Entscheidungsdatum
08.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L518 2125931-1/18E
L518 2125934-1/28E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 05.05.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA der Republik Aserbaidschan, vertreten durch RA Mag. Kurt Kulac (bei mündlicher Verkündung durch Verein Menschenrechte Österreich), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2016, Zl. 13-831833601/1768497, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA der Republik Aserbaidschan, vertreten durch RA Mag. Kurt Kulac (bei mündlicher Verkündung durch Verein Menschenrechte Österreich), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2016, Zl. 13-831833808/1768475, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ und „bP2“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan. Die bP reisten spätestens am 13.12.2013 von Baku kommend in das Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei den bP handelt es sich um Ehegatten.
I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Bezirkspolizeikommando Baden, LPD NÖ PI Traiskirchen EASt brachte die bP1 bei der polizeilichen Befragung am 14.12.2013, im Wesentlichen als Fluchtgrund Folgendes vor:
„Ich verkaufte am Markt in Moskau und werde dort von Russen immer wieder erpresst ihnen Geld zu geben. Ich wollte nicht, aber sie schlugen mich bis der polnische Freund eines Tages sah wie nach den Schlägen aussah. Er fragte mich was mit meinem Gesicht los sei und ich erzählte ihm die Geschichte. Daraufhin sagte er zu mir, dass er mir und meiner Frau zu Flucht verhelfen könne. Deshalb organisierten wir unsere Reise nach Österreich.“
Auf die Frage, warum die bP1 Aserbaidschan verließ antwortete sie:
„Ich war dort Sportlehrer und bekam für einen Schüler ca. 20-30,- US Dollar pro Monat. Ich hatte im Durchschnitt ca. 30 Schüler. Aber als die Schülerzahl sank, konnten wir mit den verbleibenden Einnahmen nicht mehr leben. Deshalb verließen wir Aserbaidschan.“
Weiters gab die bP1 an, bei einer Rückkehr in ihre Heimat Aserbaidschan nichts zu befürchten zu haben, da sie nur aus wirtschaftlichen Gründen geflohen seien. Bei einer Rückkehr nach Russland habe die bP1 jedoch Angst, dass die Männer auf dem Markt sie wieder zwingen werden ihnen Geld zu geben und wenn sie ihnen kein Geld gebe werden sie sie wieder schlagen oder umbringen, oder die bP1 schlage und bringe sie um. Von Seiten des russischen Staates habe die bP1 nichts zu befürchten.
Die bP2 gab an, dass sie in Aserbaidschan keine Probleme gehabt hätten, jedoch nach Russland gegangen seien, da sie dort besser leben konnten. In Moskau sei ihr Mann schlecht behandelt worden.
I.3. Mit Ladung vom 15.10.2015 wurden die bP zur niederschriftlichen Einvernahme am 10.12.2015 geladen, für welche ein türkischer Dolmetscher bestellt wurde. Bei der Einvernahme gab die bP1 jedoch dann an, nicht gut Türkisch sprechen zu können und in Russisch oder der Muttersprache Aserbaidschanisch (Aseri) einvernommen werden zu wollen. Weiters legte die bP1 einen psychiatrischen Befund von XXXX vom 23.04.2015 vor.
Die bP2 führte unter anderem im Rahmen der Einvernahme am 10.12.2015 zu ihrem Fluchtgrund Folgendes aus:
„…
Wir hatten Probleme mit dem Sohn meines Onkels mütterlicherseits. Dieser Sohn meines Onkels wollte meinen Mann töten, damit er mich heiraten kann. Weil ich ihn nicht geheiratet habe wollte er meinen Mann umbringen. Viele Male hat er versucht meinen Mann zu töten. Einmal wollte er meinen Mann mit einem Messer erstechen. Das erste Mal als er versucht hat meinen Mann mit dem Messer zu töten hat ihm mein Mann das Messer weggenommen. Das zweite Mal wollte er mit seinem Auto meinen Mann töten, er wollte ihn überfahren. Ich habe meinen Mann weggezogen. Dadurch hat er mich überfahren. Er hat uns so zurückgelassen und ist geflüchtet. Ich war verletzt, mein Mann hat mich ins Krankenhaus gebracht. Drei Tage lang lag ich im Koma. Ich wurde operiert. Ca. drei Monate lang war ich im Krankenhaus. Die Ärzte wollten von uns sehr viel Geld haben. Nachdem mein Mann kein Geld hatte, hat er die Wohnung verkauft, damit er die Rechnungen für das Krankenhaus begleichen kann. Nachdem mein Mann mich nach drei Monaten aus dem Krankenhaus geholt hat, hat er mir erzählt, dass der Sohn meines Onkels im Gefängnis saß. Aber wir hatten keine Wohnung mehr. Mein Mann hat eine Wohnung gemietet. Eine Zeitlang haben wir dort zur Miete gewohnt. Dass mein Cousin ins Gefängnis gekommen ist, dafür hat mich seine Mutter mich verantwortlich gemacht. Sie haben immer wieder behauptet, dass wenn ich den Sohn meines Onkels geheiratet hätte, wäre es nicht so weit gekommen und er wäre nicht im Gefängnis. Mein Mann hat beschlossen, dass wir weggehen. Wir gingen nach Moskau.
Wir haben 2003 geheiratet. Da haben die Drohungen des Cousins angefangen, nach der Eheschließung.
F: Wann hat Ihr Mann beschlossen, dass Sie weggehen?
A: Ich kann kein Datum angeben.
F: Sie erzählten von einem ersten Mordversuch mit Messer, wann war das?
A: Das war zwei Wochen nach der Eheschließung, also im Jahre 2003.
F: Wann war der zweite Mordversuch mit dem Auto?
A: Ca. zwei Monate nach unserer Eheschließung.
F: Wann gingen Sie nach Moskau?
A: Ich kann mich nicht mehr an das Datum erinnern.
F: Wie viele Jahre vergingen von den beiden Mordversuchen im Jahre 2003 bis Sie nach Moskau gereist sind?
A: Ich weiß es nicht wie viel Zeit vergangen ist.
F: Diese Vorfälle waren im Jahre 2003, im Jahre 2013 sind Sie nach Österreich gereist. Demnach wären Sie 10 Jahre in Moskau gewesen?
A: Nein. Wir waren drei Jahre in Russland.
F: Dann fehlen aber 7 Jahre.
A: Wir kehrten wieder zurück nach Aserbaidschan.
F: Wann?
A: Ich weiß nur, dass wir drei Jahre in Russland gewesen sind, bis wir wieder nach Baku gekommen sind.
F: Also waren Sie wieder in Baku, in Aserbaidschan. Wie lange dauerte es dann bis zur Ihrer Reise nach Österreich.
A: Wir waren sieben Jahre wieder dort. Der Sohn meines Onkels ist wieder aus dem Gefängnis entlassen worden und unsere Probleme fingen wieder an.
F: Welche Probleme waren das?
