Entscheidungsdatum
25.06.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G304 2222827-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 18.07.2019, OB: XXXX , betreffend Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass“ nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge „BF“) ist seit 20.07.2019 in Besitz eines Behindertenpasses mit einem festgestellten GdB von 60 v. H.
2. Die BF stellte am 17.04.2019 einen Antrag auf Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung.
3.Im Verfahren vor der belangten Behörde wurde am 27.06.2019 ein Gutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, eingeholt. Diese stellte hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung fest wie folgt:
„Es bestehen keine Einschränkungen der Mobilität, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden der für öffentliche Verkehrsmittel überlichen Niveauunterschiede (somit das Ein- und Aussteigen) sowie den sicheren Transport nicht zuließen. Weiters bestehen keine kardiopulmonalen oder psychiatrischen Limitationen, die eine Kontraindikationen hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel darstellen. Es liegt keine absolute Stuhl- oder Harninkontinenz vor, die Verwendung von handelsüblichen Inkontinenzmaterialien sind der Antragstellerin zumutbar.“
Am 17.07.2019 erstattete die SV eine weitere Stellungnahme, in der sie sich nochmals zur Frage der Stuhlkontinenz äußert:
„Eine absolute Stuhlinkontinenz liegt nicht vor, die Versorgung mit Inkontinenzeinlagen ist zumutbar. Im Verlgleich zu meinem Letztgutachten ergeben sich anhand der Einwendung keine Änderungen, es werden auch keine neuen Befunde vorgelegt, die eine Re-Evaluation der bestehenden Einschätzung bedingen würden.“
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.09.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, unter Verweis auf das eingeholte Sachverständigengutachten abgewiesen.
4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Mit dem Beschwerdeschreiben wurden zahlreiche Unterlagen mit handschriftlichen Vermerken der BF vorgelegt.
5. Am 27.08.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
6. Mit Schreiben des BVwG vom 19.09.2019, Zl. G304 2222827-1/3Z, wurde Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung dem BVwG zu übermitteln.
Mit Schreiben des BVwG vom selben Tag wurde des Weiteren die BF aufgefordert, sich am 30.10.2019, um 09:30 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
7. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 30.11.2019 wurde auf Grund der am 30.10.2019 erfolgten Begutachtung der BF keine der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehende Funktionseinschränkung festgestellt.
Dr. XXXX führte in ihrem Gutachten unter anderem aus wie folgt:
„Es liegt keine durch eine entsprechende Fachabteilung diagnostizierte anhaltend schwere Darmerkrankung vor, es liegt keine dadurch bedingte schwere körperliche Schwäche vor, das Gewicht ist etwas über der Norm, es wurde kein reduzierter Ernährungs- und Allgemeinzustand festgestellt. Es liegt wie von der AST in der Anamnese angegebenen eine Inkontinenz bestehend in Stuhlschmieren und mehrmals täglich abgehenden kleinen Stuhlmengen tagsüber. Nachts besteht diese Inkontinenz, wie in Namnese angegeben, nicht, dadurch ssind nachts auch keine Vorlagen notwendig. Eine moderne Vorlagenversorgung dient der Verhinderung von Verunreinigung bzw. von Geruchsbelästigung, ist zumutbar und erfüllt diesen Anspruch. Eine Vorlagenverwendung wird nur tagsüber durchgeführt. In der Anamnese wurde angegeben, dass die AST Vorlagen Nr. 3 Soft verwendet (Soft Nr. 2 wird mitgeführt und vorgelegt)“
8. Mit Verfügung des BVwG vom 13.01.2020, Zl. G304 2222827-1/7Z, der BF zugestellt am 21.01.2020, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und ihr zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung schriftlich Stellung dazu zu nehmen.
9. Am 30.01.2020 langte die Stellungnahme der BF vom 27.01.2020 beim BVwG ein.
10. Am 25.06.2020 fand vor dem BVwG an der Außenstelle Graz eine mündliche Verhandlung statt. Deren Verlauf gestaltete sich wie folgt:
„Das Beschwerdevorbringen wird in der Folge zusammengefasst erörtert.
