TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/3 G304 2223745-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G304 2223745-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 21.08.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX , betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 15.05.2019 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass samt medizinische Beilagen ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. Im eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, vom 24.07.2019 (vidiert am 26.07.2019) wurde Folgendes festgehalten:

„Der Antragsteller beschreibt, dass er nicht mehr allzu weit gehen könne. An gewissen Tagen kann er gar nicht auftreten. An anderen Tagen würde er nicht viel weiter als 100-150m kommen. Zur Untersuchung erscheint der Antragsteller ohne Hilfsmittel und ist relativ problemlos mobilisiert. Bei der Prüfung des Barfußgangbildes findet sich ein rechtsseitiges Hinken bei normaler Schrittlänge, wobei das Abrollverhalten entsprechend gestört ist. Von Seiten des linken Sprunggelenkes werden ebenfalls Schmerzen angegeben. Hier konnten keine Einschränkungen festgestellt werden. Aus orthopädischer Sicht ist dem Antragsteller das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zum Erreichen öffentlicher Verkehrsmittel auch weiterhin zumutbar. Auch das selbstständige Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel kann mit ausreichender Sicherheit gewährleistet werden.“

2.2. Im eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie, vom 06.08.2019 (vidiert am 09.08.2019) wurde Folgendes festgehalten:

„Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist aus psychiatrischer Sicht zumutbar, eine generalisierte Angsterkrankung, Sozialphobie, Klaustrophobie oder Agoraphobie kann nicht objektiviert werden. (…)

Eine Zusatzeintragung öffentlicher Verkehrsmittel ist aus psychiatrischer Sicht nicht angezeigt, da 1. keine Verschlechterung der psychischen Symptomatik seit SVG 26.02.2019 objektivierbar ist und 2. keine Angsterkrankung diagnostizierbar ist. Eine Aggravation der gezeigten Symptomatik ist ebenso nicht vollständig auszuschließen, die nachgereichten Befunde wurden berücksichtigt. Eine störungsspezifische Psychotherapie wurde bislang daher nicht in ausreichendem Maße durchgeführt.“

2.3. In der eingeholten sachverständigen Gesamtbeurteilung von Dr. XXXX , Sachverständiger für Allgemeinmedizin, vom 15.08.2019 (vidiert am 15.08.2019) wurde in Zusammenfassung der zuvor eingeholten Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Orthopädie und Psychiatrie Folgendes festgehalten:

„Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist aus psychiatrischer Sicht zumutbar, eine generalisierte Angsterkrankung, Sozialphobie, Klaustrophobie oder Agoraphobie kann nicht objektiviert werden.

Der Antragsteller beschreibt, dass er nicht mehr allzu weit gehen könne. An gewissen Tagen kann er gar nicht auftreten. An anderen Tagen würde er nicht viel weiter als 100-150m kommen. Zur Untersuchung erscheint der Antragsteller ohne Hilfsmittel und ist relativ problemlos mobilisiert. Bei der Prüfung des Barfußgangbildes findet sich ein rechtsseitiges Hinken bei normaler Schrittlänge, wobei das Abrollverhalten entsprechend gestört ist. Von Seiten des linken Sprunggelenkes werden ebenfalls Schmerzen angegeben. Hier konnten keine Einschränkungen festgestellt werden. Aus orthopädischer Sicht ist dem Antragsteller das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zum Erreichen öffentlicher Verkehrsmittel auch weiterhin zumutbar. Auch das selbstständige Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel kann mit ausreichender Sicherheit gewährleistet werden.“

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.08.2019 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde auf die im Zuge des behördlichen Ermittlungsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachten gestützt.

Begründend wurde ausgeführt, die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei insbesondere bei Vorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen unzumutbar. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen, sei der Antrag abzuweisen.

4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Der BF verwies auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen und brachte vor, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.

5. Am 25.09.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 30.10.2019, Zl. G304 2223745-1/2Z, wurde Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 30.10.2019, Zl. G304 2223745-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 25.11.2019 um 15:30 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

7. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 25.11.2019 wurde nach Begutachtung des BF am 25.11.2019 dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten.

8. Mit Verfügung des BVwG vom 13.01.2020, Zl. G304 2223745-1/4Z, dem BF zugestellt am 22.01.2020, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 25.11.2019 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

9. Eine Stellungnahme dazu ist beim BVwG bis dato nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF hat seinen Wohnsitz in Österreich und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar“ liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Dass der BF seinen Wohnsitz im Inland hat, ergab sich aus dem Akteninhalt.

