TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/19 95/19/1866

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Veröffentlicht am 19.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der SM in Wien, geboren 1973, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Oktober 1995, Zl. 303.444/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 17. März, 4. April und 22. Mai 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetz (FrG) ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, daß die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen sei, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll. Da die antragstellende Partei seit 24. Oktober 1994 an einer Wiener Adresse aufrecht gemeldet sei und weiters über keine die Anwendung der angeführten Bestimmungen ausschließende Aufenthaltsberechtigung (z.B. gewöhnlicher Sichtvermerk) verfüge, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde sodann den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Sie stützte ihre Entscheidung auf § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und begründete folgendermaßen:

"Unbeschadet dieses Vorbringens ist für die Beurteilung Ihres Antrages wesentlich, daß § 5 des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließt, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z 4 dieses Gesetzes liegt ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

Dazu stellt die Berufungsbehörde folgendes fest:

Aufgrund der Tatsachen, daß bereits mehrmals Verfahren wegen Diebstahls bzw. Entwendung vorliegen

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zu Zl. vom 17.05.1995, BPD Wien, KOAT Alsergrund, Diebstahl;

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zu Zl. vom 10.09.1992, BPD Wien, KOAT Landstraße, Entwendung;

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zu Zl. vom 27.04.1990, BPD Wien, KOAT Leopoldstadt, Entwendung;

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zu Zl. vom 25.06.1989, BPD Innsbruck, Diebstahl,

greift § 10 Abs. 1 Z 4 FrG Platz und darf Ihnen gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden.

Weiters hat die Berufungsbehörde recherchiert, daß derzeit bei der Staatsanwaltschaft Wien, Zl., ein Verfahren wegen Scheinehe gegen Sie anhängig ist.

Auch die Begründung, daß Sie mit einem Österreicher verheiratet sind, ist seitens der Berufungsbehörde irrelevant, als es sich in Ihrem Fall um eine Scheinehe handelt.

Da es offensichtlich ist, daß Sie nicht gewillt sind, die österreichischen Gesetze zu beachten und zu respektieren - was durch Ihr rechtswidriges Verhalten wie o.a. mehrmals dokumentiert wird - und die Berufungsbehörde primär die Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen zu garantieren hat, kann Ihnen gemäß § 5 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z 4 FrG eine Bewilligung nicht erteilt werden, weil durch Ihr Verhalten die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet ist, wegen der Beispielswirkung anderen Fremden gegenüber."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid insoweit nicht gerecht, als diesem nicht klar entnommen werden kann, ob die belangte Behörde aus dem Vorliegen von "Verfahren wegen Diebstahls bzw. Entwendung" den Schluß gezogen hat, die Beschwerdeführerin habe die strafbaren Handlungen, um welche es in diesem "Verfahren" ging, auch tatsächlich in strafrechtlich verantwortlicher Weise begangen. Dies ist umso unverständlicher, weil die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung das Vorliegen strafrechtlicher Verurteilungen verneint hat. Ist aber nicht nachvollziehbar, ob bzw. aus welchen Gründen die belangte Behörde von der Begehung der dem "Verfahren" zugrundeliegenden Taten ausgegangen ist, so erweist sich auch der Schluß, die Beschwerdeführerin habe dadurch die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet, als nicht nachvollziehbar.

Gleiches gilt für die alleine auf ein anhängiges "Verfahren" bei der Staatsanwaltschaft Wien gestützte Annahme, es handle sich bei der von der Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossenen Ehe um eine "Scheinehe". Zudem läßt die Behörde offen, welcher Art die "Scheinehe" sein solle, zumal als Sichtvermerksversagungsgrund grundsätzlich nur eine solche Ehe in Frage kommen könnte, die zum Zweck der Erlangung bzw. Erleichterung der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen geschlossen worden wäre. Aus dem bloßen Umstand, daß ein "Verfahren wegen Scheinehe" bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen die Beschwerdeführerin anhängig sei, kann auf eine den Tatbestand eines Sichtvermerksversagungsgrundes bildende Ehe im obigen Sinne nicht geschlossen werden.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht. Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von S 270,-- (Beschwerde zweifach, angefochtener Bescheid einfach) zuzusprechen. Der Bescheid erster Instanz war anläßlich der Beschwerde nicht vorzulegen. Die Vorlage der weiteren Beilagen war unnötig, da sie im Verwaltungsverfahren ohnehin schon vorgelegt wurden.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191866.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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