit. Zu den Problemen mit den Taliban wurde ausgeführt, dass seinem damaligen Vorbringen hinsichtlich der Probleme des Vaters bzw. seiner eigenen Probleme mit den Taliban in erster Instanz kein Glauben geschenkt worden sei. Im Beschwerdeverfahren habe er die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. zurückgezogen und sei darüber im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes nicht abgesprochen worden. Alleine die Zurückziehung der Beschwerde unterstütze die damalige Ansicht des BFA, dass sein Vorbringen hinsichtlich einer asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsland rein zum Zwecke der Asylerlangung selbst konstruiert gewesen sei und er die damaligen Schilderungen nicht tatsächlich erlebt habe. Andernfalls hätte er wohl an dem Vorbringen festgehalten und alles versucht, um Schutz vor Verfolgung zu bekommen. Auch in der neuerlichen Einvernahme habe der BF keine persönlichen Bedrohungen oder Verfolgungen seitens der Taliban (wegen des Vaters oder aus sonstigen Gründen) erwähnt, sondern nur davon gesprochen, dass er hier in Österreich eine eigene Familie habe, er sein Land total vergessen habe bzw. sich auf die allgemeine Sicherheitslage und tägliche Bombenanschläge in Kabul berufen. Als zusätzliches Hindernis habe er angegeben, nun zwei Kinder mit einer Europäerin zu haben und seine Eltern dies bei einer Rückkehr nicht akzeptieren würden. Aufgrund der Unstimmigkeiten und der Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens, sei davon auszugehen, dass er seine Heimat damals nicht aus Furcht vor Verfolgung, sondern wegen der damals noch vorherrschenden allgemeinen unsicheren Lage verlassen habe. Die Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz Kunar sowie auch in Kabul (wo der BF aufgewachsen sei) sei weiterhin volatil, weshalb ihm im Falle einer Rückkehr ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Bei einer Rückkehr in eine größere, wirtschaftlich gut entwickelte Stadt wie Herat oder Mazar-e Sharif drohe ihm allerdings kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit und würde er auch seine notwendigen Lebensbedürfnisse befriedigen können. Er würde in keine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage geraten und seien Mazar-e Sharif und Herat mit dem Flugzeug sicher zu erreichen. Er könne auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der BF führe zwar mit seiner rumänischen Lebensgefährtin und den zwei gemeinsamen Kindern ein Privat- und Familienleben in Österreich, jedoch sei sich der BF im Zeitpunkt des Kennenlernens seines unsicheren Aufenthaltes in Österreich bewusst gewesen. Er spreche zwar Deutsch, habe teilweise eine Ausbildung als Koch absolviert und arbeite laut seinen Angaben im Lokal seiner Lebensgefährtin. Hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses würden aber Ungereimtheiten bestehen. Zudem habe der BF über einen beträchtlichen Zeitraum mit Suchmittel gehandelt und sei er dafür verurteilt worden. Er habe seine Straftaten trotz der Geburt seines Kindes bzw. der erneuten Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin fortgesetzt und habe er bewusst sein Familienleben gefährdet. Es sei daher keine positive Zukunftsprognose zu erstellen.

In der rechtlichen Beurteilung wurde nach Zitierung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG geschlussfolgert, dass der BF gesund, volljährig sowie arbeitsfähig sei, womit es dem BF daher möglich und zumutbar sei, in seinem Herkunftsland Fuß zu fassen. Im Zuge der neuerlichen Prüfung, ob die Voraussetzungen für das Weiterbestehen des subsidiären Schutzes gegeben seien, habe der BF keine glaubhaften Indizien oder Anhaltspunkte aufgezeigt bzw. behauptet, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass er mich hoher Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr liefe, für den Fall einer Rückkehr in die Heimat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Aus seinem Vorbringen und der allgemeinen Situation alleine sei somit nichts ersichtlich, was im Falle einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder eine im gesamten Herkunftsstaat vorliegende extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Er könne in Herat oder Mazar-e Sharif demnach Arbeit, Sicherheit und zumutbare Lebensbedingungen vorfinden und könne Unterstützung durch verschiedene Organisationen bzw. Hilfsprogramme erwarten. Es sei ihm daher gemäß § 9 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen.

