TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/8 L502 2165253-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.2020
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Entscheidungsdatum

08.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L502 2165258-1/18E

L502 2165260-1/17E

L502 2165256-1/11E

L502 2165253-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX und 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Libanon und vertreten durch XXXX und RA XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2017, FZ. XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2020 zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerden werden hinsichtlich der Spruchpunkte I, II und III, erster Satz, als unbegründet abgewiesen.

2. Den Beschwerden wird hinsichtlich Spruchpunkt III, zweiter Satz, stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX , XXXX , XXXX und XXXX gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

3. Gemäß § 55 Abs. 1 Z. 2 AsylG wird XXXX , XXXX , XXXX und XXXX jeweils eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt.

4. Spruchpunkt III, dritter Satz und Spruchpunkt IV der Bescheide werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und dessen Ehegattin, die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), stellten am 06.02.2013 jeweils für sich und für ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder, den Drittbeschwerdeführer (BF3) und die Viertbeschwerdeführerin (BF4), einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 07.02.2013 erfolgte die Erstbefragung des BF1 und der BF2 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In der Folge wurden die Verfahren zugelassen.

3. Am 18.03.2013 langte beim Bundesasylamt (BAA) eine behördliche Sachverhaltsmitteilung einen früheren Aufenthalt des BF1 in Deutschland betreffend ein.

4. Am 25.10.2013 wurden der BF1 und die BF2 beim BAA zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen.

Der BF1 legte im Zuge der Einvernahme mehrere Beweismittel vor, die in Kopie zum Akt genommen wurden.

Ihnen wurde die Möglichkeit eingeräumt eine Stellungnahme zu den länderkundlichen Informationen des BAA zur Lage im Libanon abzugeben, worauf beide verzichteten.

5. Am 03.04.2014 und 28.03.2017 erfolgten weitere niederschriftliche Einvernahmen des BF1 und der BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).

Die BF2 legte abermals Beweismittel vor, die in Kopie zum Akt genommen wurden.

Ihnen wurden erneut aktuelle Länderinformationen ausgehändigt und die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme dazu eingeräumt.

6. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 21.06.2017 wurden ihre Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihnen jeweils eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV).

7. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 22.06.2017 wurde ihnen von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

8. Gegen die durch Hinterlegung zugestellten Beschiede wurde mit Schriftsatz ihrer zugleich bevollmächtigten Vertretung vom 27.06.2017 binnen offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

Unter einem wurden mehrere Beweismittel vorgelegt.

9. Mit 24.07.2017 langten die Beschwerdevorlagen des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurden die gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.

10. Am 12.03.2019 legten die Beschwerdeführer über ihre Vertretung mehrere Beweismittel vor.

11. Am 29.01.2020 und am 13.02.2020 brachte ein weiterer rechtsfreundlicher Vertreter der Beschwerdeführer Beweismittel in Vorlage.

12. Das BVwG führte am 08.05.2020 eine mündliche Verhandlung in der Sache der Beschwerdeführer in Anwesenheit des BF1 und der BF2 durch.

13. Am 29.05., 23.06. und 02.07.2020 brachte der Rechtsvertreter weitere Beweismittel in Vorlage.

14. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters und brachte länderkundliche Informationen den Herkunftsstaat der Beschwerdeführer betreffend ins Verfahren ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF1 und der BF2 steht fest, jene des BF3 und der BF4 steht nicht fest. Die Beschwerdeführer sind libanesische Staatsangehörige. Sie gehören der arabischen Volksgruppe und der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. BF1 und BF2 sind seit 02.08.1998 verheiratet, aus ihrer Ehe stammen zwei gemeinsame minderjährige Kinder, der am XXXX geborene Drittbeschwerdeführer (BF3) und die am XXXX geborene Viertbeschwerdeführerin (BF4).

Im Libanon leben noch die Mutter und eine Schwester des BF1. Sie bewohnen dort ein Haus im Dorf XXXX . Seine Familienangehörigen im Libanon bestreiten ihren Lebensunterhalt mit finanzieller Unterstützung der Brüder des BF1. Einer dieser Brüder lebt in den USA, der andere ist seit etwa 1998 in Deutschland aufhältig. Außerdem leben noch weitere Verwandte des BF1 im Libanon. Einige dieser Verwandten arbeiten in der Landwirtschaft oder als Taxifahrer. Der BF1 steht mit seiner Mutter im Libanon in regelmäßigem Kontakt. Er besuchte in XXXX für fünf Jahre die Grundschule und für drei Jahre die Hauptschule. Er hielt sich von 1992 bis 1999 als Asylwerber in Deutschland auf. Dort heiratete er auch seine erste Ehegattin. Ob er inzwischen von dieser geschieden ist, konnte nicht festgestellt werden, er unterhielt nach seiner Rückkehr in den Libanon jedoch keinen Kontakt mehr mit ihr. Er war in Deutschland als Pizzabäcker erwerbstätig. 1999 kehrte er freiwillig in den Libanon zurück. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach seiner Rückkehr in den Libanon und vor 2006 war er für etwa einen Monat aus beruflichen Gründen in Benin aufhältig, wo er sich auch zwei Führerscheine ausstellen ließ. Nach seiner neuerlichen Rückkehr in den Libanon arbeitete er zunächst in einem Restaurant in XXXX , ehe er ab 2006 bis zur jüngsten Ausreise im Jahr 2013 als Wächter auf Zitronenplantagen in XXXX erwerbstätig war. Während dieser Erwerbstätigkeit bewohnte er zusammen mit seiner Frau und den Kindern ein Haus auf diesen Plantagen, welches im Eigentum seines Arbeitgebers stand.

In XXXX im Libanon leben auch die Mutter und die Schwester der BF2 in der Wohnung ihrer Eltern sowie weitere Verwandte. Ihr Vater ist bereits verstorben. Ihre Schwester ist dort als Näherin erwerbstätig und versorgt ihre Mutter. Es leben außerdem mehrere Tanten und Cousinen im Südlibanon. Die BF2 hat mit ihren Familienangehörigen im Libanon regelmäßigen Kontakt. Sie hat auch noch drei Brüder. Zwei davon sind in Österreich aufhältig. Weiter ist eine Cousine in Österreich aufhältig. Es besteht kein gemeinsamer Wohnsitz mit einem ihrer hiesigen Verwandten. Auch die BF2 besuchte in XXXX für fünf Jahre die Grundschule und für vier Jahre die Hauptschule, ging jedoch keiner Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat nach.

