TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/16 W146 2152297-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §32
VwGVG §32 Abs1 Z2
VwGVG §32 Abs2

Spruch

W146 2152297-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 08.08.2019, Zl. W146 XXXX , rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens beschlossen:

A)

Der Antrag wird gemäß § 32 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung gab dieser an, dass er 1978 Syrien verlassen habe. Er habe die letzten 37 Jahre in Abu Dhabi gelebt und gearbeitet. Er habe sich von seiner Frau getrennt. Er habe auch keinen Kontakt mehr zu seinen Kindern. Er würde das Leben in Abu Dhabi nicht mehr ertragen und habe nur mehr von dort weg und nach Österreich gewollt.

Am 13.02.2017 wurde der Antragsteller vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er an, dass er vor seiner Ausreise aus Syrien vor 38 Jahren in XXXX in Damaskus aufhältig gewesen sei. Damals habe es in Abu Dhabi viele Berufschancen gegeben, deswegen habe er Syrien verlassen. Er habe gut verdient und auch seine Eltern in Syrien finanziell unterstützt. Vor vier Jahren sei der Antragsteller gekündigt worden. Er habe dann versucht sich selbstständig zu machen, aber habe dadurch viel Geld verloren. Jetzt sei er alt und allein, seine Kinder seien weit weg von ihm, er brauche Unterstützung wegen seiner Krankheit, er habe in Abu Dhabi keine Versicherung gehabt.

Befragt, ob er wegen dem Sozial-und Gesundheitssystem nach Österreich gekommen sei, gab der Antragsteller an, ja das stimmt. Der Antragsteller habe in Abu Dhabi auch keine eigene Wohnung mehr gehabt, es sei ihm nicht gut gegangen. Er hätte Abu Dhabi nicht verlassen, wenn er eine Versicherung und einen Schlafplatz gehabt hätte. Das Schlimmste sei gewesen, dass er nicht versichert gewesen sei und er dringend eine Operation gebraucht habe. Sein Sohn habe ihm gesagt, er solle nach Österreich kommen. Dieser lebe hier von der Sozialhilfe. Der Antragsteller lebe von der Grundversorgung.

Befragt, was er bei der Rückkehr nach Syrien zu befürchten hätte, gab der Antragsteller an, in Syrien habe er nichts, keine Wohnung, keine Familie; in Abu Dhabi bekomme er keine langfristigen Aufenthaltstitel. Er könne wegen seiner Krankheit nicht mehr arbeiten. Weitere Gründe für eine Asylantragsstellung habe er keine.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2017 wurde der Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Antragsteller der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.03.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität und Nationalität des Antragstellers nicht verlässlich feststehen würden. Der Antragsteller sei syrischer Staatsangehöriger, zugehörig zu arabischen Volksgruppe und Moslem. In den Angaben des Antragstellers seien keine Anhaltspunkte feststellbar, die im Speziellen auf eine konkrete Verfolgung seiner Person hindeuten würden, die eine Anerkennung als Konventionsflüchtling rechtfertigen würden. Er habe sein Heimatland ausschließlich aufgrund der allgemeinen Lage und Abu Dhabi aufgrund des Gesundheitssystems verlassen.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Antragsteller als staatenloser Staatsangehöriger in Syrien geboren worden sei und er seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung und mangels der Fähigkeit seines Heimatlandes ihn vor Übergriffen zu schützen, verlassen habe, weshalb er Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Die Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes habe er ausführlich dargelegt. In Abu Dhabi habe der Antragsteller aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr arbeiten können. Auch sein Aufenthaltstitel sei nicht verlängert worden. Nach Syrien könne der Antragsteller nicht zurück, da er keine Familienangehörigen habe und die palästinensischen Flüchtlinge, die dort leben würden, vom Bürgerkrieg betroffen seien. Wenn der Antragsteller in Abu Dhabi geblieben und ihm der Aufenthaltstitel nicht erteilt worden wäre, wäre er mit Abschiebung nach Syrien bedroht gewesen. Dort wäre er der Gefahr der Verfolgung sowie der Folter ausgesetzt gewesen.

