TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/27 L509 2125133-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2020
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Entscheidungsdatum

27.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L509 2125133-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.06.2020, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde zu Spruchpunkt III. und IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 FPG im gegenständlichen Verfahren gem. § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

III. Gem. § 55 Abs. 1 AsylG wird XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 22.8.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wurde am 24.8.2015 zu seinem Antrag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 17.3.2016 bei der belangten Behörde asylbehördlich einvernommen.

Im Rahmen der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zum Grund der Ausreise aus seinem Heimatland befragt an, dass im Jahr 1998 seine Familie ihr Grundstück und das Haus verloren habe. Er sei deshalb nach Dubai gegangen, um dort zu arbeiten. Nach drei Jahren hätte er keine Arbeit mehr gehabt. Er habe nicht nach Bangladesch zurückkehren wollen, deshalb habe er sich entschlossen, nach Europa zu gehen. Er sei in der Familie der einzige, der Geld verdienen und die Familie versorgen kann. In Österreich möchte er bleiben und arbeiten. Würde er in seine Heimat zurückkehren müssen, drohe ihm dort Armut, weil er keine Arbeit hätte.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme ergänzte der Beschwerdeführer seine Aussage und führte an, dass die Familie Haus und Grundstück bei einem Hochwasser verloren hätte. Er hätte nicht regelmäßig in die Schule gehen können und habe daher arbeiten müssen, damit er etwas zu essen habe. Seine Eltern und seine Geschwister hätten ihm nicht regelmäßig mit Essen versorgen können. Er sei deshalb nach Dubai gegangen und habe dort als Helfer gearbeitet. 2009 sei sein Vater verstorben und dadurch sei seine Familie in eine noch schlimmere Situation geraten. Er habe den offenen Kredit gehabt und von diesem habe er bereits einen Teil zurückgezahlt bis er jedoch seine Beschäftigung verloren habe. Er hätte nicht in die Heimat zurückkehren können, da er dort keine Möglichkeit hätten, den Kredit zurückzahlen. Er wolle in Österreich arbeiten und den Kredit zurückzuzahlen. Der Kreditgeber hätte ihm außerdem gedroht, ihn umzubringen, wenn nicht alles zurückbezahlt wird. Andere Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes gäbe es nicht. Seine Schulden bei dem Kreditgeber würden sich auf 300.000 Taka belaufen.

Am 18.4.2016 legte der Beschwerdeführer eine Geburtsurkunde, ausgestellt von der Volksrepublik Bangladesch am 16.11.2015, zum Nachweis seiner Identität vor. Außerdem legte er zwei gleichlautende Schreiben vor, wobei eines am 10.12.2015 von einem gewissen XXXX (Chairman) und das zweite am 9.12.2015 von einem gewissen XXXX (Deputy Direktor) ausgestellt wurde. Beide Schreiben sind in englischer Sprache abgefasst und betonen wortgleich, dass der Beschwerdeführer sehr arm und hilflos sei und keine Unterkunft hätte, sowie dass sein Haus und Grund vom Hochwasser zerstört worden seien.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.3.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 22.8.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte I. Und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Republik Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

In der Begründung des Bescheides ist angeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers weder plausibel, noch nachvollziehbar und nicht asylrelevant seien. Die Gestaltung seines täglichen Lebens in seiner Heimat weise nicht auf eine echte Verfolgungsgefahr in Bangladesch hin. Die Ausreise im Jahr 2008 sei aus rein finanziellen Gründen erfolgt. Die Angabe, dass er für die Ausreise einen Kredit i.H.v. 300.000 Taka aufgenommen hätte, sei insofern unglaubwürdig, als es die belangte Behörde nicht nachvollziehen könne, dass es sich hierbei tatsächlich um ein Darlehen handelt. Der Beschwerdeführer habe nach seinen eigenen Angaben keinen Kontakt mit dem Kreditgeber gehabt und die gesamte Kreditabwicklung sei von seinem Vater ausgegangen. Es handle sich somit bei dem besagten Darlehen um einen Kredit des Vaters des Beschwerdeführers. Das Vorbringen hinsichtlich der Bedrohung durch einen gewissen Herrn B. in der Republik Bangladesch sei daher unglaubwürdig. Für Verfolgungshandlungen durch Privatpersonen seien in Bangladesch außerdem die Sicherheitsbehörden zuständig. Diese seien den vorliegenden Länderfeststellungen zufolge durchaus schutzwillig und schutzfähig. Der Beschwerdeführer sei weder politisch aktiv gewesen, noch hätte er Probleme aufgrund seiner Rasse, Religion oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt, was sich aus seinen diesbezüglich eindeutigen Angaben ergebe. Die Angaben zu den behaupteten Ausreisegründen hätten sich als nicht asylrelevant erwiesen und es sei davon auszugehen, dass den Beschwerdeführer vielmehr Hoffnung auf ein besseres Leben sowie auf eine medizinische Behandlung zur Ausreise bewogen hätten.