Die Beschwerdeführer verließen den Libanon am 03.02.2013 illegal und reisten am 04.02.2013 schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland in das Gebiet der europäischen Union ein. Von dort aus gelangten sie schlepperunterstützt auf dem Landweg am 06.02.2013 in das österreichische Bundesgebiet, wo der BF1 und die BF2 am selben Tag jeweils für sich und als gesetzliche Vertreter für die minderjährigen BF3 und BF4 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten und sich seither aufhalten.

Die Beschwerdeführer sprechen Arabisch als Muttersprache. Die Beschwerdeführer verfügen über gute Kenntnisse der deutschen Sprache für den Alltagsgebrauch.

Der BF1 war zwischen 2013 und 2015 entgeltlich als Dolmetscher im Dienst der Caritas bei der Polizei, im Krankenhaus und bei Arztbesuchen tätig. Auch danach war er als Dolmetscher bei der LPD OÖ, bei der BH XXXX , beim Stadtamt XXXX , beim Bezirksgericht XXXX , für die Bewährungshilfe, für den VMÖ sowie im Krankenhaus XXXX tätig. Im Jahr 2015 war er ehrenamtlich für das XXXX in der Flüchtlingsbetreuung tätig. Er nahm an einem Erste-Hilfe-Kurs teil und besuchte mehrere Deutschkurse. In seiner Unterkunft für Asylwerber übernimmt er zudem ehrenamtlich Dolmetsch- und Hausmeistertätigkeiten.

Die BF2 nahm zwischen 2013 und 2017 an Deutschkursen sowie im Februar 2014 an einem Erste-Hilfe-Kurs teil. Im Jahr 2017 bestand sie einen deutschen Sprachtest auf dem Niveau A2 und 2018 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1. Im November 2019 bestand sie eine Pflichtschulabschluss-Prüfung an der Neuen Mittelschule XXXX . Neben ehrenamtlichen Dolmetsch-Tätigkeiten in ihrer Unterkunft nahm sie an einem Projekt des Kindergartens XXXX zur Sprachförderung teil. Auch sie erbrachte mehrfach Dolmetsch-Leistungen für die BH XXXX . Von Jänner 2020 bis März 2020 war sie ehrenamtlich im Sekretariat für das XXXX tätig.

Der BF3 besuchte in den Schuljahren 2014/2015, 2015/2016, 2016/2017 und 2017/2018 die Volksschule XXXX . Seit dem Schuljahr 2018/2019 besucht er die Neue Mittelschule XXXX .

Die BF4 besuchte im Schuljahr 2018/2019 die Deutschförderklasse der Volksschule XXXX . Zuvor ging sie in Österreich in den Kindergarten.

BF1 und BF2 gingen bis 30.06.2019 keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach, sind jedoch gesund und arbeitsfähig. Demgegenüber bezogen sie seit der Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Der BF1 beantragte am 11.05.2020, 13.05.2020, 18.05.2020 und 28.05.2020 jeweils eine Beschäftigungsbewilligung als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter bzw. als Pizzakoch für unterschiedliche Dienstgeber. Seinem Antrag vom 13.05.2020 wurde mit Bescheid des XXXX vom 15.06.2020 Folge gegeben und ihm eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG erteilt. Er schloss mit Beginn vom 01.07.2020 einen Arbeitsvertrag als Hilfsarbeiter in einem Gartenfachbetrieb mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden und einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von ca. XXXX Euro ab.

Die Beschwerdeführer leiden unter keinen maßgeblichen gesundheitlichen Einschränkungen.

BF1 und BF2 sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. BF1 hat den Libanon nicht aufgrund individueller Verfolgung durch Mitglieder der Hisbollah oder der Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) verlassen und ist bei einer Rückkehr in den Libanon auch nicht der Gefahr einer solchen ausgesetzt.

BF2 bis BF4 haben den Libanon als Mitreisende des BF1 ohne individuelle Fluchtgründe verlassen. Auch sie sind bei einer Rückkehr in den Libanon nicht der Gefahr einer individuellen Verfolgung durch die Hisbollah oder die DFLP ausgesetzt.

1.3. Die Beschwerdeführer sind bei einer Rückkehr in den Libanon weder mangels hinreichender Existenzgrundlage noch aufgrund der allgemeinen Lage dort einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt.

1.4. Feststellungen zur allgemeinen Lage im Libanon:

Abgeschobene libanesische Staatsangehörige werden – wie alle Einreisenden – von den Sicherheitsbehörden überprüft. Ein besonderes staatliches Interesse an diesen Personen ist nicht erkennbar.

1.4.1. Allgemeine politisch Lage

Auch wenn die verschiedenen innerstaatlichen Konflikte institutionell gelöst scheinen, bestehen die Ursachen weiter. Die destabilisierenden regionalen politischen und konfessionellen Spannungen haben infolge der Krise in Syrien seit Anfang 2011 deutlich zugenommen. So ist die Hisbollah erklärtes Ziel sunnitischer Extremisten, die sich mit Selbstmordanschlägen gegen schiitische Wohn- und Einflussgebiete für den Kampf der Schiiten-Miliz an der Seite von Baschar al-Assad in Syrien rächen wollen. Die größte christliche Partei des Landes (Free Patriotic Movement) ist demgegenüber politisch mit der Hisbollah verbündet und betrachtet diese als Stabilisierungsfaktor für Libanon und seine religiösen Minderheiten.

Die politische und militärische Rolle von Hisbollah bleibt damit struktureller Streitpunkt für Libanon. Ihr politischer Arm hat dreizehn Vertreter im Parlament und 3 Minister (von denen der Gesundheitsminister Jabak formal kein Hisbollah-Mitglied ist) im Kabinett. Ihr „militärischer Arm“ ist von der EU seit 2013 als terroristische Vereinigung gelistet. Die Hisbollah bildet zumindest in ihren Hochburgen (Teile der Bekaa-Ebene, südliche Beiruter Vororte, Teilgebiete des Südens) weiterhin eine Art Staat im Staate und übernimmt dort neben sozialen und politischen Aufgaben faktisch auch die Funktion einer Sicherheitsbehörde. Parallel bestehen kleinere bewaffnete Milizen der AMAL-Partei des Parlamentspräsidenten Nabih Berri, drusische Bürgerwehren sowie christliche Milizen (etwa der Partei „Lebanese Forces“ sowie in Nähe zur Kataeb-Partei oder zur griechisch-orthodoxen Kirche), die sich im Spätsommer 2015 auch an Kampfhandlungen gegen aus Syrien einsickernde sunnitische Extremisten beteiligt haben.

