TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/15 L510 2231481-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.2020
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Entscheidungsdatum

15.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L510 2231481-1/5E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Irak, vertreten durch Verein Legal Focus, betreffend Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 68 Abs 1 AVG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.09.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Diesen begründete sie folgendermaßen:

„Ich wurde bedroht, von welchen Personen/Gruppen kann ich nicht sagen, weil ich öffentlich meine Meinung gegen die Regierung kundgegeben habe. Von Freunden habe ich erfahren, dass diese Personen mich umbringen wollen, da ich gegen die Regierung bin. Ich habe versucht mit einem Freund einen Film über die Regierung bzw. die Situation im Irak zu veröffentlichen. Als das bekannt wurde, begannen die Drohungen gegen mich. Ich habe Angst um mein Leben gehabt und das Land verlassen.“

Am 14.09.2017 wurden die bP seitens des BFA niederschriftlich einvernommen, die Einvernahme gestaltete sich im Wesentlichen folgend:

„…

F: Werden Sie im Verfahren vertreten?

A: Nein

F:       Wie heißen Sie, bitte nennen Sie Ihren vollständigen und richtigen Familiennamen und Vornamen und wann bzw. wo Sie geboren wurden?

A: XXXX , geb. XXXX in Basra, Irak. Befragt gebe ich an, dass ich Irakischer Staatsbürger bin und ausschließlich im Irak verfolgt werde.

F:       Haben Sie entsprechende identitätsbezeugende Dokumente die Sie vorlegen können?

A:       Irakischer Personalausweis im Kopie, Nr. XXXX , ausgestellt am XXXX
Irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis im Original, Nr. XXXX , ausgestellt am
XXXX
Wahlkarte im Original, Nr. XXXX
Ausweis der Künstlerkammer, Nr. XXXX , Mitglied seit 03.01.2012

F: Haben Sie weitere Beweismittel?

A:       Zeugnis der Kunstuniversität Bagdad vom XXXX
Dankesschreiben vom XXXX

Ladung für XXXX

Arbeitsvertrag für XXXX

Dankesschreiben von XXXX

Dankesschreiben vom XXXX

Sterbeurkunde des Vaters in Kopie Nr. XXXX , ausgestellt am XXXX

17 Fotos von Demonstrationen im Original

6 Fotos von Facebook in Kopie

Lebenslauf

1 Zeitungsartikel in Kopie

Abschlusszeugnis der Kunstuniversität Bagdad vom XXXX

Fotos über die Arbeit als Regisseur und Schauspieler

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Araber

F: Welchem Stamm gehören Sie an?

A: XXXX

F: Welche Religion haben Sie?

A: ich bin am Papier Schiit, bin aber nicht praktizierend

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: arabisch, englisch und deutsch

F: Welche Schulen haben Sie besucht?

A: 12 Jahre Grund – und Mittelschule mit Abschluss, danach 5 Jahre Kunstuniversität XXXX

F: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt im Irak bestritten bzw. wo haben Sie gearbeitet?

A: ich war XXXX .

F:       Wie lautet Ihr Familienstand?

A: ledig

F:       Haben Sie Kinder oder sonstige Obsorgeverpflichtungen?

A:        Nein.

F:       Bitte nennen Sie den Namen und die Geburtsdaten Ihrer Eltern!

A:       Vater: XXXX
Mutter: XXXX
F: Haben Sie Geschwister und wenn ja wie heißen Sie?

A: XXXX
XXXX
XXXX

F: Wo konkret haben Sie zuletzt gewohnt und wie lange? Bitte nennen Sie die genaue Adresse.

A: Bagdad, XXXX

F: Haben Sie weitere Verwandte im Irak?

A: Onkel und Tanten mütterlicherseits in Bagdad, einen Halbonkel in Basra

F: Wann haben Sie den Irak verlassen?

A: am 03.09.2015

F: Wann genau sind Sie in Österreich eingereist?

A: ca. am 08.09.2015.

F:       Können Sie sich auf die gestellten Fragen konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher?

A:       Ja.

FLUCHTGRUND:

F: Können Sie mir sagen, warum Sie Ihre Heimat verließen und in Österreich einen Asylantrag stellen? Nennen Sie ihre konkreten und ihre individuellen Fluchtgründe dafür!

