TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 L503 2124342-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L503 2124342-2/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am 24.08.2015 gestellten Antrag auf internationalen Schutz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.05.2020, zu Recht erkannt:

A.) I. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG abgewiesen.

II. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs 1 AsylG abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wird gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist.

IV. Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wird die Frist für die freiwillige Ausreise mit vier Wochen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses festgelegt.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“), eigenen Angaben zufolge ein irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und sunnitisch-moslemischen Glaubens aus Sulaimaniyya (Nordirak), stellte am 24.8.2015 im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF bei seiner am selben Tag erfolgten Erstbefragung an, er sei im Juli 2015 einige Male in die B.-Moschee gegangen. Sein Vater habe ihm empfohlen, diese Moschee nicht mehr zu besuchen, weil es dort viele Salafisten gebe und die Moschee gefährlich sei. Ein junger Mann sei an den BF herangetreten und habe ihn aufgefordert, sich den IS-Milizen anzuschließen. Dieser Aufforderung sei der BF nicht nachgekommen, woraufhin er von diesem Mann mit dem Tod bedroht worden sei. Im Fall der Rückkehr befürchte er, umgebracht zu werden.

2. Mit Schriftsatz seines damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 24.3.2016 erhob der BF erstmals Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das BFA.

3. Mit Erkenntnis vom 23.5.2016, Zl. L522 2124342-1, wies das BVwG diese Beschwerde gemäß § 8 Abs 1 VwGVG als unbegründet ab; begründend wurde ausgeführt, dem BFA sei gegenständlich kein Verschulden an der Säumnis zur Last zu legen.

4. Mit Schriftsatz seines damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 9.3.2017 erhob der BF eine weitere (die hier gegenständliche) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das BFA. Zu den Fluchtgründen des BF wurde darin ausgeführt, er sei im Irak vom IS aufgefordert worden, sich ihm anzuschließen und fürchte, aufgrund seiner Weigerung getötet zu werden. Der Irak sei diesbezüglich nicht schutzfähig. Darüber hinaus habe der BF Sorge um seinen minderjährigen Sohn, der schutzlos und hungernd im Irak ausharren müsse. Im Übrigen besuche der BF seit Oktober 2016 die Taufvorbereitung.

5. Am 9.6.2017 legte das BFA den Akt dem BVwG vor und wies darauf hin, dass nach individueller Prüfung des Verwaltungsaktes eine Erledigung nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist erfolgen könne.

6. Am 23.11.2017 übermittelte der BF in Kopie seinen Taufschein (Taufe des BF am 12.11.2017 in Innsbruck).

7. Am 14.9.2018 brachte der BF zwei Empfehlungsschreiben (eines ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuers in O. sowie eines ehrenamtlichen Mitarbeiters des Teams „Flüchtlingsheim O.“) in Vorlage, in denen insbesondere darauf hingewiesen wird, dass der BF gemeinnützige Tätigkeiten (z. B. Ausmähen und Saubermachen von Forstwegen, Pflege und Reinigen von Bushaltestellen, Ortsbildpflege) durchführe.

8. Am 28.1.2019 wurde der BF aus Deutschland rücküberstellt.

9. Am 25.5.2020 führte das BVwG in der Sache des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF werden folgende Feststellungen getroffen:

Der BF trägt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehöriger des Irak; er gehört der kurdischen Volksgruppe an und stammt aus Sulaimaniyya (Autonome Region Kurdistan).

Im Sulaimaniyya leben nach wie vor die Eltern des BF, sein 11-jähriger Sohn aus einer geschiedenen Ehe (dieser lebt bei den Eltern des BF), ein Bruder sowie drei Schwestern. Zu diesen Angehörigen steht der BF regelmäßig (ca. ein- bis zweimal pro Woche) in telefonischem Kontakt. Die Angehörigen des BF haben keine wirtschaftlichen Probleme; sein Vater besitzt ein Stromaggregat und verkauft Strom; sein Bruder besitzt einen Textilladen und verkauft Kleidung.

Der BF selbst war im Irak als Bauarbeiter und insbesondere als Taxifahrer erwerbstätig.

In Österreich hat sich der BF am 12.11.2017 taufen lassen.

1.2. Zu den Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen des BF werden folgende Feststellungen getroffen:

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF – wie von ihm in der mündlichen Verhandlung behauptet – interessehalber eine (radikal-islamische) Moschee besucht und sich dort erkundigt hat, was es genau heißt, Moslem zu sein, woraufhin der BF (unter anderem) auf den Jihad hingewiesen worden sei, was vom BF ausdrücklich abgelehnt worden sei und woraufhin er mit dem Tode bedroht und das Elternhaus beschossen worden sei. Insofern besteht diesbezüglich auch keine Gefahr einer Verfolgung im Fall der Rückkehr des BF.

