TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/19 95/19/1588

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Veröffentlicht am 19.09.1997
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Index

27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
SVDolmG 1975 §10 Abs1 Z1;
SVDolmG 1975 §2 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des G K in Wien, vertreten durch Dr. Stefan Stingl, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Rötzergasse 16, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. September 1995, Zl. Jv 11439-5b/95, betreffend Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Präsident des Handelsgerichtes Wien entzog dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid vom 31. Mai 1995 gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger, weil über sein Vermögen am 21. März 1995 zur Zl. des Handelsgerichtes Wien der Konkurs eröffnet worden sei und damit die Voraussetzungen der geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 lit. h SDG weggefallen seien.

In der dagegen erhobenen Berufung argumentiert der Beschwerdeführer vor allem damit, daß die Behörde erster Instanz lediglich auf die wegen der Konkurseröffnung nicht mehr gegebenen geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse verwiesen habe, dies dem Berufungswerber aber nicht als Nachteil angerechnet werden dürfe, weil dadurch seine Unabhängigkeit, Unbeeinflußbarkeit bzw. Objektivität nicht beeinflußt würden. Er legte eine "Situationsanalyse" bei, welche die Gründe anführe, die zur Konkurseröffnung geführt hätten. Die belangte Behörde schaffte den Konkursakt des Handelsgerichtes Wien bei, welchen sie mit dem Beschwerdeführer erörterte. Dieser bestritt die Richtigkeit der im Konkursakt enthaltenen Tatsachen nicht. Der Beschwerdeführer hielt die in der Berufung und der beigelegten "Situationsanalyse" gemachten Angaben aufrecht, ergänzte, daß ihm nach Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen keine seiner vier Konzessionen von der Gewerbebehörde entzogen worden sei und gab zur beabsichtigten Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse an:

"Ich strebe einen Zwangsausgleich an. Zu diesem Zweck wird mich meine Familie unterstützen. Ich sehe aufgrund dieser Umstände die realistische Möglichkeit, das Insolvenzverfahren in dieser Form zu erledigen. Auch der Umstand, daß ich in laufenden Werkverträgen eingebunden bin und daraus Werklöhne beziehen werde, wird mir bei der beabsichtigten Durchführung eines Zwangsausgleiches zu Hilfe kommen. Zudem erstatte ich noch immer sehr viele Privatgutachten für die Kammer."

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie gab der Berufung nicht Folge und stützte sich begründend - wie die Behörde erster Instanz - darauf, daß die für die Eintragung des Beschwerdeführers als allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen zum Eintragungszeitpunkt gegebene Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Z. 1 lit. h SDG (geordnete wirtschaftliche Verhältnisse) mit Konkurseröffnung weggefallen sei. Dieses Konkursverfahren sei am 21. März 1995 eröffnet worden. Nach dem Bericht des Masseverwalters vom 24. Mai 1995 bestünden Außenstände in der Höhe von S 513.576,40; zwei Bankkontenguthaben beliefen sich auf einen Gesamtbetrag von S 1.008,93. Fahrnisse des Gemeinschuldners seien mit einem Verkehrswert von S 56.440,-- und einem Liquidationswert von S 12.480,-- geschätzt worden. Zumindest eine Forderung von S 20.000,-- sei uneinbringlich. Das Anmeldungsverzeichnis weise laut Ausdruck vom 29. Mai 1995 (Prüfungstagsatzung) eine Gesamtsumme der angemeldeten Forderungen von S 4,147.681,62 aus; hievon seien vom Masseverwalter eine Gesamtsumme von S 2,503.314,48 und vom Gemeinschuldner eine Gesamtsumme von S 2,578.522,90 anerkannt worden; bestritten sei vom Masseverwalter eine Gesamtsumme von S 1,569.159,32 und vom Gemeinschuldner eine Gesamtsumme von S 1,569.158,72 worden.

Es sei bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 SDG auf den Zeitpunkt der Erlassung des "Bescheides" abzustellen. Der (erstinstanzliche mit Berufung) angefochtene Bescheid sei am 31. Mai 1995 ergangen.

Sodann heißt es im Berufungsbescheid der belangten Behörde weiter:

"Bei dieser Sachlage kann aber mit der für diese Entscheidung notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides unfähig war, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, zumal nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zu diesem für die Entscheidung allein maßgeblichen Zeitpunkt keine wie immer gearteten Umstände für die Annahme geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse vorlagen. Dies wurde vom Berufungswerber auch in keinem Verfahrensstadium, und zwar nicht einmal nach Rechtsbelehrung bei seiner Anhörung im Berufungsverfahren, behauptet.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen."

In der dagegen erhobenen Beschwerde rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde den entscheidenden Zeitpunkt mit 31. Mai 1995 annehme. Es wäre aufgrund der gegebenen Situation jedoch "notwendig gewesen, die tatsächlichen Veränderungen im Hinblick auf den Zeitpunkt Konkurseröffnung (21. 3. 1995) sowie Erlassung des Berufungsentscheides 27. 9. 1995 einer genauen Betrachtung zuzuführen". Die belangte Behörde hätte eine "nähere Überprüfung der Gesamtsituation des Beschwerdeführers im Hinblick auf dessen Vermögenswerte durchführen müssen", weil er im Verfahren angegeben habe, daß er "die Ordnung der finanziellen Gegebenheiten bereits beabsichtigt bzw. in die Wege geleitet" habe. Die belangte Behörde hätte "entweder den Zeitpunkt der Konkurseröffnung als essentielles Datum" ihrer Entscheidung zugrundelegen müssen oder "aufgrund der durchgeführten Erhebungen den Zeitpunkt anläßlich deren Bescheiderlassung zweiter Instanz näher zu begründen gehabt". "Aufgrund der Möglichkeit der Änderung der Konkurssituation" hätte die belangte Behörde den aktuellen Stand des Konkursverfahrens "zu erforschen und aufgrund dieser Basis eine Entscheidung zu treffen gehabt". Da dies unterblieben sei, sehe der Beschwerdeführer darin "eine essentielle Mangelhaftigkeit des Verfahrens".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den (vor dem Verwaltungsgerichtshof) angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen. Hingegen hatte die belangte Behörde als Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache selbst zu entscheiden und war berechtigt - nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens - den erstinstanzlichen Bescheid in jeder Richtung abzuändern. Hieraus ergibt sich im Zusammenhalt mit der anzuwendenden materiell-rechtlichen Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 1 SDG - wonach die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger vom Präsidenten des Gerichtshofs I. Instanz durch Bescheid zu entziehen ist, wenn sich herausstellt, daß die Voraussetzungen für die Eintragung, mit Ausnahme der nach § 2 Abs. 2 Z. 2, seinerzeit nicht gegeben gewesen oder später weggefallen sind - daß die belangte Behörde im konkreten Fall (in welchem es um den nachträglichen Wegfall der Eintragungsvoraussetzungen geht) nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt - auch nicht auf den Zeitpunkt der Erlassung des von ihr angefochtenen Bescheides, also des erstinstanzlichen Bescheides, hinsichtlich der ihrer Entscheidung zugrundezulegenden Sachlage abzustellen hatte, sondern der maßgebliche Zeitpunkt die Erlassung des Berufungsbescheides war. Nur im Sinne des vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheides ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom "angefochtenen Bescheid" die Rede. Indem die belangte Behörde dies verkannte und bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 SDG auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abstellte, belastete sie ihren (= den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von S 270,-- (Beschwerde zweifach, angefochtener Bescheid einfach) zuzusprechen.

Aufgrund der gegenständlichen Entscheidung erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191588.X00

Im RIS seit

09.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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