TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/3 G304 2228057-1

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Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G304 2228057-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX GmbH gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 15.11.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 29.04.2019 brachte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden medizinische Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. In dem eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Innere Orthopädie, vom 02.11.2019 wird aufgrund der am 31.10.2019 durchgeführten Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Wirbelsäule, Wirbelsäule – Funktionseinschränkungen mittleren Grades

Diagnose: Wirbelsäulenbeschwerden

Unterer Rahmensatzwert entsprechend den Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Der Klient leidet seit längerer Zeit unter glaubwürdigen Beschwerden sowohl im Bereich der Halswirbelsäule mit endlagigen Einschränkungen der Beweglichkeit und Verspannungen der Muskulatur des Schultergürtels, als auch im Bereich der Lendenwirbelsäule mit gelegentlichen tiefsitzenden Schmerzen in der unteren LWS, zum Zeitpunkt der Untersuchung ohne Ausstrahlung der Beschwerden in die Extremitäten. Der Klient benötigt laut eigenen Angaben keine Schmerzmittel, hat keine eindeutigen Wurzelkompressions- oder Wurzelreizzeichen, sowie keine motorischen, sensorischen oder reflektorischen Ausfälle.

02.01.02

30

2

Beinverkürzung – Untere Extremitäten, Beinverkürzung unter 3cm

Diagnose: Beinlängendifferenz rechts von gut 2 cm.

Fixer Rahmensatzwert. Der Klient benutzt einen Beinlängenausgleich rechts von 1 cm und kommt damit recht gut zurecht.

02.05.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung (GdB) wurde ausgeführt:

„Es führt die Gesundheitsschädigung 1, weil sie den Klienten am meisten beeinträchtigt. Die Position 2 ist zu geringfügig um den GdB zu steigern.“

2.2. In einem weiteren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeine Medizin, vom 06.11.2019 wurde aufgrund der Aktenlage Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Koronare Herzkrankheit, Koronare Herzerkrankung – Keine bis geringe Einschränkung der Herzleistung

Oberer Rahmensatz bei Z.n. Bypassoperation mit leichtgradiger Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und Bluthochdruck

05.05.02

40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

2.3. In einer eingeholten sachverständigen „Gesamtbeurteilung“ von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, wurde in Zusammenfassung der zuvor eingeholten orthopädischen und allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 02.11.2019 und 06.11.2019 Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Koronare Herzkrankheit, Koronare Herzerkrankung – Keine bis geringe Einschränkung der Herzleistung

Oberer Rahmensatz bei Z.n. Bypassoperation mit leichtgradiger Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und Bluthochdruck

05.05.02

40

2

Wirbelsäule, Wirbelsäule – Funktionseinschränkungen mittleren Grades

Diagnose: Wirbelsäulenbeschwerden:

Unterer Rahmensatzwert entsprechend den Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Der Klient leidet seit längerer Zeit unter glaubwürdigen Beschwerden sowohl im Bereich der Halswirbelsäule mit endlagigen Einschränkungen der Beweglichkeit und Verspannungen der Muskulatur des Schultergürtels, als auch im Bereich der Lendenwirbelsäule mit gelegentlichen tiefsitzenden Schmerzen in der unteren LWS, zum Zeitpunkt der Untersuchung ohne Ausstrahlung der Beschwerden in die Extremitäten. Der Klient benötigt laut eigenen Angaben keine Schmerzmittel, hat keine eindeutigen Wurzelkompressions- oder Wurzelreizzeichen, sowie keine motorischen, sensorischen oder reflektorischen Ausfälle.

02.01.02

30

3

Beinverkürzung – Untere Extremitäten, Beinverkürzung unter 3cm

Diagnose: Beinlängendifferenz rechts von gut 2 cm.

Fixer Rahmensatzwert. Der Klient benutzt einen Beinlängenausgleich rechts von 1 cm und kommt damit recht gut zurecht.

02.05.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde Folgendes ausgeführt:

„Führend ist die Position 1, weil sie die Schwerwiegendste ist. Der Patient ist bypassoperiert, es besteht laut dem rezenten internistischen Facharztgutachten lediglich eine geringe Einschränkung der Belastbarkeit.

Die unter der Position 2 genannten Wirbelsäulenbeschwerden sind leicht- bis mittelgradig und werden mit Profenidtabletten (WHO-Stufe 1) therapiert. Eine höherwertige Schmerzmedikation oder auch eine Kombinationstherapie sind nicht nötig, was prinzipiell zumutbar wäre. Der Klient geht behelfsmittelfrei. Die Positionen 1 und 2 stehen in keinem schwerwiegenden Zusammenhang, eine Steigerung ist nicht gerechtfertigt. Die unter Position 3 genannte Beinlängendifferenz wird mit der Schuheinlage teilweise ausgeglichen und ist laut Einschätzungsverordnung mit 10% einzuschätzen und damit als geringgradig anzusehen. Zusammenfassend gibt es keine Rechtfertigung für eine Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung durch die Positionen 2 und 3. Die angeführten Gesundheitsschädigungen stellen einen Dauerzustand dar, eine wesentliche Besserung ist nicht zu erwarten.“

Folgende „Schlüssige Begründung bei Veränderung bzw. abweichender Beurteilung hinsichtlich des bereits durch die belangte Behörde in Auftrag gegebenen Gutachtens“ wurde abgegeben:

„Die Einschätzung aus dem zusammenfassenden Vorgutachten entspricht den Leiden des Klienten und ist konform mit der Einschätzungsverordnung. Die einzelnen Positionen und der Gesamtgrad der Behinderung bleiben unverändert.“

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.11.2019 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 40 % betrage.