Nicht festgestellt werden kann zudem, dass dem BF aufgrund seiner in Österreich erfolgten Taufe bei einer Rückkehr in den Irak Verfolgung drohen würde.

Es kann auch keine sonstige Gefahr einer Verfolgung für den BF im Fall seiner Rückkehr festgestellt werden. Ebenso wenig kann eine maßgebliche, sonstige Gefahr für Leib und Leben des BF im Fall der Rückkehr in den Irak festgestellt werden.

1.3. Zur Lage des BF im Fall einer Rückkehr:

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Irak in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Der BF ist gesund und arbeitsfähig und verfügt im Irak über ein Netz von Angehörigen in Form seiner Eltern und seiner Geschwister.

1.4. Zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich:

Der BF hält sich seit August 2015 im Bundesgebiet auf. Der BF spricht nur wenig Deutsch und hat bis dato keine Deutschprüfung abgelegt. Er hat hier fallweise gemeinnützige Tätigkeiten für die Gemeinde (z. B. Ausmähen und Saubermachen von Forstwegen, Pflege und Reinigen von Bushaltestellen, Ortsbildpflege) durchgeführt. Ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung eines potentiellen Dienstgebers wurde mit Bescheid des AMS vom 5.3.2020 abgewiesen. Am 9.3.2020 gab der Betreiber eines Restaurants dem BF eine Einstellungszusage.

Der BF lebt von der Grundversorgung und hat keine Verwandten in Österreich.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Zur Lage im Irak wird auf das vom BVwG in der Verhandlung vom 25.5.2020 in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak, Gesamtaktualisierung am 17.3.2020, sowie den Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020 verwiesen, in denen eine Vielzahl von Berichten diverser allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt werden. Insoweit die Berichtslage konkret im gegenständlichen Verfahren relevant ist (vor allem betreffend die Sicherheitslage im Irak bzw. in der Autonomen Region Kurdistan, die dortige Situation der Kurden, die dortige Situation der Christen, Konversion), wird darauf unten im Rahmen der Beweiswürdigung betreffend die Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen des BF näher eingegangen. Der BF ist den Berichten in der Verhandlung im Übrigen nicht entgegengetreten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des BF

Die zur Identität des BF getroffenen Feststellungen beruhen auf dem vom BF in der mündlichen Verhandlung vorgelegten irakischen Reisepass. Darüber hinaus verfügt der BF auch über entsprechende Orts- und Sprachkenntnisse, sodass an seiner Herkunftsregion – wie auch an seiner Volksgruppenzugehörigkeit – nicht zu zweifeln war.

Die getroffenen Feststellungen zu den Angehörigen des BF im Irak und zu seinem bisherigen Beruf im Irak beruhen auf den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Die Feststellung zur Taufe des BF in Österreich beruht auf dem von ihm vorgelegten Taufschien vom 12.11.2017.

2.2. Zu den Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen des BF

2.2.1. Was die vom BF vorgebrachten Fluchtgründe anbelangt, so ist zunächst anzumerken, dass der BF bei seiner Erstbefragung angab, er sei im Juli 2015 einige Male in die B.-Moschee gegangen. Sein Vater habe ihm empfohlen, diese Moschee nicht mehr zu besuchen, weil es dort viele Salafisten gebe und die Moschee gefährlich sei. Ein junger Mann sei an den BF herangetreten und habe ihn aufgefordert, sich den IS-Milizen anzuschließen; dieser Aufforderung sei der BF nicht nachgekommen, woraufhin er von diesem Mann mit dem Tod bedroht worden sei; im Fall der Rückkehr befürchte er, umgebracht zu werden. Damit noch gleichlautend gab der BF in seiner Säumnisbeschwerde an, er sei im Irak vom IS aufgefordert worden, sich ihm anzuschließen und fürchte, aufgrund seiner Weigerung getötet zu werden.

