Entscheidungsdatum
08.07.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
1. L518 2144081-1/9E
2. L518 2144069-1/8E
3. L518 2144076-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von (1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, (2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Aserbaidschan und (3.) XXXX , geb. XXXX , StA. Aserbaidschan, vertreten durch RAe Dr. DELLASEGA & Dr. KAPFERER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016, Zl. 13-831421707-2376333, Zl. 13-831421805-2376605, 14-1001411301-14076791 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 und 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
Im Übrigen wird den Beschwerden stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF für auf Dauer unzulässig erklärt.
XXXX und XXXX wird gemäß §§ 54, 55 und 58 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
XXXX wird gemäß §§ 54, 55 und 58 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP3“ bezeichnet) brachten bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.
Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Lebensgefährten und Eltern der in Österreich geborenen, minderjährigen bP 3, für welche am 20.01.2014 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Die bP 1 und 2 brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 03.10.2013 die Anträge ein.
I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 1 im Wesentlichen Folgendes vor:
Als ich 2008 nach Russland ging, habe ich dort meine Frau kennen gelernt und geheiratet. Meine Frau ist Aserbaidschanerin. Wir kamen 2009 gemeinsam nach Armenien zurück. Am Anfang wusste niemand, dass meine Frau aus Aserbaidschan stammt. Im Januar oder Februar 2012 haben die Bewohner erfahren, dass meine Frau aus Aserbaidschan stammt. Ab diesem Zeitpunkt begannen dann unsere Probleme. Ich wurde immer wieder auf der Straße von der Bevölkerung beschimpft, erniedrigt und geschlagen, auch mit Messern attackiert. Ich war bei der Polizei und habe Anzeige erstattet. Die Polizei wollte von mir Beweise bzw. Namen von diesen Personen die mich schlugen. Ich hatte aber keine Namen und keine Beweise. Im März 2013 war ich in einem Reisebüro und habe mich über Flüge erkundigt. Als ich von diesem Büro herauskam, trafen mich einige Landsleute, fragten mich, ob ich ins Ausland verreisen will. Ich verneinte dies, daraufhin haben sie mir meinen Reisepass abgenommen und zerrissen. Sie sagten, dass ich meine Frau wegschicken muss und mich von ihr trennen soll und dass ich in Armenien bleiben soll. Als ich im März bzw. April von der Schwangerschaft meiner Frau erfuhr, entschloss ich mich, das Land zu verlassen, weil ich Angst um meine Frau bzw. um mein Kind hatte. Ab diesem Zeitpunkt haben wir uns nicht mehr zu Hause aufgehalten, sondern waren immer an verschiedenen Orten, bis unsere Ausreise organisiert wurde und wir nach Europa kamen. Das sine meine Fluchtgründe, andere Gründe habe ich nicht.“
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 2 im Wesentlichen Folgendes vor:
„Mein Mann wurde mehrmals zusammengeschlagen, weil er eine Aserbaidschanerin geheiratet hat. Auch seine Eltern sind gegen unsere Ehe. Am Anfang habe ich es verheimlicht, dass ich eine Aseri bin. Ich traute mich nicht auf die Straße. Später haben alle davon erfahren. Als ich schwanger geworden bin, hatte ich nicht nur um mich selbst Angst, sondern auch um mein ungeborenes Kind. Daher trafen wir die Entscheidung aus Armenien zu fliehen. Wir konnten nicht gleich ausreisen, weil wir nicht so viel Geld hatten. Wegen meiner Volksgruppe konnte ich nicht in Armenien leben, andere Fluchtgründe habe ich nicht.“
I.2.2. Mit Schreiben der bB vom 04.11.2013 wurden die bP aufgefordert, Beweismittel und Dokumente vorzulegen. Eine Übermittlung erfolgte nicht.
I.2.3. Vor der belangten Behörde brachte die bP 1 im Rahmen der ersten Einvernahme am 30.05.2016 zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:
F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!
A: 2009 bin ich mit meiner Frau nach Armenien zurückgekehrt. Ich habe meine Frau als Armenierin ausgegeben. Wir haben uns in Russland bereits Unterlagen auf einen Armenischen Namen ausstellen lassen. Im Winter 2012 war ich einmal mit meiner Frau einkaufen und habe dort einen armenischen Bekannten aus Russland getroffen. Dieser Armenier wusste, dass meine Frau Aserbaidschanerin ist. Das hat er auch seinen Verwandten erzählt. In Armenien ist das nicht gut angesehen, weil Armenien immer wieder Krieg führt mit Aserbaidschan. Die Unruhen im Berg Karabach gibt es immer noch. Aserbaidschan und Armenien sind verfeindet. Aufgrund dessen hatte ich dann Probleme, weil die Bevölkerung und die Nachbarn uns nicht in Ruhe gelassen haben. Ich wurde von den Leuten zur Rede gestellt, warum ich eine Aserbaidschanerin als Frau habe. Ich sollte sie zum Friedhof bringen, töten und dort begraben. Sie haben mich nicht in Ruhe gelassen. Sie haben dann gesagt, dass sie mich schlagen und ruinieren werden.
Im Frühjahr 2012 wurde ich dann das erste Mal geschlagen. Als ich geschlagen wurde, haben diese Männer untereinander gesprochen, dass sie mich nicht töten, weil ich langsam sterben sollte. Ich war dann bewusstlos. Ich kam zu mir und stand auf und ging nach Hause. Zu Hause habe ich niemanden erzählt, was passiert ist. Danach haben sich solche Vorfälle wiederholt. Meiner Frau habe ich dann erzählt, dass es nicht akzeptiert wird, dass sie Aserbaidschanerin ist. Ich habe zu ihr gesagt, dass sie zu Hause bleiben muss. Eines Tages stand ich auf der Bushaltestelle und es kamen vier Personen. Sie haben mich angegriffen. Einer von denen hatte ein Messer in der Hand. Er hat mich mit dem Messer attackiert. Auf meinem linken Arm wurde ich dann verletzt. (Anmerkung: Der Antragsteller hat eine große Narbe auf dem linken Unterarm). Ich bin auf dem Boden gefallen und habe stark geblutet. Ein Auto brachte mich dann in die Klinik und ich wurde dort behandelt. Danach kam die Polizei und ich habe dazu Angaben gemacht. Meine Frau hat auch ausgesagt. Sie sagte auch ihre wahre Identität.