A: Er wollte weiterhin mich heiraten. Deshalb wollte er meinen Mann töten, damit er mich heiraten kann.
F: Was ist passiert?
A: Er hat wieder eines Tages meinen Mann abgefangen auf der Straße, er hatte wieder ein Messer in der Hand, und wollte meinen Mann töten. Mein hat ihm das Messer aus der Hand genommen. Mein Mann hat sich mit dem Messer gleich dort selbst die Pulsadern aufgeschnitten.
F: Aber dann wäre Ihr Mann ja dort gestorben. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Nein. Diese Verletzung wurde nachher durch den Arzt genäht. Mein Mann wollte damit meinem Cousin Angst machen.
F: In welchem Jahr war das?
A: Es war kurz bevor wir das Land verlassen haben um nach Österreich zu kommen. Der Sohn meines Onkels hatte nur im Sinn, meinen Mann zu töten, damit er mich heiraten kann.
F: Was würde Ihrer Ansicht nach passieren, wenn Sie angenommener Weise morgen in Aserbaidschan aus dem Flugzeug aussteigen würden?
A: Mein Cousin wird wieder meinen Mann töten wollen, um mich zu heiraten. Unser Probleme werden weiter gehen.
F: Sind Sie wegen der neuerlichen Vorfälle zur Polizei gegangen?
A: Nein. Wir waren nicht bei der Polizei. Er war ja kurz vorher aus dem Gefängnis entlassen worden. Wir waren eben gezwungen unsere Heimat zu verlassen um hier her zu kommen.
F: Aber wenn Sie zur Polizei gegangen wären, wäre Ihr Cousin vermutlich schnell wieder ins Gefängnis gekommen. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Ich weiß es nicht. Mein Mann ist nicht zur Polizei gegangen. Er meinte wir sollten das Land verlassen.
V: Alle Gründe die Sie hier erzählen könnten Sie in Aserbaidschan bei der Polizei oder Gerichten oder Behörden zur Anzeige bringen. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Mein Cousin war ja 10 Jahre lang im Gefängnis eingesperrt, aber er ist nicht vernünftig geworden. Es hat nichts geändert.
V: Aber bei weiteren Anzeigen von Ihnen wäre er wieder eingesperrt worden. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Ich weiß es nicht. So hat eben mein Mann entschieden.
…“
I.4. Vor der belangten Behörde (BFA, RD Steiermark) brachte die bP1 bei der niederschriftlichen Einvernahme am 08.01.2016 Folgendes vor:
Entgegen der Aussagen bei ihrer Erstbefragung vom 14.12.2013, wonach die bP mittels Schlepper nach Österreich gekommen seien, wären die bP in Wirklichkeit mit dem Flugzeug von Baku nach Wien geflogen. In Österreich hätten sie dann auf dem Weg nach Traiskirchen ihre Reisepässe verloren. Befragt, warum die bP1 bei der Erstbefragung von einer schlepperunterstützten Reise über Polen gesprochen habe, gab die bP1 an, dass sie diese Geschichte erfand, da sie ihre Dokumente verloren hatten. Hätte sie nämlich gesagt, dass sie mit dem Flugzeug gekommen seien, hätte man nach den Reisepässen gefragt.
Zusammengefasst brachte die bP1 nun vor, dass sie Probleme wegen der Heirat mit ihrer Frau am 05.06.2003, der bP2, gehabt habe. Der Cousin der bP2 habe diese nämlich ebenfalls heiraten wollen, was die bP2 jedoch abgelehnt habe. Ungefähr zwei Wochen nach der Hochzeit, sei die bP1 auf der Straße dem Cousin der bP2 begegnet und habe dieser die bP1 dann mit einem Messer bedroht und angegeben, sie umbringen zu wollen, um anschließend die bP2 heiraten zu können. Als der Cousin mit dem Messer auf die bP1 habe einstechen wollen, habe diese dem Cousin das Messer aus der Hand genommen und gesagt, dass er sie und die bP2 in Ruhe lassen solle. Ca. Ende Juli 2003 habe der Cousin die bP1 mit dem Auto überfahren wollen. Da die bP2 die bP1 zur Seite gestoßen habe, sei jedoch sie überfahren und verletzt worden und wäre anschließend im Krankenhaus operiert worden. Aufgrund dieser Krankenhauskosten hätte die bP1 auch ihre Wohnung in Baku verkaufen müssen, der Cousin sei aufgrund dieses Geschehens ins Gefängnis gekommen. Da daraufhin die Verwandten des Cousins den bP Vorwürfe gemacht hätten und die bP diese Situation nicht mehr ertragen hätten können, seien sie nach Moskau umgezogen und hätten dort drei Jahre lang gelebt, danach wären sie nach Aserbaidschan zurückgekehrt. Nachdem der Cousin nach 10 Jahren Haft entlassen worden sei, hätten die Bedrohungen wieder begonnen und die bP beschlossen, zu fliehen. An die Polizei hätten sie sich nicht gewandt.
Befragt nach dem konkreten Grund, warum sie Aserbaidschan verlassen habe, gab die bP1 konkret Folgendes an:
„Nachdem wir am 5.6.2003 geheiratet haben, haben die Probleme angefangen, weil der Cousin meiner Frau meine Frau heiraten wollte. Das wollte sie aber nicht. Aus diesem Grund sind wir hier hergekommen. Ungefähr zwei Wochen nach unserer Eheschließung haben die Probleme mit dem Cousin angefangen.
Ungefähr zwei Wochen nach unserer Eheschließung bin ich auf der Straße gegangen. Ich habe den Cousin meiner Frau getroffen. Er hatte ein Messer in der Hand und sagte, er werde mich umbringen, und dann werde er meine Frau heiraten, weil er sie liebt. Er wollte mich mit dem Messer stechen. Ich nahm ihm das Messer aus der Hand und habe es weggeschmissen. Ich sagte ihm, dass er uns in Ruhe lassen soll, weil wir eine Familie gegründet haben und er sich nicht einmischen soll.
Nach einem Monat, also ungefähr Ende Juli 2003, wurden wir von meinem Freund zum Essen eingeladen. Meine Frau und ich sind zusammen auf der Straße gegangen. Ich habe gar nichts gemerkt. Hinter uns kam ganz schnell ein weißes Auto. Das war der Cousin meiner Frau, er wollte mich umbringen. Meine Frau hat mich weggestoßen und er hat mit dem Auto meine Frau erwischt. Dann habe ich sie zum Krankenhaus gebracht, und sie wurde nach drei Stunden operiert. Nach der OP war sie noch drei Tage lang im Koma. Drei Monate lang war sie im Krankenhaus. Der Cousin meiner Frau kam ins Gefängnis. Ich habe sie immer damit beruhigt.