Bei seiner ausführlichen Befragung vor dem BVwG (siehe insb. Verhandlungsschrift S. 6) stellte der BF sein Fluchtvorbringen bereits dem Grunde nach anders dar: So habe er immer „wissen wollen, was es genau heißt, ein Moslem zu sein“. Aus diesem Grunde habe er die Moschee B. in Sulaimaniyya besucht, welche den Salafisten gehöre. Dort habe er einen Mann kennengelernt, der ihm erklärt habe, „was der Islam ist“. Dieser Mann habe den BF darüber aufgeklärt, dass man als Moslem die Moschee besuchen und beten sowie zu Ramadan fasten und sich auch am Jihad beteiligen müsse. Letzteres habe den BF jedoch nicht überzeugt und habe der BF gesagt, wenn mit dem Islam auch ein Kampf verbunden sei, dann möchte er damit nichts zu tun haben. Daraufhin sei er zum Imam der Moschee gebracht worden, und es sei ihm mitgeteilt worden, „falls ich von diesem Islam nicht überzeugt werde, dann müssen sie mich töten.“ Daraufhin sei der BF nach Hause gefahren und habe dann eine Droh-SMS erhalten, in der gestanden sei, „dass ich aus dem Islam ausgetreten bin und sobald sie mich sehen würden, würden sei mich töten.“ Beim Abendessen zu Hause hätte er dann ein Klopfen gehört und gesehen, dass bewaffnete maskierte Menschen vor der Türe gestanden seien, woraufhin er weggelaufen sei und Schüsse gefallen seien und er letztlich zum Haus seiner Schwester geflohen sei. Auch danach habe er noch eine Droh-SMS erhalten, auf die er nicht reagiert habe; danach sei er ausgereist.

Somit stimmt das nunmehr erstattete Vorbringen bereits dem Grunde nach nicht mit jenem Vorbringen überein, welches der BF bei seiner Erstbefragung (sowie in seiner Säumnisbeschwerde) erstattet hatte: Hier hatte der BF angegeben, ein junger Mann sei in der salafistischen Moschee „an ihn herangetreten“ und habe ihn aufgefordert, sich den IS-Milizen anzuschließen; dieser Aufforderung sei der BF nicht nachgekommen, woraufhin er von diesem Mann mit dem Tod bedroht worden sei (arg. „daraufhin hat er mich mit dem Tod bedroht“), sodass der BF aus Angst um sein Leben geflohen sei; damit noch gleichlautend gab der BF in seiner Säumnisbeschwerde an, er sei im Irak vom IS aufgefordert worden, sich ihm anzuschließen. Hierbei ist aber doch ein erheblicher Unterschied zu erblicken, wenn der BF ursprünglich angibt, er hätte sich „dem IS anschließen“ sollen, und nunmehr aber der Fokus auf den Umstand gelegt wird, dass der BF in der Moschee (in die er aus eigenem Antrieb gegangen sei) kundgetan habe, dass er vom Islam nicht mehr überzeugt sei. Eingangs des Verfahrens hatte der BF somit angegeben, es sei von dem erwähnten Mann von ihm verlangt worden, dass er sich den IS-Milizen anschließe – womit wohl Beteiligungen an Kampfhandlungen zu verstehen sind -, während der BF nunmehr angibt, es sei ein Streit über den Glauben entbrannt, wobei dem BF aufgrund seiner Aussagen in der Moschee vorgeworfen worden sei, er sei aus dem Islam ausgetreten. Dabei wird vom BVwG keinesfalls verkannt, dass hier gewisse „Unschärfen“ durchaus denkbar sind und dass allenfalls nicht klar zwischen dem (radikalen) Islam und dem IS unterschieden werden kann; dies ändert aber nichts daran, dass hier schlicht unterschiedliche Schilderungen des BF – nämlich einerseits verweigerte Beteiligung an den IS-Milizen und andererseits eine (vom BF selbst angezettelte) Diskussion über den Islam, wobei dem BF letztlich Abfall vom Islam vorgeworfen worden sei, vorliegen.

Hinzu kommt, dass der BF bei seiner Erstbefragung ausschließlich auf die Todesdrohung durch den erwähnten Mann in der Moschee verwies (arg. „… daraufhin hat er mich mit dem Tod bedroht. Aus Angst um mein Leben floh ich“). Vom BVwG wird an dieser Stelle nicht verkannt, dass Erstbefragungen meist nur sehr kurz gehalten werden. Allerdings erhellt dessen ungeachtet nicht, dass der BF bei seiner Erstbefragung das nunmehr als letztlich ausreisekausal geschilderte Ereignis – nämlich das angebliche Schussattentat durch mehrere Personen auf ihn abends bei seinem Elternhaus – überhaupt nicht erwähnt hat.

Gänzlich unabhängig von diesen Erwägungen erwies sich das nunmehrige Vorbringen des BF in der Verhandlung vor dem BVwG auch als äußerst unplausibel und machte der BF auf den erkennenden Richter nicht den Eindruck, als würde er tatsächlich Erlebtes schildern. So gab der BF an, dass er am moslemischen Glauben interessiert gewesen sei und er sei aus eigenem Antrieb zu besagter – auch seinem Wissen nach salafistischer – Moschee gegangen, wobei man sich etwa folgende Angaben des BF in der Verhandlung vor dem BVwG (Verhandlungsschrift S. 7/8) vor Augen halten muss:

„VR: Sie haben vorhin gesagt, sie wären aus eigenem Antrieb zu dieser Moschee gegangen, habe ich dies richtig verstanden?