A: Im Jahr 2011 haben wir mit Demos gegen die Regierung begonnen. Die erste Demo war am 14.02.2011. Sie haben uns die ganze zeit geschlagen, sie haben Leute festgenommen und entführt, sie haben alle Methoden um uns zu stoppen angesetzt. Wir gaben immer wieder Demonstrationen veranstaltet. Am 08.09.2011 wurde ein Veranstalter und Freund namens XXXX in seiner Wohnung von der regierung erschossen. Wir haben für ihn weitere Demonstrationen gemacht. Es wurde immer schlimmer wie Polizei und Regierungsgruppen mit uns umgegangen sind. Ich habe mich dann nur auf meine Arbeit konzentriert. Ich wollte meine persönliche Freiheit haben. Ab 2014 habe ich Veranstaltungen organisiert. Wir haben geredet über Korruption und haben Leute für die nächsten Demos vorbereitet. Wir verlangten Freiheit und Unterstützung von der Regierung, unsere einzige Waffe war die Kunst. Am XXXX 2015 haben wir mit einer Demo begonnen und meine Aufgabe war zu kommentieren und einen Film darüber zu machen. Wir hatten Angst, ich habe meiner Mutter nie etwas davon erzählt. Ich habe gesehen wie das Militär die Leute unterdrückt, das Militär schützt die Regierung. Eines Tages musste ich zu einer Kontrolle, einer der Männer hat mich sexuell belästigt. Am XXXX 2015, es war meine letzte Demo bevor ich das Land verlasse. Normal beginnen die Leute sich um 15 Uhr, 16 Uhr zu sammeln. Ich bin um 16:30 Uhr dort eingetroffen, ich habe fotografiert und Videos aufgenommen. Normalerweise enden die Demos um 22 Uhr, ich habe die Demo um 20 Uhr verlassen um den Film vorzubereiten. Ich wollte den Platz verlassen, da stürmten drei Personen auf mich zu. Diese Leute wollten meine Kamera, sie trugen Pistolen. Ich bin weggelaufen, in die Masse hinein. Sie liefen mir nach, die Leute haben sie aufgehalten, dann ist mir die Flucht gelungen. Sie haben mich wahrscheinlich die ganze Zeit überwacht. Ich bin zur Wohnung meines Freunds XXXX geflüchtet, ich habe mich dort versteckt und den Film bis in die Nacht bearbeitet. Ungefähr um Mitternacht rief mich meine Mutter an und sagte, ich soll nicht wieder heim kommen. Ich war traurig und wusste nicht was meine Mutter wollte. Am Ende des Gesprächs habe ich erfahren, dass eine Gruppe unser Haus gestürmt hat, sie wollten mich festnehmen. Es war ein großes Auto, die Leute trugen unterschiedliches Gewand, manche waren in Uniform und manche in zivil. Sie haben nach mir gefragt und das Haus durchsucht, sie haben alles im Haus verwüstet. Meine Mutter fragte was sie wollen, sie sagten ich soll weiterhin auf Demos. Mein Bruder war nicht zu Hause, sie haben meine Mutter umgestossen. Ich habe dann beschlossen nicht mehr nach Hause zu gehen, ich will dort Menschenrechte haben. Am XXXX rief mich mein Bruder an, er hat mir mitgeteilt, dass ein Auto unsere Straße überwacht. Einen Tag später teilte mir mein Freund mit, dass er mich nicht mehr verstecken kann, da er selbst Angst hat. Ich bin zu einem anderen Freund namens XXXX , er ist Christ und wohnt in XXXX , sie wohnen in einem Teil einer Kirche, dort war ein gutes Versteck. Ich war dort 2, 3 Tage. In der Zwischenzeit hat XXXX Geld und meinen Reisepass von der Familie geholt, das Auto stand noch immer dort. Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr im Irak leben kann und habe das Land verlassen.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Welches Thema hatte die Demo am XXXX 2015?

A: die größten Demos haben am XXXX 2015 begonnen. Alle Gruppen haben teilgenommen, es ging gegen die Regierung und die Ungerechtigkeit.

F: Können Sie zeigen, welche Fotos auf dieser Demo aufgenommen wurden?

A: Ja.

Anm.: AW zeigt Fotos vom XXXX

F: Um wieviel Uhr stürmten die Männer Ihr Haus?

A: kurz vor Mitternacht.

F: Wer waren diese Männer?

A: die Autos sind Autos von der Regierung. Es können verschiedene Abteilungen sein. Diese Informationen hatte ich von meiner Mutter.

F: Was verlangten die Männer?

A: sie wollten mich festnehmen.

F: Wurde eine konkrete Drohung ausgesprochen?

A: sie haben mit einem Lächeln gesagt ich soll weiterhin auf Demos geben.

F: Woher kannten die Männer Ihre Adresse?

A: diese Autos sind Regierungsautos, sie wissen alles

F: Gab es nach Ihrer Ausreise aus dem Irak noch weitere Besuche?

A: meine Familie ist umgezogen.

F: Wann war das?

A: ein paar Wochen nach meiner Ausreise, genau weiß ich das nicht.

F: Wurde Ihre Familie an der neuen Adresse besucht?

A: Nein.

F: Was machten Sie gerade als Sie Ihre Mutter anrief?

A: ich bin am Tisch gesessen, ich trank einen Raki. Ich habe Fotos am PC bearbeitet, in diesem Moment kam der Anruf.

F: Wurden Sie schon vor 2015 bedroht?

A: 2011 begannen die Bedrohungen gegen die Demonstrationen. Ich zog mich nach dann nach der Ermordung von XXXX zurück.

F: Konkrete Bedrohung gegen Ihre Person gab es also nicht?

A: stimmt.

F:       War jemand aus Ihrer Familie beim Militär in einer höheren Funktion?

A:       Nein.

F: Haben Sie Verwandte in Europa?

A: zwei Onkel und zwei Tanten väterlicherseits in Irland.

F:       Waren Sie nach Ihrer Ausreise aus dem Irak noch einmal im Irak?

A: Nein.

F:       Haben Sie schon einmal in einem anderen Staat um internationalen Schutz angesucht?

A:       Nein.

F:       Was befürchten Sie im Falle der Rückkehr in den Irak?

A:        Sie würden mich töten.

F: Haben Sie Verwandte bzw. Familienangehörige in Österreich?

A: Nein.

F: Führen Sie in Österreich ein Familienleben? Leben Sie in Österreich in einer Lebensgemeinschaft?

A: Nein.

F: Können Sie sich auf Deutsch kurz vorstellen?

A: Ich bin XXXX , lebe in XXXX . Meine Geburtsdaten sind XXXX . Ich mache Kunst.

F: Haben Sie in Österreich Freunde? Wie sieht Ihr Privatleben aus? Was machen Sie in der Freizeit?

A: Ich habe viele Freunde in Österreich. Ich habe auch einen Freund namens XXXX in Salzburg, wir machen eine XXXX . Bald gibt es ein XXXX . In meiner Freizeit gehe ich mit meinen Freunden ins Kino und ins Theater.

F: Gehören Sie in Österreich einem Verein oder einer sonstigen Organisation an?

A: Unsere Gruppe ist wie ein Verein.

F: Sind sie in Österreich ehrenamtlich tätig?

A: alle Filme und Veranstaltungen waren ehrenamtlich.

F: Wie sieht Ihre Zukunftsplanung aus?

A: Ich will Director of Photograph werden, das ist eine Fortsetzung meines Studiums.