Die Polizei hat mir daraufhin Probleme gemacht, weil meine Frau falsche Unterlagen hatte. Sie sagten zu mir, dass meine Frau eine aserbaidschanische Spionin ist. Daraufhin erwiderte ich, dass meine Frau selber Opfer in Sungaid war. Ihre Eltern wurden umgebracht. Ihre Mutter war Armenierin und ihr Vater Aserbaidschaner. Meine Frau ist bei ihrer Großmutter in Russland aufgewachsen. Nach drei vier Tagen war ich wieder bei der Polizei. Der Polizist wollte sich mit mir in einem Cafe neben dem Magistrat treffen.
Als ich im Cafe war, war der Polizist alleine. Er hat zu mir gesagt, dass die Sache mit den falschen Dokumenten nur er und sein Kollege wüssten. Wenn ich nicht möchte, dass die Urkundenfälschung heraus kommt, dann sollte ich ihm 3000 US$ geben. Ich hatte aber nicht so viel Geld. Ich habe ihm dann 2000 US$ gegeben nach zwei Tagen. Danach habe ich mich nicht mehr an die Polizei gewandt. Ich wusste, dass es aussichtlos ist. Uns wird dort nicht geholfen. Wir trauten uns kaum auf die Straße. Ich wurde dann noch ein paar Mal geschlagen. Als ich meinen Freund in XXXX in der Stadt besuchen wollte, er wohnte im vierten Stock eines Hauses. Ich wollte ihn um Geld bitten. Ich wurde im Treppenhaus angehalten von anderen Jungs. Sie haben mich dann vom 2. Stock aus dem Fenster geworfen. Ich hatte Glück, dass ich nicht gestorben bin. Seither habe ich Probleme mit den Hüften. Es gab noch mehrere Vorfälle, aber ich habe mich entschieden zu gehen, als meine Frau schwanger wurde.
Ich bin dann zum Passamt gegangen und wollte dort mir einen Eintrag machen lassen, dass ich ins Ausland reisen kann. Das muss man alle fünf Jahre machen lassen. Um die Gebühr zu bezahlen, ging ich zur Bank. Ich machte mich auf dem Weg zur Bank. Dann kamen zwei Jungs auf mich zu und sie fragten mich, was ich beim Passamt wollte. Sie fragten mich ob ich aus dem Land flüchten wollte. Einer hat mich mit einem Stein auf den Kopf geschlagen. Ich habe davon auch eine Narbe auf dem Kopf. Seit diesem Zeitpunkt habe ich Erinnerungslücken. Diese Personen haben dann meinen Pass zerrissen.
Dann sind wir nach Jerewan gegangen. Dort habe ich dann XXXX getroffen. Er war ein Bekannter von mir. Ich habe mich beschlossen an ihn zu wenden. Ich fragte ihn was es kosten würde, wenn er mir hilft ins Ausland zu gehen. Er hat gesagt, dass er es von der Ukraine nach Deutschland organisieren könnte für 10000 Euro. Er sagte mir, dass er mir auch für 3000 Euro in die Ukraine helfen könnte. Er hat das dann alles organisiert. So haben wir das dann gemacht. (Ende der freien Erzählung)
F: Wie viele Übergriffe gab es auf Ihre Person insgesamt?
A: Es gab mindestens 50 Übergriffe auf meine Person.
F: Wann war der erste Übergriff und wann der letzte?
A: Der erste war im Frühjahr 2012 auf dem Friedhof und der letzte Übergriff war im Sommer 2013.
F: Wer waren diese Personen die Sie angegriffen haben?
A: Einige Personen kannte ich vom Sehen. Die Anderen nicht. Der, der mich mit dem Messer verletzt hat wurde Karen genannt. Mehr weiß ich nicht.
F: Wie viele Personen waren es überhaupt insgesamt?
A: Es waren ungefähr 250 Personen insgesamt.
F: Was war der Sinn und Zweck dieser Aktionen?
A: Sie wollten mich bestrafen dafür, dass ich unseren Erzfeind geheiratet habe. Sie wollten, dass ich meine Frau eigenhändig umbringe.
F: Wie viele Übergriffe haben Sie der Polizei gemeldet?
A: Ich habe nur zwei bis drei Übergriffe gemeldet. Nach der Bestechung habe ich das nicht mehr gemacht. Ich konnte der Polizei auch keine Namen nennen, deswegen konnten sie mir auch nicht helfen. Sie haben es aber aufgenommen, aber ich wusste keine Namen.
F: Wie kann es überhaupt sein, dass 250 Personen Sie deswegen verfolgen?
A: Sie haben das gemacht.
F: Sie haben gesagt, dass Sie gefälschte Dokumente für Ihre Frau gehabt hätten. Was war das konkret?
A: Sie hatte einen armenischen Reisepass.
F: Wer war dieser Bekannte, der wusste, dass Ihre Frau aus Aserbaidschan stammt?
A: Er hat ebenfalls in Russland dort gelebt wo wir gelebte haben. Ich weiß nur den Vornamen. Er heißt XXXX
F: Wenn Sie wissen, dass es derartige Probleme gibt, wieso gingen Sie dann gemeinsam nach Armenien?
A: Wo sollte ich sonst hin? Ich hatte in Russland nur einen vorübergehenden Aufenthalt. Ich hatte keinen dauerhaften Aufenthalt. Einmal habe ich die drei Monatsfrist aus Versehen überschritten und deswegen konnte ich nicht mehr legal dort bleiben.
F: Gab es jemals irgendwelche Übergriffe auf Ihre Frau?
A: Nein. Ich habe zu ihr gesagt, dass sie das Haus nicht verlassen soll.
Vor der belangten Behörde brachte die bP 2 im Rahmen der ersten Einvernahme zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:
F: Was war der konkrete Grund, warum Sie Armenien verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!