P: Ja, ich ging freiwillig hin und wollte nachfragen, was der Islam ist.

VR: Waren Sie damals so sehr an Religion interessiert?

P: Ich bin als Moslem geboren und ich habe Interesse daran gehabt, den Islam zu verstehen, was es bedeutet.

[…]

VR: Was genau geschah in der Moschee: Sie haben zuletzt mit dem Imam gesprochen und dann hätte man ihnen gesagt, falls sie vom Islam nicht überzeugt würden, dann müssten sie Sie töten. Da muss ja noch irgendetwas passiert sein, vorher wollten Sie sich den Islam erklären lassen und jetzt sollten Sie von diesen Personen plötzlich getötet werden?

P: Wie gesagt, sie haben mir gesagt, dass man Gebete machen muss, Fasten muss und Jihad machen muss. Ich habe geantwortet, dass ich gar nicht überzeugt davon bin.

VR: Sie selbst haben vorhin betont, dass Sie als Moslem geboren wurden, dass man als solcher beten und fasten muss. Dies war Ihnen auch sicherlich schon vorher bekannt, dafür müssen Sie extra in die Moschee fragen gehen?

P: Die Salafisten sind in dieser Moschee gewesen und sie bezeichnen sich als die richtigen Moslems. Ich wollte wissen, wie die richtigen Moslem bzw. der richtige Islam ist. Es gibt verschiedene Moslemgruppen.

VR: Welche Aussage Ihrerseits war konkret der Auslöser für die Morddrohungen?

P: Ich habe gesagt, ab diesem Zeitpunkt bin ich kein Moslem mehr, weil ihr redet über Tötung und Köpfe schneiden. Dann haben sie gesagt, dass ich ein Ungläubiger bin, weil ich von ihren Ideen nicht überzeugt bin und deswegen müssen sie mich töten.

VR: Ihren Aussagen ist zu entnehmen, dass Ihnen klar war, dass Sie in eine Moschee gehen, in der extremistische Islamisten sind. Da verstehe ich immer noch nicht ganz, dass Sie dann eigens dorthin gehen und dann, nachdem Sie die Ansichten der dortigen Personen hörten, sich quasi abwenden?

P: Ich habe nicht gewusst, dass diese so sind. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass sie sagen, dass sie mich töten würden, falls ich sage, dass ich aus dem Islam austreten würde. Sie bezeichneten sich als die richtigen Moslems, deswegen habe ich Interesse gehabt, dies kennenzulernen.“

Zunächst ist dazu anzumerken, dass der BF eigenen Angaben zufolge schon zuvor ein entsprechendes Interesse am Islam hatte, sodass auch von entsprechenden Grundkenntnissen über diese Religion auszugehen ist und machte der BF in der Beschwerdeverhandlung einen grundsätzlich gebildeten Eindruck. Schon insofern wirkte sein Vorbringen, er sei in eine – bekanntermaßen radikal-islamische – Moschee gegangen, um „nachzufragen, was der Islam ist“, als unplausibel und konstruiert. Dies gilt dann umso mehr für das sinngemäße Vorbringen des BF, zu seiner großen Verwunderung sei ihm dort mitgeteilt worden, dass zum Islam neben dem Beten und Fasten auch der Jihad gehöre. Noch unplausibler und konstruierter erscheint dann das Vorbringen, dass er bei diesem ersten Besuch in der radikal-islamischen Moschee – aus Entsetzen über die dort vernommenen Ansichten – gleich explizit bekannt gegeben haben will, dass er „ab diesem Zeitpunkt kein Moslem mehr“ sei. Ein derartiges Verhalten stünde gänzlich außerhalb jeglicher Lebenserfahrung und erscheint auch das Vorbringen des BF auf den diesbezüglichen Vorhalt, er „habe nicht gewusst, dass diese so sind. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass sie sagen, dass sie mich töten würden, falls ich sage, dass ich aus dem Islam austreten würde“, als völlig unplausibel, hat der BF doch selbst angegeben, dass diese Personen gerade zuvor vom Töten und Kopf-Abschneiden gesprochen hätten.

Zusammengefasst handelt es sich beim diesbezüglichen Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen unzweifelhaft um ein bloßes Konstrukt und kann in dieser Hinsicht somit auch keine Gefahr einer Verfolgung für den BF im Fall seiner Rückkehr bestehen.

2.2.2. Was zudem die oben festgestellte, mangelnde Gefahr einer Verfolgung für den BF aufgrund seiner in Österreich erfolgten Taufe anbelangt, so ist Folgendes auszuführen:

2.2.2.1. Im Hinblick auf eine allfällige, allgemeine Gefährdung des BF:

Die Verfassung der Republik Irak erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung, in Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Art. 3 legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung Iraks fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes (so der Bericht Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020).