RV verweist auf das bisherige Vorbringen.
VR an BF: Wie stellt sich die von Ihnen behauptete Stuhlinkontinenz dar?
BF: Ich kann, sowie warmes Wasser an meinen Schließmuskel kommt, den Stuhl nicht mehr halten, weil bei Wärme der Stuhlmuskel aufgeht. Gleiches ist der Fall, wenn ich gehe, dann tritt Kot aus, der zwischen meinen Pobacken hängen bleibt. Hier entsteht dann eine unangenehme Geruchssituation. Der Schließmuskel wurde im Zuge einer Operation teilweise entfernt, weshalb ich den Stuhl nicht halten kann.
VR: Wie oft am Tag haben Sie unkontrollierte Stuhlgänge?
BF: Ich spüre den Stuhldrang nicht. Ich versuche, immer möglichst am WC zu entleeren, damit es nicht zu Vorfällen kommt. Zu imperativen Stuhlgängen kommt es unregelmäßig, aber 5 bis 6 Mal passiert es sicherlich. Ich gehe jedes Mal auf die Toilette, wenn ich aufstehe, damit ich die Anzahl solcher Vorfälle möglichst gering halte.
VR: Wann haben Sie das letzte Mal ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt?
BF: Das ist schon Jahre her. Bei dieser Fahrt habe ich mich komplett verschmutzt. Seitdem fahre ich nurmehr mit meinem Wagen. Ich kann die Stuhlabgänge überhaupt nicht kontrollieren.
VR an SV: Wie beurteilen Sie nach Durchsicht der vorliegenden Unterlagen und dem Vorbringen der BF in der Verhandlung die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die BF.
SV: Aufgrund der vorliegenden Befunde ist objektivierbar, dass es sich um eine ausgedehnte Operation im Bereich des Genitales gehandelt hat. Daraus resultierend sind Störungen im Bereich des Beckenbodens als auch im Bereich der Schließmuskel entstanden. Dies wird auch durch eine MRT des Beckenbodens vom 12.03.2014 untermauert. Die angegebenen Beschwerden und Symptome können aufgrund der Befunde medizinische nachvollzogen werden. Sie subjetkive Beschwerdelast ist allenfalls zu würdigen, es muss jedoch auch festgehalten werden, dass keine chronisch schwere Darmerkrankung im gegenständlichen Fall gegeben ist. Bezüglich der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist hinlänglich die medizinische Meinung, dass Inkontinenzprodukte als ausreichend und zweckmäßig anzusehen sind, wobei dies oft widersprüchlich zum subjektiven Leidensdruck ist.
BR: Ist aus der Befundlage ersichtlich, dass der Schließmuskel durch die Operation geschädigt wurde?
SV: Ja. Es ist aus der MRT des Beckenbodens vom 12.03.2014 eine ausgedehnte postoperative Veränderung am Beckenboden sowie auch Veränderungen als auch teilweises Fehlen der analen Schließmuskulatur objektivierbar.
BF: Mein Darm ist jedenfalls nicht in Ordnung. Ich wollte eine Operation vornehmen lassen, damit ich wie ein Mensch leben kann. Mit wurde jedoch mitgeteilt, dass die einzige Möglichkeit noch ein künstlicher Darmausgang wäre.
RV an SV: Wie oft pro Tag muss man Stuhlgang haben, um die Kapazität der medizinischen Produkte zu erreichen?
SV: Die Vorlagen oder Windeln haben in etwa eine Menge von 350 ml, die sie aufsaugen können. Wie oft die Verwendung notwendig ist, hängt davon ab, wie oft der imperative Stuhlgang auftritt. Dies ist bei jedem Patienten verschieden. Die Medizin geht von einer normalen Stuhlfrequenz von drei Mal täglich bis jeden dritten Tag aus.