F: Haben Sie eine österreichische Lieblingsspeise?

A: ich bin Vegetarier, daher ist es schwierig.

F: Wie finanzieren Sie sich den Aufenthalt in Österreich?

A: Ich bin in der Grundversorgung.

F:       Möchten Sie die Länderfeststellung zu Ihrem Herkunftsstaat Irak zur Kenntnis gebracht haben? Sie haben die Möglichkeit im Zuge des Parteiengehörs eine Stellungnahme abzugeben.

A:       Nein, danke.

F:       Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie ausreichend die Möglichkeit Ihr Vorbringen darzustellen?

A:       Ja, danke.

F: Haben Sie noch Fragen oder Anmerkungen?

A: ich bedanke mich herzlich, ihr seid sehr nett. Ich verspüre kein Heimweh.

F:       Konnten Sie sich bei dieser Einvernahme konzentrieren? Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

A:       Ja.

F:       Wünschen Sie eine Ausfertigung dieser Niederschrift?

A:       Ja, bitte.

…“

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.11.2017, Zl.: XXXX , wurde der Antrag abgewiesen, der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten wurden nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, gegen die bP wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und Ihre Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak Irak für zulässig erklärt.

2. Gegen diesen Bescheid brachte die bP fristgerecht Beschwerde ein.

Am 26.02.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt, der wesentliche Inhalt gestaltete sich folgend:

„…

VR: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Arabisch.

VR: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF: Ja. Ich habe lediglich eine Angststörung, was Organe der Polizei betrifft.

VR: Leiden Sie an chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?

BF: Nein.

VR: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?

BF: Ja. Im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung habe ich als Familiennamen jenen des Clans angegeben. Mein gänzlicher Name lautet: XXXX .

VR: Gehören Sie einer bestimmten ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe an?

BF: Ich bin Araber.

VR: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an?

BF: Ich bin ohne Bekenntnis.

VR: Sind Sie verheiratet oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF: Ich bin nicht verheiratet, derzeit bin ich partnerlos.

VR: Haben Sie leibliche oder adoptierte Kinder?

BF: Nein.

VR: Können Sie heute Dokumente oder andere Beweismittel vorlegen, die Ihre Angaben zu Ihrer Identität belegen (zB Reisepass, Personalausweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde)?

BF: Ich habe alles vorgelegt.

VR: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schulausbildung absolviert bzw. einen Beruf erlernt?

BF: Ich habe von XXXX die Grundschule in Bagdad absolviert, von XXXX das Gymnasium in Bagdad und von XXXX die Universität XXXX in Bagdad.

VR: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Ich war XXXX VR: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung?

BF: Nein.

VR: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen?

BF: Am 03.09.2015.

VR: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail) bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF: Wenig, jedoch mit Freunden über Facebook.

VR: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein.

VR: Wo wohnten Sie vor der Flucht?

BF: Ich habe in XXXX -Bagdad gewohnt.

VR: Wie lange wohnten Sie dort?

BF: Von 1994 bis zu meiner Ausreise.

VR: Wann haben Sie erstmalig an einer Demonstration gegen die Regierung teilgenommen?

BF: Ich demonstriere seit 2006, seit 14.02.2011 haben die richtig großen Demonstrationen begonnen. Am zuletzt genannten Tag habe auch ich erstmalig an einer Protestkundgebung teilgenommen.

VR: Wie oft haben Sie an solchen Demonstrationen teilgenommen und wo haben diese stattgefunden?

BF: Die Demonstrationen fanden ausschließlich in Bagdad statt. Ich war mehrmals auf Demonstrationen, zuletzt am 08.09.2011, wo mein Freund XXXX gestorben ist.

VR: Können Sie die Vorfälle rund um Ihre Drohung nochmals schildern?

BF: Es waren die Drohungen 2011. In deren Rahmen fanden Überwachungen von Kulturzentren und Künstlern statt, speziell in XXXX . Dort halten sich viele Künstler auf und werden Bücher verkauft. Seit dem 08.09.2011 gab es starke Überwachungen. Ich wurde mehrmals bedroht.

Bei mir war es so: Es war konkret am XXXX 2015. An diesem Tag fand eine Demonstration statt. Die Demonstationen begannen zwischen 15 Uhr und 15:30 Uhr. Ich war um 16:30 Uhr dort anwesend. Einer der Sicherheitsleute an einem Checkpoint untersuchte mich und belästigte mich sexuell. Ich war dort für die Ordnung der Demonstranten zuständig. Ich nahm weiter an der Demonstration teil und ich war sehr stark überwacht. Ich habe weiter gefilmt, damit ich einen Dokumentationsfilm über die Demonstration machen kann. Ich habe entschlossen, die Demonstration um 20:00 Uhr zu verlassen. Normalerweise enden die Demonstrationen um 22 Uhr. Wenn man die Demonstration verlässt, wird man wieder kontrolliert an einem Checkpoint. Ich näherte mich diesem. Dort befanden sich drei Personen in ziviler Kleidung; offensichtlich mit Pistolen bewaffnet. Ich bin in die Menge hineingeflohen, weil ich wusste, dass sie mich festnehmen wollen und bin zu meinem Freund XXXX gegangen. Wir wollten dort den Film schneiden. Er wohnt in XXXX . Mitten in der Nacht rief mich meine Mutter an. Sie sagte, dass Personen – die Hälfte war in Militär- die Hälfte in Zivilkleidung – mit Regierungsautos vorfuhren, sie überfallen und geschlagen haben und einiges kaputt schlugen mit dem Zitat „Lass ihn noch einmal rausgehen“ (mit der Bedeutung, wenn er noch einmal auf Demos geht, dann ist er tot).

Die oben angesprochene sexuelle Belästigung meine ich so, dass bei der Untersuchung an Checkpoint derjenige mich am Gesäß und Penis begrapscht hat. Das nenne ich sexuelle Belästigung.