Der Beschwerdeführer habe Verwandte im Heimatland, welche dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr als soziales Auffangnetz dienen könnten. Der Beschwerdeführer könne außerdem seine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen. Er leide nicht an einer schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Da es sich bei ihm um einen jungen selbsterhaltungsfähigen Mann handle, sei davon auszugehen, dass er im Falle der Rückkehr nicht in eine seine Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Sein Vorbringen sei als nicht glaubhaft erachtet worden, weshalb nicht von einer dem Beschwerdeführer persönlich treffenden Gefährdung ausgegangen werden könne. Auch die allgemeine Situation im Heimatland des Beschwerdeführers spreche im Falle der Rückkehr nicht dafür, dass der Beschwerdeführer in eine ausweglose Lage gedrängt werde und ihm eine Rückkehr unzumutbar sein würde. Eine medizinische Versorgung würde ihm auch in Bangladesch zur Verfügung stehen. Es liege daher auch kein Sachverhalt vor, welcher gemäß § 8 Asylgesetz zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde.

Der Beschwerdeführer sei in Österreich alleine aufhältig und habe keine Verwandten im gesamten Bundesgebiet. Es liege daher auch kein schützenswertes Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK vor. Der Beschwerdeführer befinde sich erst seit 22.8.2015 in Österreich, sei nicht berufstätig und auch nicht Mitglied eines Vereines oder einer Organisation. Er habe keinerlei privaten Interessen in Österreich mit Ausnahme des Wunsches, hier einer Arbeit zu finden. Er bestreite seinen Lebensunterhalt aus der Grundversorgung und sei strafrechtlich unbescholten. Seine Kenntnisse der deutschen Sprache seien als marginal zu bezeichnen und es könne keine Integration seiner Person festgestellt werden. Sein privates Interesse an einem Verbleib in Österreich sei im gegenständlichen Fall jedenfalls geringer zu werten, als das öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens. Es hätte ihm schon zum Zeitpunkt der Antragstellung bewusst sein müssen, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle einer Abweisung des Antrages nur ein vorübergehender sein könne. Er habe den größten Teil seines bisherigen Lebens in der Republik Bangladesch verbracht. Seine Verwandten, Geschwister, Onkel und Tanten würden nach wie vor in Bangladesch leben. Die Interessenabwägung gehe daher zulasten seiner privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich aus. Es würden die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung überwiegen. Eine Ausweisung sei daher im Sinne des Art. 8, Abs. 2, EMRK gerechtfertigt, da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, sei die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Republik Bangladesch sei zulässig.

Die festgesetzte Frist für die freiwillige Ausreise wurde gesetzlich begründet.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 1.4.2016 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Mit weiterer Verfahrensanordnung vom 1.4.2016 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen und es wurden ihm Informationen über die Verpflichtung zur Ausreise übermittelt.

4. Am 15.4.2016 hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den angeführten Bescheid eingebracht. Er beantragte, den angefochtenen Bescheid insofern abzuändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten oder zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird; in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückzuverweisen; allenfalls die ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufzuheben.

In der Begründung der Beschwerde wurde neuerlich bekräftigt, dass der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat verlassen habe, weil er durch Kreditgeber bedroht werde. Die genauen Umstände hinsichtlich der Kreditgewährung würde der Beschwerdeführer in eigenen Worten schildern. Dazu wurde der Beschwerde ein handschriftlich verfasstes Schreiben in der Muttersprache des Beschwerdeführers angeschlossen.

Im Wesentlichen wurde die Beschwerde damit begründet, dass der Beschwerdeführer in Bangladesch seine Familie, das Haus und den gesamten Besitz bei einem Hochwasser verloren habe. Der Beschwerdeführer sei bereits als Kind gezwungen gewesen, zu arbeiten, um seine Familie zu unterstützen. Die Schule habe er aus diesem Grund nicht besuchen können. Wenn er nach Bangladesch zurückkehren müsste, werde er umgebracht. Er sei vom Kreditgeber bereits mit dem Tod bedroht worden, wenn er das Geld nicht zurückzahlt. Er habe nicht genügend Geld, um alles zurückzuzahlen. Mittlerweile sei die geforderte Summe aufgrund der zusätzlich verlangten Zinsen noch angestiegen. Von der Polizei könne er keinen wirksamen Schutz erwarten. Dies ergebe sich bereits aus den Länderberichten. Die Polizei in Bangladesch würde, ihrer zugewiesenen Aufgabe nicht zufriedenstellend nachkommen. Auf wirksame Hilfe und Unterstützung könne er nicht vertrauen.