Begründend wurde ausgeführt, im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 40%.

Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der einen Bestandteil der Begründung bildenden Beilage, dem Gesamtgutachten vom 14.11.2019 zu entnehmen.

Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.

Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 40% ergeben habe, seien die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50%) nicht gegeben. Der Antrag des BF sei daher abzuweisen

4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Dabei wurde vorgebracht, entgegen der Ausführung im Gutachten benötige der BF Schmerzmittel, seien doch die Wirbelsäulenbeschwerden des BF so nachhaltig, dass seit zumindest eineinhalb Jahren täglich Schmerzmittel konsumiert werden, wobei es sich insbesondere um das von seinem Hausarzt verschriebene Medikament Profenid handle. Es werde zumindest von einem Gesamtbehinderungsgrad von 50 v.H. ausgegangen. Der rechtlich vertretene BF ersuchte um eine positive Erledigung seiner Angelegenheit, um Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, in eventu um Behebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde.

5. Am 28.01.2020 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 05.02.2020, Zahl: G304 2228057-1/2Z, wurde
Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachtens auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 05.02.2020, Zahl: G304 2228057-1/2Z, wurde
der BF aufgefordert, sich am 09.03.2020 um 13:30 Uhr bei Dr. XXXX zur Begutachtung einzufinden.

7. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 22.02.2020 wurde nach (der zunächst für 09.03.2020 vereinbarten bzw.) der am 22.02.2020 durchgeführten Begutachtung des BF Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Koronare Herzerkrankung

Oberer Rahmensatz bei Zustand nach Bypassoperation mit leichtgradiger Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und erhöhtem Bluthochdruck

05.05.02

40

2

Wirbelsäulenbeschwerden mit Funktionseinschränkungen mittleren Grades

Unterer Rahmenwert mit glaubwürdigen Beschwerden der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule, sowie Verspannungen im Bereich des Schultergürtels, keine eindeutigen Wurzelkompressionszeichen, keine Paresen

02.01.02

30

3

Beinverkürzung unter 3 cm

(Beinlängendifferenz rechts – 2 cm)

Fixer Rahmenwert, ein Schuhausgleich wird verwendet, der Patient kommt hiermit gut zurecht

02.05.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde Folgendes ausgeführt:

„Führend ist die Position 1, weil sie die Schwerwiegendste ist. Der Patient ist bypassoperiert, es besteht laut dem rezenten internistischen Facharztgutachten lediglich eine geringe Einschränkung der Belastbarkeit.

Die unter der Position 2 genannten Wirbelsäulenbeschwerden sind leicht- bis mittelgradig und werden mit Profenidtabletten (WHO-Stufe 1) therapiert. Eine höherwertige Schmerzmedikation oder auch eine Kombinationstherapie sind nicht nötig, was prinzipiell zumutbar wäre. Der Klient geht behelfsmittelfrei. Die Positionen 1 und 2 stehen in keinem schwerwiegenden Zusammenhang, eine Steigerung ist nicht gerechtfertigt. Die unter Position 3 genannte Beinlängendifferenz wird mit der Schuheinlage teilweise ausgeglichen und ist laut Einschätzungsverordnung mit 10% einzuschätzen und damit als geringgradig anzusehen. Zusammenfassend gibt es keine Rechtfertigung für eine Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung durch die Positionen 2 und 3. Die angeführten Gesundheitsschädigungen stellen einen Dauerzustand dar, eine wesentliche Besserung ist nicht zu erwarten.“

Folgende „Schlüssige Begründung bei Veränderung bzw. abweichender Beurteilung hinsichtlich des bereits durch die belangte Behörde in Auftrag gegebenen Gutachtens“ wurde abgegeben:

„Die Einschätzung aus dem zusammenfassenden Vorgutachten entspricht den Leiden des Klienten und ist konform mit der Einschätzungsverordnung. Die einzelnen Positionen und der Gesamtgrad der Behinderung bleiben unverändert.“

8. Mit Verfügung des BVwG vom 06.03.2020, Zahl: G304 2228057-1/4Z, dem Rechtsvertreter des BF zugestellt am 17.03.2020, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung schriftlich Stellung dazu zu nehmen.

9. Bis dato ist beim BVwG keine Stellungnahme dazu eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz in Österreich.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und seinen Wohnsitz in Österreich hat, ergab sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen Dr. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In diesem Gutachten wurde auf die Art und Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen und nachvollziehbar ausgeführt, dass die mit 40 v.H. eingeschätzte Herzerkrankung des BF in keinem derart schwerwiegendem Zusammenhang mit den orthopädischen Beschwerden des BF stehe, dass eine Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung des BF gerechtfertigt wäre.

Zur gutachterlichen Beurteilung wurde im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendung erhoben.

Das Sachverständigengutachten vom 22.02.2020 wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A. (Abweisung hinsichtlich des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses):

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Wie unter Punkt 2.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 22.02.2020, in welchem der Gesamtgrad der Behinderung des BF mit 40 v. H. eingeschätzt wurde, zugrunde gelegt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der Gesamtgrad der Behinderung des BF von einer ärztlichen Sachverständigen unter Berücksichtigung der aktenmäßigen Befunde und des Beschwerdevorbringens nach der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 22.02.2020, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2228057.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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