Entscheidungsdatum
13.07.2020Norm
BFA-VG §34 Abs3 Z3Spruch
W275 2204782-1/11E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Nikolaus RAST, gegen den Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2018, Zahl 237996110-180767403:
A)
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Gegen den Beschwerdeführer wurde am 30.08.2018 zur Zahl 237996110-180767403 gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG ein Festnahmeauftrag erlassen, da eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gegen ihn bestand und für den 04.09.2018 ein Termin zur Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch festgesetzt war.
Der Beschwerdeführer wurde auf Basis des gegen ihn erlassenen Festnahmeauftrages am 02.09.2018 festgenommen. Am 03.09.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz; der gegen den Beschwerdeführer bestehende Festnahmeauftrag wurde daher widerrufen, der Beschwerdeführer aus der Anhaltung im Rahmen der Festnahme entlassen und die Abschiebung des Beschwerdeführers storniert.
Gegen den Festnahmeauftrag vom 30.08.2018, Zahl 237996110-180767403, erhob der Beschwerdeführer durch seinen damaligen Rechtsvertreter – einen Rechtsanwalt – mit Schreiben vom 02.09.2018 Beschwerde (eingebracht im Wege des § 6 AVG mit Weiterleitung der Beschwerde samt Vorlage des Verwaltungsaktes durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an das Bundesverwaltungsgericht am 03.09.2018; die gleichlautende, beim Bundesverwaltungsgericht direkt mittels E-Mail vom 02.09.2018 eingebrachte Beschwerde entfaltete mangels gültiger Einbringung keine Rechtswirkungen; vgl. das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.09.2018, W112 2204782-1).
Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 03.09.2018 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2019 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 25.05.2020, W195 2225786-1, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet ab; die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wurde auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt.
Das gegenständliche Verfahren wurde der Gerichtsabteilung W275 aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2020 mit Wirksamkeit vom 24.04.2020 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Gegen den Beschwerdeführer wurde am 30.08.2018 zur Zahl 237996110-180767403 gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG ein Festnahmeauftrag erlassen. Der Beschwerdeführer wurde auf Basis dieses Festnahmeauftrages am 02.09.2018 festgenommen und bis 03.09.2018 angehalten.
Der Beschwerdeführer erhob durch seinen damaligen Rechtsvertreter (einen Rechtsanwalt) mit Schreiben vom 02.09.2018 „Beschwerde gegen den Festnahmeauftrag zur Zahl 237996110-180767403 vom 30.8.2018“. Diese Beschwerde wurde nach vollzogener Festnahme des Beschwerdeführers erhoben und richtet sich ausdrücklich (nur) gegen den Festnahmeauftrag.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
Die Feststellungen zum Festnahmeauftrag sowie der Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers auf Basis dieses Festnahmeauftrages ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Festnahmeauftrag (AS 100), dem Ersuchen um Vollziehung der Festnahme (AS 105f) und einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
Die Feststellungen zur Beschwerdeerhebung ergeben sich aus der sowohl an das Bundesverwaltungsgericht als auch an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl per E-Mail übermittelten Beschwerde, wobei die an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte Beschwerde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.09.2018 an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wurde (AS 113ff), in Verbindung mit einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-VG lautet auszugsweise:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.“
Der mit „Festnahmeauftrag“ betitelte § 34 BFA-VG lautet auszugsweise:
„§ 34.
[…]
(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,
[…]
3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder
[….]
(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.
[…]“.
Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrundeliegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).
Bei der Beurteilung der Rechtsnatur des Festnahmeauftrages wird – auch wenn der Wortlaut des Abs. 5 in erster Linie an eine Maßnahme denken ließe – von einem behördeninternen Akt im Sinne einer generellen Weisung bzw. Ermächtigung des Bundesamtes gegenüber behördlichen Organen auszugehen sein. Als Adressat des Festnahmeauftrages ist sohin nicht der betroffene Fremde anzusehen, korrespondierend verfügt dieser auch über keine Möglichkeit einer gesonderten Anfechtung eines ergangenen Festnahmeauftrages, zumal das Rechtsschutzbedürfnis erst mit erfolgter Festnahme als gegeben anzusehen sein wird. Wird ein Festnahmeauftrag sohin in Verletzung der in § 34 festgelegten Voraussetzungen erlassen, so ist eine diesbezügliche Geltendmachung erst im Rahmen der Beschwerde über die (auf dieser Grundlage) erfolgte Festnahme möglich (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 34 BFA-VG [2016] K2).
Der Festnahmeauftrag als solcher kann vom Betroffenen nicht angefochten werden. Dies ist erst nach erfolgter Festnahme aufgrund eines Festnahmeauftrages mittels Beschwerde gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 möglich (Szymanski, § 34 BFA-VG in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht [2016] Anmerkungen Allgemeines Z4).
Die durch den damaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erhobene Beschwerde richtet sich ausdrücklich (nur) gegen den „Festnahmeauftrag vom 30.08.2018, zugestellt am 02.09.2018“; hingegen wurden weder die (im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bereits vollzogene) Festnahme noch die Anhaltung im Rahmen der Festnahme bekämpft (vgl. zur Festlegung des Verfahrensgegenstandes und damit auch des Prüfungsumfangs im Sinne des § 27 VwGVG durch die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes etwa VwSlg 19475 A/2016 Rechtssatznummer 3). In der Beschwerde wird auch nicht ausgeführt, weshalb der Festnahmeauftrag in rechtswidriger Weise erfolgt sein sollte, sondern richtet sich diese offenbar gegen die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie einer Abschiebung des Beschwerdeführers. Zum begründungslosen Antrag, den Beschwerdeführer „zu enthaften“, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht in Haft befand, sondern im Rahmen der Festnahme angehalten wurde, und diesbezüglich keinerlei Ausführungen getätigt wurden.
Die Festnahme des Beschwerdeführers wurde am 02.09.2018 vollzogen; die gegenständliche Beschwerde wurde nach vollzogener Festnahme des Beschwerdeführers erhoben. Die Festnahme (sowie Anhaltung im Rahmen der Festnahme) wäre mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar gewesen; für eine selbständige Anfechtbarkeit des Festnahmeauftrages bestand kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025 sowie obige Ausführungen).
Die Beschwerde gegen den Festnahmeauftrag ist daher im Ergebnis als unzulässig zurückzuweisen.
Vor diesem Hintergrund ist auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorliegen, nicht weiter einzugehen und kann ein Ausspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entfallen (dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Beschwerdeeinganges im Wege des § 6 AVG am 03.09.2018 aus der Anhaltung im Rahmen der Festnahme entlassen und der gegen ihn bestehende Festnahmeauftrag aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz am selben Tag widerrufen wurde).
Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die sonstigen Anträge des Beschwerdeführers – unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.05.2020, W195 2225786-1 (siehe oben) – für das gegenständliche Verfahren nicht relevant sind.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG ungeachtet des in der Beschwerde gestellten Antrages unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.3. Zu B) – Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt überdies der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Festnahme Festnahmeauftrag Maßnahmenbeschwerde Unzulässigkeit der Beschwerde ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W275.2204782.1.00Im RIS seit
24.11.2020Zuletzt aktualisiert am
24.11.2020