VR: Wen meinen Sie mit „Sie haben uns die ganze Zeit geschlagen?

BF: Sie haben Checkpoints errichtet, mit der Ausrede, dass dies der Sicherheit der Demos dient. Ich meine damit die Polizei und das Militär.

VR: Welche Veranstaltungen haben Sie ab 2014 organisiert?

BF: Damals waren wir an Demos beteiligt, welche sich gegen die unschuldig Inhaftierten richteten. Wir haben für Grundbedürfnisse (Elektrizität, Wasser, etc.) demonstriert. Am XXXX 2015 war das Thema die Elektrizität. Wir waren täglich an Demos beteiligt, um die Rechte der Menschen zu fordern.

VR: Wo hat die Demonstration am XXXX 2015 stattgefunden?

BF: Das war am Sahat Al Tahrir–Platz.

VR: Wie viele Leute schätzen Sie, waren anwesend?

BF: Tausende.

VR: Wie weit ist XXXX von diesem Ort entfernt?

BF: Zwischen 28 und 40 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

VR: Wenn die Leute Sie zu Hause bei Ihrer Mutter festnehmen hätten sollen, woher hätten die wissen sollen, wer Sie sind und wo Sie wohnen, wenn Ihnen ja die Flucht vor diesen 3 Personen gelungen ist?

BF: Es ist so: Diese Personen sind meistens unbekannter Identität. Sie gehören den Parteien an. Jedes Gebiet hat einen Bürgermeister, dieser weiß genau, wieviele Familien und wer in einer Gegend wohnt und über diesen können sie jede Person ausfindig machen.

VR: Wieviele Bedrohungen gab es gegen Sie zwischen 2011 und 2015?

BF: Sehr viele, die nicht zählbar sind. Es gab durchgehend Bedrohungen. Es waren Orte, wo wir uns aufhielten.

VR: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Mutter und zu Ihrer Familie?

BF: Der Kontakt ist vor ca. 3 Wochen abgebrochen, weil ich ihnen Probleme bereitet habe. Meine Familie ist Ende 2017 in die Türkei ausgereist und leben nach wie vor dort.

VR: Warum haben Sie nicht schon im Jahr 2011 in einem anderen Land um Asyl angesucht?

BF: Nach dem Tod des beschriebenen Freundes ( XXXX ) konnte ich weiter leben, weil die Drohnungen nicht stark bzw. direkt waren bis 2015. 2015 war ich einer direkten Bedrohung ausgesetzt, welche mich veranlasste, den Irak zu verlassen.

VR: Wie viele Demonstrationen haben Sie insgesamt organisiert?

BF: Seit XXXX 2015 jeden Freitag Demonstrationen, für welche ich die Verantwortung trug. Auch 2011 war ich ein Teil dieses Organisationsteams.

VR: Wie lange haben Sie in etwa bei der Demonstration gefilmt?

BF: Ich kann die Minuten nicht nennen. Ich habe einfach gefilmt und gesammelt.

VR: Wie viele Leute sind auf Sie zugekommen, um Ihnen die Kamera wegzunehmen?

BF: Drei Personen.

VR: Könnten Sie sonst noch im Irak (etwa bei Verwandten) leben?

BF: Nein, weil die Parteien im Irak in jeder Region verbreitet sind und überall hinkommen.

VR: Wissen Sie, wie es Ihren Geschwistern geht?

BF: Ich weiß es nicht. Vor drei Wochen hatte ich nur Kontakt meinem Bruder XXXX in der Türkei. Dies über Skype.

VR: Wissen Sie, wie es Ihrer Mutter geht?

BF: Sie meiden den Kontakt mit mir, weil ich Ihnen Probleme bereitet habe. Sie haben das Haus verlassen müssen, weil ihnen ein Drohbrief zugestellt wurde. Die Drohung kam von Asak’ib Ahl al-Haqq.

VR: Haben Sie sich, abgesehen von Ihrer Tätigkeit als Kameramann, öffentlich kritisch gegenüber der Regierung geäußert?

BF: Ich bin sowieso ein Aktivist, weil ich die Rechte gefordert habe. Somit bin ich ein Hauptfeind für die Regierung, weil ich ja gleichzeitig Künstler bin. Ich kann etwas präsentieren um die Probleme aufzuzeigen, die die Milizen und Parteien verursachen.

VR: Konnten Sie Ausschreitungen oder Zwischenfälle im Zuge der von Ihnen am XXXX 2015 besuchten Demonstration wahrnehmen?

BF: Ich bin immer beobachtet worden. Ich kann nur von der Kamerawegnahme und der sexuellen Belästigung berichten.

VR: Wie konnte Ihre Familie nach den geschilderten Vorfällen so schnell umziehen und danach wieder den Wohnort wechseln?

BF: Anfangs war nur ich bedroht, man hat nur nach mir gesucht. Einen Tag nach dem Vorfall, am XXXX , wurde dann das Haus überwacht. Es war dasselbe Auto, das nocheinmal kam. Es handelt sich dabei um jenes Fahrzeug, das auch beim Übergriff auf meine Mutter vor Ort war. Mein Bruder rief mich an und sagte, dass das Auto das Haus weiterhin überwachte. Somit bekamen sie Angst und das war der Grund, warum sie übersiedelten.

Zu welchem Zeitpunkt genau die erste und auch die zweite Übersiedelung stattgefunden hat, weiß ich nicht.

Die RV legt vor: 1. Drohbrief gerichtet gegen mich

Die D übersetzt zusätzlich den Inhalt diese Schriftstückes wie folgt: Im Namen Allahs des Barmherzigen. Weiters findet sich eine Sure aus dem Koran. Nach dem Überfall auf das Haus des BF und der ständigen Suche nach ihm, dass laut Aussagen unserer Detektive und deswegen, weil er einer der Organisatoren ist und mit ihm eine Filmkamera in den Demonstrationen mit sich trägt und somit für die Unsicherheit und Erregung der inneren Sicherheit des Landes und den Rassismus verbreitet und somit hat unsere Scharia entschieden, dass er getötet werden soll. Unterfertigt durch die Militärabteilung Ar-Rasafa.