A: Das Problem ist meine Herkunft. Im Jahre 2009 bin ich mit meinem Mann nach Armenien gezogen. Ich konnte Russisch und Armenisch hat mein Mann mir beigebracht. So haben wir ein bis zwei Jahre gelebt ohne Probleme. Bis wir eines Tages in einem Supermarkt einen Mann getroffen haben, den wir aus der Zeit in Russland kannten. Der hat mich sofort mit meinem wahren richtigen Namen angesprochen. In Armenien nannte ich mich XXXX . Er hat mich gefragt was ich hier mache und wie ich hier lebe. Dann hat er diese Sache entweder zu Hause oder sonst wie erzählt. Jedenfalls haben es einige Menschen erfahren, dass ich Aserbaidschanerin bin. Nachdem mein Mann überfallen wurde, wusste auch die Polizei dann Bescheid, dass ich wegen meiner Identität gelogen habe. Dann hatte ich mit diesen auch Probleme. Zudem hatte ich ständig Probleme mit meinen Nachbarn. Die Kinder haben mich beschimpft und bespuckt. Die Erwachsenen haben mich auch beschimpft. Mein Mann hatte sehr große Probleme. Er wurde wegen mir immer wieder angegriffen. Er wurde geschlagen. Er wurde mehrfach misshandelt und verprügelt. Er hat ernsthafte Verletzungen davon getragen. Er wurde auch mit einem Messer attackiert. Ich hatte Angst, dass ich ihn das nächste Mal nicht mehr lebend sehen werde. Ich bin 2013 dann schwanger geworden. Auf dieses Kind haben wir lange gewartet, weil ich sehr lange Zeit nicht schwanger werden konnte. Bei allen Untersuchungen wurde mir gesagt, dass ich die Antibabypille nehme. Aber ich habe die Pille nicht genommen. Ich bin der Meinung, dass mir meine Schwiegermutter diese untergemischt hat. Sobald wir dann alleine lebten, war ich innerhalb von drei Monaten schwanger. Zuerst haben wir eine Wohnung gemietet in glaube ich XXXX . Danach lebten wir auch bei dem Sohn von der Tante meines Mannes, weil er in St. Petersburg war und die Wohnung frei war.
F: Wann gab es den ersten Übergriff auf Ihren Mann?
A: Ich kann mich an den genauen Tag nicht erinnern. Ich weiß nicht mehr wann das war.
F: Wie viele Übergriffe gab es auf Ihren Mann insgesamt?
A: Es waren sehr viele Übergriffe. Es waren fünf bis sieben große Vorfälle. Aber geschlagen wurde er sehr sehr oft. Wie oft kann ich wirklich nicht sagen.
F: Wer waren diese Personen die Ihren Mann verprügelt haben?
A: Wir kannten sie nur vom Sehen. Sie waren aus unserer Gegend. Und es waren Leute die ich nicht kannte.
F: Was war der Sinn und Zweck der Übergriffe?
A: Der Hauptgrund war, dass mein Mann sein Volk verraten hat, weil er mich zur Frau genommen hat. Sie wollten, dass ich gehe und er bleibt. Wir sollten nicht zusammen sein.
F: Wie haben Ihre Schwiegereltern reagiert als Sie erfahren haben, dass Sie aus Aserbaidschan sind?
A: Meine Schwiegereltern haben negativ darauf reagiert. Die Reaktion meiner Schwiegermutter war, dass ihr Sohn Schande über die Familie gebracht hat. Sie sagte, dass sie eine angesehene Person sei als Lehrerin und nun so etwas passiert ist. Sie sagten mir immer wieder, dass sie wegen mir Probleme hätten. Die Eltern nehmen ihre Kinder aus der Klasse wegen mir. Ich habe immer gesagt, dass ich alles mache im Haus. Was spielt es für eine Rolle was ich genau bin? Ich sagte, dass ich deswegen ja kein schlechter Mensch sei.
F: Wieso gingen Sie überhaupt nach Armenien?
A: Zu der Zeit wo wir umgezogen sind, hatte mein Mann Probleme mit seinem Aufenthalt in Russland. Er hat auch nicht mehr so viel Arbeit gehabt wie früher. Ich habe dann alleine gearbeitet und meine Oma ist verstorben. Es waren so schlechte Zeiten. Wir dachten wenn wir gemeinsam mit den Eltern in Armenien leben, dann geht es uns besser. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass zwischen unseren Völkern so viel Feindseligkeit herrscht. Das konnte ich mir zu der Zeit nicht vorstellen.
F: Wie oft haben Sie und Ihr Mann sich an die Polizei gewandt?
A: Ich war einmal bei der Polizei. Aber die sind so mit mir umgegangen, dass ich nie mehr hingegangen bin.
F: Was meinen Sie damit?
A: Es war nachdem mein Mann mit dem Messer verletzt wurde. Er war in der Klinik und wurde am Arm verletzt. Mein Schwager hat mir das gesagt was passiert ist. Ich ging dann zur Polizei und wollte eine Anzeige erstatten. Die Polizei fragte mich nach meinen Unterlagen. Ich legte meinen Ausweis vor und ich habe angefangen zu erzählen warum wir Probleme haben. Ich sagte, dass ich der Grund sei. Dann hat er mich gefragt, was ich hier für ein Dokument vorgelegt habe. Ich habe dann gesagt, dass es sich um eine Fälschung handelt. Dann haben sie mich angefangen mich auszufragen. Sie fragten mich dann über den gesamten Reiseweg und die Umstände meines Aufenthalts. Sie haben dann nicht mehr aufgenommen warum ich hier bin. Sie haben mich dann nach Hause gehen lassen. Ich wurde dann mehrmals vorgeladen wegen meiner Sache und wegen den Dokumenten. Sie wollten dann wissen ob ich beim Militär war oder meine Familie. Mein Mann hat dann Geld bezahlt, damit dieses Problem erledigt war.
F: Wo haben Sie Anzeige erstattet bei welcher Polizeistation?
A: Ich war bei der Polizei in XXXX .
I.3. Am 01.06.2016 wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation gestellt. Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation langte am 22.07.2016 bei der Behörde ein.
Am 19.09.2016 wurden die bP bei der bB nochmals einvernommen.
Das Ergebnis der Anfragebeantwortung sowie eine Anfragebeantwortung zur Situation von gemischtethnischen Paaren und zur Schutzfähigkeit wurde den bP zur Kenntnis gebracht und wird auszugsweise aus der im Wesentlichen den gleichen Inhalt wie die Einvernahme der bP 2 aufweisenden Einvernahme der bP 1 zitiert wie folgt:
Feststellung: Im Zuge Ihrer Einvernahme am 30.05.2016 haben Sie sich damit einverstanden erklärt, dass Ihre Angaben einer vertraulichen Überprüfung unterzogen werden. Die Ergebnisse dieser Anfrage liegen der Behörde nun vor und haben Sie heute die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen. Haben Sie das verstanden?