Anlässlich einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.07.2019 gab der Antragsteller an, dass er nur auf einem Ohr höre. Er sei halb Palästinenser und Syrer. Er habe Syrien vor 40 Jahren verlassen, damals habe es den Schutz der Organisation UNRWA gegeben, diesen gebe es jetzt nicht mehr. Er habe aber keinen Ausweis dieser Organisation. Er befürchte mit 65 Jahren zum Militärdienst eingezogen zu werden. Auf Vorhalt, er habe vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben, davon befreit zu sein, gab der Antragsteller an, das habe er nicht gesagt. Da er bereits die 60 Jahre überschritten habe, habe er in Abu Dhabi keine Arbeit mehr bekommen. Für einen weiteren Aufenthaltstitel hätte er Geld bezahlen müssen, welches er jedoch nicht gehabt habe.

Nach Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet und die Beschwerde des Antragstellers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Antragsteller keinen Wehrdienst in Syrien abgeleistet habe, somit keine besondere militärische Qualifikation erworben habe und auch in keiner Spezialeinheit gewesen sei. Der Antragsteller habe keinen Einberufungsbefehl erhalten. Eine Befürchtung, im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit 64 Jahren erstmals zum Militärdienst herangezogen zu werden, bestehe somit nicht. Nicht festgestellt werden könne, ob der Antragsteller jemals bei UNRWA registriert gewesen sei. Festgestellt werde, dass der Antragsteller freiwillig vor 40 Jahren XXXX , welches unter dem Schutz der UNRWA gestanden sei, verlassen habe. Der Antragsteller sei legal aus Syrien ausgereist.

Es könne nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Antragsteller im Falle einer Rückkehr nach Syrien einer hier relevanten Verfolgung durch oppositionelle Kräfte ausgesetzt wäre.

Der Antragsteller habe mit seinem – gesteigertem – Vorbringen keine Furcht vor Verfolgung seiner Person aus den in der GFK genannten Gründen geltend machen können. Eine UNRWA Registrierung des Antragstellers habe nicht festgestellt werden können, es fehle somit gemäß der Rechtsprechung des EUGH schon an der ersten Voraussetzung, um Schutz gemäß der Status-Richtlinie zu genießen. Auch mangle es an der zweiten Voraussetzung, da der Antragsteller XXXX vor 40 Jahren freiwillig verlassen habe.

Am 09.09.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens ein. Der Antragsteller führt darin aus, dass er inzwischen herausgefunden habe, dass sein Halbbruder in Belgien es verweigert habe, ihm mitzuteilen, dass er Zugriff auf ihre UNRWA Registrierung habe. Inzwischen habe der Halbbruder dem Antragsteller ein Foto der Registrierung geschickt, auf welcher sich auch der Antragsteller befinde. Die UNRWA Registrierung hätte in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt. Dem Antragsteller wäre Asyl zu gewähren gewesen, da er bei einer Rückkehr nach Syrien den ihm zustehenden und notwendigen Schutz oder Beistand von UNRWA nicht in Anspruch nehmen könne. Dass der Antragsteller Syrien vor 40 Jahren verlassen habe, ändere nichts an dem Umstand.

Auf Aufforderung übermittelte der Antragsteller dem Bundesverwaltungsgericht am 10.06.2020 eine Farbkopie dieser UNRWA Registrierung.

Am 08.07.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an der der Antragsteller im Beisein eines Dolmetschers einvernommen wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm daran entschuldigt nicht teil. Diese Verhandlung gestaltete sich im Wortlaut wie folgt:

R: Sind Sie einvernahmefähig oder haben Sie gesundheitliche Probleme?

BF: Alles in Ordnung.

R: Seit wann haben Sie Kenntnis von der UNRWA-Registrierung?

BF: Das letzte Mal als ich eine negative Verkündung bekommen habe, war ich dann bei der Caritas bei meinen Betreuern. Sie haben mir empfohlen, dass ich diesen Nachweis von UNRWA von irgendwoher bekommen soll, das würde mir sehr helfen. Zufälligerweise habe ich dann unmittelbar danach mit meinem Bruder telefoniert, der in Belgien wohnt. Ich habe ihn danach gefragt, er sagte zu mir, dass er diesen Nachweis bei sich hat. Daraufhin hat er ihn mir geschickt.