Wegen der OP musste ich meine Wohnung verkaufen, und wir hatten dann eine Mietwohnung. In diese unsere Mietwohnung sind immer die Verwandten des Cousins gekommen und haben uns vorgeworfen, dass er wegen uns im Gefängnis ist. Das war mehrmals. Wir konnten das nicht mehr aushalten. Die Familie des Cousins meiner Frau hat uns auch bedroht.
Deswegen sind wir dann ungefähr Mitte November 2003 zum Leben nach Moskau umgezogen. Wir haben drei Jahre lang in Moskau gelebt. Danach habe ich gesehen, dass es meiner Frau nicht besser geht, sie hat Epilepsie. Deswegen musste ich wieder nach Aserbaidschan zurückkehren.
Also sind wir ungefähr 2006 wieder nach Aserbaidschan, nach Baku, zurückgezogen. Wir waren beschäftigt mit den Krankheiten meiner Frau. Ein bisschen später wurde ihr Cousin vom Gefängnis entlassen. Kurz danach hat er mich auf der Straße gesehen. Er wollte mich wieder mit einem Messer stechen, und hat mir gesagt, dass er meine Frau heiraten werde. Daraufhin war ich sehr nervös. Ich nahm ihm das Messer aus der Hand und habe mir selbst in die Hand geschnitten. Nachdem er das Blut gesehen hat ist er weggelaufen. Danach dachte ich mir, er war so lange Zeit im Gefängnis, und ist noch immer nicht klüger geworden. Ich dachte mir, wenn ich jetzt zur Polizei gehe bringt das nichts. Er hat mir auch gesagt, dass er mich von hinten erstechen wird. Ich wusste nicht was ich machen soll. Deswegen haben wir Aserbaidschan verlassen. Ich hätte ihn umbringen müssen, oder er hätte mich umgebracht. Ich weiß, dass in Europa die Menschenrechte wichtig sind, deshalb sind wir nach Europa geflüchtet.
F: Diese neuerlichen Vorfälle waren im Jahr 2006?
A: Nein. Der Cousin saß ungefähr 10 Jahre im Gefängnis. Also waren diese Vorfälle ungefähr 2013, ungefähr Ende 2012 Anfang 2013. Nachdem er nach 10 Jahren nicht normal geworden ist, wusste ich nicht was ich machen soll.
F: Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?
A: Was sollte ich zur Polizei sagen. Die Polizei hätte zu mir gesagt, ich habe mir ja selber in die Hand geschnitten.
F: Wenn Sie bei der Polizei Anzeige erstattet hätten, wäre der Cousin Ihrer Frau wieder eingesperrt worden. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Warum sollte die Polizei ihn verhaften. Er hatte mir ja nichts getan. Ich habe mich ja selber geschnitten. Wenn er mich geschlagen hätte, hätte ich zur Polizei gehen können. Er hätte mich sicher irgendwann umgebracht in Aserbaidschan.
F: Sie war also nach diesem Vorfall Anfang 2013 noch fast ein Jahr in Aserbaidschan. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Nein. Ungefähr ein Monat später haben wir Aserbaidschan verlassen.
F: Sie gaben an, Aserbaidschan im Dezember 2013 verlassen zu haben. Diese Vorfälle wären Anfang 2013 gewesen, laut Ihren Angaben. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Dieser letzte Vorfall war ungefähr Mitte November 2013. Nach diesem Vorfall waren wir nur mehr 20 oder 25 Tage in Aserbaidschan. Dann sind wir nach Österreich geflogen.
F: Was würde Ihrer Ansicht nach passieren, wenn Sie angenommener Weise morgen in Aserbaidschan aus dem Flugzeug aussteigen würden?
A: Die Probleme würden wieder von vorne anfangen. Der Cousin meiner Frau würde mich umbringen oder ich müsste ihn umbringen.
F: Warum sind Sie nicht innerhalb von Aserbaidschan verzogen?
A: Weil meine Frau sehr viel Angst vor ihrem Cousin hat. Egal wohin wir innerhalb von Aserbaidschan verziehen würden, würde ihr Cousin uns finden. Aserbaidschan ist nicht so groß.
V: Noch einmal. Wenn Sie den Cousin Ihrer Frau bei der Polizei zur Anzeige gebracht hätten, wäre er als Vorbestrafter wieder eingesperrt worden. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Nein. In Aserbaidschan gibt es so etwas nicht. Die warten bis etwas passiert, und erst dann reagieren sie.
V: Bei der Erstbefragung am 14.12.2013 gab Ihre Frau zum Fluchtgrund befragt an: „Mein Ehemann war Sportlehrer und er sagte zu mir, dass wir in Russland besser leben könnten als in Aserbaidschan. Ich und mein Ehemann hatten keine Probleme in Aserbaidschan.“
Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Wenn wir keine Probleme gehabt hätten, wären wir nicht nach Österreich gekommen. Meine Frau hat nach diesem Unfall Probleme mit dem Kopf. Es kann sein, dass sie etwas gesagt hat, das sie nicht mehr weiß.
V: Bei der Erstbefragung am 14.12.2013 haben Sie zum Fluchtgrund befragt Folgendes angegeben:
„Frage: Warum verließen Sie Aserbaidschan? Antwort: Ich war dort Sportlehrer und bekam für einen Schüler ca. 20-30,-- US Dollar pro Monat. Ich hatte im Durchschnitt ca. 30 Schüler. Aber als die Schülerzahl sank, konnten wir mit den verbleibenden Einnahmen nicht mehr leben. Deshalb verließen wir Aserbaidschan. Frage: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat? Antwort: Mir passiert nichts. Wir flohen von Aserbaidschan nur aus wirtschaftlichen Gründen. Frage: Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen? Antwort: Von Seiten des Aserbaidschanischen Staates habe ich nichts zu befürchten.“
Heute dagegen erzählten Sie eine eklatant widersprüchliche Geschichte. Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Das stimmt nicht. Ich war Sportler. Nachher war ich Taxifahrer und habe gut verdient. Ich habe 15 Jahre lang als Taxifahrer gearbeitet, und habe gut verdient. Ich wurde in Traiskirchen nicht über meine Probleme gefragt, sondern nur über Allgemeines, ob es irgendwelche Verwaltungsstrafen gibt oder Ähnliches. Ich wurde bis jetzt nie nach meinen Problemen gefragt. Ich Geld und alles dort gehabt. Wegen Geld bin ich nicht hierhergekommen. Ich habe in Aserbaidschan immer alles gehabt. Ich habe auch noch viel Geld vom Verkauf meiner Wohnung gehabt.
…“
Befragt nach ihrem Leben in Aserbaidschan, gab die bP1 an, dass sie Ex-Sportler sei und zuerst Sportlehrer und später Taxifahrer gewesen sei. Die bP1 habe auch eine Wohnung in Baku besessen und hätte finanziell für sich und die bP2 sorgen können. Verwandte habe die bP1 in Aserbaidschan keine mehr, da sie keine Geschwister habe und die Eltern bereits tot seien.