A: Ja, das habe ich verstanden.
Anmerkung: Das Ergebnis der Anfragebeantwortung wird dem Antragsteller von der Dolmetscherin zur Kenntnis gebracht. Anschließend wird der Antragsteller aufgefordert zu den Vorhalten Stellung zu nehmen.
Vorhalt: Sie haben im Zuge Ihrer Einvernahme am 30.05.2016 angegeben, dass Ihr Bruder über Ihre Probleme Bescheid wüsste. Er wüsste über alles Bescheid. Nun ist jedoch dazu zu sagen, dass Ihr Bruder behauptete, dass er in den letzten 14 Jahren keine Kontakte oder Beziehungen zu Ihnen gehabt hätte. Ihr Bruder wusste nichts über Ihre Probleme und bestätigte keine einzige Angabe von Ihnen. Was sagen Sie dazu?
A: Egal wer ihn fragt, er würde immer sagen, dass er meine Probleme nicht kennt, weil er Angst hat darüber zu sprechen.
Vorhalt: Ihr Vater gab an, dass Sie nach Ihrem Universitätsabschluss und nach der Armee nach Russland auf Arbeitssuche gegangen wären. Nach Ihrer Rückkehr aus Russland hätten Sie wieder in Armenien gelebt. Er gab an, dass er nicht genau wüsste wo Sie in Armenien gelebt hätten. Sie hätten jedenfalls nicht gemeinsam mit Ihren Eltern gelebt sowie von Ihnen behauptet. Ihr Vater wusste zwar, dass Ihre Frau aus Russland und einer gemischt-ethnischen Familie stammt, er wusste jedoch auch nicht, dass Ihre Frau eine aserbaidschanische Herkunft hat. Ihr Vater gab an, dass er sich niemals mit Ihnen und Ihrer Frau getroffen hätte. Zu Ihren Problemen gab Ihr Vater an, dass er dazu nichts sagen könnte. Ihr Vater bestätigte auch nicht, dass er gegen eine Hochzeit war.
Der Verbindungsbeamte hatte den Eindruck, dass Ihre Familienangehörigen nicht umfassend von Ihnen informiert wurden und deshalb immer nur unklare und vage Antworten abgaben.
Was sagen Sie dazu?
A: Ich weiß nicht wie ich ihnen das erklären soll. Es ist in Armenien so, dass jeder Probleme bekommt und dann bekommt man auch noch Probleme mit dem Staatschutz. Es gibt in Armenien kein freiheitliches Denken. Mein Vater hat deswegen nicht die Wahrheit gesagt. Man kann bei uns eingesperrt werden ohne Ermittlungsverfahren.
Vorhalt: Es ist somit tatsachenwidrig, dass Ihre Eltern gegen die Beziehung waren. Zudem hat Ihr Vater auch niemals erwähnt, dass er Probleme mit der Bevölkerung gehabt hätte, weil man ihm vorgeworfen hätte, eine Spionin zu beherbergen. Dass Ihre Mutter Probleme in der Schule deshalb gehabt hätte, konnte auch nicht festgestellt werden. Somit waren Ihre gesamten Angaben als unglaubwürdig zu qualifizieren. Was sagen Sie dazu?
A: Alles was sie sagen, stimmt nicht. Jeder hat Angst um sich selbst. Man kann das schwer erklären. Jeder hat Angst offen über so etwas zur reden. Der Staatschutz ist der frühere KGB. Mein Bruder weiß über alles Bescheid auch mein Vater weiß Bescheid, aber das werden sie nie sagen, weil sie Angst haben.
Vorhalt: Der Verbindungsbeamte versuchte ohne Weitergabe von personenbezogenen Daten bei der Polizei Ihre behaupteten Anzeigen zu recherchieren. Jedoch konnte weder durch die Polizei nach Aufzählung der von Ihnen angegebenen Sachverhalte, noch bei Recherchen in den Medien etwas darüber gefunden werden. Was sagen Sie dazu?
A: Sie haben das auch nicht offiziell aufgenommen. Die Polizeibeamten haben unsere Anträge nicht schriftlich aufgenommen. Dementsprechend kann man das dann in den Unterlagen auch nicht finden.
Vorhalt: Dass Ihre Frau Probleme mit der Polizei wegen gefälschten Dokumenten gehabt hätte, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Was sagen Sie dazu?
A: Das kann doch nicht sein, dass die Polizei diese Unterlagen aufhebt, weil sie dann selbst Probleme bekommen würden. Ich habe dort Schmiergeld bezahlt, damit sie diese Sache vertuschen. Deshalb sagen sie darüber nichts mehr und die Sache ist jetzt auch erledigt.
Vorhalt: Es ist somit mehr als offensichtlich, dass Ihre Angaben nicht den Tatsachen entsprechen. Was sagen Sie dazu?
A: Ich habe die Wahrheit gesagt und meine Familie hat Angst, deswegen sagen sie nichts. Mein Vater und mein Bruder würden immer sagen, dass sie nichts wissen. Sie werden nie die Wahrheit sagen. Sie können meine Familie hier lassen und mich alleine nach Armenien schicken und dann können sie sehen was passiert. Dann wissen sie die Wahrheit. Meine Familie will nicht, dass dasselbe mit ihnen geschieht was mir passiert ist.
Feststellung: Ihnen werden nun noch die Feststellungen der Staatendokumentation zur Situation von gemischtethnischen Paaren und zur Schutzfähigkeit zur Kenntnis gebracht.
Was sagen Sie dazu?
A: In Armenien wohnen keine Aserbaidschaner die Mischehen eingegangen sind. Das waren Aserbaidschaner armenischer Herkunft deswegen bekommen sie auch die Armenische Staatsbürgerschaft. Es ist klar, dass es offiziell alles so steht, man kann die Wahrheit gar nicht schreiben. Es gibt keine Aseri mehr in Armenien, deswegen können diese auch nicht diskriminiert werden. Es gibt nur mehr ein paar Aseris in Berg-Karabach und diese werden als Beispiel für die Toleranz von Armenien hergenommen.