RV an SV: Halten Sie es bei der BF für möglich, dass auch bei Verwendung von Inkontinenzprodukten es zu einer Geruchsbelästigung kommen kann?
SV: Dies ist natürlich möglich. Es hängt von der Menge des abgegangenen Stuhles ab, wie hoch die Geruchsbelästigung ist. Eine Einlage ist natürlich nicht luftdicht; genausowenig wie eine Windel.
RV an SV: Ist es wahrscheinlicher, dass die BF bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einen Stuhlgang hat, wenn sie zB einsteigen muss, sich im Verkehrsmittel fortbewegen, anhalten usw. als wie wenn sie gleich sitzen kann?
SV: Das ist sehr wohl möglich. Aufgrund des einfachen physikalischen Prinzipes der Schwerkraft.
LR: Welche Inkontinenzprodukte haben Sie von der Krankenkasse bekommen?
BF: Ich bezahle alles selbst. Ich habe gar nichts bekommen. Ich habe mich nicht zur Kasse getraut. Man streitet alles ab, auch, dass ich inkontinent bin.
LR: Welche Produkte haben Sie heute mit, für den Fall, dass etwas passieren könnte?
BF: Ich habe nichts mit, weil ich mich auch nicht waschen kann. Ich behalte es drin. Ich kann deshalb auch keine Vorlage zeigen, weil ich unterwegs sicher nicht wechsle, ohne mich waschen zu können.
RV: Ändert die Position des Schließmuskels etwas an der Zumutbarkeit der Medizinprodukte?
SV: Nein. Es gibt verschiedene Arten von Inkontinenzprodukten. Es gibt bei den Sozialversicherungsträgern Inkontinenzproduktstellen, die für einen Kunden eine Beratung vornehmen und eine entsprechende Inkontinenzversorgung sicherstellen.
Abschließende Bemerkungen:
VR: Ich bin mit der Befragung am Ende. Wollen Sie noch abschließend etwas sagen?
BF: Es wäre schön, wenn ich bei den gekennzeichneten Parkplätzen parken könnte. Es wäre für mich eine große Erleichterung.
Schluss des Beweisverfahrens.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem GdB von 60 v.H.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar“ liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrundelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Sowohl im von der belangten Behörde eingeholten Gutachten als auch im Gutachten Dris XXXX wurde die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als für die BF zumutbar eingestuft.
Auch der der mündlichen Verhandlung hinzugezogene medizinische Sachverständige MR Dr. XXXX schloss sich dieser medizinischen Beurteilung an.
Zur gutachterlichen Beurteilung, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden, wurden im Rahmen des Parteiengehörs zwar Einwendung erhoben, diesen jedoch kaum inhaltlich und keinesfalls auf selben Niveau entgegengetreten.
Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Die vorliegenden Gutachten – insbesondere das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von Dr. XXXX vom 30.11.2019 wird für schlüssig und nachvollziehbar gehalten.
Die BF hat gegen dieses Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs zwar Einwendung erhoben, diese waren jedoch nicht substantiiert und fachlich nicht geeignet um die Expertise der Gutachter anzuzweifeln. Das Vorbringen und die Einwendungen der BF wurden mit dieser in der mündlichen Verhandlung am 25.06.2020 unter Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen erörtert.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass bei der BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, nicht vorliegen. Es konnte keine Funktionseinschränkung und keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit festgestellt werden, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würde – und auch keine in Zusammenhang mit der aus sozialphobischen Anteilen bestehenden depressiven Erkrankung der BF vorkommende gravierende Verhaltensauffälligkeiten, welche von fremden Personen im öffentlichen Raum üblicherweise als große Belastung oder Belästigung empfunden werden.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird im gegenständlichen Fall daher für zumutbar gehalten.
Es war folglich spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und dessen Auswirkung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2222827.1.00Im RIS seit
24.11.2020Zuletzt aktualisiert am
24.11.2020