Zu ihrem Leben in Österreich führte die bP1 aus, dass sie viel Sport mache, während die Frau einen Deutschkurs besuche, Verwandte neben der bP2 oder Freunde habe die bP1 in Österreich keine. Auch gehe sie keiner Beschäftigung nach und sie in keinen Vereinen tätig.
Zudem führte die bP1 aus, dass sie Medikamente gegen Asthma nehme und legte hierzu nochmals den psychiatrischen Befund von XXXX vom 23.04.2015 vor.
I.5. Die Anträge der bP 1 und 2 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB vom 15.04.2016 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. §§ 8 Abs 1 iVm 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Aserbaidschan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1-3 beträgt die Frist zur freiwilligen Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Gegen die bP1 und bP2 wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.
I.5.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu insbesondere aus, dass sämtliche von den bP getätigten Angaben in Bezug auf ihre Fluchtgründe weder plausibel noch schlüssig nachvollziehbar bzw. logisch seien. Der Umstand, dass die bP in der niederschriftlichen Einvernahme im Gegensatz zur Erstbefragung neue Sachverhaltselemente vorgebracht haben, spreche eher dafür, dass die bP ein asylrelevantes Vorbringen zu konstruieren versucht haben. Auch würden die unterschiedlichen Angaben der bP bezüglich ihrer Flucht nach Österreich ein weiteres Indiz für deren Unglaubwürdigkeit darstellen, sodass der gesamten Aussage die Glaubwürdigkeit versagt werde und die belangte Behörde davon ausging, dass das Fluchtvorbringen der bP erfunden sei.
I.5.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Aserbaidschan traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Aserbadischan bzw. der Herkunftsregion der bP von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat grundsätzlich gewillt und befähigt ist, sich auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich diese zwar in manchen Bereichen, insbesondere in Bezug auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, sowie die Lage der Opposition als problematisch darstellen, sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt, zumal die bP von diesen Problempunkten nicht betroffen ist. Die Todesstrafe wurde in Aserbaidschan abgeschafft. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Aserbaidschan die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, die Antragstellung im Ausland nicht strafbar ist und Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.
I.5.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb die Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf Aserbaidschan zulässig sind.
I.6. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und die gegenständlichen Bescheide vollumfänglich angefochten.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass das Vorbringen der bP 1 und 2 den Tatsachen entspräche und der Staat Aserbaidschan aufgrund eines von Korruption durchzogenen Systems nicht schutzfähig sei.
I.7. Mit Schreiben vom 12.06.2016 legte die bP2 einen psychiatrischen Befund von XXXX vom 08.07.2016 und einen vom 02.06.2016 vor.
I.8. Mit Schreiben vom 13.06.2016 übermittelte die bP2 ein Konvolut an ärztlichen Diagnosen und Bestätigungen zur Bescheinigung ihres Gesundheitszustandes. Konkret handelt es sich hierbei um einen ärztlichen Entlassungsbrief des LKH Graz Süd-West, einen neurologischen Befund des LKH Graz, Universitätsklinik für Neurologie, eine Bestätigung über einen stationären Aufenthalt im LKH Graz Süd-West, einen MRT – Befund und zwei fachärztliche Befunde des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie XXXX .
I.9. Am 18.11.2016 legte die bP2 einen weiteren Befund bezüglich einer Hormonkontrolle des LKH Graz vor.
I.10. Am 03.02.2017 legte die bP2 einen Endokrinologie Befund des LKH Graz und einen psychiatrischen Befund von XXXX .
I.11. Am 05.05.2017 langte bei Gericht ärztlicher Entlassungsbrief betreffend die bP2 des LKH Südsteiermark ein.
I.12. Am 13.10.2017 legte die bP2 einen Endokrinologie-Befund des LKH Graz, einen psychiatrischen Befund von XXXX , eine Bestätigung über einen stationären Aufenthalt im LKH Graz und einen ärztlichen Entlassungsbrief des LKH Graz vor.
I.13. Am 16.03.2018 legte die bP2 einen MRT – Befund und einen Endokrinologie-Befund des LKH Graz vor.
I.14. Am 20.04.2018 legte die bP2 eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des österreichischen Integrationsfonds vor.
I.15. Am 19.07.2018 legte die bP2 einen psychotherapeutischen Befund vor.
I.16. Am 24.01.2019 legte die bP1 ein Konvolut an medizinischen Befunden zur Bescheinigung ihres Gesundheitszustandes vor, da bei der bP1 eine Bypass-Operation durchgeführt worden sei und die bP1 über Schmerzen geklagt habe. Nach mehreren Untersuchungen sei der externe Schrittmacher wieder entfernt worden und die Beschwerden als gewöhnliche postoperative Schmerzen diagnostiziert worden.
I.17. Am 08.04.2019 legte die bP2 weitere Befunde des LKH Graz und Befunde des Internisten und Kardiologen XXXX vor.
I.18. Am 04.11.2019 legte die bP1 einen Behindertenpass (Grad der Behinderung 50 %) und ein Sachverständigengutachten hierzu vor.
I.19. Am 28.11.2019 legte die bP2 einen Behindertenpass (Grad der Behinderung 60 %) und ein Sachverständigengutachten hierzu vor.
I.20. Mit Schreiben vom 24.04.2020 stellten die bP den Antrag die für 05.05.2020 anberaumte Beschwerdeverhandlung aufgrund von Covid19 zu vertagen. Hierzu wurden ärztliche Atteste die bP betreffend vorgelegt.
I.21. Am 08.04.2020 wurden die bP telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt, dass das ho. Gericht die Corona – Schutzmaßnahmen einhalten könne und daher die Verhandlung stattfinden werde.
I.22. Am 30.04.2020 legten die bP weitere ärztliche Befunde und ihre Behindertenpässe vor. Zudem legte die bP2 Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen vor.
I.23. Für den 05.05.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt.
Die mündliche Beschwerdeverhandlung wird auszugsweise wiedergegeben:
„…
Zwischen dem Dolmetscher und dem P1 entwickelt sich eine Diskussion dahingehend, dass er in Aserbaidschanisch einvernommen werden will. Der Dolmetscher wurde für die aserbaidschanische Sprache herangezogen. Daraufhin gibt der P1 zu verstehen, dass der Dolmetscher aus dem Iran stamme und diesen nicht verstehen will. Über Rückfrage des RI gibt der Dolmetscher bekannt, dass er die Parteien sehr gut verstehe.
Der Dolmetscher gibt der P bekannt, dass er der aserbaidschanischen Sprache mächtig ist und einvernommen wird. Daraufhin gibt die P1 an, dass sie den Dolmetscher nicht verstehe.
…
RI befragt die beschwerdeführenden Parteien, ob sie Umstände glaubhaft machen können, die die Unbefangenheit der Dolmetscherin in Zweifel stellen.
P1 zu Dolmetscher: Sie stammen aus dem Iran, ich will Sie nicht verstehen.
…
RI befragt die Beschwerdeführer, ob diese psychisch und physisch in der Lage sind, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen.
