TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/19 96/19/1873

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Veröffentlicht am 19.09.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §8;
AufG 1992 §12 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §54;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der 1973 geborenen BS in Linz, vertreten durch

Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bismarckstraße 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1996, Zl. 118.521/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 21. März 1994 bei der österreichischen Botschaft in Ankara die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Am 17. November 1994 wurde ihr von der österreichischen Botschaft in Ankara ein Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer vom 24. November 1994 bis 23. Februar 1995 ausgestellt. Die Beschwerdeführerin reiste in das Bundesgebiet ein und beantragte am 7. März 1995 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. April 1995 abgewiesen. Mit Bescheid der gleichen Behörde vom gleichen Tag wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes (AsylG 1991) der befristete Aufenthalt im Bundesgebiet vom 23. Februar 1995 bis 23. Oktober 1995 bewilligt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. März 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - unter anderem - gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen solle. Die Beschwerdeführerin sei mit einem Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und halte sich (nach dessen Ablauf) nach wie vor im Bundesgebiet auf. Durch ihr Asylverfahren habe sie bis 27. April 1995 (Rechtskraft des Abweisungsbescheides) eine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet besessen. Seither halte sie sich unerlaubt in Österreich auf. Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG sei verwirklicht. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Eine auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützte Entscheidung stelle einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Fremden dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 AufG lauten:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren."

§ 10 Abs. 1 Z. 6, § 36 Abs. 2 und § 37 Abs. 1 FrG lauten:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;

§ 36. ...

(2) Die Abschiebung eines Fremden ist auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 37) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint.

...

§ 37. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden."

§ 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1991 lauten:

"§ 7. (1) Ein Asylwerber, der gemäß § 6 eingereist ist, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat (vorläufige Aufenthaltsberechtigung). ...

§ 8. (1) Die Asylbehörde kann aus Anlaß der Erlassung eines Bescheides, mit dem ein Asylantrag abgewiesen wird, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen einem Fremden von Amts wegen den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet bewilligen, wenn die Abschiebung rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist oder ihm wegen der Situation in seinem Heimatstaat oder - sofern er staatenlos ist - in dem Staat, in dem er zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, aus wichtigen Gründen nicht zugemutet werden kann.

(2) Die befristete Aufenthaltsberechtigung ist für höchstens ein Jahr zu bewilligen. Sie kann um jeweils höchstens ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn die Gründe für ihre Bewilligung andauern."

Die Beschwerdeführerin tritt der maßgeblichen Sachverhaltsannahme im angefochtenen Bescheid, sie sei mit einem Touristensichtvermerk eingereist und halte sich seither im Bundesgebiet auf, nicht entgegen. Sie verweist lediglich darauf, daß ihre Einreise mit einem Touristensichtvermerk nicht in der Absicht erfolgt sei, Einwanderungsvorschriften zu umgehen. Sie sei vielmehr aufgrund der ihr in ihrem Heimatstaat, der Türkei, drohenden Verfolgung genötigt gewesen, in Österreich zu bleiben.

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG stellt nicht darauf ab, ob die Einreise mittels Touristensichtvermerk bereits in der Absicht erfolgte, im Inland einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen oder nicht. Für die Verwirklichung des in Rede stehenden Sichtvermerkversagungsgrundes ist allein maßgeblich, daß sich der Fremde im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nach einer mit Touristensichtvermerk erfolgten Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0534). Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist auch dann verwirklicht, wenn die beantragte Aufenthaltsbewilligung nicht nahtlos an den Touristensichtvermerk anschließen soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0134). Auch der Erwerb einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1991 hindert die Anwendung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG im Verfahren zur Erteilung einer (regulären) Aufenthaltsbewilligung nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 96/19/0237). Diese für das vorläufige Aufenthaltsrecht nach § 7 Abs. 1 AsylG 1991 entwickelte Judikatur ist auch auf den hier nach der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen vorliegenden Fall eines zwischenzeitigen Erwerbs einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 zu übertragen.

Insoweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, ihr wäre aufgrund des § 12 Abs. 1 AufG eine Bewilligung zu erteilen gewesen, ist ihr zu entgegnen, daß ein Aufenthaltsrecht aufgrund dieser Bestimmung jedenfalls die Erlassung einer entsprechenden Verordnung der Bundesregierung voraussetzt. Eine solche ist in Ansehung von Staatsangehörigen der Türkei jedoch nicht ergangen.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie gehöre der kurdischen Bevölkerungsgruppe an, weshalb ihr in ihrem Heimatland Verhaftung und unmenschliche Behandlung drohe. Dies sei auch der Grund für die Gewährung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1991 gewesen. Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, daß die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Umstände nicht zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung trotz Vorliegens des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG zu führen haben. Sie können bei der Entscheidung über eine amtswegige Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1991 von Bedeutung sein oder aber mit einem Antrag gemäß § 36 Abs. 2 FrG geltend gemacht werden (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997,

Zlen. 96/19/3402, AW 96/19/1873).

Insoweit sich die Beschwerdeführerin auf die durch die Anwesenheit ihres Gatten und ihres Kindes im Bundesgebiet begründeten familiären Interessen beruft, ist ihr zu entgegnen, daß bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden aus den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, genannten Gründen nicht in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 96/19/0404).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996191873.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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