TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/19 95/19/1668

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Veröffentlicht am 19.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §60;
AVG §67;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/19/0769 E 28. November 1997 95/19/0770 E 28. November 1997 95/19/0771 E 28. November 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des MÖ, geboren 1984, vertreten durch den Vater YÖ, dieser vertreten durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ditscheinergasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Jänner 1995, Zl. 103.338/6-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 18. August 1993 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) mit der Begründung ab, daß das monatliche Nettoeinkommen des Vaters des Beschwerdeführers in Höhe von S 10.000,-- und der Bezug von Karenzgeld der Mutter des Beschwerdeführers in Höhe von S 8.200,-- den Lebensunterhalt einer siebenköpfigen Familie in Österreich "nicht ausreichend" sichere.

Dagegen wendete sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung. In der Begründung werde nicht dargelegt, warum das belegte Nettoeinkommen von S 18.200,--, zu welchem "angesichts der derzeit herrschenden Praxis der MA 62 Familienbeihilfe für fünf Kinder hinzuzurechnen gewesen wäre (das seien

ca. S 7.500,--, insgesamt also knapp S 26.000,-- Familieneinkommen)", nicht ausreichten, um den Lebensunterhalt einer siebenköpfigen Familie zu sichern. Bei entsprechendem Vorhalt hätten die Eltern außerdem aus dem weiteren in Österreich befindlichen Familienkreis "allenfalls jemanden finden können, der/die zusätzlich eine Verpflichtungserklärung unterschreibt".

Die belangte Behörde erließ sodann den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie stützte ihre Entscheidung auf § 5 Abs. 1 AufG und begründete folgendermaßen:

"Bei einem Nettoeinkommen des Vaters, Herrn ÖY, von monatlich öS 10.000,-- und einem monatlichen Karenzgeldbezug der Mutter, Frau ÖN, in der Höhe von ca. öS 8.200,-- (wobei dieser Bezug Leistungsanspruch am 09.10.1994 geendet hat, ist der Lebensunterhalt für eine aus ingesamt sieben Personen bestehenden Familie in Österreich nicht ausreichend gesichert. Angesichts dessen kann eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, sind sämtliche Ressourcen des privaten und des öffentlichen Rechtes, die einer Verwertung für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zugänglich sind - mit Ausnahme jener, die aus der Fürsorge erfließen könnten - in die Berechnung der Gesamteinkünfte, welche zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen, einzubeziehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1996, Zlen. 95/19/0104, 0106, 0107).

Dies trifft im konkreten Fall sowohl auf das Arbeitseinkommen des Vaters zu als auch auf den Bezug von Familienbeihilfe, soferne darauf - wie in der Berufung behauptet wird - tatsächlich ein Rechtsanspruch bestünde.

Die belangte Behörde läßt im angefochtenen Bescheid nicht zweifelsfrei erkennen, ob sie unter Hinweis darauf, daß auf den Bezug des Karenzgeldes nur bis 9. Oktober 1994 ein Leistungsanspruch bestanden habe, nunmehr lediglich vom Nettoeinkommen des Vaters in Höhe von monatlich S 10.000,-- ausgehen wollte. Sollte die belangte Behörde dieser Ansicht sein, so übersieht sie, daß nach § 10 Mutterschutzgesetz für die Dauer des Karenzurlaubes ein Kündigungsschutz besteht. Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, daß ein Arbeitsverhältnis durch die Karenzzeit nicht beendet, sondern in der Regel nach Beendigung des Karenzurlaubes fortgesetzt wird. Er schließt die Behauptung an, daß seine Mutter weiterhin ein Einkommen von zumindest S 8.200,-- erziele. Da die belangte Behörde weder zum behaupteten Rechtsanspruch auf Bezug von Familienbeihilfe noch zum gesetzlichen Kündigungsschutz im Falle des Mutterschutzkarenzurlaubes Ausführungen im angefochtenen Bescheid getroffen hat, wäre nicht nachvollziehbar, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt wäre, daß ausschließlich das monatliche Nettoeinkommen des Vaters als Familieneinkommen der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung gesichert sei, zugrundegelegen sei.

Sollte die belangte Behörde jedoch - wie die Behörde erster Instanz - von einem Familieneinkommen von monatlich S 18.200,-- ausgehen, so erwiese sich die Begründung ebenfalls als nicht nachvollziehbar. Denn diesfalls träfen die obigen Ausführungen zur Familienbeihilfe ebenfalls zu, darüber hinaus benötigte aber eine aus sieben Personen bestehende Familie nach dem als Vergleichswert heranziehbaren Maßstab des Sozialhilferechtes für das Bundesland Wien (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 68/1994) zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes einen Betrag von S 18.980,-- (ohne Anspruch auf Familienbeihilfe) als jenes Mindestbedarfes, den der Verordnungsgeber als absolute Untergrenze ansieht, wenn dem Unterstützten keine Familienbeihilfe zusteht, dem im Falle der tatsächlichen Auszahlung der Familienbeihilfe ein Familieneinkommen von behaupteten ca. S 26.000,-- gegenüberstünde.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191668.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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