P1: Ich verstehe nichts. Ich will den Dolmetscher nicht.
P2: Ich verstehe den Dolmetscher.
Daraufhin wendet sich die P1 an die P2 und wies diese an, dass sie nicht sagen soll, dass sie den Dolmetscher versteht.
P2: Ich will aber einen türkischen Dolmetscher.
RI: P1 bitte warten Sie draußen. P1 verlässt nach Aufforderung den VH-Saal.
Befragung wird mit der P2 fortgesetzt.
Ferner wird die Beschwerdeführerin befragt, ob bei ihr (chronische) Krankheiten und / oder Leiden vorliegen.
P2: Ich habe psychische Probleme. Ich habe Diabetes und hohen Blutdruck. Mein Diabetes wirkt sich auf die Augen aus.
RI: Woran leidet Ihr Mann?
P2: Er hat auch psychische Probleme. Er hört auch nicht gut. Er hatte einen Herzinfarkt. Er wurde auch einmal operiert und muss viele Medikamente einnehmen. Nachgefragt, er hatte eine Herzoperation, er hat einen Bypass erhalten. Seitdem muss er nur noch zur Kontrolle und seine Medikamente, wie Blutverdünner einnehmen. Wir haben auch die medizinischen Unterlagen mit.
RV: Am 02.05.2020 war die P1 wieder im Krankenhaus, weil er Schmerzen hatte.
P1 legt vor: Ambulanzbefund vom 02.05.2020 (wird in Kopie zum Akt genommen).
P2 legt vor:
- Augenärztlichen Befund vom 30.04.2020
- Sachverständigengutachten des BBG
RI: Waren Sie und Ihr Gatte diesbezüglich bereits im Heimatland in Behandlung?
P2: Ja, dort sind wir auch immer zum Arzt gegangen und haben uns behandeln lassen. Nachgefragt, mein Mann hat sich betreffend die psychischen Probleme behandeln lassen. Die Herzprobleme haben erst hier in Österreich begonnen. Nachgefragt, ich hatte mit meinem Cousin einen Autounfall. Ich war drei Tage im Komma, dann bin ich ungefähr für 3 Monate im Krankenhaus verblieben, dann wurde ich am Kopf operiert. Nach dem Unfall habe ich meine Erinnerung verloren. Mein Cousin mütterlicherseits wollte mit dem Auto mein Mann töten. Als ich das gesehen habe, habe ich meinen Mann zur Seite gezogen, ich wurde jedoch vom Auto erfasst.
Die beschwerdeführenden Parteien haben keine weiteren Bescheinigungsmittel bei sich und verweisen im Übrigen auf die bereits im bisherigen Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel.
Die belangte Behörde hat keine weiteren Bescheinigungsmittel vorgelegt und verweist im Übrigen auf die bereits im bisherigen Verfahren zur Entscheidungsfindung herangezogenen Bescheinigungsmittel sowie die erstinstanzliche Entscheidung.
RI befragt die P2, ob sie den Dolmetscher gut versteht.
P2: Insgesamt verstehe ich den Dolmetscher gut.
Die P2 wird darauf hingewiesen, dass Sie bei Fragen oder Unklarheiten jederzeit nachfragen kann.
…
RI beginnt mit der Befragung der P2.
RI: Wo haben Sie gelebt? Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
P: In Baku bin ich geboren und aufgewachsen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nur in Baku war, bis ich schließlich Aserbaidschan nach Österreich verließ. Nachgefragt gebe ich an, dass ich in einer Mietwohnung lebte.
RI: Haben Sie noch Familie im Heimatland? Wo?
P: Nein. Ich habe nur meine Mutter. Sie wollte mich zwingen, dass ich meinen Cousin mütterlicherseits unbedingt heiraten soll. Nachgefragt gebe ich an, dass ich keinen Kontakt zu meiner Mutter habe. Ich habe dort einen Onkel, er hat zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Sie leben alle in Baku.
RI: Haben Sie zu diesen Familienangehörigen im Heimatland Kontakt?
P: Weil ich meinen Cousin nicht geheiratet habe, sind wir nun verfeindet. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihnen.
RI: Haben Sie vor Ihrer Ausreise gearbeitet?
P: Nein.
RI: Welche Schul- bzw. Berufsausbildung haben Sie im Herkunftsland genossen?
P: Ich habe 10 Jahre die Schule besucht, sonst habe ich keine Ausbildungen.
RI: Wovon leben Sie und Ihr Gatte in Österreich, gehen Sie einer Arbeit nach?
P: Ich lebe mit meinem Mann in einer Pension. Wir bekommen 150 Euro vom Sozialamt.
RI: Haben Sie sich jemals beim AMS um eine Arbeit beworben und einen abschlägigen Bescheid erhalten?
P: Ich habe mich bei einigen Stellen beworben. Da ich Asylwerberin bin, haben sie gesagt, dass sie mich nicht aufnehmen. Ich und mein Mann haben es schon versucht, einen Job zu finden. Nachgefragt gebe ich an, dass wir uns nicht an das AMS gewandt haben. Nachgefragt gebe ich an, dass wir bei einem türkischen Unternehmen waren. Dort haben wir um Arbeit gefragt. Mein Mann hat 1,5 Jahre freiwillig als Trainer gearbeitet. Das war in Graz. Wie das geheißen hat, weiß ich nicht. Nach der Herzoperation hat er Arzt gesagt, dass mein Mann nicht mehr arbeiten gehen soll.
RI: Wie würden Sie, wenn Sie in Österreich hypothetisch verbleiben dürften, für Ihren Lebensunterhalt aufkommen?
P: Mein Mann hatte in Aserbaidschan als Taxifahrer gearbeitet. Er hatte sein eigenes Privatauto dazu verwendet. Der Arzt sagt, dass mein Mann nicht mehr arbeiten gehen soll, aber er will arbeiten. Ich kann kochen und könnte als Köchin oder im Garten arbeiten. Ich könnte auch in einem Blumengeschäft arbeiten.
RI: Wie setzt sich Ihr Freundeskreis zusammen?
P: Ein Bekannter hat uns mit dem Auto hergebracht. Ich habe keine Freunde, nur diesen Mann, der uns nach Linz gebracht hat. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Mann auch nur mit diesem bzw. dessen Familie des Mannes befreundet ist.
RI: Welchen Aufenthaltstitel hat dieser Freund?
P: Er ist vermutlich österreichischer Staatsbürger. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht angeben kann, ob er gebürtiger Österreicher ist.
RI: Sind Sie oder Ihr Mann in Österreich ein Mitglied eines Vereines?
P: Nein, ich bin nicht in einer Kirche Mitglied.
Der P wird die Frage erläutert.
P: Wir haben sonst keine Freunde oder Bekannte, außer den vorhin genannten Freund samt Familie.
RI: Sind Sie und Ihr Mann in Österreich bisher straffällig geworden?
P: Nein.
