TE Bvwg Beschluss 2020/7/3 L506 2232365-1

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Veröffentlicht am 03.07.2020
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Entscheidungsdatum

03.07.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs1

Spruch

L506 2232365-1/3Z

BESCHLUSS

A) Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Gabriel als Einzelrichterin über die Beschwerde und den Vorlageantrag des XXXX , geb. XXXX , StA. Israel, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle St. Pölten, vom 13.03.2020 und nach Beschwerdevorentscheidung vom 05.06.2020, Zl. XXXX :

A)

Der Beschwerde und dem Vorlageantrag wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. stattgegeben und wird dieser gem. § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

In einem wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), stellten am 11.11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit aktuellem Bescheid und Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2020 bzw. 05.06.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Israel abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Israel gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.).

Einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA hielt zum Vorbringen des Beschwerdeführers in den angefochtenen Entscheidungen fest, dass sich aufgrund der offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit der Angaben des BF keine glaubhafte Verfolgung ableiten lasse.

Der BF habe anlässlich der Erstbefragung angegeben, Schweißer zu sein, in der Einvernahme habe er erklärt, Arbeiter in einer Lachsfabrik und zuvor Tellerwäscher gewesen zu sein. Im Asylverfahren in Norwegen, welches im September 2011 finalisiert worden sei, habe er erklärt, Cafehausbesitzer gewesen zu sein. Bedrohung aufgrund seiner Religion sei im Asylverfahren in Norwegen nicht vorgebracht worden.

Beim BFA habe der BF erklärt, seit seiner Taufe am 24.12.2010 ein christliches Kreuz getragen zu haben und deswegen von Arbeitskollegen und anlässlich Personenkontrollen unterdrückt worden zu sein. Auch sei es als konstruiert anzusehen, wenn der BF einen Taufschein vorlege, welcher 5 Jahre nach der Taufe ausgestellt worden sei und sei es unglaubwürdig, dass der BF den Gottesdienst in einer 10 km entfernte Kirche besucht habe, jedoch habe eine Internetrecherche ergeben, dass eine Wegstrecke 5 km und nicht, wie vom BF angegeben, 10 km betrage.

Letztlich habe der BF anlässlich der Schilderung seiner Reiseroute seinen Aufenthalt in XXXX und XXXX nicht angegeben und stimmen die Zeitangaben zu seiner Berufstätigkeit nicht mit den Aus- bzw. Einreisestempeln im Reisepass überein.

3. Gegen diese Bescheide richten sich die fristgerechte Beschwerde und der Vorlageantrag. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

4. Die gegenständliche Beschwerde und der Vorlageantrag langten samt erstinstanzlicher Verwaltungsakte am 26.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch die Einzelrichterin

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

2. Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

2.1. § 18 BFA-VG lautet wie folgt:

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18 (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2.

schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3.

der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4.

der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5.

das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6.

gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7.

der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2.

der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3.

Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

2.2. Die Bestimmung des § 18 BFA-VG folgt in Bezug auf die Aberkennung bzw. Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konzeptionell jenem des § 38 Abs. 1 AsylG 2005.

Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Ziffer 5 BFA-VG ist festzuhalten, dass im Hinblick auf die Judikatur der Höchstgerichte zu § 6 Z 3 AsylG 1997 in dessen ursprünglicher Fassung das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, nicht schlichte Unglaubwürdigkeit ausreicht (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214; Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, S 483f), sondern ein qualifizierter Fall fehlender Glaubwürdigkeit vorliegen muss.

Der Abweisungsgrund des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfasst nur Fälle qualifizierter (offensichtlicher) Unglaubwürdigkeit, eine schlichte Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens kann die Abweisung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht rechtfertigen. Es müssen Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss "unmittelbar einsichtig" ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die Schilderung des Asylwerbers wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich "quasi aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen "klar auf der Hand liegen" (VwGH 22.12.2005, 2003/20/0205, Hinweis E 21. August 2001, 2000/01/0214; E 6. Mai 2004, 2002/20/0361).

Die zitierte Rechtsprechung ist auch auf den gegebenen Fall übertragbar.

Der BF hat angegeben, seinen Herkunftsstaat im November 2019 infolge von fortlaufenden verbalen Anfeindungen zB durch Arbeitskollegen und der Polizei aufgrund seines Religionsbekenntnisses verlassen zu haben.

Der BF ordnet seine Konversion zum christlichen Glauben bzw. seine Taufe zeitlich im Jahr 2010 ein. Dem BFA ist zwar beizupflichten, wonach es nicht für die Glaubwürdigkeit seiner Angaben spricht, dass er Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit anlässlich seines Asylverfahrens in Norwegen im Jahr 2011 gänzlich unerwähnt ließ und sich Divergenzen zur seitens des BF angegebenen Reiseroute im Vergleich mit den Ein- bzw. Ausreisestempeln in seinem Reisepass ergeben und auch das Vorbringen hinsichtlich seiner Berufstätigkeit und der Weglänge zur Kirche nicht widerspruchsfrei ist, doch kann aus diesen Ungereimtheiten nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass der BF nach seiner Rückkehr nach Israel im Jahr 2011 bis zu seiner nunmehrigen Ausreise im November 2019 hinsichtlich dieses Zeitraumes (2011-2019) ein offensichtlich tatsachenwidriges Vorbringen zu seiner Bedrohungssituation erstattete.

Der belangten Behörde kann zwar nach einer Grobprüfung der Angaben der BF zum nunmehrigen Zeitpunkt nicht gänzlich entgegengetreten werden, wenn diese beweiswürdigend festhält, dass die Angaben der BF als unglaubwürdig zu qualifizieren sind, doch kann eine qualifizierte Unglaubwürdigkeit, wie diese in § 18 Abs. 1 Ziffer 5 BFA-VG normiert ist, im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.

Im vorliegenden Fall ist allenfalls von einer schlichten Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers auszugehen und kommt daher eine Anwendung des § § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG nicht in Betracht.

Aus den dargelegten Gründen liegt somit keine qualifizierte Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF iSd § 18 Abs. 1 Z 5 leg.cit. vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3. Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat gemäß Abs. 2 leg.cit. aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat.

Dem Vorlageantrag kommt daher gem. § 15 Abs. 2 Z 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall ersatzlose Teilbehebung Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L506.2232365.1.00

Im RIS seit

25.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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