Nicht verkannt wird freilich, dass das Berichtsmaterial auch davon spricht, dass Personen, die vom Islam zum Christentum konvertieren, auf Schwierigkeiten mit den Behörden stoßen können; Hauptursache für Probleme würden in der Regel jedoch die Gesellschaft und die Familie darstellen; es werde nur selten über Fälle offener Konversion vom Islam zum Christentum berichtet; Personen würden eine Konversion vielfach geheimhalten, da Feindseligkeit gegenüber Konvertiten aus der islamischen irakischen Gesellschaft weit verbreitet seien. Familien und Stämme könnten die Konversion eines ihrer Angehörigen als einen Affront gegen ihre kollektive „Ehre“ interpretieren, weswegen eine offene Konversion Ächtung und/oder Gewalt durch die Gesellschaft, den Stamm, die Familie oder bewaffnete Gruppen nach sich ziehen könne. Es gebe vereinzelt Berichte von Gerichtsverfahren wegen eines Religionswechsels und von (auch tödlicher) Gewalt wegen eines Religionswechsels in der Autonomen Region Kurdistan (so etwa das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak, Gesamtaktualisierung am 17.3.2020). Demgegenüber betont der aktuellste Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020 im Hinblick auf die Autonome Region Kurdistan explizit wie folgt: „Es gibt dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Die kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen. Die umfangreichen Enteignungen von christlichem Besitz unter dem alten Regime sind jedoch nicht rückgängig gemacht worden. Es sind weder staatliche noch gesellschaftliche Diskriminierungen von Christen und anderen religiösen Minderheiten (Shiiten, Shabak, Kaka‘i, Zarathustrer) in der RKI bekannt. Es gibt christliche Städte oder auch große christliche Viertel in Großstädten wie beispielsweise Ankawa in Erbil, in denen christliches Leben, religiöse Feste usw. in der Öffentlichkeit friedlich stattfinden.“

In einer Gesamtschau lässt sich aus dem Berichtsmaterial somit ableiten, dass nicht jede Konversion vom Islam zum Christentum bereits per se – schon gar nicht in der Autonomen Region Kurdistan, in der viele Christen leben und in der sogar der Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen gefördert werden und in der die Sicherheitslage auch insgesamt deutlich besser ist als im restlichen Irak (vgl. etwa das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.3.2020: „In Erbil bzw. Sulaymaniyah und unmittelbarer Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak“) – zu einer maßgeblichen Verfolgungsgefahr führt, sondern ist dies letztlich eine Frage der individuellen Beurteilung des jeweiligen Falles.

2.2.2.2. Im Hinblick auf eine allfällige, konkrete Gefährdung des BF:

Was nun das diesbezüglich vom BF konkret erstattete Vorbringen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass der BF am Beginn der Verhandlung vor dem BVwG – auf die Frage nach seinem Kontakt zu allfälligen Angehörigen im Irak – sinngemäß angab, es bestünde ein enges und gutes Verhältnis zu seinen Eltern und Geschwistern und würde er mit diesen auch regelmäßig etwa ein bis zweimal pro Woche telefonieren. Im weiteren Verlauf der Verhandlung gab der BF sodann, als es um die Frage einer Gefährdung wegen seiner Taufe ging, an, er habe „Angst vor seinen eigenen Leuten“, wobei diese gesagt hätten, egal welche Urteile die Moslems gegen den BF aussprechen würden, sie würden damit einverstanden sein (Verhandlungsschrift S. 9). Auf Vorhalt, dass er noch am Beginn der Verhandlung sinngemäß von einem guten Verhältnis zu seiner Familie berichtet hatte, gab der BF an, er meine jetzt seine „Onkels und Cousins“. Auf weiteres Nachfragen des Richters gab der BF dazu an, seine Onkel mütterlicherseits würden lange Bärten tragen und er sei auch mit diesen Angehörigen von Österreich aus in telefonischem Kontakt gestanden und habe diesen mitgeteilt, dass er Christ geworden sei, worauf sie ihm gesagt hätten, er sei ein Ungläubiger, sie hätten ihn ausgestoßen und würden ihn töten, wenn er zurückkehrt. Bereits dieses Vorbringen erschien dem erkennenden Richter äußerst unplausibel und wirkte konstruiert, zumal nicht erhellt, warum der BF mit seinen Onkeln, die eigenen Angaben des BF zufolge streng gläubige (radikale) Moslems seien und offensichtlich eine grundlegend andere Auffassung über das Thema Religion vertreten als der BF, von Österreich aus Kontakt (gehabt) haben und ihnen dabei vor allem mitgeteilt haben will, dass er Christ geworden sei, wobei – würde man das Vorbringen des BF für wahr halten - eine derartige Anmerkung am Telefon auch unnötigerweise Probleme für seine Eltern und Geschwister mit sich bringen könnte, mit denen er ja im guten Einvernehmen stehe. Auf die Frage des Richters, warum er just diesen angeblich (radikal)islamischen Onkeln gerade aus Österreich am Telefon habe mitteilen müssen, dass er nunmehr Christ sei, antwortete der BF wie folgt (Verhandlungsschrift S. 10): „Jesus sagt, der Christ muss sagen, dass er Christ ist und er soll auch diese Religion bewerben“. Dabei handelt es sich nach dem Eindruck des erkennenden Richters aber bloß um einen auswendig gelernten Stehsatz, wobei dem BF keinerlei Glauben darin geschenkt werden kann, dass er tatsächlich versucht hätte, telefonisch – von Österreich aus – just seine angeblich (radikal)islamischen Onkel zu „missionieren“. Gleiches gilt im Übrigen auch für den vom BF auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen geäußerten, lapidaren Stehsatz, „Wenn ich zurückkehre, dann werde ich sagen, dass ich Christ bin und ich werde auch sagen, dass diese Leute Christen sein sollen“ (Verhandlungsschrift S. 10), wobei der Vollständigkeit halber erwähnt sei, dass der BF auf Nachfragen des Richters nicht einmal den Namen jener Kirche in Österreich anzugeben vermochte, in der er angeblich regelmäßig den Sonntagsgottesdienst besuche (Verhandlungsschrift S. 11).