Sowie Artikel über die getöteten irakischen Schriftsteller, welcher ein Freund des BF sein soll.

VR: Wie sind Sie zu diesem Brief gekommen?

BF: Mein Bruder XXXX hat es mir über Skype geschickt. Das war ca. vor einer Woche. Mein Bruder lebt in der Türkei.

VR: Wie ist er zu diesem Brief gekommen?

BF: Ganz genau kann ich es nicht sagen. Er hat den Brief Ende 2017 von Haus erhalten. Dieser Brief befand sich in einem Kuvert, das auch eine Patrone beinhaltete.

VR: Wann ist Ihr Bruder in die Türkei gereist?

BF: Ich weiß es nicht. Ich habe nur wenig Kontakt mit ihm.

VR: Beschreiben Sie bitte Ihre aktuelle Situation in Österreich?

BF: Ich lebe in XXXX . Ich arbeite XXXX (an mehreren). Ich arbeite auch als XXXX . Ich habe das XXXX fertig. Ich kann das jedoch nicht offiziell machen, weil ich keine Arbeitserlaubnis habe. Ich habe jedoch mehr als eine Arbeitsquelle, bei der ich anfangen könnte.

Die RV legt vor: Konvolut von Unterlagen XXXX des BF und Zertifikat an der Teilnahme zum Deutschkurs A2 sowie Anmeldebestätigung B1-Kurs.

Der VR ersucht die D nicht zu übersetzen.

VR: Sprechen Sie deutsch?

BF: Ja.

VR: Was essen Sie gerne?

BF: Ich bin Vegetarier. Ich esse Spaghetti, ich esse sehr viele Gerichte, wie Reis.

VR: Sie haben vorhin Deutsch gesprochen. Was wollten Sie mir erzählen?

BF: Der BF versteht diese Frage nicht.

VR: Haben Sie eine Sprachprüfung gemacht?

BF: Ich habe die A1-Prüfung absolviert.

VR: Wann?

BF: Ich habe das vergessen.

Der VR hält fest, dass der BF (aus menschlichen Gründen verständlich) zwar nervös ist, die an ihn gestellten Fragen jedoch nur brüchig und langsam beantworten konnte. Der VR ersucht, wieder zu übersetzen.

VR: Wie gestaltet sich Ihre Freizeit?

BF: Ich nehme an einem Deutschkurs teil, gehe in die Bibliothek um zu lesen. Ich arbeite auch beim XXXX mit. Ich gehe ins Kino. Ferner gehe ich ins (phonetisch) XXXX Theater.

VR: Können Sie mir Namen aus Ihrem Freundeskreis mit Adresse nennen?

Der BF übergibt dem Gericht eine Liste mit Namen, auf welcher teilweise die Familiennamen und die Aufenthaltsorte genannt sind. Diese wird zum Akt genommen.

Der BF erklärt hierzu: von Teilen dieser darauf erwähnten Personen gibt es auch Unterstützungsschreiben bzw. Bestätigungen, die zuvor vorgelegt wurden.

VR: Woher haben Sie den Zeitungsartikel? Ist dieser übersetzt oder im Original?

BF: Das ist aus dem Internet in deutscher Sprache.

VR: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein.

VR: Beziehen Sie derzeit Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung (zB Taschengeld, Unterkunft)?

BF: Ja, in Höhe von EUR 375 pro Monat.

VR: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt?

BF: Nein.

VR: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF: Ich weiß es nicht. Es könnte sein, dass ich einen Tag lebe, es könnte sein, dass ich sofort bei der Einreise in den Irak getötet werde oder ich könnte leben.

VR: Unter der Annahme, dass Sie die von Ihnen geschilderten Probleme oder Schwierigkeiten nicht hätten, könnten Sie dann wieder in Ihrem Herkunftsstaat leben?

BF: Nein, ich bin Bedroht.

Die RV hat kein weiteres Vorbringen.

Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

VR: Ich bin mit der Befragung am Ende. Wollen Sie noch abschließend etwas sagen?

BF: Ich bedanke mich ganz herzlich für ihr Zuhören.

…“

Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.06.2019 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Erstverfahren wurde am 26.06.2019 rechtskräftig abgeschlossen.

3. Am 09.12.2019 brachte die bP einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein. Anlässlich ihrer Erstbefragung am 09.12.2019 führte sie im Wesentlichen folgend aus:

„…

Ich bin Künstler und auch ein politischer Aktivist. Aufgrund meiner politischen Aktivitäten in Österreich ist mein Leben im Irak in Gefahr. Diese Aktivitäten beziehen sich gegen das regierende Regime im Irak. Ich habe Unterlagen, Fotos und Berichte von Journalisten, welche meine Aktivitäten zeigen. Ich bin auch auf „Facebook“ aktiv und poste kritische Meinungen gegen das politische und religiös herrschende System im Irak. Das kann ich auch mit Unterlagen belegen. Ich wurde von dem Vorsteher meines Stammes im Irak wegen dieser Aktivitäten als Ungläubiger und Dissident ausgeschlossen. Das bedeutet, dass mein Leben im Irak nicht geschützt wird und dass mein Name auf die Todesliste gestellt wurde. Dieser Ausschluss wurde mit einer Urkunde am 02.10.2019 veröffentlicht. Dieses Schreiben hat mir ein guter Freund aus dem Irak übermittelt…“

Am 03.02.2020 wurde sie beim BFA niederschriftlich einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalteten sich dabei wie folgt:

„…

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: Ja.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

A: Ja.

F: Befinden Sie sich zurzeit in ärztlicher Behandlung?

A: Nein.