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass der BF in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern lebe. Der BF sei illegal eingereist und sei mittlerweile seit sechs Jahren hier aufhältig. Er habe diverse Kurse und teilweise eine Lehre besucht. Er arbeite gemeinsam mit der Lebensgefährtin in deren Lokal. Es habe ihm bewusst ein müssen, dass sein Aufenthalt nur ein vorübergehender sei. Besonders schwer wiege seine strafrechtliche Verurteilung. Die Rückkehrentscheidung sei daher insgesamt gerechtfertigt und zulässig.

11. Dagegen wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und der Bescheid des BFA im gesamten Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des BFA in keiner Weise nachvollziehbar seien. Der BF habe deutlich zu Protokoll gegeben in Österreich eine Lebensgefährtin und zwei Kinder zu haben. Es liege nach wie vor eine Bedrohungssituation in Afghanistan vor, eine Rückkehr sei ihm nicht möglich, zumal er dort über keine existentielle Grundlage verfüge. Nach seinem langjährigen Aufenthalt in Österreich sei es ihm auch nicht möglich, sich in Afghanistan eine Existenz zu schaffen. Da er zwei Kinder mit einer Europäerin habe, könne er von seinen Eltern keine Akzeptanz erwarten. Auch die Menschenrechtssituation in Afghanistan sei prekär. Auch das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde sei mangelhaft und habe die Behörde keine ergänzenden Ermittlungen angestellt. Afghanistan werde weiterhin vom Terror der Taliban beherrscht und gäbe es täglich neue Anschläge mit Toten und Verletzten. Die Taliban seien präsenter denn je und verschlechtere sich die Sicherheitslage Tag für Tag. Die afghanische Regierung sei auch nicht in der Lage derartige Übergriffe von Seiten der Taliban hintanzuhalten. Das Leben des BF sei in Afghanistan gefährdet, diesbezüglich werde insbesondere auf das Gutachten von Friedericke Stahlmann verwiesen. Von einer IFA seit laut den aktuellen Länderberichten nicht auszugehen und beziehe sich die Verfolgung des BF auf das gesamte afghanische Staatsgebiet. Die Angaben des BF seien von der belangten Behörde nur unzureichend berücksichtigt worden und sei der Behörde eine antizipierte Beweiswürdigung anzulasten. Dem BF hätte der Status des subsidiär Schutzberechtigten keinesfalls aberkannt werden dürfen und hätte ihm jedenfalls ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden müssen. Der BF beherrsche die deutsche Sprache in Wort und Schrift, gehe einer Vollzeitbeschäftigung nach und sei sein Aufenthalt finanziell abgesichert. Auch wenn der BF eine gerichtliche Vorstrafe habe, so bestehe kein Grund zur Annahme, dass der BF in Zukunft wieder straffällig werde. Er habe sich mit dem Unwert seiner strafbaren Handlung ausführlich auseinandergesetzt und bestehe eine günstige Zukunftsprognose. Seine Lebensgefährtin gehe einer geregelten Beschäftigung nach, verfüge über eine Anmeldebescheinigung und würden der BF gemeinsam mit ihre und den minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben. Die belangte Behörde habe keine Interessensabwägung vorgenommen, sondern sei der Bescheid willkürlich erlassen worden. Seine Abschiebung nach Afghanistan sei unzulässig. Abschließend wurde ua. die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

12. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 04.02.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

13. Am 13.03.2019 langte ein Protokolls- und Beschlussvermerk des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 12.03.2019 ein, wonach dem BF - nach Verbüßung seiner Strafhaft im Ausmaß von 20 Monaten – der Rest der Strafe (10 Monate) bedingt nachgesehen werde und der BF am 06.05.2019 entlassen werde. Die Probezeit wurde mit drei Jahren bestimmt und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

14. Am 12.06.2019 langte die Information ein, dass der BF am 04.06.2019 einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gestellt habe, dieses Verfahren aber beim BFA wegen der anhängigen Beschwerde im Aberkennungsverfahren unterbrochen worden sei.

