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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des 1954 geborenen K M in Graz, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. November 1995, Zl. 117.614/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 20. März 1995 die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke der Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit. Über Aufforderung der Behörde erster Instanz, die Beschäftigungsbewilligung sowie eine Gehaltsbestätigung beizubringen, teilte der Beschwerdeführer am 7. Juni 1995 mit, "derzeit" keine Arbeitsstelle anzustreben. "Eine entsprechende Verpflichtungserklärung wird vorgelegt und der ursprüngliche Antrag in diesem Sinne berichtigt." Mit Schreiben vom 7. August 1995 teilte die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer mit, daß das Arbeitsmarktservice für das Land Steiermark die Unbedenklichkeit für die Berufsgruppe Hilfsarbeiter nicht bestätigt habe. Daraufhin gab der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 23. August 1995 bekannt, daß er bestrebt sei, als "Privatier" in Österreich eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Aus diesem Grunde könne einer negativen Stellungnahme des Arbeitsmarktservice nicht die entscheidende Bedeutung eingeräumt werden. Weiters heißt es:
"Sämtliche bisher gestellten Anträge bleiben daher unverändert aufrecht".
Die Behörde erster Instanz stellte daraufhin eine neuerliche Anfrage gemäß § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) an die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice. Mit formularmäßiger Erledigung von 29. August 1995 wurde die Unbedenklichkeit für die Berufsgruppe H 15 nicht bestätigt.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. September 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 4 AufG abgewiesen. Als Begründung wurde auf die - bindende - Mitteilung des Arbeitsmarktservice für Steiermark hingewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, alle für die positive Erledigung des Antrages (erforderlichen Unterlagen) befänden sich im Akt, insbesondere eine Verpflichtungserklärung. "Es hätte daher bereits aus dem Rechtstitel des Privatier eine Aufenthaltsbewilligung zuerkannt werden müssen".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. November 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 5 Abs. 1 und 2 sowie 6 Abs. 1 AufG abgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Unbedenklichkeit für die vom Beschwerdeführer angestrebte unselbständige Beschäftigung nicht bestätigt, woraus sich für die Behörde "der Umstand ergab, aus diesem Grund ihren Antrag abzulehnen". Gemäß § 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) würde der Beschwerdeführer zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eine Berechtigung nach diesem Bundesgesetz benötigen. Da er weder über eine gültige Sicherungsbescheinigung, Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfüge noch eine Mitteilung des Arbeitsmarktservice im Sinne des § 5 Abs. 4 AufG vorliege, sei sein Aufenthaltszweck aufgrund der tatsächlichen Arbeitsmarktsituation verfehlt gewesen. Somit stehe fest, daß er nicht berechtigt sei, sich zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufzuhalten.
Die Beurteilung der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes sei von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice "mit ausreichender Determination und Nachvollziehbarkeit" vorgenommen worden; dabei sei ein ordnungsgemäßes Verfahren, welches das AuslBG dafür vorsehe, durchgeführt worden, "sodaß kein Zweifel an der Tatsache, daß der Arbeitsmarkt für den angestrebten Beruf nicht aufnahmefähig" sei, bestehe. Da der Beschwerdeführer nicht zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sei, sei der Schluß, daß er über keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfüge, nicht unzulässig. Es sei daher den öffentlichen Interessen, dabei insbesondere dem wirtschaftlichen Wohl des Staates Österreich, gegenüber seinen privaten Interessen der Vorzug einzuräumen, zumal das Gesamtkonzept des AufG dem Schutz eines geordneten Arbeitsmarktes, wie aus § 2 AufG ersichtlich, diene.
Da gemäß § 6 Abs. 1 AufG der bei der Antragstellung angegebene Zweck im Laufe des Verfahrens nicht geändert werden könne, sei auch die für den Beschwerdeführer abgegebene Verpflichtungserklärung nicht beachtlich. Dies umso mehr, als die alleinige Fremdfinanzierung seines Aufenthalts durch Dritte ohne Gegenleistung nicht glaubwürdig erscheine und nicht geeignet sei, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer zu sichern. Die Verpflichtungserklärung sei zudem in Ermangelung des Nachweises eines Krankenversicherungsschutzes nicht tragfähig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im gegenständlichen Fall war aufgrund der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 24. November 1995 das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1965 anzuwenden.