R: Wann haben Sie Kenntnis erlangt, dass es eine Registrierung gibt?

BF: Das war, glaube ich, irgendwann letztes Jahr im Juli oder August und ich glaube, die von der Caritas haben dem Richter schon Bescheid gegeben, dass sie das haben.

R an BFV: Aus dem letzten Protokoll ist für mich nicht ersichtlich, dass eine UNRWA-Registrierung existiert.

BFV: Aus dem letzten Protokoll vom 2.7.2019, Seite 2, ist zu entnehmen, dass der BF gefragt wurde, ob er einen Ausweis dieser Organisation besitzt. Darauf antwortete der BF, dass er sehr wohl ein Dokument hatte, aber sein Koffer auf der Reise gestohlen wurde und die Dokumente waren in dem Koffer.

R: Wo ist das Original?

BF: Ich habe leider keine Ahnung, wo das Original ist, ich habe zufällig mit meinem Bruder telefoniert und fragte ihn danach, er sagte, er habe eine Kopie davon und diese Kopie hat er mir per Whats App geschickt. Das sind alles nur Halbbrüder von mir, ich habe keine Geschwister von beiden Seiten, weil mein Vater ließ sich von meiner Mutter scheiden, als ich drei Jahre alt war.

R: Warum ist das 2014 ausgestellt?

BF: Ich habe leider keine Ahnung, warum das 2014 ausgestellt wurde, es war so, wir haben auch nie zusammengewohnt. Ich habe ihn zufällig danach gefragt und er hat es bei sich gehabt, vielleicht hat er es einmal gebraucht und hat es deshalb ausstellen lassen.

R: Wann ist Ihr Vater verstorben?

BF: Mein Vater ist vor ca. 10 Jahren gestorben, meine Mutter verstarb vor 30 Jahren.

R: Wieso wird dann Ihr Vater 2014 als lebend angeführt?

BF: Davon habe ich leider keine Ahnung, ich weiß nur, dass er seit ca. 10, 9 oder 8 Jahren verstorben ist. Als er gestorben ist, habe ich ihn nicht gesehen.

R: Wieso kann das 2014 für Ihren Vater ausgestellt werden, der hier als lebend angeführt wird. Können Sie mir das erklären?

BF: Ich kann es leider nicht erklären, 2014 war vor 6 Jahren, mein Vater ist ganz sicher vor 8, 9 oder sogar 10 Jahren verstorben, deshalb kann ich es nicht erklären.

R: Diese Kopie hat der Halbbruder aus Belgien zu Ihnen geschickt?

BF: Ja. Ich wusste eigentlich nichts von der Kopie, als ich meinen Bruder danach fragte, sagte er mir, dass er das hat, er erwartet in Belgien auch denselben Titel wie ich, deshalb hat er das vielleicht gebraucht.

R: Der Bruder hat auch noch keinen Asylstatus?

BF: Er wartet noch auf die Antwort.

R: Wie heißt der Bruder, wann ist er geboren?

BF: XXXX , ich glaube, er ist ca. 47 oder 48 Jahre alt.

R: Wie lange läuft sein Verfahren schon in Belgien?

BF: Ich weiß es nicht so genau, ich glaube, seit 4 oder 5 Jahren. Ich habe 2 Brüder in Belgien: XXXX und XXXX . XXXX ist schon seit 25 Jahren in Belgien. XXXX wartet noch auf seinen Asylstatus.

R: Wo waren Sie 2014?

BF: In den Arabischen Emiraten.

R: Warum sollten Sie dann aufgelistet sein, dass Sie bei UNRWA registriert sind, wenn Sie in den Arabischen Emiraten waren?

BF: Ich weiß es leider nicht, mein Vater hat uns dort alle registriert, ich wusste eigentlich nichts davon.

R: Aber Sie haben doch im 1. Verfahren gesagt, die Dokumente mit der Registrierung seien untergegangen.