Folgende Frage wird auf Deutsch gestellt.
RI: Wie gut sprechen Sie Deutsch? Haben Sie in Österreich jemals einen Deutschkurs besucht?
P: Ich spreche gut, aber ich lese gut, schreibe gut. Sprechen bisschen schlecht. Aber ich bin Deutschkurs gegangen. Zertifikat habe ich schon.
Die Befragung wird auf Aserbaidschanisch fortgesetzt.
RI: Welches Zertifikat haben Sie bereits gemacht?
P legt vor:
- Teilnahmebestätigung des Werte- und Orientierungskurses vom 10.04.2018
- Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse
RI: Eine Prüfung haben Sie noch nicht abgelegt?
P: Nein, weder ich noch mein Mann haben eine Prüfung abgelegt. Zwei Lehrerinnen kamen immer zur Flüchtlingsunterkunft, diese haben unterrichtet und uns auch abgeprüft.
RI: Haben Sie sonstige, bislang noch nicht zur Sprache gelangte integrationsverfestigenden Maßnahmen ergriffen?
P: Wir sind seit 7 Jahren in Österreich. Es war Dezember 2013.
RI: Besitzen oder besaßen Sie jemals einen Reisepass?
P: Als wir von Baku nach Wien kamen, sind wir zur Polizei gekommen. Wir hatten unsere Dokumente alle in einem Kuvert. Dieses Kuvert haben wir dann irgendwo vergessen, ich weiß nicht mehr wo, vielleicht im Zug oder wo anders. Nachgefragt gebe ich an, dass wir legal mit dem Flugzeug von Baku nach Wien reisten mit einer Aus- und Einreisekontrolle.
RI: Hatten Sie auch ein Visum?
P: Ja.
RI: Von wem war das Visum?
P: Ich weiß es nicht. Mein Mann hat sich um das gekümmert.
RI: Wann wurde der Reisepass von welcher Behörde ausgestellt?
P: Das weiß ich nicht mehr.
RI: Was war der konkrete Grund warum Sie ihr Heimatland verlassen haben? Bitte schildern Sie das Ereignis, welches Sie veranlasst hat, das Heimatland zu verlassen so detailliert als möglich?
P: Der Grund war, dass unsere Familien unbedingt wollten, dass ich meinen Cousin mütterlicherseits heiraten sollte. Da ich aber meinen Mann geliebt habe, wollte ich das nicht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich meinen Mann am 05.06.2003 geheiratet habe.
RI: Welches konkrete Ereignis bzw. Vorfall hat es gegeben, der Sie bewogen hat, Ihr Heimatland zu verlassen?
P: Der Grund war, dass mein Cousin bedroht hat, dass er meinen Mann töten wird, weil er mich geheiratet hat. Er hat immer gesagt, dass ich ihn heiraten soll. Nachgefragt gebe ich an, dass der Unfall mit dem Auto ungefähr ein bis zwei Monate nachdem ich mit meinem Mann verheiratet war, passierte.
RI: Können Sie den Unfall mit dem Auto konkretisieren? Haben Sie diesbezügliche Unterlagen, etwa Krankenhausunterlagen oder polizeiliche Ermittlungsberichte?
P: Das war alles in unserem Kuvert mit den Unterlagen.
RI: Sie hätten sich an die Botschaft oder an das Konsulat wenden können, um diesbezügliche Unterlagen zu bekommen?
P: Ich weiß nicht.
RI: Können Sie genauere Daten zum Unfall mit dem Auto angeben?
P: Ich kann nur sagen, dass es ungefähr ein oder zwei Monate nach der Hochzeit war. Wir sind auf Besuch gegangen, am Weg dorthin hat uns mein Cousin gesehen. Ich habe ihn gesehen, mein Mann aber nicht. Ich habe ihn beobachtet, dass er die Absicht hatte, dass er meinen Mann anfährt. Nach dem Unfall ist mein Cousin weggelaufen. Mein Mann hat mich ins Spital gebracht.
RI: Wissen Sie, was mit Ihrem Cousin passiert ist? Wurden Sie oder Ihr Cousin befragt worden von der Polizei?
P: Nach drei Monaten hat mir mein Mann erzählt, dass die Polizei meinen Cousin wegen dieses Vorfalles verhaftet haben. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht weiß, ob es zu einem Gerichtsverfahren gekommen ist bzw. was dabei rauskam.
RI: Haben Sie oder Ihr Mann sich jemals an eine Polizeidienststelle, ggf. eine übergeordnete Polizeidienststelle, die StA oder ein Gericht gewandt?
P: Ich hatte dann psychische Probleme, ich weiß es nicht. Mein Mann erzählte mir, dass mein Cousin verhaftet wurde und im Gefängnis saß. Mehr weiß ich nicht.
RI: Die weiteren 10 Jahre, als Sie noch in Aserbaidschan geblieben sind, gab es sonst noch Probleme in dieser Zeit?
P: Danach sind wir nicht in der selben Stadt geblieben. Wir sind umgesiedelt, weil uns mein Cousin bedroht hat, dass er meinen Mann umbringen wird.
RI: Sie gaben vorhin an, dass Sie in Baku geboren, aufgewachsen und aufhältig waren, bis Sie Aserbaidschan verließen und jetzt geben Sie an, dass Sie in einer anderen Stadt gewesen wären?
P: Das ist so. Nach diesem Vorfall sind wir von Baku drei Jahre weg nach Moskau. Nach drei Jahren sind wir wieder zurück nach Baku, dort blieben wir 7 Jahre. Erst nach den 7 Jahren reisten wir nach Österreich aus.
RI: Hat es in den 7 Jahren während Ihrem Aufenthalt in Baku irgendwelche Probleme gegeben?
P: Nein, in diesen 7 Jahren hatten wir keine Probleme, weil mein Cousin 10 Jahre im Gefängnis verbleiben musste. Danach wurde er freigelassen. Als er aus dem Gefängnis kam, hatten wir wieder die selben Probleme mit ihm, wie vorher.
RI: Welches Problem hat es gegeben, nachdem Ihr Cousin vom Gefängnis freigelassen wurde?
P: Er hat meinen Mann nie in Ruhe gelassen. Er hat meinen Mann auch mit dem Messer bedroht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht genau sagen kann, wann das war. Nachdem mein Cousin befreit wurde, hat er meinen Mann mit dem Messer bedroht. Mein Mann war so wütend, weshalb er sich selber mit dem Messer die Pulsadern geritzt hat.
RI: Vor dem BFA haben Sie angegeben, dass der Mordversuch mit dem Messer als auch der zweite Mordversuch mit dem Auto ca. 2 Wochen bzw. 2 Monate nach der Eheschließung waren?
P: Nach einer oder zwei Wochen nach der Hochzeit hat mein Cousin meinen Mann mit dem Messer angegriffen. Mein Mann hat ihm das Messer weggenommen. Mein Mann hat ihm dann gesagt, dass wir beide verheiratet sind und er muss uns in Ruhe lassen. Nach ein oder zwei Monaten hat mein Cousin dann versucht, meinen Mann mit dem Auto zu töten.