Zusammengefasst kommt dem vom BF diesbezüglich erstatteten Vorbringen einer Rückkehrgefährdung keinerlei Glaubwürdigkeit zu, sondern ist vielmehr davon auszugehen – worauf auch die Angaben des BF am Beginn der Verhandlung hingedeutet hatten -, dass er im guten Einvernehmen mit all seinen Familienangehörigen im Irak steht und dass ihm aufgrund seiner Taufe auch keine sonstigen Probleme in der Autonomen Region Kurdistan erwachsen werden.

2.2.3. Was die obige Feststellung anbelangt, dass auch keine sonstige Gefahr einer Verfolgung für den BF im Fall seiner Rückkehr und ebenso wenig eine maßgebliche, sonstige Gefahr für Leib und Leben des BF im Fall der Rückkehr festgestellt werden kann, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass keine sonstigen – in der Person des BF gelegenen - Umstände ersichtlich sind, die eine Gefährdung indizieren würden.

Was die allgemeine Sicherheitslage im Irak anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die irakische Regierung im Dezember 2017 den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat erklärte. Dessen ungeachtet ist es derzeit den staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen; PMF-Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen würden eigenmächtig und weitgehend unkontrolliert handeln. Der IS hat einen Strategiewechsel vorgenommen und setzt diesen in Form einer asymmetrischen Kriegsführung aus dem Untergrund mit kleineren Anschlägen auch nach dem Tod des IS-Führers al-Baghdadi fort (so z. B. der Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020). In sämtlichen Berichten wird allerdings betont, dass sich die Sicherheitslage in der Autonomen Region Kurdistan – und hier insbesondere wieder in Erbil bzw. Sulaymaniyah und unmittelbarer Umgebung – deutlich besser darstellt als in den anderen Teilen des Irak (so z. B. explizit das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation). Im Hinblick auf eine allfällige Gefährdung aufgrund der kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit führt etwa der Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020 aus, „von ethnisch-konfessionellen Auseinandersetzungen sind auch Kurden betroffen, soweit sie außerhalb der RKI leben.“

Zusammengefasst kann aus den einschlägigen Berichten der Schluss gezogen werden, dass dem BF – einem Angehörigen der kurdischen Volksgruppe – jedenfalls in seiner Herkunftsregion, der Autonomen Region Kurdistan (konkret: Sulaimaniyya) mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gefahr für Leib und Leben droht.

Der Vollständigkeit halber sei ergänzend angemerkt, dass nicht verkannt wird, dass auch der Irak von der aktuellen, weltweiten Covid-19-Pandemie heimgesucht wird. Aktuell (Stand 21.7.2020) gibt es im Irak 94.693 bestätigte Fälle, wobei davon allerdings bereits 62.836 Personen genesen sind; 3.869 Personen sind bis dato verstorben. Dies bedeutet 2.420 Fälle pro eine Million Menschen (weltweit tagesaktuelle Statistiken abgerufen unter https:// news.google.com/covid19/map?hl=de&mid=/m/02j71&gl=AT&ceid=AT:de). In Relation ist diese Zahl allerdings geringfügig besser als jene in Deutschland (2.447 Fälle pro eine Million Menschen) und etwas schlechter als in Österreich (2.218 Fälle pro eine Million Menschen). Die irakische Regierung versucht insbesondere, mit (nächtlichen) Ausgangssperren die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen (vgl. die Reise- und Sicherheitshinweise des Deutschen Auswärtigen Amtes zum Irak, abgerufen am 21.7.2020). In einer Gesamtbetrachtung kann aus den vorliegenden Statistiken nicht abgeleitet werden, dass dem BF – einem gesunden, jungen Mann – im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der derzeitigen Pandemie Gefahr für seine Gesundheit oder gar sein Leben droht.