15. Am 03.10.2019 brachte der BF durch seinen Rechtsvertreter eine Stellungnahme ein. Darin wurde ausgeführt, dass sich die politische Situation in Afghanistan nicht gebessert habe. Die afghanischen Behörden seien nicht in der Lage Übergriffe der Taliban bzw. radikaler Gruppen hintanzuhalten. Die Tatsache, dass der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt habe bzw. strafrechtlich verurteilt worden sei, sei ausreichend, um den BF bei einer zwangsweisen Abschiebung in sein Heimatland umgehend am Flughafen festzunehmen und zu inhaftieren. Er müsse mit Strafen rechnen. Der BF habe mit seinen in Afghanistan aufhältigen Verwandten keinen Kontakt, seine Lebensinteressen habe er hier in Österreich. Er gehe einer geregelten Beschäftigung nach, stehe in aufrechter Lebensgemeinschaft und habe hier minderjährige Kinder. Es bestehe keine Gefahr, dass der BF in Zukunft wieder straffällig werde.

Mit der Stellungnahme wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

-        Bescheid (grundverkehrsbehördliche Genehmigung) einer Bezirkshauptmannschaft betreffend die Genehmigung eines Kaufvertrages, worin der BF und seine rumänische Lebensgefährtin als Käufer aufscheinen;

-        mehrere Lohn- und Gehaltsabrechnungen des BF (Mai bis August 2019) sowie Übersichten betreffend die Ausgaben der Lebensgefährtin des BF.

16. Am 08.10.2019 legte der BF eine psychologische Stellungnahme (vom 07.10.2019) vor, wonach beim BF am 02.10.2019 eine psychologische Untersuchung (im Sinne einer Gefährlichkeitsprognose, Abschätzung der Persönlichkeit, Einschätzung der sozialen Situation und Suchtdelinquenz) durchgeführt worden sei. Im Befundbericht wurde ausgeführt, dass der BF nach wie vor mit seiner rumänischen Lebensgefährtin zusammen sei, sie nunmehr über einen Kredit eine Eigentumswohnung gekauft hätten und ihren Lebensmittelpunkt nach XXXX in die Steiermark verlegen würden. Die Lebensgefährtin sei nach wie vor in Karenz, womit der BF existenzsichernd einer beruflichen Tätigkeit nachgehen müsse. Der BF habe angegeben, vor seiner Verurteilung einen Gewerbeschein für die Pizzeria gehabt zu haben, dieser ihm wegen der Verurteilung aber entzogen worden sei und daher das Gewerbe an seine Lebensgefährtin übertragen worden sei. Der BF sei seitdem als Angestellter in der Pizzeria tätig. Vom Gutachter wurde geschlussfolgert, dass der BF mit Sicherheit nicht fahrlässig oder bewusst eine Familiensituation herbeigeführt habe, sondern zeige sich ein inniges Verhältnis zu seiner Lebensgefährtin und den beiden Kindern. Es sei von einer sehr guten sozialen Integration auszugehen. Es zeige sich auch eine tadellose berufliche Integration und die Fähigkeit durch seine Tätigkeit weiterhin seine Existenz bzw. jene seiner Familie zu sichern. Hinsichtlich der Drogenvorgeschichte zeige sich eine eindeutige Einsicht bzw. zeige sich durch ein tadelloses Nachverhalten, dass sich der BF nicht nur gänzlich vom Drogenmilieu distanziert habe und auch keinen Zuspruch zu den Drogen zeige. Zusammengefasst zeige die Abschätzung der fremdenrechtlichen Prognose jedenfalls eine positive Entwicklung.

17. Am 10.10.2019 legte der BF einen Betreuungsbericht seiner Bewährungshilfe vor, wonach mit dem BF einmal pro Monat ein Treffen stattfinde, der BF die begangenen Fehler einsehe und sich sehr gewillt zeige, an diesen zu bearbeiten, um auch in Zukunft deliktfrei zu bleiben. Der BF arbeite in XXXX in einem „Kebapladen“, sei gut integriert und sorge für seine Familie. Es könne insgesamt von einer positiven Persönlichkeitsentwicklung berichtet werden.

18. Der BF wurde im Zuge einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.10.2019 durch das erkennende Gericht nochmals ergänzend zu seiner Integration in Österreich, den Befürchtungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan und den Lebensumständen in Afghanistan befragt. Zudem wurde die Lebensgefährtin des BF als Zeugin zu ihrem gemeinsamen Leben in Österreich befragt. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil, die Verhandlungsmitschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

19. Am 30.10.2019 langte eine weitere Stellungnahme des BF ein, worin darauf hingewiesen wird, dass der Aufenthalt des BF finanziell abgesichert sei und er als außergewöhnlich integriert anzusehen sei. Die beiden minderjährigen Kinder und seine Lebensgefährtin würden die stetige Anwesenheit des BF benötigen. Weiters wurde neuerliche auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan, das Nichtbestehen einer IFA sowie auf das Gutachten von Friedericke Stahlmann hingewiesen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er spricht Paschtu, Dari und Deutsch. Der BF ist volljährig und war dies schon bereits bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes.