Die allgemeine Sicherheitslage ist insbesondere durch die derzeitigen Massenproteste und Verkehrsblockaden unübersichtlicher geworden, stellt aber zunächst keine allgemeine Bedrohungslage dar. Im Grenzgebiet zu Israel kam es Ende 2018 (Aufdeckung von Tunnelanlagen durch die israelische Armee und kurzfristiger gegenseitiger Artilleriebeschuss im September 2019) zu erhöhten Spannungen, welche aber keine allgemeine Bedrohung der dortigen Bevölkerung darstellten. Anfang September beschoss die Hisbollah israelische Militärstellungen und -fahrzeuge nahe der Ortschaft Avivim an der israelisch-libanesischen Grenze mit mehreren Panzerabwehrlenkraketen. Israel hat seinerseits mit Artilleriebeschuss auf Ziele im südlichen Libanon reagiert. Nach wenigen Stunden wurden die Gefechte beidseitig wieder eingestellt. Die Angriffe der Hisbollah erfolgten nach eigenen Angaben als Vergeltungsaktion auf einen israelischen Angriff in Syrien am 24.8., bei dem zwei Hisbollah-Kämpfer getötet wurden, sowie einen Drohnenangriff in Süd-Beirut am 25.8., bei dem mutmaßlich eine Maschine zur Herstellung von Kurzstreckenraketen zerstört wurde.

1.4.2. Handlungen gegen Kinder

Die Einschulungsrate für 6 bis 11-jährige Kinder liegt bei ca. 90 %, bei den 3 bis 5-jährigen liegt sie über 90 % (Vorschulen). Kinderarbeit, speziell in abgelegenen und ländlichen Gebieten (Bekaa-Ebene/Akkar), ist gleichwohl verbreitet. Betroffene kommen meist aus den unteren sozialen Schichten und haben oft keine libanesische Staatsangehörigkeit, wie palästinensische bzw. syrische Flüchtlinge oder auch die Kinder afrikanischer oder asiatischer Hausangestellter.

Das gesetzliche Mindestalter für eine Arbeitsaufnahme liegt bei 14 Jahren. Die Analphabetenrate libanesischer Bürger liegt bei ca. 8 % (bei Kindern deutlich niedriger); für die nicht-libanesische Bevölkerung liegen keine offiziellen Zahlen vor.

Die Zahl der Straßenkinder ist in den letzten Jahren, insbesondere seit Konfliktbeginn in Syrien 2011, enorm angestiegen. Laut einem Bericht von UNICEF leben derzeit 1.500 Kinder auf der Straße, vor allem in Beirut und Tripoli.

Im Zusammenhang mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Syrienflüchtlinge wird immer wieder von der Verheiratung minderjähriger Mädchen berichtet. Eltern erhoffen sich durch die Verheiratung eine bessere wirtschaftliche Lage für ihre Töchter; oft tritt jedoch das Gegenteil ein.

1.4.5. Ausweichmöglichkeiten

Die staatlichen Institutionen haben in Teilen des Landes keinen uneingeschränkten Zugriff. Er fehlt umfassend in einigen der palästinensischen Flüchtlingslager.

Auch in anderen Landesteilen schränkt die Existenz nichtstaatlicher Akteure die Zugriffsmöglichkeiten der Staatsorgane ein. Dies gilt insbesondere für die südlichen Vororte Beiruts und die schiitischen Siedlungsgebiete in der Bekaa-Ebene und im Süden des Landes, in denen die Hisbollah präsent ist und Druck auf staatliche Institutionen ausübt.

Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure kann in der Regel durch Verlegung des Wohnorts außerhalb des Einflussbereichs dieser Akteure umgangen werden. Beispielsweise ist der Einfluss der Hisbollah im christlichen Kerngebiet des Mont Liban oder im sunnitischen Tripoli sehr gering.

1.4.6. Todesstrafe und Extralegale Tötungen

In Libanon droht die Todesstrafe für folgende Delikte des allgemeinen Strafrechts:

?        Hochverrat und ähnliche Delikte (Art. 273, 274, 275 u. 276 lib. StGB),

?        Aufruhr und Aktionen, die den Bürgerkrieg schüren (Art. 308),

?        Terrorismus in besonders schweren Fällen (Art. 315),

?        Bildung von kriminellen Banden in besonders schweren Fällen (Art. 336),

?        Totschlag mit Vorsatz (Art. 549),

?        Verbrechen gegen die Verkehrssicherheit mit Todesfolge (Art. 599)

?        sowie für folgende Straftatbestände des militärischen Strafrechts:

?        Fahnenflucht und Überlaufen zum Feind (Art. 110 lib MilitärStGB),

?        Kapitulation vor dem Feind (betrifft nur regionale Militärbefehlshaber, Art. 121),

?        Hochverrat, militärischer Umsturz und Spionage (Art. 123, 124 und 130),

?        Befehlsverweigerung im Kriegsfall (Art. 152),

?        Verlassen eines sinkenden Kriegsschiffes (gilt nur für Kommandanten, Art. 168).

Im Januar 2004 fanden trotz heftiger Proteste der Öffentlichkeit und der EU – nach jahrelangem Moratorium – drei Hinrichtungen statt. 2017 waren nach NRO-Angaben 75 Personen in Haft, gegen welche die Todesstrafe verhängt wurde. Im Jahr 2018 wurden 5 Personen zum Tode verurteilt. Bisher ist es jedoch zu keinen weiteren Vollstreckungen gekommen. Bei Verfahren vor dem Sondergerichtshof für den Libanon (Special Tribunal for Lebanon, STL) ist die Verhängung der Todesstrafe explizit ausgeschlossen.