F: Nehmen sie regelmäßig Medikamente ein?

A: Nein.

F: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

A: Verein Legal Focus.

F: Wollen Sie diese Einvernahme ohne das Beisein Ihres gewillkürten Vertreters durchführen?

A: Ja.

F: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

A:

Ein Konvolut zur XXXX

5 Seiten Zusammenstellungen von Social Media Postings des Antragstellers.

Eine Anmeldung zu einem Deutschkurs B1

Ein Zeugnis zur Integrationsprüfung des ÖSD

Ein Zertifikat über einen abgeschlossenen Deutschkurs A1

Eine Teilnahmebestätigung zu einem Deutschkurs A1

Bachelorzeugnis XXXX Bagdad vom XXXX (Nachausstellung)

Ein Kompendium aller XXXX Tätigkeiten des Antragstellers in Österreich.

Urkunde über die Verstoßung aus dem Stamm des Antragstellers vom 02.10.2019.

F: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

A: Nein.

F: Besteht ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu sonstigen Personen?

A: Nein.

F: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.

A: Meine Freundin ist hier. Ich kenne Sie seit 1,5 Jahren. Ich habe Sie bei einer Kunstveranstaltung kennengelernt. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Sie hat mir sehr geholfen, als ich Hilfe brauchte. Sie half mir beim Erlernen der deutschen Sprache, da sie Ihre Muttersprache ist. Das ist eine sehr gute Beziehung und wir werden schließlich heiraten. Meinen Sohn werde ich XXXX nennen.

F: Ihr letztes Verfahren wurde am 26.06.2019 zweitinstanzlich negativ abgeschlossen. Was hat sich seitdem geändert?

A: Seit Anfang Oktober bin ich Mitglied XXXX . Ich bin politisch und aktiv und Künstler. Deswegen habe ich und andere Personen eine Gruppe namens XXXX gegründet. Alle Personen, welche mit mir in dieser Gruppe sind irakische Staatsangehörige. Ich bin einer der Gründer dieser Gruppe. In meiner Tätigkeit bin ich Künstler und politischer Aktivist. Unser Projekt soll die Demonstrationsbewegung im Irak unterstützen. Auf unserer Uniform steht der XXXX . Das erste Projekt, welches wir war, dass wir vor dem UNO Gebäude in Wien demonstrierten. Der Name dieser Aktion war „Demonstration zur Unterstützung der Demonstranten im Irak“. Die Regierung im Irak hat viele junge Leute umgebracht. Dort gibt es keine Gerechtigkeit. Die politische Partei welche die Regierung stellt ist dieselbe, welche die Leute umbringt. Das ist die Asaeb Ahl AlHaqq. Unsere Demonstration vor dem UNO Gebäude war eine Live-Performance. Die Geschichte dieses Projekt erzählt über die Jugendlichen, welche im Irak getötet wurden. Außerdem veranstalteten wir in verschiedenen Straßen in Wien verschiedene Aktionen, bei welchen wir unsere Uniformen trugen. Dazu habe ich auch Fotos vorgelegt.

Ich habe XXXX Dies tat ich XXXX . Weiter hatten wir eine Veranstaltung XXXX in Wien. Nachher gab es eine Veranstaltung XXXX in Wien. Dazu gibt es auch Fotos und Videos. Die Videos kann ich Ihnen gerne nachreichen, sollten diese gebraucht werden. All diese Fotos und Videos wurden veröffentlicht. Es gab auch einen Zeitungsartikel zu unseren Aktionen.

Alle diese Fotos und Informationen zu diesen Projekt sind im Internet unter dem XXXX auffindbar. Das bedeutet, dass die irakische Regierung, die Behörden und die Parteien, welche im Irak Menschen töten, Zugriff auf diese Daten haben. Das bedeutet, dass ich im Irak erkannt werde. Ich bin schon vor dem Jahr 2015 als politischer Aktivist und Künstler im Irak aktiv gewesen.

Wegen dieses Hashtags und all dieser Postings, der Veröffentlichungen auf der irakischen XXXX Seite und der Veröffentlichungen auf meiner privaten Seite, sowie wegen meiner Postings auf meinem Facebook Accounts, verstieß mich mein Stamm. Das bedeutet, dass es für mich keine Sicherheit im Irak gibt, dass es dort kein Gesetz gibt.

In dem Schreiben steht:

„Die Person XXXX wird aus dem Stamm verstoßen, daher sich abfällig über die Regierung und über die Milizen geäußert hat.“.

Es wird darin „Asaeb“ geschrieben. Gemeint ist damit die Asyb B‘ahi AlHaqq.

Weiter steht darin, dass es Leute in meinen Stamm gibt, welche für Asaeb Ahl AlHaqq arbeiten. Daher dürfen mich Menschen, welche meinem Stamm angehören, mich jederzeit und überall töten.

F: Wann haben Sie dieses Schreiben von wem erhalten.

A: Da drinnen steht der 02.10.2019.

F: Ist dies das Erstellungsdatum oder das Datum an welchem Sie dieses erhalten haben.

A: Ich habe es ein Monat nach dem Ausstelungsdatum erhalten. Ich erhielt es von einem Freund der Familie.

F: Können Sie den Namen dieses Freundes angeben.

A: Ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern. ER ist einfach ein Freund meiner Familie.

F: Auf welchem Wege erhielten Sie dieses Schreiben?

A: Er hat mir dieses Dokument via DHL geschickt.

F: Sind Sie noch im Besitz des DHL Kuverts?

A: Ich werde versuchen es zu finden. Ich will nochmal hinzufügen, dass ich mich nicht an das exakte Datum erinnern kann, an welchem ich dieses Schreiben erhielt, da ich damals so viel Stress hatte.

F: Standen Sie nach Ihrer Einreise nach Österreich mit diesem Freund der Familie in Kontakt?

A: Nein.