Er wurde in der Provinz Kunar geboren, zog mit seiner Familie dann aber nach Kabul und besuchte dort neun Jahre lang die Schule. Einer Arbeit ging er in Afghanistan nicht nach.

Der BF hat unverändert (mittlerweile seit etwa fünf Jahren) keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan.

Der BF ist unverändert gesund und arbeitsfähig.

Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 26.02.2018 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1, fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB nach § 28a Abs. 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten verurteilt.

Nach Verbüßung eines Teils seiner Strafhaft im Ausmaß von 20 Monaten wurde dem BF der Rest der Strafe (10 Monate) bedingt nachgesehen. Die Probezeit wurde mit drei Jahren bestimmt und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die individuelle Situation des BF sowie die humanitäre Lage bzw. die Sicherheits- und Versorgungslage seit dem 27.06.2016 (Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes) und seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 17.05.2017 nachhaltig und wesentlich verändert bzw. verbessert hat.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts ist somit weder im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des BF, noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Afghanistan eingetreten. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG liegen weiterhin vor.

Da der BF aber straffällig geworden ist, liegt ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs.2 Z. 3 AsylG vor.

1.2. Zum Privat- und Familienleben des BF:

Der BF reiste im Juni 2012 illegal in das Bundesgebiet ein und war zunächst vorläufig aufenthaltsberechtigt, sodann seit 27.06.2016 als subsidiär Schutzberechtigter aufenthaltsberechtigt, wobei die belangte Behörde im Oktober 2018 das gegenständliche Aberkennungsverfahren einleitete.

Der nunmehr seit fast acht Jahren im Bundesgebiet aufhältige BF hat in Österreich Deutschkurse besucht und ein Deutschzertifikat B1 erworben. Er hat für wenige Monate (ca. 3-4 Monate) ein Gymnasium besucht, danach hat er eine Lehre als Koch begonnen, diese aber nach zwei Jahren wieder abgebrochen.

Der BF ist seit dem Jahr 2016 mit einer rumänischen Staatsbürgerin liiert und hat mit ihr zwei gemeinsame Kinder, welche am XXXX und am XXXX in Österreich geboren wurden. Die Kinder besitzen die rumänische Staatsbürgerschaft. Die Lebensgefährtin und die Kinder des BF sind in Besitz von Aufenthaltstiteln. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin und den zwei minderjährigen Kindern in einer Eigentumswohnung, welche sie gemeinsam gekauft haben (Finanzierung durch Aufnahme eines Kredits). Er und seine Lebensgefährtin finanzieren sich ihren Lebensunterhalt durch das Betreiben eines kleinen Imbisses, wobei der BF – gemeinsam mit einem weiteren Angestellten – dort arbeitet und die Lebensgefährtin die Gewerbeberechtigung für den Imbiss innehat, derzeit aber die Kinderbetreuung übernimmt bzw. sich in Karenz befindet.

1.3. Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/ Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer „inklusiven“ zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere „wichtige Dinge“ noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019

(1.1.2019 – 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche

Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO – unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von „mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte“ für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich „Sicherheitselemente“ um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als „Polytheisten“ bezeichnet. (LWJ 2.6.2019). Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reformand Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom „zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern“. Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es „sehr wahrscheinlich“, dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat – Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019). Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums

Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere „Warlords“, statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des „Dschihad“ gegen die „US-Besatzer“ und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines „islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen“ wollten, obwohl sie dennoch keine „exklusive Herrschaft“ anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als „Haupthindernis für den Frieden“, da sie „vom Westen aufgezwungen wurde“; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, „die im Islam vorgesehen seien“ (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass „im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden“ (Taz 6.2.2019). Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und USVertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch „terroristische Gruppen“ vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als „frustrierend langsam“ erweisen würde (NYT 7.3.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen USVertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien „zahlreiche Probleme und Herausforderungen„ welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen – so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan – Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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