RI: Haben Sie sich, nachdem Ihr Cousin wieder Probleme machte nach seiner Haftentlassung, an die Polizei gewandt?
P: Das weiß ich nicht. Ich hatte wieder psychische Probleme.
RI: Weshalb haben Sie und Ihr Gatte in der Erstbefragung angegeben, dass Sie Aserbaidschan verlassen haben, da Sie sich das Leben dort nicht mehr leisten konnten?
P: Ich habe überall das selbe angegeben. Ich habe damals auch gesagt, dass wir Probleme haben und sie meinen Mann töten wollen.
RI: Gab es Probleme mit den staatlichen Behörden oder Institutionen in Ihrem Heimatstaat aus Gründen der GFK? (Die Frage wird der P erörtert)
P: Nein. Von meinem Mann weiß ich es nicht.
Fragen der RV:
RV: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
P: Ich gehe zwei Mal in der Woche in den Deutschkurs und einmal in eine psychologische Gesprächstherapie. Nachgefragt gebe ich an, dass dieser Arzt Österreicher ist. Ich habe einen Dolmetscher, er ist Iraner.
Nachdem der Dolmetscher nachfragte, gibt die P an, dass sie zuerst den iranischen Dolmetscher nicht verstanden hätte, dann ein aserbaidschanischer Dolmetscher gekommen ist.
…
Über Aufforderung des RI befragt der Dolmetscher die nunmehr im Gerichtssaal anwesende Vertrauensperson. Dieser verständigt sich problemlos mit dem Dolmetscher in der aserbaidschanischen Sprache und gibt bekannt, dass er in Russland geboren wurde, jedoch Aserbaidschanisch auf muttersprachlichem Niveau spricht. Über Nachfrage des RI bestätigt die Vertrauensperson darüber hinaus, dass er den Dolmetscher sehr gut versteht.
RI beginnt mit der Befragung der P1.
Der Dolmetscher übersetzt die Fragen an die anwesende Vertrauensperson, welche dem P1 diese Fragen wiedergibt.
Seitens der RV wird dieser Vorgehensweise der Befragung zugestimmt.
RI: Welche integrationsverfestigenden Maßnahmen haben Sie ergriffen? (Frage wird dem P erläutert)?
P: Ich habe keine Probleme. Das einzige Problem ist wegen meiner Frau. Wir haben hier mit niemanden Probleme, ich war auch noch nie bei Gericht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich einen Herzinfarkt hatte.
RI: Frage wird erneut erläutert.
P: Ich habe mit meiner Frau Deutschkurse besucht. Ich versuche auch, dass ich Arbeit finde. Ich habe einen Herzinfarkt bekommen, seitdem ist es schwieriger.
RI: Waren Sie beim AMS, um Arbeit anzusuchen?
P: Wir sind Asylwerber und bekommen keine Arbeit.
RI: Bei welchem Arbeitgeber waren Sie vorstellig, um Arbeit zu finden?
P: Da wir keine Arbeitsbewilligung haben, bekommen wir keine Arbeit.
RI: Was haben Sie unternommen, damit Sie eine Arbeit finden?
P: Wir sind gemeinsam auf Arbeitssuche gegangen. Wir waren bei einem Restaurant, welches uns sagte, dass wir dort arbeiten könnten. Sie haben gesehen, dass wir keine Papiere hatten, darum wurden wir abgelehnt. Das Restaurant hieß phonetisch: „Elite-Restaurant“. Ich habe als Trainer im Ringen in Graz gearbeitet. Als ich den Herzinfarkt hatte, durfte ich vom Arzt aus nicht mehr.
RI: Haben Sie noch Verwandte in Aserbaidschan oder im Ausland?
P: Nein. Meine Eltern sind schon verstorben. Nachgefragt gebe ich an, dass ich niemanden mehr habe in Aserbaidschan.
RI: Haben Sie vor Ihrer Ausreise gearbeitet?
P: Ich habe mein Privatauto als Taxi verwendet und habe auch als Lehrer gearbeitet.
RI: Wie würden Sie, wenn Sie in Österreich hypothetisch verbleiben dürften, für Ihren Lebensunterhalt aufkommen?
P: Wenn ich wieder gesund bin, dann werde ich arbeiten gehen.
RI: Besitzen oder besaßen Sie jemals einen Reisepass?
P: Als wir von Aserbaidschan nach Wien kamen, wir waren in einem Hotel und wollten nach Traiskirchen fahren. Dort wurden unsere Ausweise und der Reisepass verlangt. Ich habe gesehen, dass in der Tasche keine Dokumente mehr waren. Ich weiß nicht wo diese verloren gingen.
RI: Wann wurde dieser von welcher Behörde ausgestellt?
P: Von der Behörde Yasamal wurde der Reisepass ausgestellt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich vermute, dass die Ausstellung ca. vor 17 Jahren erfolgte.
RI: Was war der konkrete Grund warum Sie ihr Heimatland verlassen haben? Bitte schildern Sie das Ereignis, welches Sie veranlasst hat, das Heimatland zu verlassen so detailliert als möglich?
P: Nachdem ich verheiratet war, habe ich Probleme bekommen, weil der Cousin mütterlicherseits meiner Frau, meine Frau heiraten wollte. Meine Frau wollte aber mich heiraten. Er wollte mich mehrmals töten. Einmal hat er mich mit dem Messer angegriffen (P1 zeigt die Narben am linken Unterarm). Ich habe ihm das Messer abgenommen, dann habe ich mich selbst verletzt, weil ich mich so ärgerte. Aus Angst hat der Cousin die Örtlichkeit verlassen. Nachgefragt gebe ich an, dass dieser Vorfall im Jahr 2013 war, vermutlich im November.
Die RV beantragt aufgrund von Verständigungsproblemen eine Vertagung der VH.
Die P2 wird gebeten, den VH-Saal zu verlassen.
RI: Haben Sie sich jemals an eine Polizeidienststelle, ggf. eine übergeordnete Polizeidienststelle, die StA oder ein Gericht gewandt?
P: Nein. Nachgefragt, ich bin nicht zur Polizei gegangen, weil der Cousin 10 Jahre zuvor inhaftiert wurde. Nach der Befreiung war er wieder da und die Probleme begangen von Neuem. Warum sollte ich zur Polizei gehen? Die Polizei hätte mir gesagt, dass ich nicht tot bin. Der Cousin hat mir nichts angetan, darum können sie nichts machen.
RI: Warum war der Cousin im Gefängnis?
P: Er wollte uns immer Probleme machen und mich töten. Er wollte mich mit dem Auto töten. Meine Frau hat mich gerettet und wurde vom Auto erfasst. Meine Frau war mehrere Monate im Komma und Spital. Ich habe meine Wohnung zur Deckung der Krankenhauskosten verkauft. Darum hat der Cousin 10 Jahre Haft bekommen.