F: Wissen Sie woher diese Person Ihre Adresse kannte?

A: Ich bin in Kontakt mit meinem älteren Bruder. Dieser Freund steht in Kontakt zu meinem Bruder.

F: Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?

A: Ja.

F: Konnten Sie meinen Fragen folgen?

A: Ja.

F: Wollen Sie noch etwas vorbringen oder ergänzen oder fragen?

A: Schauen Sie. Ich will nochmal hinzufügen, dass ich mehr Zeit brauche um alle Details anzugeben. Ich bin als politischer Aktivist und Künstler im Irak und hier aktiv gewesen und das ist gefährlich. In jeder Sekunde könnte ich getötet werden.

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen an den einvernehmenden Referenten zu stellen oder Anträge zu stellen.

Keine Fragen, keine Anträge.

…“

Mit im Spruch bezeichneten Bescheid des BFA wurde dieser Folgeantrag hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten inhaltlich abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der bP in den Irak gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

4. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der bP:

Die bP ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist schiitisch muslimischen Glaubens, jedoch nicht praktizierend. Sie führt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem im Spruch angeführten Datum geboren.

Die bP ist gesund und arbeitsfähig.

1.2. Zu den Anträgen der bP auf internationalen Schutz:

Erster Antrag auf internationalen Schutz vom 16.09.2015 (Verfahren des maßgeblichen Vergleichsbescheides)

Im Zuge ihres ersten Antrages auf internationalen Schutz gab die bP befragt zu ihren Fluchtgründen die unter I. 1. und I.2. dargelegten Fluchtgründe an.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 09.11.2017 in allen Spruchpunkten abgewiesen. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung der bP in den Irak zulässig ist. Beweiswürdigend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es den bP nicht gelungen sei, eine begründete Furcht vor Verfolgung tatsächlich glaubhaft zu machen.

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des BVwG vom 25.06.2019, GZ: G307 2180221-1/11E, in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen.

Dieses Erkenntnis erwuchs mit 26.06.2019 in Rechtskraft.

Die ergangene rechtskräftige Entscheidung wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:

„Das Vorbringen zur Teilnahme an Demonstrationen hat der BF – beginnend mit seiner polizeilichen Erstbefragung – bis hin zur mündlichen Verhandlung konsequent dargetan und durch die Vorlage zahlreicher Fotos untermauert. Was den vorgelegten USP-Stick betrifft, konnte – trotz zahlreicher Versuche unter Heranziehung mehrerer Programme – nur das zweite mit „yaseer.mp4“ betitelte Video wiedergegeben werden. Darauf sieht man zwei Männer, die offenbar ihre Meinung kundtun und sind lautstarke Proteste zahlreicher Demonstranten zu sehen. Der BF selbst sowie ein gewaltsamer Übergriff von Sicherheitskräften oder Milizen sind auf dem gesamten Video nicht erkennbar.

Die Ausführungen zu den Fluchtgründen sind zwar nicht durchgängig, jedoch in einigen wesentlichen Belangen nicht nachvollziehbar. So hob der BF hervor, er demonstriere – mit einer Unterbrechung nach der Ermordung seines Freundes XXXX – seit dem Jahr 2006 und habe dieses Verhalten bis zum XXXX 2015, also rund 9 Jahre lang durchgehalten. Zu den konkreten Drohungen, denen er ausgesetzt gewesen sein soll, gab der BF in der mündlichen Verhandlung an, er sei von einem der Sicherheitskräfte am XXXX 2015 „sexuell belästigt“ worden. Näher dazu befragt, vermeinte der BF, dieser Mann habe ihn am Gesäß und dessen Penis begrapscht. Weiter zum Verlauf dieser Protestkundgebung und insbesondere dazu befragt, ob es Ausschreitungen oder Zwischenfälle gegeben habe, gab der BF an, er könne nur von der erwähnten Belästigung sowie der Wegnahme seiner Kamera berichten. Ferner war der BF nicht in der Lage, sein Vorbringen, „Sie haben uns die ganze Zeit geschlagen“ (Einvernahmeprotokoll des BFA vom 14.09.2017, Seite 5 oben), in der mündlichen Verhandlung plausibel zu erläutern. Er antwortete hierauf: „Sie haben Checkpoints errichtet, mit der Ausrede, dass dies der Sicherheit der Demos dient.“ Ich meine damit die Polizei und das Militär.“ Die Schilderung dieses Handelns deutet jedoch (noch) nicht auf einen staatlichen oder staatlich geduldeten Übergriff aus Gründen der GFK hin. Abgesehen davon verrät ein Blick auf Seite 7 der Einvernahme vor dem Bundesamt, dass der BF dort zu Protokoll gegeben hat, es habe keine konkrete Bedrohung gegen seine Person gegeben. Auch wenn die Länderfeststellungen von Gewalt gegen Journalisten und Selbstzensur sprechen (was in der abschließenden Stellungnahme als Verfolungsgefahr gesehen wurde), erscheint es befremdlich, dass der BF vor dem Hintergrund der köperlichen Übergriffe gegen seine Person den Irak nicht schon früher verlassen hat und trotz seinen Aktivistendaseins noch mehrere Jahre nach dem Mord an XXXX im Herkunfststaat verblieben ist. Aber auch den restlichen Ausführungen des BF wohnt keine derart große Gefahr inne, dass man von einem Fluchtgrund im Sinne der GFK sprechen könne. Der BF warf nämlich in der mündlichen Verhandlung (Seite 6 unten) ein, seine Mitstreiter und er hätten täglich an Demonstrationen teilgenommen, um Rechte für Menschen zu fordern. Von diesbezüglichen Übergriffen oder Drohungen gegen ihn berichtete er in deren Rahmen jedoch nicht, zumal er auf Seite 7 des Verhandlungsprotokolls davon sprach: „Diese Personen sind meistens unbekannter Identität“, weshalb er auch nicht eingrenzen konnte, ob allfällige Drohungen überhaupt von der Regierung oder regierungsnahen Kräften ausgingen oder geduldet würden. An einer anderen Stelle des Protokolls, nämlich auf Seite 7 in der Mitte, gab der BF an, er habe nach dem Tod seines Freundes ( XXXX ) weiter leben können, weil die Drohungen bis 2015 nicht stark bzw. nicht direkt gewesen seien. Es mutet zudem lebensfremd an, wenn gegen den BF angesichts des großen behördlichen Interesses an seiner Person erst im Jahr 2017 ein Drohbrief gerichtet war.“