Anmerkung: Der Antragsteller will die Feststellungen zur Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit nicht hören, gibt dazu aber an, dass alles nur auf dem Papier steht. Es ist in Wirklichkeit aber alles ganz anders ist.
F: Hat sich an Ihrem Privat und Familienleben in Österreich seit Ihrer letzten Einvernahme etwas geändert?
A: Nein es hat sich nicht geändert. Ich besuche nur jetzt eine Physiotherapie. Sonst hat sich nichts geändert. Ich kann es leider nicht beweisen, dass die Gesetze in Armenien nicht funktionieren.
F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?
A: Wenn sie mich hier in dieser Situation sehen und mir nicht glauben und sie nur dem Glauben was auf dem Papier steht, dann weiß ich auch nicht mehr was ich da noch dazu sagen soll.
I.4. Für die bP 3 wurden keine eigenen Fluchtgründe genannt und berief man sich auf den Familienverband und die Gründe der Eltern.
I.5. Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:
- Führerschein bP 1
- Teilnahmebestätigungen an div. Projekten
- Deutschkursbestätigungen
- Ärztliche Unterlagen der bP 1
- Arbeitsbestätigungen bP 2
- Österreichische Geburtsurkunde (keine Eintragung hinsichtlich des Vaters) und Mutter – Kind Pass für bP 3
I.6. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien bzw. Aserbaidschan bei bP 2 und 3 nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien bzw. Aserbaidschan gemäß § 46 FPG zulässig sei.
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt.
I.6.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1) :
Glaubwürdig waren Ihre Angaben, dass Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite weder wegen Ihrer Religion, Ihrer Rasse Ihrer Volksgruppe noch Ihrer politischen Gesinnung verfolgt wurden.
Weiters glaubwürdig waren Ihre Angaben, dass Sie in der Heimat nie festgenommen oder verhaftet wurden.
Mit Ihren Angaben zu den Gründen Ihrer Ausreise vermochten Sie – wie nachstehend ausgeführt - eine Verfolgungsgefahr in der Heimat nicht glaubwürdig darzulegen. Die Behauptung einer konkreten Verfolgung in Ihrer Heimat kann nur als eine in den Raum gestellte Behauptung gewertet werden, der aufgrund der mangelnden Plausibilität und Nachvollziehbarkeit, wie nachstehend begründet, keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden kann. Um den Erfordernissen der Glaubwürdigkeit zu genügen, muss das Vorbringen des Asylwerbers nämlich hinreichend substantiiert sein, weshalb eine bloß vage Schilderung entscheidender Umstände für eine Glaubhaftmachung der asylrechtlichen Relevanz der Erlebnisse des Antragstellers nicht ausreicht. Weiters muss das Vorbringen, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Überdies muss – wie bereits zuvor ausgeführt – das Vorbringen plausibel sein, das heißt mit den Tatsachen oder den allgemeinen Erfahrungen übereinstimmen.
Als glaubwürdig können Fluchtgründe im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Antragsteller die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe der Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen wenn der Antragsteller während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollen und der Wirklichkeit nicht entsprechen.
Zu Ihren Fluchtgründen gaben Sie bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol am 30.05.2016 an, dass Sie Ihre Frau in Russland kennen gelernt hätten und 2009 mit Ihrer Frau nach Armenien gegangen wären.
Sie hätten Ihre Frau als Armenierin ausgegeben. Bis 2012 hätten Sie keine Probleme gehabt, dann hätten Sie jedoch einen Bekannten aus Russland getroffen und dieser hätte seinen Verwandten erzählt, dass Ihre Frau aus Aserbaidschan stammen würde.
Im Frühjahr 2012 wären Sie dann das erste Mal von unbekannten Personen geschlagen worden, weil Ihre Frau aus Aserbaidschan stammt. Dann wäre es immer wieder zu derartigen Vorfällen gekommen.
Sie behaupteten, dass es zwischen Frühjahr 2012 und Sommer 2013 insgesamt mindestens 50 Mal Übergriffe auf Ihre Person gegeben hätte. An diesen Vorfällen wären insgesamt ca. 250 Personen beteiligt gewesen.
Zunächst ist anzuführen, dass Ihre gesamten Angaben äußerst vage und oberflächlich waren.
So gaben Sie an, dass Sie mit einem Messer attackiert worden wären. Sie konnten jedoch nicht einmal angeben wann genau das gewesen wäre. Sie gaben nur an, dass es im Frühjahr 2012 gewesen wäre.
Sie waren nicht einmal in der Lage anzugeben in welchem Krankenhaus Sie dann behandelt worden wären, was weder plausibel noch nachvollziehbar war.
Sie behaupteten weiters, dass man Sie – als Sie Ihren Freund besuchen hätten wollen – in dessen Wohnhaus aus dem 2. Stock geworfen hätte. Sie konnten jedoch auch diesen Vorfall nicht zeitlich benennen, was für die Behörde vollkommen unverständlich ist, da es sich bei einem derartigen Vorfall um ein sehr einschneidendes Ereignis handelt.
In diesem Zusammenhang erscheint weiters vollkommen lebensfremd, dass Sie nachdem Sie wieder Ihr Bewusstsein erlangt hätten, dann noch zu Ihrem Freund in die Wohnung gegangen wären. Es ist nicht davon auszugehen, dass Sie dazu noch in der Lage gewesen wären, zumal Sie selbst behaupteten, dass Sie Schmerzen in der Hüfte und im Gesäß gehabt hätten.
Dazu gaben Sie einerseits an, dass der Arzt ein Röntgen gemacht und gesagt hätte, dass Sie nur eine Prellung erlitten hätten, andererseits behaupteten Sie jedoch, dass Sie deswegen – vier Jahre später - in Österreich an der Hüfte operiert werden hätten müssen. Auch diese Angaben erscheinen vollkommen lebensfremd.
Absolut unplausibel erscheinen Ihre Angaben, dass Sie ein Jahr lang 50 Übergriffe auf Ihre Person über sich ergehen hätten lassen von insgesamt 250 Personen. Es erscheint vollkommen realitätsfern, dass Sie mit einem Messer attackiert worden wären, dann aus dem Fenster geworfen und schlussendlich mit einem Stein geschlagen worden wären, Sie jedoch nach wie vor im Zugriffsbereich dieser Personen verblieben wären.