In Libanon sind keine extralegalen Tötungen durch libanesische Staatsorgane bekannt geworden. Extralegale Hinrichtungen können aber für militärische Kampfhandlungen in Gebieten außerhalb staatlicher Kontrolle nicht ausgeschlossen werden. Bei einem Antiterroreinsatz der libanesischen Armee in der Gegend von Arsal am 30.06.2017 wurden 350 Personen vorübergehend festgenommen, mindestens 4 starben im Gewahrsam der Armee, nach Armeeangaben in Folge bereits bestehender gesundheitlicher Probleme. Menschenrechtsgruppen fordern eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge. Der Fall soll militärgerichtlich aufgearbeitet werden.

1.4.7. Rückkehrfragen

Grundversorgung

Trotz des relativ hohen Pro-Kopf-Einkommens leben ca. 28 % der libanesischen Bevölkerung an oder unter der Armutsgrenze von ca. 4 USD pro Tag, d. h. knapp 1 Mio. Menschen, Tendenz insbesondere aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage steigend. Insbesondere im Nord-Libanon (Akkar-Gebiet), in der nördlichen Bekaa-Ebene (insb. Hermel-Gebiet) sowie in Süd-Libanon bestehen hohe Armutsraten. Die Arbeitslosigkeit unter Libanesen liegt offiziell bei 7 %, unter libanesischen Jugendlichen bei 21,7 %. Für arme Libanesen besteht bislang nur ein rudimentäres System der sozialen Sicherung in Form des nationalen Armutsprogramms. Derzeit erhalten lediglich 10.000 Familien Nahrungsmittelhilfe in Höhe von 27 USD pro Kopf/pro Monat über das nationale Armutsprogramm. Es existiert weder eine allgemeine Arbeitslosen- noch eine Rentenversicherung (nur eine arbeitsrechtliche Austrittsprämie, die mit Blick auf die Arbeitsjahre berechnet wird). Wesentliches Element sozialer Sicherung ist die Familie, daneben karitative und religiöse Einrichtungen (immer nur für die jeweilige Religionsgruppe). Es gibt keine speziellen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer. Angesichts weiterer wirtschaftlicher Stagnation, drohender Abwertung der Landeswährung und eines möglichen Kollapses des Bankensystems ist eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtlage im Jahr 2020 zu befürchten.

Medizinische Versorgung

Libanon ist – bei leichten regionalen Unterschieden – ein Land mit relativ guter medizinischer Versorgung. Die Ärzteschaft umfasst viele Spezialisten, die zu einem großen Teil im westlichen Ausland studiert und auch praktiziert haben. Staatliche Krankenhäuser gibt es in allen größeren Städten. Auch sehr spezielle Behandlungen (Operationen am offenen Herzen, Krebstherapien) können im Land durchgeführt werden. Die Nachversorgung kriegsbedingter Behinderungen ist möglich (inkl. Transplantationen). Lediglich Patienten mit sehr seltenen oder schweren Erkrankungen müssen zwingend ins Ausland überwiesen werden, etwa schwerste Brandverletzungen. Vereinzelt kommt es in Krankenhäusern in ärmeren Regionen (Akkar) zu zeitweiligen Überbelegungen und Engpässen. Neben privater wie staatlicher Krankenversicherung können Behandlung und Medikation für mittellose und/oder aus dem Ausland zurückkehrende Libanesen durch eine Überweisung des Gesundheitsministeriums an dessen Vertragskrankenhäuser (darunter auch renommierte Kliniken wie das American University Hospital oder das Hôtel Dieu in Beirut) und Vertragsärzte erfolgen. Die Vertragskrankenhäuser des Gesundheitsministeriums sind verpflichtet, vom Gesundheitsministerium zugewiesene Patienten im Rahmen einer monatlichen Quote aufzunehmen. Sie wehren sich gelegentlich – soweit diese Quote überschritten wird oder besonders „teure“ Fälle darunter sind – mit juristischen oder bürokratischen Maßnahmen gegen die Überweisung oder versuchen, Einzelpersonen an eine karitative Organisation „weiterzureichen“. Derzeit bekommen 42.000 Haushalte (d. h. rund 230.000 Personen) diese Unterstützungsleistung des Gesundheitsministeriums. Parallel existiert ein vom Gesundheits- und Sozialministerium gefördertes Netzwerk von „Erstversorgungseinrichtungen“, die häufig von Nichtregierungsorganisationen betrieben werden. Diese nehmen einfache Behandlungen (Impfungen/Gabe von Generika/Röntgen etc.) gegen eine Gebühr von ca. 5-10 US-Dollar vor. Rückkehrer können grundsätzlich auch eine – allerdings kostspielige – private Krankenversicherung abschließen. Für ältere Personen oder bei Vorerkrankungen kann es ausgeschlossen oder prohibitiv teuer sein, eine private Krankenversicherung abzuschließen. Alle international gängigen Medikamente sind in Libanon erhältlich. Die Einfuhr von Medikamenten aus Deutschland ist möglich.

Behandlung von Rückkehrern

Es sind keine Fälle bekannt, in denen libanesische Staatsangehörige, die aus Deutschland abgeschoben wurden, aus diesem Grund eine diskriminierende Behandlung in Libanon erfahren haben. Sie werden – wie alle Einreisenden – von den Sicherheitsbehörden überprüft. Ein besonderes staatliches Interesse an dieser Personengruppe ist nicht erkennbar. Bisher ist auch kein Fall bekannt geworden, in dem die unfreiwillige Rückkehr eines abgelehnten Asylbewerbers staatliche Repressionsmaßnahmen ausgelöst hätte. In Abwesenheit verurteilte Personen werden bei der Einreise in Strafhaft genommen und verbüßen die verhängte Haftstrafe. Sie haben unmittelbar nach Haftantritt die Möglichkeit, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen. Das Verfahren wird vollständig neu durchgeführt, und es gilt das Verbot der reformatio in peius („Verböserung“). In diesen Fällen sind keine Vorwürfe von Folter oder Misshandlung bekannt geworden.

Einreisekontrollen

Die Einreisekontrollen an den Grenzübergängen und am internationalen Flughafen Beirut sind strikt. Reise- und Dokumentendaten werden seit 1995 an allen Einreisestellen erfasst und sind durch die General Security zentral abrufbar. Es ist möglich, sich gegen eine geringe Gebühr die Ein- und Ausreisebewegungen aus dem Libanon bescheinigen zu lassen.