§ 6 Abs. 1 AufG in dieser Fassung lautet:
"§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Der Antragsteller kann den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern.
..."
In dem dem Verfahren zugrundeliegenden Antrag vom 20. März 1995 nannte der Beschwerdeführer einen einzigen Aufenthaltszweck, nämlich den der Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit. Erst in seiner Eingabe vom 7. Juni 1995 gab er an, "derzeit" keine Arbeitsstelle anzustreben. Der ursprüngliche Antrag werde in diesem Sinne "berichtigt". Im weiteren Verfahrensverlauf (Stellungnahme von 23. August 1995) erklärte der Beschwerdeführer, sein Bestreben gehe dahin, als "Privatier" in Österreich eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Die bisher gestellten Anträge blieben unverändert aufrecht. Über Ersuchen des Beschwerdeführers wurde am 29. August 1995 eine neuerliche Anfrage gemäß § 5 Abs. 2 AufG beim Arbeitsmarktservice bezüglich einer allfälligen Beschäftigungsmöglichkeit durchgeführt, die wiederum ein negatives Ergebnis erbrachte. In weiterer Folge gingen die Behörden davon aus, daß der Beschwerdeführer (ausschließlich) den Aufenthaltszweck der unselbständigen Beschäftigung (als Hilfsarbeiter) anstrebe, und stützten ihre abweisenden Entscheidungen darauf, daß diesbezüglich die Unbedenklichkeit nicht bestätigt worden sei.
Die belangte Behörde ist zu Recht von einer nicht zulässigen Änderung des Aufenthaltszweckes durch den Beschwerdeführer ausgegangen. Im Zeitpunkt der "Berichtigung" des Aufenthaltszweckes auf "Privatier" (7. Juni 1995) war bereits § 6 Abs. 1 AufG in der Fassung der Novelle
BGBl. Nr. 351/1995 in Kraft getreten (20. Mai 1995). Nach dem letzten Satz der zitierten Bestimmung ist eine Änderung des Aufenthaltszweckes nicht (mehr) zulässig, wobei es auf das zum Zeitpunkt der Vornahme dieser Prozeßhandlung geltende Recht ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837).
Selbst wenn aus der Erklärung des Beschwerdeführers, den von ihm angegebenen Aufenthaltszweck "berichtigen" zu wollen, keine Änderung des ursprünglichen Aufenthaltszweckes i.S. eines Entfalls des ursprünglichen Zweckes unter Angabe eines neuen Zweckes zu erblicken sein sollte, wäre daraus für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Einer gemäß § 6 Abs. 1 letzter Satz AufG in der zitierten Fassung unzulässigen Änderung des Aufenthaltsgesetzes ist die Hinzufügung eines weiteren Aufenthaltszweckes während des Verfahrens gleichzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 96/19/0089).
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie vom ursprünglichen Aufenthaltszweck "unselbständige Tätigkeit" ausgegangen ist.
Der in diesem Zusammenhang zu beurteilende Fall gleicht in den entscheidungswesentlichen Punkten (Anfrage an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice und deren formularmäßige Antwort, daß die Unbedenklichkeit für die gewählte Berufsgruppe nicht bestätigt werde; allein darauf verweisende Begründung des Bescheides der belangten Behörde) demjenigen, den der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2159, zu beurteilen hatte. Aus den dort näher dargelegten Gründen war daher der belangten Behörde insoweit, als sie ihren Bescheid auf § 5 Abs. 2 AufG stützte, ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last zu legen.
Soweit sich die belangte Behörde aber auf den Mangel der Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG bezieht, erstreckt sich der hinsichtlich der Begründung nach § 5 Abs. 2 AufG gegebene Verstoß gegen die Begründungspflicht notwendigerweise auch auf diesen Versagungsgrund. Bei einer allenfalls anders lautenden Entscheidung hinsichtlich der vom Beschwerdeführer beabsichtigten Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit könnte nämlich nicht ohne weiteres davon gesprochen werden, daß er nicht über die zur Deckung seines Lebensunterhaltes notwendigen Mittel im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG verfüge.
Der Bescheid der belangten Behörde war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden, zumal Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190047.X00Im RIS seit
11.07.2001