Es ist davon auszugehen, dass eine Person die derart schwerwiegenden Eingriffen ausgesetzt gewesen wäre, sofort die Flucht ergriffen hätte und sich nicht ein Jahr lang noch dort aufgehalten hätte.
Ihre Angaben wurden zudem einer Überprüfung im Heimatland unterzogen. Sie haben behauptet, dass Ihr Bruder über sämtliche Vorfälle und auch über Ihre familiären Probleme mit Ihren Eltern Bescheid wüsste.
Ihr Bruder gab jedoch dazu an, dass er in den letzten 14 Jahren keinerlei Kontakt zu Ihnen gehabt hätte. Er wusste auch nichts über Ihren Aufenthalt. Er bestätigte keine einzige Angabe von Ihnen. Weiters erzählte Ihr Bruder, dass Sie in Jerewan in einer Mietwohnung und nicht bei Ihren Eltern gelebt hätten.
Ihr Vater gab an, dass Sie nach der Armee nach Russland auf Arbeitssuche gegangen wären. Nach einem Jahr wären Sie zurückgekommen und hätten dann wieder in Armenien – wahrscheinlich in XXXX – gelebt. Ihr Vater könnte jedoch nicht angeben wo genau Sie gelebt hätten. Weiters erzählte Ihr Vater, dass Ihre Frau aus Russland aus einer gemischt-ethnischen Familie kommen würde. Über den ethnischen Hintergrund wäre ihm jedoch nichts bekannt. Ihr Vater gab auch an, dass er sich nie mit Ihnen und Ihrer Frau getroffen hätte.
Weiters gab Ihr Vater an, dass er über Ihre Probleme nichts sagen könnte. Er bestätigte keine einzige Angabe von Ihnen.
Dazu ist zu sagen, dass Ihre Aussagen und die Aussagen Ihrer Familienmitglieder im krassen Widerspruch zueinander stehen. Sie haben nämlich behauptet, dass Sie auch Probleme mit Ihrer Familie gehabt hätten, da Ihre Familie gegen die Beziehung gewesen wäre. Zudem hätte Ihre Familie Probleme mit der Bevölkerung gehabt, weil man ihnen vorgeworfen hätte, einen Spion zu beherbergen. Ihre Mutter wäre Lehrerin und die Eltern der Kinder hätten diese sogar nicht mehr in die Klasse Ihrer Mutter gehen lassen.
Auf die divergierenden Aussagen hingewiesen, gaben Sie folgendes an: „Ich weiß nicht wie ich ihnen das erklären soll. Es ist in Armenien so, dass jeder Probleme bekommt und dann bekommt man auch noch Probleme mit dem Staatschutz. Es gibt in Armenien kein freiheitliches Denken. Mein Vater hat deswegen nicht die Wahrheit gesagt. Alles was sie sagen stimmt nicht. Jeder Angst um sich selbst. Mein Bruder und mein Vater wissen über alles Bescheid, aber das werden sie nie sagen, weil sie Angst haben.“
Mit dieser Aussage vermochten Sie die widersprüchlichen Angaben jedenfalls nicht plausibel zu erklären.
Ein weiterer Hinweis für die völlige Unglaubwürdigkeit ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Verbindungsbeamte versuchte Ihre behaupteten Anzeigen zu recherchieren. Jedoch konnte weder durch die Polizei nach Aufzählung der von Ihnen angegebenen Sachverhalte, noch bei Recherchen in den Medien etwas darüber gefunden werden.
Auf Vorhalt gaben Sie an, dass das auch nicht offiziell aufgenommen worden wäre. Die Polizeibeamte hätten die Anträge nicht schriftlich aufgenommen. Deshalb könnte man auch nichts finden.
Aber auch diese Angaben kann nicht gefolgt werden, zumal Sie selbst angaben, dass die Polizei zu Ihnen ins Krankenhaus gekommen und den Vorfall mit der Messerattacke aufgenommen hätte.
Dass Ihre Frau Probleme mit der Polizei wegen den gefälschten Dokumenten gehabt hätte, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Aufgrund dieser Tatsachen hat sich die von Ihnen vorgebrachte Fluchtgeschichte in Ihrer Gesamtheit als realitätswidrig erwiesen.
Mit Ihrer Stellungnahme zum Erhebungsergebnis vermochten Sie die ermittelten Tatsachen, die Ihr gesamtes Fluchtvorbringen widerlegten, nicht ansatzweise zu widerlegen. Im Gegenteil, Sie behaupteten weiterhin vehement die Wahrheit gesagt zu haben.
Ihr gesamtes Fluchtvorbringen beruht auf abstrakten und allgemein gehaltenen Darlegungen, konkrete oder detaillierte Angaben konnten Sie – trotz Nachfrage – nicht machen.
Zusammengefasst kann aus Ihrer Geschichte und Ihrem Auftreten somit eindeutig geschlossen werden, dass Sie den gegenständlichen Asylantrag nur aus Zwecken der Aufenthaltserlangung in Österreich und unter Vortäuschung einer falschen Fluchtgeschichte gestellt haben.
Ihre Angaben waren weder Wirklichkeitsnah noch entsprachen die einem individuellen Gepräge und daher waren diese als nicht – erlebnisfundiert zu werten. Ihre gesamte Sachdarstellung konnte von der erkennenden Behörde nur als eine Fantasieproduktion gewertet werden und diese wiederum enthielt keinen stimmigen Detailreichtum. Insgesamt waren keinerlei Gefühlregungen erkennbar und auch keine aktive Beteiligung ersichtlich. Ihre Erzählungen wirkten als sahen Sie die Geschehnisse von draußen und Sie selbst waren kein beteiligtes Mitglied Ihrer Schilderungen.
Zusammenfassend war daher zu befinden, dass die Geschichte wohl asylzweckbezogen angelegt, in dieser Form aber weder nachvollziehbar noch glaubwürdig war, und die von Ihnen geltend gemachte Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Vielmehr kann aus Ihrem Auftreten geschlossen werden, dass Sie den Asylantrag nur zum Zwecke der Aufenthaltserlangung in Österreich gestellt haben.
In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.
I.6.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien sowie in Aserbaidschan traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.
I.6.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf die Herkunftsstaaten zulässig sind.