Personen ohne gültige Dokumente werden erfasst und an der Einreise gehindert. Libanon erkennt keine von Deutschland oder EU-Staaten für libanesische Staatsangehörige oder Staatenlose ausgestellten Heimreisepapiere an. Libanesische Staatsangehörige können nicht ohne Vorlage eines Reisepasses bzw. eines von der zuständigen libanesischen Auslandsvertretung ausgestellten Heimreisedokuments (z. B. Laissez-Passer) einreisen. Besteht bei der Einreise in Libanon der Verdacht, dass ein Drittausländer vormals illegal nach Europa gelangt ist, verweigern libanesische Grenzbehörden die Einreise. Luftfahrtunternehmen sind dann in der Pflicht, den Passagier zurück zu befördern. Zusätzlich wird pro Passagier ein Bußgeld in Höhe von derzeit 2.000 USD erhoben. Eine Durchreise für diese Personengruppe im direkten Transit ist möglich.

Die libanesischen Grenzbehörden haben ein Smart Border Management System (SBMS) eingeführt, das Fingerabdruckleser und Kameras einschließt und mit dem zukünftig alle Luft-, Land- und Seegrenzübergänge vernetzt werden. Das System ermöglicht u. a. einen automatischen Abgleich mit Fahndungstreffern, Ein- und Ausreisesperren, ungültigen Dokumenten, „Overstayern“ und Interpol-Datenbank; es speichert zudem die Reisebewegungen ab.

Die Demarkationslinie (Blaue Linie) zu Israel ist für den Grenzverkehr geschlossen und wird durch einen durchgehenden Grenzzaun/-mauer auf israelischer Seite befestigt. Das IKRK kann in Abstimmung mit UNIFIL (UN Interim Force in Lebanon) und der libanesischen Armee ehemalige Mitglieder der SLA und deren Angehörige über den Übergang in Naqoura in Libanon führen.

Echtheit von Dokumenten

Eine Vielzahl der dem Auswärtigen Amt zur Überprüfung vorgelegten Dokumente in Asylangelegenheiten hat sich als Fälschungen herausgestellt. Es besteht leichter Zugang zu gefälschten Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehlen, Gerichtsurteilen oder Mitgliedsausweisen von politischen Parteien oder ehemaligen Bürgerkriegsmilizen. Vieles deutet daraufhin, dass diese Papiere von Fälschern in Deutschland hergestellt werden, teilweise unter Verwendung entwendeter echter libanesischer Stempel.

1.5. Zur Rekrutierung durch die Hisbollah im Libanon

Die Mitgliedschaft in der Hisbollah-Organisation beruht auf "Treue zum ideologischen Programm der Organisation". Die Rekrutierung durch die Hisbollah beruht auf Freiwilligkeit und Fälle von "Zwangsrekrutierung" sind nicht bekannt. Die Motive für den Beitritt zur Hisbollah sind "religiöse Observanz, Feindseligkeit gegenüber Israel und das schiitische Bekenntnis für Gerechtigkeit und Würde". Der Prozess der Mobilisierung und Radikalisierung der potenziellen Rekruten der Hisbollah beginnt bereits in jungen Jahren. Kinder im Alter von sechs oder sieben Jahren werden ermutigt, an der Jugendbewegung der Hisbollah teilzunehmen, allerdings werden keine Kämpfer unter achtzehn Jahren aufgenommen.

Wenn Personen, die sich vor der Hisbollah fürchten, Libanesen sind, werden sie Berichten zufolge nicht belästigt, sobald sie sich außerhalb der von der Hisbollah kontrollierten Regionen befinden. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass Libanesen aus den von der Hisbollah kontrollierten Gebieten mit einem Diskriminierungsproblem konfrontiert sein könnten, wenn sie versuchen in andere libanesische Regionen zu ziehen. Die libanesischen Sicherheitsbehörden gewährleisten Menschen, die ernsthaften Drohungen durch die Hisbollah ausgesetzt sind, im Regelfall keinen Schutz.

Der Einfluss der Hisbollah ist im christlichen Kerngebiet des Mont Liban oder im sunnitischen Tripoli sehr gering und eine Verfolgung kann durch Verlegung des Wohnorts außerhalb des Einflussbereichs dieser Akteure umgangen werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF1 und der BF2, der bekämpften Bescheide, des Beschwerdeschriftsatzes und der sonstigen im Zuge des Verfahrens von ihnen vorgelegten Beweismittel, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Einsichtnahme in den jüngsten Bericht des dt. auswärtigen Amts zur Lage im Libanon vom 24.01.2020 und in eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Rekrutierung durch die Hisbollah vom 05.06.2018 sowie die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems.

2.2. Identität und Staatsangehörigkeit des BF1 und der BF2 waren auf Grundlage der vorgelegten nationalen Identitätsdokumente feststellbar. Ausgehend davon und ihren Angaben war auch die Staatsangehörigkeit von BF3 und BF4 feststellbar, wobei deren genaue Identität mangels nationaler Identitätsdokumente nicht festgesellt werden konnte.

Die Feststellungen der Zugehörigkeit des BF1 und der BF2 zur arabischen Volksgruppe stützen sich auf den Umstand, dass diese von ihnen bereits beginnend mit ihrer Erstbefragung angeben wurden. Die Feststellung ihrer Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensgemeinschaft ergab sich aus der von der BF2 vorgelegten Heiratsurkunde (AS 53 im Verfahrensakt der BF2) sowie ihren Angaben vor dem BFA. Aus der arabischen Volksgruppenzugehörigkeit und der schiitischen Religionszugehörigkeit von BF2 und BF1 war wiederum auf jene des BF3 und des BF4 zu schließen.