RI: Weshalb haben Sie in der Erstbefragung angegeben, dass Sie Aserbaidschan verlassen haben, da Sie sich das Leben dort nicht mehr leisten konnten? Sie haben nichts von diesem Vorfall erwähnt?
P: Ich habe den Dolmetscher nicht verstanden, es war ein Türke. Ich habe mehrmals gesagt, dass ich nichts verstehe. Ich weiß nicht, was der Türke übersetzt hat.
RI: Das war das Interview beim BFA. Frage wird dem P1 noch einmal übersetzt.
P: Damals habe ich auch gesagt, dass ich den Dolmetscher nicht verstehe.
RI: Gab es Probleme mit den staatlichen Behörden oder Institutionen in Ihrem Heimatstaat aus Gründen der GFK? (Die Frage wird der bP erörtert)
P: Nein.
RI: Betreffend Ihres Gesundheitszustandes, was passiert weiterhin bzgl. Therapie?
P: Ich habe Kontrollen beim Arzt, jede 6 Monate. Ich nehme jeden Tag Medikamente. Oft muss ich ins Spital, weil es mir nicht so gut geht. Ich muss dann mit dem Taxi zurückfahren, obwohl ich kein Geld habe.
…“
Folgende Erkenntnisquellen wurden den beschwerdeführenden Parteien genannt und deren Inhalt erörtert:
- LIB der Staatendokumentation Aserbaidschan, vom 26.7.2019
- Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 22.2.2019
- ACCORD Anfragebeantwortung vom 26.3.2015
I.24. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.
Die Beschwerden wurden unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.
Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.
I.25. Mit Schreiben vom 06.05.2020 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses begehrt.
Mit Schreiben vom 18.05.2020 wurde ein neues Vertretungsverhältnis bekannt gegeben sowie neuerlich die schriftliche Ausfertigung der Erkenntnisse begehrt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Aserbaidschaner, welche sich zum Mehrheitsglauben des Islam bekennen und die aserische Sprache beherrschen.
Die Identität der bP steht nicht fest.
Im Rahmen einer Gesamtschau ist davon auszugehen, dass die bP –wenn auch auf allenfalls niedrigerem Niveau als in Österreich- über eine gesicherte Existenzgrundlage verfügen.
Die bP stammen aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und gehören keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.
Vor der Ausreise arbeitete die bP1 als Taxifahrer. Auch steht es ihr frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder können die bP das –wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Die bP1 leidet an Diabetes und ist herzkrank, wobei sie bereits eine Bypass-Operation in Österreich hatte. Die Rehabilitation ist bereits abgeschlossen.
Die bP2 leidet an den beschriebenen psychischen Beeinträchtigungen, an einem Ureterstein links, an einem Hypophysenmikroadenom, sowie ebenfalls an Diabetes (Erstmanifestation) und hat Bluthochdruck.
Die bP leiden an keiner Krankheit, welche mit unmittelbarer Lebensgefahr oder einem schweren Leidenszustand verbunden ist bzw. welche in Aserbaidschan nicht behandelbar ist. Es bestehen auch keine Hinweise, dass die bP keinen Zugang zum aserbaidschanischen Gesundheitssystem finden und befanden sich die bP auch in Aserbaidschan aufgrund ihrer damaligen Beschwerden in Behandlung und gingen dort zum Arzt.
Die bP haben in Österreich keine Familienmitglieder oder sonstige Verwandte außer einander und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit ihrer Einreise und anschließenden Antragstellung im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig mittels eines erschlichenen Visums in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung.
Gute Deutschkenntnisse kamen im Verfahren nicht hervor, die Kenntnisse der deutschen Sprache sind in Bezug auf die bP1 fast nicht und bezüglich der bP2 nur rudimentär vorhanden, Deutschprüfungen wurden keine abgelegt.
Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass die volljährigen bP selbsterhaltungsfähig wären bzw. ernsthafte und taugliche Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit in jenen Gebieten des österreichischen Arbeitsmarktes unternommen hätte, der auch Asylwerbern zugänglich ist (vgl. hierzu etwa http://www.ams.at/_docs/400_Asyl-Folder_DEUTSCH.pdf).
Die bP sind strafrechtlich unbescholten
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Aserbaidschan
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Politische Lage
Aserbaidschan ist eine Präsidialrepublik. Staatspräsident Ilham Aliyev, der 2003 seinem Vater Heydar Aliyev nachgefolgt ist, dominiert das politische Leben. Die Nationalversammlung (Milli Mejlis) wirkt an der Gesetzgebung mit, spielt aber eine deutlich nachgeordnete Rolle. Die Präsidentschaftswahlen am 11.04.2018 entsprachen nach Ansicht der internationalen Wahlbeobachter und des Auswärtigen Amts nicht den international anerkannten Standards. Das Wahlbeobachtungsamt der OSZE/ODIHR hatte zuvor am Monitoring der Parlamentswahlen am 01.11.2015 nicht teilgenommen. Während die Regierung regelmäßig auf administrative Ressourcen und die staatlich kontrollierten elektronischen Medien zurückgreift, werden die Versuche der Opposition sich öffentlich zu versammeln oder sonst öffentlich wahrnehmbar zu äußern, deutlich erschwert. Die Verfassung enthält den Grundsatz der Gewaltenteilung. Parteien sind in Aserbaidschan nur rudimentär ausgeprägt. Die Rechtsprechung wird durch den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, Berufungsgerichte, erstinstanzliche Bezirksgerichte und Gerichte mit Sonderzuständigkeiten ausgeübt (AA 22.2.2019).
Die Nationalversammlung ist seit 2005 ein Einkammerparlament mit 125 Mitgliedern. Alle Sitze werden in Einpersonenwahlkreisen nach Mehrheitswahlrecht vergeben, ein Platz bleibt für Bergkarabach vakant. Die Legislaturperiode beträgt fünf Jahre (aktives Wahlrecht ab 18, passives ab 25 Jahre) (LIPortal 4.2018).
Obwohl Präsident Ilham Aliyev, immer noch der mächtigste Mann im Land ist, hat er im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater nur eine begrenzte Autorität, da er die Macht mit einigen sehr mächtigen Staatsbeamten und Oligarchen teilen muss. Das Parlament und die kommunalen Vertreter, obgleich vom Volk nominell gewählt, bleiben passive Teilnehmer im politischen Entscheidungsprozess. Parlamentarier sind oft Schützlinge und Verwandte von Oligarchen und einflussreichen Exekutivfunktionären. Sie führen lediglich Aufträge aus, die sie direkt vom Präsidentenbüro erhalten, das de facto der alleinige bestimmende Akteur der Legislative ist (BTI 2018).
Aserbaidschan ist ein säkularer Staat mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Die Verfassung von 1995 etablierte ein Präsidialsystem, das dem Präsidenten weitreichende Voll