I.7. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bB ihre Ermittlungspflichten verletzt habe. Die bP hätten ein glaubwürdiges Vorbringen erstattet. Das Vorbringen der bP sei aufgrund zweier Aspekte, nämlich einer unrechtmäßig erfolgten Anfrage an die Staatendokumentation, welche gezielt unter Verwendung der Identität in Armenien erfolgt sei und der aktenwidrigen Feststellung, dass korrupte Handlungen von Polizisten jedenfalls in Polizeiakten dokumentiert sein müssten, als unglaubwürdig beurteilt worden. Vater und Bruder der bP 1 hätten bei dem Anruf durch einen angeblichen Mitarbeiter der Nationalen Sicherheitsbehörde Armeniens aus Angst und vor dem Hintergrund der Korruption in Armenien unwahre Angaben gemacht. Es wurden Passkopien von Vater und Bruder der bP 1 samt dazugehörigen Schreiben von ihnen übermittelt, in welchen sie ausführten, dass die bP wegen der Nationalität der bP 2 Armenien verlassen haben (die Schreiben wurden später mit 01.02.2017 im Original vorgelegt). Beim Anruf hätten sie gelogen, da sie keine Probleme haben wollten. Dies würde durch die Länderfeststellungen untermauert werden, wonach die Verwandten nachvollziehbar Angst vor der Polizei gehabt hätten, was zu den falschen Angaben geführt habe.
Es seien zudem keine Feststellungen dazu getroffen worden, wie das Familienleben der bP nach der Abschiebung in verschiedene Staaten stattfinden könnte. Durch eine Trennung der Familie wäre Art. 8 EMRK verletzt.
Die Länderfeststellungen sowohl hinsichtlich Armenien als auch Aserbaidschan hätten die Konfliktsituation in den Herkunftsstaaten der bP unberücksichtigt gelassen, seien nicht aktuell und ginge daraus überdies hervor, dass die Bürger nicht darauf vertrauen könnten, vor staatlicher Willkür geschützt zu werden.
Die bP 1 hätte keine „wirksame“ Anzeige einbringen können und sei vielmehr von der Polizei im Zusammenhang mit den gefälschten Papieren der bP 2 erpresst worden.
I.8. Für den 27.05.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.
Am 25.05.2020 langte eine Stellungnahme der bP ein. Nach Wiederholung des Vorbringens wurde ausgeführt, dass die bP 2 staatenlos sei. Damit sei auch die bP 3, in deren Geburtsurkunde kein Vater eingetragen sei, staatenlos. Sie habe lediglich Papiere von der ehemaligen UDSSR gehabt, welche nach dem Tod der Großmutter in Russland verloren gegangen wären. Sie hätte nie Papiere von Aserbaidschan gehabt, vielmehr habe sie in Armenien mit falscher Identität bzw. gefälschten armenischen Reisepass gelebt.
Die Analyse der Staatendokumentation zur Situation von gemischtethnischen Paaren stamme vom 06.04.2012 und sei daher nicht mehr aktuell. Unabhängig davon ginge aus der Analyse hervor, dass es in Armenien kaum Berichte über gemischtethnische Paare gäbe und kaum noch Personen mit aserbaidschanischer Staatsangehörigkeit in Armenien leben. Zudem sei die Anfragebeantwortung nicht anwendbar, da die Ausführungen letztlich Mischehen beträfen und die bP nicht verheiratet wären. Darüber hinaus würden die verbliebenen Aseri praktisch unsichtbar in Armenien leben, um sich Anfeindungen zu entziehen.
Die bP 1 würde das Medikament, welches sie in Österreich wegen ihrer Morbus Bechterev Erkranung erhalte (Simponi 50 cubcotan, Kosten in Österreich Eur 1060) in Armenien nicht erhalten. Ein Absetzen des Medikaments würde zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen und bedinge die Verabreichung eine engmaschige, ärztliche Kontrolle. Zudem werde das Immunsystem durch das Medikament geschwächt und würden in diesem Zusammenhang Feststellungen zum Corona Virus fehlen. Selbst wenn die bP das Medikament im Krankenhaus in Armenien erhält, könne sie sich dort im Kontakt mit Patienten leicht anstecken und sei bei einer Infizierung aufgrund des geschwächten Immunsystems mit einem letalen Krankheitsverlauf zu rechnen. In Armenien hätte die bP 1 keine Unterkunft, während sie in Österreich über eine Wohnung verfüge und die erforderliche Medikation aufgrund der Versicherung wegen der selbstständigen Tätigkeit erhalte.
Da die bP 1 innerhalb von 40 Tagen wegen Operationen 3 Narkosen erhalten habe, könne sie sich nicht mehr so gut konzentrieren und leide unter Vergesslichkeit. Mit dem Schreiben wurden zahlreiche Unterlagen zur Integration in Österreich vorgelegt. Zudem wurden medizinische Schreiben betreffend die bP 1 vorgelegt.
Die Verhandlung wurde in Anwesenheit der Parteien unter Einvernahme einer Zeugin zur Integration durchgeführt.
Vorgelegt in der Verhandlung wurde von den bP:
? Arztbrief und Einkommensnachweise der bP 1
Folgende Erkenntnisquellen wurden den bP in der Verhandung genannt und deren Inhalt erörtert:
- LIB der Staatendokumentation Armenien vom 8.5.2019
- Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 7.4.2019
- Analyse der Staatendokumentation vom 6.4.2012
- LIB der Staatendokumentation Aserbaidschan 25.07.2019 letzte Information eingefügt 16.04.2020
- Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Aserbaidschan 22. 02. 2019
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation von Armenien von 18. Juli 2017/16.
Mit Schreiben vom 4.7.2020 brachte die rechtsfreundliche Vertretung neuerlich Unterlagen der Heinrich Böll Stiftung betreffend Coronavirus in Armenien in Vorlage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
II.1.1.1. Bei der bP 1 handelt es sich um einen im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörigen Armenier, welcher sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennt. Die bP 1 ist in XXXX aufgewachsen und hat nach der Schule die Universität besucht und ist nach dem Militärdienst nach Russland gegangen, um dort zu Arbeiten.
Bei der bP 2 handelt es sich um eine Staatsangehörige von Aserbaidschan, welche in XXXX geboren wurde und als Kind mit der Großmutter nach Russland gegangen ist, wo sie legal aufhältig war bzw. einen Flüchtlingsstatus erhielt. Sie hat nach der Schule in Russland teilweise als Friseurin und im Geschäft ihrer Großmutter gearbeitet und dann als Verkäuferin gearbeitet. Sie ist Azeri und Christin. Sie spricht Russisch, Armenisch, Englisch und Deutsch.
