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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §10 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des DS in Wien, geboren 1966, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. September 1995, Zl. 108.251/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 28. Juni 1994 die Verlängerung der ihm zuletzt am 31. Jänner 1994 mit Gültigkeit vom 31. Oktober 1993 bis zum 1. Juli 1994 erteilten Aufenthaltsbewilligung.
Die Behörde erster Instanz wies den Antrag gemäß § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufG) ab. Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde sodann den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie stützte ihre Entscheidung auf § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) und begründete folgendermaßen:
"Nach der auch auf Ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage haben Sie eine österreichische Staatsbürgerin am 05.06.1994 in Jugoslawien geheiratet.
Hiezu ist folgendes festzustellen gewesen:
Die von Ihnen verehelichte Fr. BN heiratete am 21.06.1994 beim Standesamt Wien-Margareten Herrn SJ. Auch konnte ein gemeinsamer Haushalt von Ihnen mit Ihrer angeblichen Ehegattin nicht ermittelt werden. Für die erkennende Behörde liegt somit schlüssig eine Scheinehe vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Eingehung einer Ehe nur zum Zweck der Beschaffung einer Aufenthaltsbewilligung oder eines Befreiungsscheines einen evidenten Rechtsmißbrauch dar. Dieser Mißbrauch stellt ein Verhalten dar, das als gravierende Beeinträchtigung des geordneten menschlichen Zusammenlebens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten ist.
Damit liegt ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor und kann Ihnen daher auch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwiegen daher Ihre privaten Interessen."
In der Beschwerde rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde kein Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG zu dem von ihr - erstmals - herangezogenen Abweisungsgrund gewährt habe. Bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschrift hätte er vorgebracht, daß die mit der österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe keine Scheinehe sei, es bestehe "vielmehr ein gemeinsamer Haushalt an der Adresse 1170 Wien". Es sei ihm die Vorlage von Beweismitteln vorenthalten worden, etwa die Einvernahme der Ehegattin oder eine Gegenüberstellung der Ehegattin vor der Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG war die belangte Behörde im Rahmen der Sache (das ist im konkreten Fall die Versagung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz) berechtigt, den erstinstanzlichen Bescheid "nach jeder Richtung", also auch - wie geschehen - unter Heranziehung des von der Behörde erster Instanz nicht angewendeten Versagungstatbestandes des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, abzuändern. Hiebei hatte sie jedoch Parteiengehör im erforderlichen Umfang zu gewähren (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137).
Zwar führt eine Verletzung des Parteiengehörs nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall möglicherweise von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnte. Hiebei obliegt es dem Beschwerdeführer, in der Beschwerde (gegebenenfalls unter Anführung von Beweisen) darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer durch die Behauptung, es bestehe mit der von ihm am 5. Juni 1994 in Jugoslawien geehelichten österreichischen Staatsbürgerin ein gemeinsamer Haushalt bzw. Hausstand, und durch das Beweisanbot der Einvernahme der Ehegattin die Relevanz des unterlaufenen Verfahrensmangels dargetan, da im Falle des Zutreffens dieser Behauptung nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könnte, daß er die Ehe nur zum Zweck der Beschaffung einer Aufenthaltsbewilligung oder eines Befreiungsscheines geschlossen habe.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191313.X00Im RIS seit
02.05.2001