2.3. Zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich:

Die oben getroffenen Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich sowie zu seiner Integration beruhen auf den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF bzw. vorgelegten Unterlagen in der Verhandlung vor dem BVwG. Von den (nur rudimentären) Deutschkenntnissen des BF konnte sich der erkennende Richter in der Verhandlung ebenso ein Bild machen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Durch die Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 wurde in § 22 Abs. 1 AsylG die Entscheidungsfrist bei Anträgen auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG auf 15 Monate verlängert.

Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 24.8.2015 gestellt. Die mehr als 15 Monate später am 9.3.2017 vom BF bei der belangten Behörde eingebrachte Säumnisbeschwerde erweist sich daher als zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass diese Verzögerung auf ein schuldhaftes Verhalten des BF und damit auf ein mangelndes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen sind, haben sich aus dem Verwaltungsakt nicht ergeben und wurden solche von der belangten Behörde im Übrigen auch nicht behauptet (siehe dazu Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 9 zu § 8 VwGVG).

Aufgrund der sohin der belangten Behörde anzulastenden Säumnis erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als berechtigt, weshalb die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist (siehe dazu Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2013), K 28 zu § 28 VwGVG). Ein gesonderter Abspruch darüber war nicht erforderlich (siehe dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) Rz 935).

3.2. Zu Spruchpunkt A.I.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Unter „Verfolgung“ im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. bspw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2016, Zl. Ra 2016/19/0074 u.v.a).

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt „Verfolgung“ als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0083).

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt, erwies sich das individuelle Fluchtvorbringen des BF (versuchte Rekrutierung durch den IS bzw. Diskussion über den Islam in einer Moschee mit anschließender Bedrohung des BF aufgrund seiner ablehnenden Haltung) als gänzlich unglaubwürdig und besteht in dieser Hinsicht somit auch keine Gefahr einer Verfolgung für den BF im Fall seiner Rückkehr, sodass die Gewährung von Asyl aus diesem Grunde nicht in Betracht kommt.

Wie ebenso im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, besteht für den BF im Fall seiner Rückkehr zudem keine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung wegen seiner in Österreich erfolgten Taufe, und zwar weder in allgemeiner, noch in individueller Hinsicht; die Gewährung von Asyl kommt auch insofern nicht in Betracht.

Darüber hinaus war im Fall des BF – einem Angehörigen der Volksgruppe der Kurden aus der Autonomen Region Kurdistan – auch keine sonstige Gefahr einer Verfolgung festzustellen.

Somit war dem BF der Status eines Asylberechtigten nicht zuzuerkennen.

3.3. Zu Spruchpunkt A. II.

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach Abs 3 dieser Bestimmung sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ra 2019/19/0006-3, ausgesprochen, dass aus dem Wortlaut des § 8 Abs 1 AsylG ableitbar ist, dass für die Gewährung subsidiären Schutzes bereits jegliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 3 EMRK an sich, und zwar unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat, ausreicht.

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, wird zwar die Sicherheitslage im Irak grundsätzlich als problematisch eingestuft; dessen ungeachtet wird aber in sämtlichen Berichten betont, dass sich die Sicherheitslage in der Herkunftsregion des BF, der Autonomen Region Kurdistan – und hier insbesondere wieder in Erbil bzw. Sulaymaniyah und unmittelbarer Umgebung – deutlich besser darstellt als in den anderen Teilen des Irak. Eine maßgebliche Gefährdung des BF im Sinne von Art 3 EMRK kann aus den Berichten jedenfalls nicht abgeleitet werden. An dieser Einschätzung vermag im Übrigen auch nichts die aktuelle, weltweite Covid-19-Pandemie zu ändern, wobei diesbezüglich auch auf die im Rahmen der Beweiswürdigung getätigten Ausführungen verwiesen sei.

Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen, gesunden, jungen Mann, der im Irak sowohl als Bauarbeiter, als auch als Taxifahrer gearbeitet hat. Er verfügt im Irak über ein Netz von Angehörigen, darunter seine Familie, der es eigenen Angaben des BF zufolge wirtschaftlich gut geht und mit der in regelmäßigem telefonischen Kontakt steht. Insofern besteht auch keinerlei Grund zur Annahme, der BF könnte im Fall der Rückkehr in eine existentielle Notlage geraten.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des BF ist in einer Gesamtbetrachtung daher nicht zu erkennen, dass er im Falle einer Abschiebung in den Irak und einer Wohnsitznahme in der Autonomen Region Kurdistan in eine ausweglose Lebenssituation geraten oder real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden, weshalb sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen war.