Die bP 3 verfügt über eine von der bP 2 abgeleitete Staatsangehörigkeit von Aserbaidschan. Die bP 2 und 3 sind in Armenien aufgrund der Beziehungen zur bP 1 aufenthaltsberechtigt.
Die bP 1 und 2 haben sich in Russland kennen gelernt und sind 2009 von Russland nach Armenien umgezogen. In Armenien lebten sie bis zu ihrer Ausreise nach Österreich. Die bP arbeitete vor ihrer Ausreise aus Armenien als Hausbeorger.
Die Identität der bP 1 steht fest. Die Identität der bP 2 und 3 steht nicht fest.
Die bP 1 und 2 sind junge, arbeitsfähige Menschen mit einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage in den Herkunftsstaaten. Bei der bP 1 bestehen familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat.
Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert.
Familienangehörige der bP 1 (Bruder, Eltern, Onkel und Tanten, Cousins jeweils mit Familien) leben nach wie vor in Armenien und hat die bP 1 auch Kontakt mit ihnen. Der verstorbene Vater besaß gemeinsam mit seinem Bruder in Armenien ein Haus, in welchem die bP auch früher lebte. Die Erbschaft ist noch nicht geklärt. Die bP 1 hat alle 2-3 Tage Kontakt mit den Verwandten über das Internet. Die Mutter arbeitet als Lehrerin, der Bruder handelt mit Autoersatzteilen und gehen auch andere Familienangehörige einer Beschäftigung in Armenien nach.
II.1.1.2.
Die bP1 wurde in Österreich 2015 Hüftoperationen unterzogen und wurden ihr 2016 Nierensteine entfernt. Sie leidet an Morbus Bechterev (rheumatische Erkrankung) und wird monatlich mit dem Medikament Simponi 50, subcotan behandelt. Sie nimmt zudem Schmerzmittel und Magenschoner ein, eine weitere Behandlung oder Therapie liegt aktuell nicht vor. Es werden regelmäßig rheumatologische Verlaufskontrollen durchgeführt. Es liegen auch gemäß letztem Befund eine unbehandelte erosive Gastritis und Folgeerscheinungen der Nieren- sowie Hüfterkrankung vor.
Die bP 2 und 3 sind gesund.
Die von bP1 genannte Erkrankung ist in Armenien behandelbar und hat die bP auch Zugang zum armenischen Gesundheitssystem. Soweit sie im Falle der Behandlung mit einem Selbstbehalt belastet wird, steht es ihr im Falle der Bedürftigkeit frei, die Kostenübernahme des Selbstbehaltes durch den Staat zu beantragen, worüber eine eigens hierfür eingerichtete Kommission entscheidet.
Bei den volljährigen bP handelt es sich um mobile, junge, grundsätzlich gesunde, arbeitsfähige Menschen. Einerseits stammen die bP aus Staaten, auf deren Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Die volljährigen bP haben Zugang zum jeweiligen Arbeitsmarkt in ihren Herkunftsstaaten und es steht ihnen frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.
Ebenso haben die bP Zugang zum –wenn auch minder leistungsfähige als das österreichische- Sozialsystem des jeweiligen Herkunftsstaates und könnten dieses in Anspruch nehmen.
Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
II.1.1.3. Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit fast 7 Jahren im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben nicht von der Grundversorgung und haben Deutschkurse besucht. Sie sind strafrechtlich unbescholten.
Die bP 2 hat die ÖSD Deutschprüfung A2 am 04.03.2015, B1 am 28.11.2016 und B2 am 28.06.2018 abgelegt. Am 04.02.2019 hat sie die Pflichtschulabschlussprüfung in Österreich erfolgreich abgeschlossen.
Die bP 2 hat von 2014 bis 2016 für die Wohnsitzgemeinde gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet. Von Oktober 2015 bis März 2016 hat sie als Küchenhilfe gearbeitet. Von November 2017 bis April 2018 und von Mai 2018 bis November 2018 hat sie 40 Wochenstunden mit Beschäftigungsbewilligung in einem Hotel gearbeitet. Auch in den Jahren 2019 und 2020 war sie für dieses Hotel tätig. Aufgrund der Coronamaßnahmen wurde die Tätigkeit im März 2020 beendet, es wurde ihr vom Arbeitgeber schriftlich die Wiedereinstellung nach den Maßnahmen versichert. Sie verdiente monatlich jeweils ca. 1500 Eur, seit März bezieht sie Arbeitslosengeld.
Die bP 1 hat gemeinnützige Tätigkeiten für 3 Jahre in der Wohnsitzgemeinde in Österreich verrichtet. Mit August 2019 hat sie ein Gewerbe angemeldet und einen Verteilervertrag mit einem Medienzustellservice abgeschlossen. Sie verdient damit monatlich zwischen 1500 und 2300 Eur. Sie ist versichert und liegt eine Einstellungszusage für eine weitere Firma vor.
Die bP 1 und 2 haben an diversen Projekten und Kursen in Österreich teilgenommen.
Die bP 3 besucht den Kindergarten und einen Fußballverein. Sie nimmt Reitstunden und hat eine Frühsprachförderung erhalten, da sie mit mehreren Sprachen aufwächst.
Die bP verfügen über intensive soziale Kontakte in Österreich. Es kann betreffend die bP in ihrer speziellen Situation davon ausgegangen werden, dass eine Rückkehrentscheidung Art. 8 EMRK widerspricht.
II.1.2.1. Die Lage im Herkunftsstaat der bP 1 - Armenien
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien inzwischen um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
II.1.2.1.1. Allgemeine Länderinformation der Staatendokumentation, Stand 17.03.2020
Politische Lage
Letzte Änderung: 18.3.2020
Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).
Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister ist der Regierungsvorsitzende, während der Präsident vorwiegend zeremonielle Funktionen ausübt (USDOS 11.3.2020).
Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).
Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).
Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019
? ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia – 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019
? ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019
? BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019
? CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019
? OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019
? RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019
? USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 13.3.2020
? 168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government’s economic policy – PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html, Zugriff 21.3.2019
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 18.3.2020
Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 201