BF: Nein, ich habe nicht gesagt, dass ich dieses Dokument hatte, ich wusste wie gesagt nichts davon. Als ich letztes Jahr mit den Beratern der Caritas gesprochen habe, sagten sie mir, dass ich dieses Dokument finden soll und daraufhin fragte ich meinen Bruder.

R: Auf Seite 2 des letzten Protokolls steht nach der Frage des UNRWA-Dokuments: Auf der Reise wurde mir der Koffer gestohlen, die Dokumente waren im Koffer.

BF: Ich schwöre bei Gott, ich hatte dieses Dokument nicht und ich wusste davon nichts. Ich kann mich auf Ihre Frage danach das letzte Mal erinnern und dass ich sagte, ich habe alle Dokumente verloren, aber das hier hatte ich nicht.

BFV: Haben Sie damals ein anderes Dokument bei diesen Dokumenten von dieser Organisation gehabt?

BF: Ich kann mich leider daran nicht erinnern, wie es genau war, wie gesagt, ich hatte dieses Dokument nicht und wusste nichts davon. Als ich bei der Caritas war, haben sie mir empfohlen dieses Dokument zu finden und mein Bruder hat es zufällig gehabt.

R: Dieses Dokument wurde ausgestellt in Amman.

BF: Weil der Hauptsitz ist ja in Amman. Diese Organisation ist ja eigentlich dort.

R: Aber es steht auch als Wohnadresse Amman dort. Ich kenne UNRWA- Registrierungen aus XXXX , das ist ein Flüchtlingslager bei XXXX in Syrien.

BF: Es mag sein, dass das so ist, aber wie gesagt, mein Vater hat sich von meiner Mutter scheiden lassen, als ich 3 Jahre alt war, er hat uns in Syrien gelassen und reiste weiter nach Saudi-Arabien aus. Er machte das alles, er hat sich registriert, um alle Beihilfen zu bekommen, ich weiß aber nichts davon.

R: Sie waren nie in einem Lager in Amman?

BF: Ich war nur im Lager in Syrien in XXXX , da waren nur ich und meine Mutter dort, mein Vater und meine Geschwister waren woanders. Ich habe noch nie mit meinem Vater zusammengelebt.

R: Sie haben aber vor 35 Jahren das Lager verlassen?

BF: Ja, das war zu dem Zeitpunkt, als ich in die Arabischen Emirate gegangen bin.

R: Also war das freiwillig?

BF: Ich musste einer Arbeit nachgehen, damit ich mich am Leben erhalten kann.

BFV: Konnten Sie zu dem Zeitpunkt keiner Arbeit im Syrien nachgehen?

BF: Es war so, ich bekam damals die Chance in den Arabischen Emiraten zu arbeiten und wie wir alle wissen, ist es dort angenehmer und das Land ist wohlhabender und deshalb war es für mich eine Chance, um auszureisen und dort eine Weile zu leben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX , wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2017 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Mit Schreiben vom 09.09.2019 beantragte der Antragsteller die Wiederaufnahme des Verfahrens. Er habe ein Foto einer UNRWA Registrierung, auf welcher er angeführt sei, vom Halbbruder in Belgien erhalten.

Auf Aufforderung das Original der UNRWA Registrierung dem Gericht vorzulegen, übermittelte der Antragsteller dem Bundesverwaltungsgericht am 10.06.2020 eine Farbkopie dieser UNRWA Registrierung.

Die Echtheit des Beweismittels ist zweifelhaft.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt, in das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , in den Antrag vom 09.09.2019 und in die Kopie der UNRWA Registrierung.

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest.

