TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/17 L507 2130753-1

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Veröffentlicht am 17.07.2020
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Entscheidungsdatum

17.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L507 2130753-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HABERSACK über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2016,
Zl. 1088905309-151437078, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.05.2020,

A)

I. den Beschluss gefasst:

Das Verfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG wird XXXX , der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer ein Staatsangehöriger des Irak stellte am 23.09.2015, nachdem er zuvor illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22.06.2016,
Zl. 1088905309-151437078, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Mit Spruchpunkt II. wurde gemäß
§ 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß
§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24.06.2016 ordnungsgemäß zugestellt, wogegen am 07.07.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben wurde.

2. Am 13.05.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

3. Mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 08.07.2020 wurde bekannt gegeben, dass die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurückgezogen werden. Hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden die Beschwerden aufrechterhalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak. Er wurde am XXXX geboren.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest

Der Beschwerdeführer hat den Irak Anfang September 2015 verlassen und hält sich seit Ende September 2015 ununterbrochen und aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz, rechtmäßig in Österreich auf, wobei ihm die bisherige Verfahrensdauer nicht anzulasten ist.

Der Beschwerdeführer ist seit dem XXXX mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin seit dem 02.04.2019 in einem gemeinsamen Haushalt.

Der Beschwerdeführer hat am XXXX die Integrationsprüfung Sprachniveau A2 des Österreichischen Integrationsfonds bestanden.

Der Beschwerdeführer ist Mitglied der römisch-katholischen Kirche und wurde am XXXX XXXX getauft.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

?        Einsicht in den Verwaltungsakt des BFA;

?        mündliche Verhandlung am 13.05.2020;

?        Einsicht in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden und Bestätigungen:
XXXX

XXXX

XXXX
XXXX

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus Akteninhalt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt und den vorgelegten Dokumenten.

Die Feststellungen zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers stützen sich auf die Eintragungen des in Vorlage gebrachten irakischen Reisepasses des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur Eheschließung und zum gemeinsamen Wohnsitz des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin stützen sich auf die Heiratsurkunde vom XXXX und eine Einsicht in das zentrale Melderegister vom 11.05.2020.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung Sprachniveau A2 positiv bestanden hat, stützt sich auf das Zeugnis des Österreichischen Integrationsfonds.

Die Feststellungen zur römisch-katholischen Taufe des Beschwerdeführers stützen sich auf den in Vorlage gebrachten Taufschein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1. Zu Spruchteil A) I.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.

Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des BFA vom 22.06.2016, Zl. 1088905309-151437078, sind die Spruchpunkte
I. und II. dieses Bescheides in Rechtskraft erwachsen, weshalb das diesbezügliche hg. Verfahren mit Beschluss einzustellen war.

3.2. Zu Spruchteil A) II.

3.2.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.2.2. Zur Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VwGH vom 26.06.2007, 2007/01/0479).

3.2.2.1. Zum Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich ist auszuführen, dass er seit 2017 eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen führt und mit dieser seit dem XXXX verheiratet ist. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin seit dem 02.04.2019 in einem gemeinsamen Haushalt.

3.2.2.2. Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügen, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Hervorgehoben wird hierbei, dass im Falle eines bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert wurde. Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378). Im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, argumentiert er, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [..] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte".

Der Beschwerdeführer hält sich seit beinahe fünf Jahren im Bundesgebiet auf und ist sehr gut integriert. Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und zuletzt die Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich absolviert. Wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt werden konnte, kann er sich sehr gut auf Deutsch verständigen. Er hat einen Freundes- und Bekanntenkreis, der sich – aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer römisch-katholischen Pfarre in Wien – für seinen Verbleib im Bundesgebiet einsetzt und ihn als unverzichtbares Mitglied ansieht.

Auf Grund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen und der vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung dargelegten Ambitionen, ein Beschäftigungsverhältnis anzustreben, ist davon auszugehen, dass er in der Lage sein wird, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Darüber hinaus führt der Beschwerdeführer eine aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, weshalb sich auch aus diesem Umstand ein schützenswertes Privatleben ergibt.

Im Sinne einer Zukunftsprognose ist nach dem gewonnenen Eindruck des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass dieser seine Integration in Österreich wie bisher fortsetzen und in der Lage sein wird, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Unzweifelhaft ist im gegenständlichen Fall von einem hohen Integrationsgrad mit ausreichend Potential, diesen noch weiter voranzutreiben, auszugehen. So hat der Beschwerdeführer nachvollziehbar dargelegt, dass er seine Deutschkenntnisse noch weiter vertiefen möchte. Er ist seit seiner Einreise auch bemüht, einen eigenen Beitrag zur österreichischen Gesellschaft zu leisten, indem er seine Arbeitskraft – Assistenztätigkeit in der Tierarztpraxis seiner Ehegattin – angeboten hat und sich innerhalb der Pfarrgemeinschaft eingesetzt hat, wo es ihm möglich war. Überdies hat der Beschwerdeführer durch seine Angaben in der mündlichen Verhandlung auch ausreichend belegt, dass er im Bundesgebiet gute soziale Kontakte geknüpft hat und ist von einem festen Eingliederungswillen auszugehen.

Festzuhalten ist auch, dass die Verfahrensdauer dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann, zumal er keine verfahrensverzögernden Handlungen gesetzt hat (vgl. VfGH 03.10.2013, U 477/2013; VfGH vom 21.02.2014, U 2552/2013; VfGH 06.06.2014, U 145/2014). Dem nun beinahe fünf Jahre dauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers kommt im Sinne der oben zitierten Judikatur bereits eine gewisse maßgebende Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer setzte zudem bereits vor der Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz durch die belangte Behörde weitreichende Integrationsbemühungen.

Insgesamt überwiegt somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführer im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen, weshalb in Erledigung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären war.

Es wird hierbei nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes in diesem vorliegenden Fall die privaten Interessen des Beschwerdeführers angesichts der erwähnten Umstände in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind.

3.2.3. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer ein „Aufenthaltstitel plus“ gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist.

Der Beschwerdeführer legte ein Zertifikat über eine im Juni 2020 abgelegte Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A2 des Österreichischen Integrationsfonds vor, wodurch er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG und somit die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß
§ 55 Abs. 1 Z 2 AsylG erfüllt.

Das BFA hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG auszufolgen, der Beschwerdeführer hat dabei gemäß § 58 Abs. 11 AsylG mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Ehe Erwerbstätigkeit familiäre Situation Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Sprachkenntnisse Verfahrenseinstellung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L507.2130753.1.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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