2.3. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

2.4. Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 25.11.2019, das unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und aktenmäßiger Befund nach Begutachtung des BF am 25.11.2019 erstellt wurde, schlüssig und nachvollziehbar.

Folgende „momentane Beschwerden“ des BF wurden im Gutachten festgehalten:

„Das Gehen ist in etwa über 300 Meter möglich, aber wenn das rechte operierte Sprunggelenk blockiert ist ein akutes Stehenbleiben notwendig. Erst vor kurzem (…) nach dem Einkaufen (…) kommt es zu Schmerzen dass er beim Bergaufgehen kaum gehen konnte lt. Angabe vor allem der Gattin welche bei der Untersuchung zugegen ist. Zusätzlich werden auch Krämpfe vorwiegend nachtens vorwiegend auch im Bereich des linken Beins angegeben.

Es wird auch angegeben, dass unwillkürlich Harnverlust vorwiegend nachtens auftritt. Des Weiteren wird auf Grund der Schmerzen aber auch der angespannten Arbeitsplatzsituation eine reaktive Depression angegeben und eine entsprechende Medikation ist laufend.“

Zu „Gangbild, Mobilität“ wurde im Gutachten ausgeführt:

„Der Gang ist etwas kleinschrittiger rechts humpelnd. Der Zehenstand ist rechts nicht möglich. Fersenstand ist beidseits möglich. Beinheben ist beidseits möglich.

Am Ende der Untersuchung nach der Verabschiedung beim Aufstehen wird ein stichartiger Schmerz im rechten Sprunggelenk angegeben, ein kurzes Innehalten ist notwendig, dann ist der Gang etwas humpelnd jedoch ohne fremde Hilfe oder Hilfsmittel weiter umsetzbar.“

Der Sachverständige gab in diesem Gutachten folgende Stellungnahme ab:

„Unzweifelhaft besteht eine Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Sprunggelenkes nach Unfall mit Knochenbrüchen und operativer Sanierung. Diesbezüglich wurde eine 20% Beinwertminderung (20 von 50%) im Rahmen des Arbeitsunfalles zugestanden. Aktuell ist der BF als Schweißer berufstätig. Eine relevante Wegstrecke kann unter normalen Bedingungen mit relevanter Schmerzmedikation und Hilfsmittel umgesetzt werden. Fremde Hilfe oder Hilfsmittel sind aktuell nicht notwendig.

Bezüglich der Schmerzhaftigkeit darf auch noch festgehalten werden, dass eine Medikation laut WHO Stufe I eingenommen wird.

Bezüglich der reaktiven Depression ist eine entsprechende fachärztliche Untersuchung durchgeführt, diese im Rahmen des Amtsgutachtens auch gewürdigt, sie bedingt jedoch keine Unzumutbarkeit von ÖV.

Von Seiten der Lendenwirbelsäulensymptomatik ist diese ebenso gewürdigt, sie bedingt jedoch keine Unzumutbarkeit von ÖV.

Bezüglich des nächtlichen Harndrangs (Harnverlust) sind keinerlei relevanten Fachgutachten vorliegend, dies bedingt jedoch keine Unzumutbarkeit von ÖV.“

Da der BF – binnen der ihm dazu gewährten Frist und auch darüber hinaus – keine Einwendung gegen das ihm vorgehaltene, für schlüssig befundene Sachverständigengutachten vom 25.11.2019 erhoben hat, wird dieses gegenständlicher Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchteil A):

3.2.1. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

3.2.2. Im seitens des erkennenden Gerichtes eingeholten als schlüssig und nachvollziehbar erachteten, vom BF unbestritten gebliebenen, ärztlichen Gutachten von Dr. XXXX vom 25.11.2019 wurde bezüglich des nach einem Unfall operierten rechten Sprunggelenkes zwar eine Funktionseinschränkung mit eingeschränkter Beweglichkeit und Belastbarkeit, jedoch keine Funktionseinschränkung von erheblichem Ausmaß festgestellt und die Zurücklegung einer relevanten Wegstrecke (mit relevanter Schmerzmedikation, wobei eine Medikation laut WHO Stufe I besteht) für möglich und bezüglich der Leiden des BF (im Bereich des rechten Sprunggelenkes, der depressiven Störung im Rahmen eines chronischen Schmerzsyndroms und des Lendenwirbelsäulen-Syndroms) die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten.

Es wird folglich dem eingeholten Gutachten vom 25.11.2019 folgend dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten und die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, vom BF nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 25.11.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2223745.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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