Rechtlich wurde durch das BVwG dargelegt, dass eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, deshalb war davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Zweiter Antrag der bP auf internationalen Schutz vom 09.12.2019

Am 09.12.2019 stellte die bP den zweiten und gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Sie gab dazu die unter I. 3. dargelegten Fluchtgründe an.

Mit im Spruch bezeichneten Bescheid des BFA wurde dieser Folgeantrag hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten inhaltlich abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der bP in den Irak gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid wurde durch die Vertretung der bP innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Es wurde dargelegt, dass der erste Asylantrag negativ abgeschlossen worden sei. Die bP habe einen neuen Asylantrag gestellt, da es Neuigkeiten gebe. Die bP sei seit Anfang Oktober 2019 Mitglied der Gruppe XXXX und einer der Grüner dieser Gruppe. Sie sei politisch sehr aktiv. Das Projekt solle Demonstrationsbewegungen im Irak unterstützen. Die bP habe ein ausführliches vorbringen erstattet. Das Vorbringen beinhalte jedenfalls einen glaubwürdigen Kern. Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat Irak:

Das BFA legte seiner Entscheidung umfassende Länderfeststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat bzw. zur Situation der bP im Falle einer Rückkehr zugrunde, denen die bP nicht substantiiert entgegengetreten ist. Angesichts der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des BFA weisen die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.

Von der bP wurde zwar eine Änderung der allgemeinen Lage behauptet, jedoch nicht dargelegt, inwiefern sie selbst konkret davon betroffen wäre, wie aus den rechtlichen Ausführungen hervorgeht.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA zum vorangegangenen und zum gegenständlichen Verfahren.

Dieser wurde gegenständlich nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.

Zur Abweisung gem. § 68 Abs. 1 AVG

3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG und wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

Bei der Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig ausgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden oder im Berufungsverfahren von der Partei ausgewechselt werden (s. z.B. VwSlg. 5642 A, VwGH 28.11.1968, 571/68, 23.5.1995, 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. aber VwSlg. 12799 A).

Identität der Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).

Ob der nunmehr vorgetragene Sachverhalt, der sich vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag zugetragen haben soll, im Erstverfahren auch vorgetragen wurde oder nicht, ist im Folgeverfahren bei der Prüfung der Rechtskraft ohne belange. Auch ein Sachverhalt, der nicht vorgetragen wurde, ist von der Rechtskraftwirkung des Vorbescheides mitumfasst (vgl. auch Erk. d. VwGH vom 17.9.2008, 2008/23/0684, AsylGH vom 17.4.2009, GZ. E10 316.192-2/2009-8E).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235), wobei für die Prüfung der Zulässigkeit des Zweitantrages von der Rechtsanschauung auszugehen ist, auf die sich die rechtskräftige Erledigung des Erstantrages gründete (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0237, mwN).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss. Erk. d. VwGH v.26.2.2004, 2004/07/0014; 12.12.2002, 2002/07/0016; 15.10.1999; 9621/9997). Identität der Sache i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 08.04.1992, Zl. 88/12/0169, ebenso Erk. d. VwGH v. 15.11.2000, 2000/01/0184).

Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene „Sachen“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft – der also für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen keine Asyl- oder Refoulementrelevanz zukäme, sodass eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages von vornherein ausgeschlossen erscheint –, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, 2002/20/0391; 19.2.2009, 2008/01/0344).

Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. die Erkenntnisse vom 10.06.1998, 96/20/0266, und vom 15. Oktober 1999, 96/21/0097).

3.2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Als Vergleichsbescheid ist im Falle mehrfacher Asylfolgeanträge derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden – und nicht etwa nur ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen – wurde (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom 26.06.2005, 2005/20/0226, mwN).

Wie aus dem gegenständlichen Verfahrensgang hervorgeht, stellt den maßgeblichen Vergleichsbescheid das Erkenntnis des BVwG vom 25.06.2019 dar, womit die Beschwerde gegen die Abweisung des ersten Antrages auf internationalen Schutz als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis wurde rechtswirksam zugestellt und erwuchs mit 26.06.2029 in Rechtskraft.

Das BVwG bestätigte darin im Wesentlichen, dass das als ausreisekausal dargelegte Vorbringen nicht glaubhaft bzw. asylrelevant war und sich auch aus der allgemeinen Lage im Irak kein Grund für die Zuerkennung von internationalem Schutz ergibt.

Das gegenständliche Verfahren betreffend ist bei der Prüfung gem. § 68 AVG maßgeblich, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages – allenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens – mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen (vgl. VwGH 4.11.2004 sowie u.a. die Erkenntnisse vom 25.10.2005, 2005/20/0372, vom 22.12.2005, 2005/20/0556 sowie 2005/20/0300; 19.2.2009, 2008/01/0344).

Eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes liegt nicht vor, wenn die ursprüngliche Entscheidung davon ausging, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei und mit dem neuerlichen Antrag unter Vorlage entsprechender Beweismittel darzutun versucht wird, dass die Angaben sehr wohl wahr seien (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).

Im gegenständlichen Verfahren legte das BFA nachvollziehbar dar, dass die bP im gegenständlichen Verfahren anführte, dass sie aufgrund ihrer fortgesetzten künstlerischen Tätigkeit in Österreich und ihrer sys

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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