Die Feststellung, wonach die Echtheit des Beweismittels zweifelhaft erscheint, basiert darauf, dass einerseits der zum Zeitpunkt der Ausstellung am 02.03.2014 bereits verstorbene Vater des Antragstellers als Familienoberhaupt und andererseits der damals in den Arabischen Emiraten wohnhafte Antragsteller als im Lager aufhältig, angeführt werden. Darüber hinaus erfolgte die Ausstellung der Registrierung in einem Lager in Amman, Jordanien, und nicht wie behauptet in XXXX , Syrien. Laut Angaben des Antragstellers war dieser auch niemals in einem Lager des UNRWA in Amman wohnhaft. Weiters konnte im Verfahren kein Original des Dokumentes, sondern nur eine Kopie vorgelegt werden. Auch die widersprüchlichen Angaben des Antragstellers, ob er eine eigene Registrierung im gestohlenem Koffer hatte oder doch nicht, vermag die Zweifel an der Echtheit der Registrierung nicht zu beseitigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Erkenntnis des VwGH vom 21.05.2019, Ra 2018/19/0510:

Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt u.a. die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Ergebnis herbeigeführt hätten. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH vom 19. April 2007, 2004/09/0159). Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH vom 19. April 2007, 2004/09/0159).

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren wiederaufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Erkenntnis die Abweisung des Asylantrages darauf gestützt, dass der Antragsteller mit seinem gesteigerten Vorbringen keine Furcht vor Verfolgung seiner Person aus den in der GFK genannten Gründen geltend machen konnte sowie dass eine UNRWA Registrierung des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden konnte.

Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Rechtzeitigkeit der Antragstellung trotz mündlicher Verhandlung aufgrund der vagen Angaben des Antragstellers nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Es ist jedoch naheliegend, dass der Antragsteller zeitnah mit dem Foto der UNRWA Registrierung die Caritas kontaktierte und der Antrag rechtzeitig gestellt wurde.

Abgesehen davon, dass die Echtheit der gegenständlichen UNRWA Registrierung zweifelhaft erscheint, ist sie auch nicht geeignet, ein im Inhalt des Spruchs anderslautendes Ergebnis herbeizuführen:

Bei UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D der GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sowie § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtsstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sieht – in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D GFK – einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Aufgrund dieses in Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 76).

Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art. 12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 normierten Asylausschlussgrund einem Fremden kein Asyl gewährt werden kann, "so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt". Eine ausdrückliche Regelung, die die – in Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL vorgesehene – "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG 2005 jedoch nicht. Der "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind, als diese – im Unterschied zu nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL fallende Personen – für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind, dass dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 76). Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz der Status-RL ist daher unmittelbar anwendbar (vgl. zuletzt VfGH 22.09.2017, E 1965/2017).

Die erste Voraussetzung (Unterschutzstehen von UNRWA) ist nach der Rechtsprechung des EuGH mit der Vorlage einer UNRWA-Registrierungskarte erfüllt (EuGH 17.06.2010, Rs. C-31/09, Bolbol, Rz 52; zuletzt auch VfGH 22.09.2017, E 1965/2017).

Die zweite Voraussetzung (Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen) erfordert eine Prüfung, "ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, El Kott, Rz 61). Ein Zwang zum Verlassen des Einsatzgebietes einer Organisation iSd Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz Status-RL liegt nach den Ausführungen des EuGH in der Rechtssache El Kott dann vor, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befand und es der betreffenden Organisation oder Institution unmöglich war, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der dieser Organisation oder Institution obliegenden Aufgabe im Einklang stehen (EuGH, El Kott, Rz 65). In der Unterscheidung dieser Umstände von individuellen Verfolgungsgründen iSd Art. 1 Abschnitt A GFK liegt geradezu das Wesen des "ipso facto"-Schutzes nach Art. 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL (VfGH 22.09.2017, E 1965/2017 unter Hinweis auf VfGH 18.9.2014, U 73/2014). Das bloße oder das freiwillige Verlassen des Einsatzgebietes von UNRWA reicht nicht aus.

Wie der Antragsteller selbst in der Verhandlung ausführte, hat er das Lager XXXX in Syrien vor ca. 40 Jahren freiwillig verlassen, um in den Arabischen Emiraten einer Beschäftigung nachzugehen. Damit fehlt es aber an einer der Voraussetzungen, um gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. Nr. L 337, den Status eines Asylberechtigten zuerkannt zu erhalten.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Wie der rechtlichen Beurteilung unzweifelhaft zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im gegenständlichen Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Asylverfahren mündliche Verhandlung Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung Registrierung UNRWA Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W146.2152297.2.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten