TE Bvwg Beschluss 2020/6/18 L524 2218122-2

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Veröffentlicht am 18.06.2020
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Entscheidungsdatum

18.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §30 Abs2
VwGG §30a Abs3
VwGG §46

Spruch

L524 2218122-2/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über den Antrag des XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2020, L524 2218122-2/3E, und den Antrag, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2020, L524 2218122-2/3E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss:

A) I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision wird gemäß § 46 VwGG abgewiesen.

II. Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 VwGG nicht stattgegeben.

B) Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Feststellungen:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2020, L524 2218122-2/3E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2019, Zl. 1202374305-180760581/BMI-BFA_Wien_AST_01, als unbegründet abgewiesen. Zudem wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Dem rechtsfreundlichen Vertreter wurde dieses Erkenntnis rechtswirksam mit 10.01.2020 zugestellt.

Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes über die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde und deren Abtretung zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof vom 05.03.2020, Zl. E 572/2020-5, wurde - nach Angaben des Rechtsvertreters des Revisionswerbers bzw. Antragstellers - diesem am 01.04.2020 zugestellt. Ab diesem Zeitpunkt begann die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Revision zu laufen und endete am 12.06.2020.

Am 12.06.2020 wurde mittels ERV beim Verwaltungsgerichtshof die Revision eingebracht, die von diesem am 18.06.2020 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde.

Am 15.06.2020 um 17:30 Uhr langte beim Bundesverwaltungsgericht (zunächst) mittels e-mail der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit der außerordentlichen Revision und einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.01.2020, L524 2218122-2/3E, ein.

Am 16.06.2020 um 11:38 Uhr langte beim Bundesverwaltungsgericht der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit der außerordentlichen Revision und einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegen oben angeführtes Erkenntnis mittels ERV ein.

Als Wiedereinsetzungsgrund wird vorgebracht, dass durch einen mechanischen Vorgang und Irritation aufgrund der Darstellung des verwendeten Computersystems die Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde, insbesondere weil der Akt vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten war. Die Frist für die Revision wurde im Kalender richtig gesetzt und wurde die Revision sehr aufwendig verfasst. Ein Versehen minderen Grades liegt vor, zumal die Eingaben bisher zuverlässig und binnen offener Frist richtig beim Bundesverwaltungsgericht erfolgten.

II. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes, dem Wiedereinsetzungsantrag und den diesbezüglichen Zustellnachweisen.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) I. Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

§ 46 VwGG lautet:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt."

Die Einbringung der Revision beim Verwaltungsgerichtshof war nicht fristwahrend. Die Revisionsfrist wird diesfalls nämlich nur dann gewahrt, wenn die Revision von der unzuständigen Stelle noch innerhalb der Frist einem Zustelldienst zur Beförderung an die zuständige Stelle übergeben wird oder bei dieser einlangt (vgl. etwa VwGH 17.5.2017, Ra 2017/18/0116, mwN).

Im vorliegenden Fall wurde die Revision erst nach Ablauf der Revisionsfrist beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

Zwar hindert ein minderer Grad des Versehens der Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht, eine solche leichte Fahrlässigkeit liegt aber nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen, als an Rechtsunkundige oder bisher noch nie an Verfahren beteiligten Personen. War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (vgl. VwGH 01.06.2006, 2005/07/0044).

Als Wiedereinsetzungsgrund wird geltend gemacht, dass durch einen mechanischen Vorgang und Irritation aufgrund der Darstellung des verwendeten Computersystems die Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde, insbesondere weil der Akt vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten war. Die Frist für die Revision wurde im Kalender richtig gesetzt und wurde die Revision sehr aufwendig verfasst.

Dieses Vorbringen vermag jedoch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auszulösen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben (insbesondere) im elektronischen Weg zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Die dazu in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben im Web-ERV übertragen (vgl. VwGH 27.12.2018, Ra 2018/21/0256; 30.08.2018, Ra 2018/21/0054; mwN). Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar (vgl. VwGH 30.01.2020, Ra 2019/14/0585 unter Hinweis auf VwGH 13.11.2017, Ra 2017/01/0041, mwN).

Dem Vertreter ist anzulasten, bei der Übermittlung der Revision, einer fristgebundenen Eingabe, im ERV nicht jene Sorgfalt im Umgang mit Fristen an den Tag gelegt zu haben, die von einem berufsmäßigen Parteienvertreter zu erwarten ist. Dazu hätte gehört, die tatsächliche Einbringung der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht im ERV zu kontrollieren bzw. sich auch im Rahmen der kanzleiinternen Fristerinnerung zu vergewissern, ob die Einbringung ordnungsgemäß beim Bundesverwaltungsgericht erfolgte.

Im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wird nicht einmal behauptet, dass Kontrollmaßnahmen betreffend die Übermittlung von Eingaben im ERV bestehen, weshalb ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden vorliegt. Dass bisherige Eingaben zuverlässig und binnen offener Frist richtig beim Bundesverwaltungsgericht erfolgt seien, vermag einen minderen Grad des Versehens betreffen die Einbringung der Revision nicht darzutun.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision war daher abzuweisen.

Zu A) II. Keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wen dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der Revisionswerber hat nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Parteibeschwerden in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Konkretisierungspflicht des Antragstellers sind streng (vgl. VwSlg 10381 A/1981).

Das im vorliegenden Antrag erstattete Vorbringen, dass dem Revisionswerber ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Abschiebung in die Türkei drohe und er "allenfalls" am Flughafen verhaftet würde und bei Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts keine Möglichkeit hätte, nach Österreich zurückzukehren, ist nicht geeignet, einen konkreten unverhältnismäßigen Nachteil der Partei darzutun.

Da der Revisionswerber die Konkretisierungspflicht unterlassen hat, war dem Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen gemäß § 30 Abs. 2 VwGG keine Folge zu geben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Der Beschluss zu Spruchpunkt A) I. ist in der taxativen Aufzählung des § 25a Abs. 2 bis 4 VwGG nicht enthalten. Die Zulässigkeit einer Revision zu diesem Spruchpunkt ist daher nach § 25a VwGG nicht ex lege ausgeschlossen. Es ist daher eine Zulässigkeitsentscheidung nach § 25a Abs. 1 VwGG zu treffen. Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Gegen den Beschluss zu Spruchpunkt A) II. ist gemäß § 25a Abs. 2 Z 1 VwGG die Revision nicht zulässig. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 88a Abs. 2 Z 2 VfGG auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall außerordentliche Revision Einbringungsstelle elektronischer Rechtsverkehr minderer Grad eines Versehens Revisionsfrist Verschulden Verwaltungsgerichtshof Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L524.2218122.2.01

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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