Die Feststellungen zu den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat vor der Ausreise sowie in Österreich im Gefolge derselben, zum Reiseverlauf zwischen dem Libanon und Österreich, zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer, zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit und zu ihren Integrationsbemühungen ergaben sich in unstrittiger Weise aus einer Zusammenschau ihrer persönlichen Angaben im Verlauf des gg. Verfahrens, dem Inhalt der von ihnen vorgelegten Unterlagen sowie aus den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

Die Feststellungen zum früheren Aufenthalt des BF1 in Deutschland resultieren aus einer Zusammenschau der Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde (AS 37ff im Verfahrensakt des BF1) und seiner eigenen Angaben im Verlauf des Verfahrens. Die frühere Eheschließung war anhand des von ihm vorgelegten Auszuges aus dem dt. Eheregister (AS 479 ff im Verfahrensakt des BF1) feststellbar. Zumal daraus nicht ersichtlich war und sich auch aus den Angaben des BF1 nicht mit Sicherheit ableiten ließ, dass er von seiner ersten Ehegattin auch geschieden ist, war dieser Umstand nicht feststellbar. Dass er mit seiner ersten Ehegattin seit der Rückkehr in den Libanon keinen Kontakt mehr unterhält, ergab sich aus seinen eigenen Angaben.

2.3.1. Anlässlich seiner Erstbefragung am 07.02.2013 brachte der BF1 zu seinen Antragsgründen befragt vor, dass seitens der Hisbollah seit drei oder vier Jahren auf ihn Druck ausgeübt worden sei, damit er für sie arbeite. In den letzten beiden Monaten hätten die Mitglieder der Hisbollah behauptet, dass er ein Spion für Israel sei. Es habe dauernd Kontrollen gegeben. Diese hätten auch bei ihm zuhause stattgefunden.

Anlässlich seiner ersten Einvernahme vor dem damaligen BAA am 25.10.2103 präzisierte er diese Angaben dahingehend, dass er in den letzten drei Jahren das Angebot erhalten habe bei der Hisbollah Mitglied zu werden, wofür er monatlich 1000 USD erhalten hätte, was er jedoch abgelehnt habe. Im Februar 2010 habe sich herausgestellt, dass ein Freund des BF1 ein Spion für Israel sei. Nach dessen Ausreise nach Israel seien einige Personen zum BF1 gekommen und hätten ihn gefragt, ob er Kontakt zu diesem Freund habe, was er verneint habe. Seit diesem Zeitpunkt habe man ihm vorgeworfen, dass er ebenso für Israel tätig sei, weil er Kontakt zu seinem übergelaufenen Freund habe, und dass er die Mitgliedschaft zur Hisbollah abgelehnt habe. Es sei auch zu nächtlichen Besuchen der Hisbollah gekommen.

Bei seiner zweiten Einvernahme durch das BFA am 03.04.2014 gab er zudem an, dass zwischenzeitlich Mitte Jänner 2014 jenes Haus, in dem er vor seiner Ausreise mit den übrigen Beschwerdeführern gelebt habe, von der Hisbollah angezündet worden sei. Mitglieder der Hisbollah würden zudem bei seinen Eltern und Schwiegereltern nach ihm fragen. Außerdem würde die Hisbollah inzwischen alle Männer aus ihrem Gebiet nach Syrien bringen, damit sie dort für sie kämpfen. Die Hisbollah habe überall im Libanon Spitzel und sei mächtiger als die libanesische Regierung. Er werde von ihnen verfolgt und sei mit dem Tod oder der Entführung bedroht worden.

In der dritten Einvernahme vor dem BFA am 28.03.2017 wiederholte er im Wesentlichen die bisherigen Angaben.

Die BF2 gab bei ihrer Erstbefragung zu ihren Fluchtgründen an, dass sie den Libanon wegen der Hisbollah verlassen habe. Sie habe Angst bekommen, als Leute von der Hisbollah von ihrem Ehegatten verlangt hätten, dass er der Partei beitritt. Sie selbst habe jedoch keine eigenen Fluchtgründe. Auch in ihrer ersten Einvernahme am 25.10.2013 wiederholte sie, dass sie und die gemeinsamen Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten und verwies auf jene ihres Ehegatten. Anlässlich ihrer zweiten Einvernahme am 03.04.2014 gab sie, wie schon ihr Ehegatte, an, dass zwischenzeitlich das Haus, in dem sie vor ihrer Ausreise gewohnt hätten, angezündet worden sei und sie die Hisbollah hinter dem Vorfall vermute, zumal sich deren Mitglieder bei ihren Verwandten nach ihnen erkundigt hätten. Auch sie verwies auf Rekrutierungen von Jugendlichen zu militärischen Zwecken durch die Hisbollah. In ihrer dritten und letzten Einvernahme vor dem BFA fanden sich hierzu keine weiteren maßgeblichen Ausführungen.

Für die minderjährigen BF3 und BF4 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

In der Beschwerde fanden sich keine weiteren maßgeblichen Aussagen dazu.

2.3.2. BF1 und BF2 gelang es mit ihrem Vorbringen nicht eine tatsächliche Verfolgungsgefahr ausgehend von der Hisbollah oder der DFLP glaubhaft zu machen.

Zunächst stellte sich der vom BF1 in der Verhandlung dargestellte Ablauf der Ereignisse im Zusammenhang mit der Hisbollah als gänzlich unplausibel dar. Dort führte er nämlich erneut aus, dass die Hisbollah ihn nach wie vor suchen würde, weil sie ihn beschuldigen würde mit Israel zusammengearbeitet zu haben. Dies begründete er – wie schon vor dem BFA – zuerst damit, dass er einen Freund gehabt habe, der tatsächlich mit Israel zusammengearbeitet habe, welcher schon 2010 nach Israel geflüchtet sei. Aufgrund dieser Freundschaft sei auch er der Kooperation mit Israel beschuldigt worden. Geht man nun davon aus, dass jener Freund tatsächlich mit Israel kooperierte und sich 2010 dorthin absetzte und der BF1 in der Folge ebenfalls der Kooperation mit Israel verdächtigt worden sei, so stellt es sich schon als denkunmöglich dar, dass die Hisbollah dann im Jahr 2012 versucht habe ihn für sich zu gewinnen und ihn in der Verwaltung oder als Kämpfer einzusetzen, wie er dies ebenfalls in der mündlichen Verhandlung behauptete, denn ihn zum einen als Spion zu verfolgen und zum anderen anzuwerben stellen zwei sich gegenseitig ausschließende Sachverhalte dar. Den obenstehenden Länderfeststellungen war auch zu entnehmen, dass Hisbollah eine auf Treue zum ideologischen Programm beruhende Verbindung ist, die sich insbesondere durch ihre Feindseligkeit gegenüber Israel auszeichnet, weshalb es geradezu ausgeschlossen erscheint, dass die Hisbollah eine Person anzuwerben zu versucht, gegen die sie den Verdacht hegt mit Israel zusammenzuarbeiten.