3.4. Zu Spruchpunkt A.III.

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird (§ 10 Abs 1 AsylG 2005). Dies ist von Amts wegen zu prüfen (§ 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005).

Gemäß § 57 Abs 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen gegenständlich nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs 1 Z 2 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 wurde. Weder hat der BF das Vorliegen einer der Gründe iSd § 57 AsylG 2005 – substantiiert – behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor. Es war daher – wie in § 58 Abs 3 AsylG 2005 normiert – spruchgemäß über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 zu entscheiden.

Gemäß § 52 Abs 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird, dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger des Irak kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Im vorliegenden Fall verfügt der BF im Bundesgebiet über keine Verwandten. Da der BF auch über keine besonders ausgeprägten sozialen Beziehungen verfügt, ist insgesamt von keinem schützenswerten Familienleben im Bundesgebiet auszugehen.

Im Hinblick auf sein gemäß Art 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung des Privatlebens ist auszuführen, dass sich der BF seit August 2015 – somit seit knapp 5 Jahren - im Bundesgebiet aufhält. Das Gewicht dieser Aufenthaltsdauer wird bereits dadurch gemindert, dass sich dieser Aufenthalt nur auf ein aus einem letztlich als unberechtigt erkannten Asylantrag abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach dem AsylG stützten konnte, und dieser unsichere bzw. unrechtmäßige Aufenthaltsstatus dem BF auch durchaus bewusst sein musste (siehe dazu VwGH 30.7.2015, Zl. Ra 2014/22/0055).

Auch die vom BF bis dato gesetzten Integrationsschritte stellen sich – in Anbetracht der Aufenthaltsdauer – als gering dar. Der BF spricht kaum Deutsch und hat bis dato keine Deutschprüfung abgelegt, wenngleich er aktuell einen Kurs besucht. Nicht verkannt wird, dass der BF fallweise gemeinnützige Tätigkeiten für die Gemeinde durchgeführt hat und dass ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung eines potentiellen Dienstgebers mit Bescheid des AMS vom 5.3.2020 abgewiesen wurde. Dabei handelt es sich aber nicht um solche außergewöhnlichen Integrationsleistungen, die den Ausschlag für einen Verbleib des BF in Österreich geben würden. Auch ist festzuhalten, dass der BF nicht selbsterhaltungsfähig ist, sondern von der Grundversorgung lebt, woran im Übrigen die von ihm in der Beschwerdeverhandlung vorgelegte Einstellungszusage nichts zu ändern vermag.

Demgegenüber hat der BF stärkere Anknüpfungspunkte zum Irak, wo seine Familie lebt, mit der er auch in regelmäßigem telefonischen Kontakt steht.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung von Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

Der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Dies entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde in der gegenständlichen Entscheidung bereits oben verneint.

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005). Dies entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde in der gegenständlichen Entscheidung ebenso bereits oben verneint.

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für den Irak nicht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist somit gegeben, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.5. zu Spruchpunkt A.IV.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, hat er selbst zwar nicht behauptet. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der internationale Flugverkehr aufgrund der aktuellen Covid-19-Pandemie nach wie vor stark eingeschränkt ist. Bei Berücksichtigung dieser Umstände wird es dem BF ein Zeitraum von vier Wochen jedenfalls ermöglichen, sich an das BFA und die für eine Rückkehrhilfe eingerichteten Beratungsstellen zu wenden und eine Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und seine ernsthafte Bereitschaft, freiwillig zurückkehren zu wollen, zum Ausdruck zu bringen. Sollte sich im Zuge dessen herausstellen, dass für die freiwillige Ausreise ein längerer Zeitraum als die hier festgesetzten vier Wochen erforderlich ist, besteht für den BF die Möglichkeit, gemäß § 55 Abs 3 FPG an das BFA einen Antrag auf Verlängerung der Ausreisefrist zu stellen (vgl. VwGH vom 16.05.2013, Zl. 2012/21/0072). Somit war die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit vier Wochen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses festzulegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Glaubwürdigkeit, zum Flüchtlingsbegriff, zum Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben, abgeht. Darüber hinaus wird zu diesem Thema keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert.

Schlagworte

Ausreise Drohungen Frist Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz Miliz non refoulement öffentliche Interessen Pandemie Privat- und Familienleben Resozialisierung Rückkehrentscheidung Selbsterhaltungsfähigkeit soziale Verhältnisse Terror Verlängerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2124342.2.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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