Die fehlende Plausibilität dieser Ausführungen erkannte auch der BF1 selbst in der Verhandlung, zumal er nach Vorhalt dessen insoweit zurückruderte, als er meinte er sei sogleich ausgereist, als man ihn der Kooperation mit Israel beschuldigt habe. Jedoch vermochte auch diese Einschränkung seines vormaligen Vorbringens nichts an der mangelnden Nachvollziehbarkeit seiner Angaben zu ändern, zumal diese Beschuldigungen bereits 2010 erfolgt wären, er jedoch erst im Februar 2013 die Ausreise antrat und sohin trotz des Verdachts der Hisbollah drei Jahre unbehelligt im Libanon weiterleben konnte, was ebenso gegen das behauptete Verfolgungsinteresse spricht.

Außerdem wichen seine Angaben vor dem BVwG von jenen vor dem BFA ab, wo er in der ersten Einvernahme im Oktober 2013 angab, dass erst in den letzten Monaten vor seiner Ausreise einige Führer der Hisbollah zu ihm gekommen seien und ihn des Kontakts mit seinem Freund und der Kooperation mit Israel beschuldigt hätten. Nachdem sein Freund zu diesem Zeitpunkt aber bereits drei Jahre lang in Israel gewesen wäre, war es nicht nachvollziehbar, dass man den BF1 dann nicht sogleich im Jahr 2010 damit konfrontiert hätte.

Nachdem sich der Grund für die ihm seitens der Hisbollah unterstellte Kooperation mit Israel, nämlich die Freundschaft zu einem Überläufer, auch insoweit relativiert hatte, als er bestätigte, dass er wohl nicht der einzige Freund des angeblichen Überläufers war, meinte er in der Verhandlung, dass seiner Einschätzung nach die Hisbollah deswegen vermutet habe, dass er mit Israel kooperierte, weil sie in der Nähe der Obstplantagen, auf denen er arbeitete, Raketenwerfer aufgestellt und von dort aus auf Israel geschossen und geglaubt habe, dass er Informationen darüber an Israel geliefert habe. Diese Darstellung steht jedoch in Widerspruch zu seinen Angaben in der ersten Einvernahme vor dem BFA, wo er angab, dass er im Zuge seiner Arbeit auf den Obstplantagen zwei Raketenstationen und Koffer gefunden und dies seinem Chef mitgeteilt habe, woraufhin dieser die UNO und das Militär informiert habe, die diese Gegenstände dann mitgenommen hätten (AS 289 im Verfahrensakt des BF1).

Darüber hinaus war seinem Vorbringen vor dem BFA zu entnehmen, dass der Fund nicht im Zusammenhang mit der Hisbollah, sondern mit der DFLP gestanden habe. Vor dem BFA gab er diesbezüglich an, dass er zwei Tage nach der Meldung des Fundes von der DFLP mit einem Drohzettel mit dem Umbringen bedroht worden sei.

Die behauptete Bedrohung durch die DFLP war als solche wiederum deshalb nicht glaubhaft, weil es zum einen nicht nachvollziehbar war, dass man ihn mit dem Tod bedroht, nachdem er seinen Fund gemeldet hatte, zumal nicht erkennbar wurde welchen Zweck diese Bedrohung dann haben sollte. Zum anderen war es nicht verständlich, dass eine militante Organisation lediglich einen Drohzettel anbringt und ihre Drohung nicht sogleich umsetzt, sofern sie tatsächlich seinen Tod herbeiführen wollte.

Im Übrigen räumte selbst in der ersten Einvernahme vor dem BFA ein, dass die Probleme mit dieser Organisation „nicht so wichtig“ wären, was ebenso gegen eine ernstzunehmende Bedrohung spricht. Außerdem steht die Meldung an die UNO und das libanesische Militär in keinem erkennbaren Zusammenhang mit Israel, weshalb sein Vorbringen, wonach ihm deshalb die Kooperation mit Israel unterstellt worden sei, nicht schlüssig war.

In einer Gegenüberstellung der Aussagen des BF1 und der BF2 vor dem BFA wurde zudem erkennbar, dass diese in zentralen Punkten nicht übereinstimmten. So gab der BF1 in seiner ersten Einvernahme an, dass die Hisbollah lediglich einmal zu ihm nach Hause gekommen sei (AS 291 im Verfahrensakt des BF1), während seine Ehegattin angab, dass sie immer nach einer Weile wiedergekommen bzw. sie fast täglich gekommen sei (AS 87f und 165 im Verfahrensakt der BF2). Anders als der BF1, der in seiner ersten Einvernahme vor dem BFA angab, dass das Gespräch wenige Monate vor ihrer Ausreise stattgefunden hätte, gab seine Gattin auch an, dass sich der Besuch der Hisbollah wenige Wochen nach der Flucht des mit Israel kooperierenden Freundes des BF1 im Jahr 2010 ereignet habe.

Die von ihm behauptete Rückkehrbefürchtung, dass es der Hisbollah gelingen würde ihn zu rekrutieren bzw. ihn andernfalls zu töten, entbehrte schon aus den oben bereits dargelegten Erwägungen zur fehlenden Glaubhaftmachung einer Vorverfolgung durch sie der nötigen Schlüssigkeit. Darüber hinaus sind den getroffenen Länderfeststellungen folgend keine stichhaltigen Anhaltspunkte für etwaige zwangsweise Rekrutierungsversuche der Hisbollah bekannt. Zumal es sich bei der Hisbollah um eine auf ideologischen Überzeugungen beruhende Organisation handelt, wäre die zwangsweise Rekrutierung von Mitgliedern, die dann kaum die erforderliche Loyalität aufweisen würden, von vornherein sinnlos. Über entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung räumte auch der BF1 ein, dass die Hisbollah ihre Mitglieder nicht zwangsweise rekrutiere, sondern die Leute bloß unter Druck setzte, was sich jedoch ebenso wenig aus den herangezogenen Länderinformationen erschließt. In seiner dritten Einvernahme vor dem BFA im März 2017 gab er im Übrigen auch selbst an, dass er nach seiner Weigerung beizutreten kein weiteres Mal zum Beitritt aufgefordert worden sei und ihm auch nichts passiert sei (AS 471 im Verfahrensakt des BF1).

Es erhellte für das erkennende Gericht auch nicht, weshalb die Hisbollah – wie vom BF1 und der BF2 behauptet – mehrere Jahre nach ihrer Ausreise aus dem Libanon plötzlich jenes Haus in Brand gesetzt haben soll, in dem der BF1 mit seiner Familie vor der Ausreise lebte. Den Angaben des BF1 zufolge habe sich dieser Brandanschlag drei Jahre nach ihrer Einreise nach Österreich – sohin im Jahr 2016 – ereignet. Nicht zuletzt hatte das in Rede stehende Gebäude auch nicht dem BF1 oder einem seiner Verwandten gehörte, sondern stand im Eigentum seines ehemaligen Dienstgebers.

Dass „Leute der Hisbollah“ auch Jahre nach der Ausreise aus dem Libanon nach dem BF1 und seiner Ehegattin gefragt hätten, war schon deshalb nicht glaubhaft, weil nicht einmal ihre drohende Verfolgung während ihres Aufenthalts im Libanon glaubhaft war. Außerdem konnte der BF1 nicht angeben, wann die angeblichen Nachfragen erfolgten.

Auch durch die von ihm im Zuge des Verfahrens vorgelegten Lichtbilder und sonstigen Beweismittel (AS 172ff) konnte der BF1 keine Verfolgungsgefahr durch die Hisbollah glaubhaft machen. Zunächst erweckten die vorgelegten Bestätigungen über seine Verfolgung keinen authentischen Eindruck. Es handelte sich jeweils um computergeschriebene formlose Schreiben, die keine Merkmale einer Urkunde aufwiesen. Aus den Länderinformationen war auch zu gewinnen, dass vergleichbare Schreiben aus dem Libanon häufig Fälschungen darstellen. Im Übrigen wurde dem BF1 darin bescheinigt, dass er „von islamischen Parteien und palästinensischen Organisationen“ im Libanon gesucht werde bzw. von der Hisbollah beschuldigt werde mit „dem israelischen Feind zu kollaborieren“ und im Rückkehrfall festgenommen zu werden. Beide Schriftstücke waren auch deshalb bedenklich, weil für das erkennende Gericht nicht erhellte, weshalb der Bürgermeister von XXXX bzw. der Magistrat der Stadt XXXX überhaupt Kenntnis von den gegen den BF1 gerichteten Verfolgungshandlungen durch die Hisbollah haben sollte. Zudem ist dem Vorbringen des BF1 zufolge die Hisbollah der mächtigste Akteur in seinem Herkunftsgebiet (AS 290 und 471 im Verfahrensakt des BF1), was es als unschlüssig erscheinen lässt, dass die lokalen Behörden ihm eine Verfolgung durch diese Organisation bescheinigen würden, zumal sie dann selbst unter Druck der Hisbollah geraten oder dieser ohnehin unterstehen würden. Bei einem der beiden Schriftstücke war zudem auffallend, dass dort nicht einmal von der Hisbollah, sondern bloß allgemein von islamischen Parteien und palästinensischen Organisationen im Libanon die Rede ist. Aufgrund all dieser Erwägungen kam den vorgelegten Beweismitteln auch aus Sicht des erkennenden Gerichts keinerlei Beweiskraft zu.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer der behaupteten Verfolgung durch die Hisbollah den herangezogenen länderkundlichen Informationen nach durch die Verlegung des Wohnorts außerhalb ihres Einflussbereichs entgehen könnten.

Weder BF2 noch für die BF3 und BF4 wurden eigene Fluchtgründe vorgebracht.

2.3.4. Insgesamt betrachtet fehlte sohin dem Vorbringen der Beschwerdeführer zu den von ihnen geäußerten Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen eine substantiierte Tatsachengrundlage. Eine individuelle Verfolgung vor der Ausreise oder die Gefahr einer solchen bei einer Rückkehr konnten sie damit nicht glaubhaft darlegen. Im Lichte dieser Erwägungen gelangte das Gericht zu seinen Feststellungen oben unter 1.2.

2.4. Die Annahme, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auch insoweit keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wären, als sie etwa in wirtschaftlicher Hinsicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden, stützt sich darauf, dass es sich beim BF1 und der BF2 um arbeitsfähige Personen handelt, die beide über eine ausreichende Schulbildung verfügen. Der BF1 war zudem schon vor der Ausreise viele Jahre lang erwerbstätig und sorgte durch seine Erwerbstätigkeit stets für den Unterhalt seiner Familie. Die Beschwerdeführer haben zudem zahlreiche Verwandte im Herkunftsstaat, die sie nötigenfalls unterstützen können. Dass sie in ihrer Heimat bei einer Rückkehr eine neue Lebensgrundlage finden, war im Lichte dessen als maßgeblich wahrscheinlich anzusehen.

2.5.1. Die vom BVwG getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Libanon stützen sich auf den jüngsten Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 24.01.2020 mit Stand November 2019 und stellen sich in den für die gg. Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar.

2.5.2. Die Feststellungen zum Beweisthema allfälliger Zwangsrekrutierungen durch die Hisbollah stützen sich auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 05.06.2018.

2.5.3. In der Beschwerde fand sich kein entgegenstehendes substantielles Vorbringen. Die dort angeführten länderkundlichen Informationsquellen datieren mit 2016 und sind daher schon mangels Aktualität keine geeignete Entscheidungsgrundlage. Den vom BVwG herangezogenen Länderinformationen wurde in der mündlichen Verhandlung trotz eingeräumter Möglichkeit hierzu nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2019.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Das erkennende Gericht kam auf der Grundlage seiner Beweiswürdigung und der darauf gestützten Feststellungen zum Ergebnis, dass der BF1 die von ihm behauptete Bedrohung durch die Hisbollah oder die DFLP im Libanon nicht glaubhaft machen konnte.

Dass Asylbegehren der BF2, des BF3 und des BF4 wurde auf kein individuelles Vorbringen gestützt.

1.3. Hinsichtlich der Beschwerdeführer liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG vor. In den vorliegenden Verfahren war kein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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