Hinsichtlich seiner gesundheitlichen Situation wird in der Beschwerde angeführt, dass der Beschwerdeführer eine Operation am Ohr benötige. Diese Operation könne nur in Österreich durchgeführt werden. In Bangladesch sei ein solcher Eingriff nicht möglich. Dies ergebe sich ebenfalls aus den Länderberichten, wonach die medizinische Versorgung in Bangladesch mit der in Europa nicht zu vergleichen sei und es keine staatliche Krankenversorgung gebe. Der Termin für die Operation in Österreich sei für Anfang Dezember 2016 geplant. Angesichts der geschilderten Probleme sei sein Leben in erhöhter Gefahr.

Neben dem handschriftlich verfassten Schreiben wurde der Beschwerde ein ambulanter Befund des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern, Abteilung Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde vom 18.2.2016 sowie ein weiterer Befund vom 23.2.2016 angeschlossen.

5. Die Beschwerde wurde samt Akt am 21.4.2016 beim Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung L516 zugewiesen. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.4.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache am 27.4.2020 der Gerichtsabteilung L516 abgenommen und der Gerichtsabteilung L509 zur Bearbeitung zugewiesen.

6. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden die handschriftlichen Aufzeichnungen, welche der Beschwerde angeschlossen waren, einer Übersetzung zugeführt. Aus der Übersetzung ergibt sich, der verstorbene Vater des Beschwerdeführers habe für dessen Reise nach Dubai im Jahr 2008 einen Privatkredit i.H.v. 200.00 Taka mit 5 % Zinsen aufgenommen. Die Zinsen habe der Beschwerdeführer in Dubai mit seinem Lohn abgedeckt, aber vom Kapital des Kreditbetrages habe er noch nichts zurückzahlen können. Im Jahr 2012 habe ihn eine Mafia-Gruppe betrogen und in die Türkei an einen unbekannten Ort gebracht. Er sei dort wegen des Geldes geschlagen und mit dem Tode bedroht worden. Er sei eingesperrt worden. Um sein Leben zu schützen, habe er alles seinem Bruder erzählt. Dann habe sein Bruder von einer Person namens B. einen (weiteren) Kreditbetrag von 500.000 Taka mit 5 % Zinsen aufgenommen. Dieses gesamte Geld hätte der Beschwerdeführer auch nicht bezahlen können. Darauf sei vom Kreditgeber auf seinen Bruder Druck ausgeübt worden. Sein Bruder habe die Polizei informiert. Zurzeit seien sie beide in Lebensgefahr und deswegen könne der Beschwerdeführer in diesem Moment nicht in seine Heimat zurückkehren.

Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens beauftragte der Beschwerdeführer einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung. Von diesem wurde mit Schriftsatz vom 17.10.2018, ein Schreiben der Volkshilfe Arbeitswelt GmbH vom 18.1.2018, eine Bescheinigung des österreichischen Roten Kreuzes vom 18.5.2018, eine Bestätigung der Teilnahme in einem Deutschkurs A1/1 und 2 vom 24.4.2018 und eine Rechnung der Volkshochschule Linz vorgelegt. Es wird darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer bei der Volkshilfe vom 10.5.2017 bis 15.1.2018 im Ausmaß von 8 Stunden pro Woche ehrenamtlich beschäftigt gewesen sei und einen Deutschkurs besucht habe. Der Beschwerdeführer lerne derzeit für das A2-Deutschdiplom und werde er dieses in naher Zukunft absolviert haben. Mit neuerlichen Schriftsatz vom 25.11.2019 übermittelte der Vertreter des Beschwerdeführers die Vereinbarung über eine freiwillige Tätigkeit bei „Caritas & Du“, ohne Angabe, welche Tätigkeit der Beschwerdeführer dort ausgeübt hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter besonderer Berücksichtigung der Angaben des BF vor dem BFA und den Beschwerdeausführungen sowie durch persönliche Befragung des BF im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 30.06.2020 und der von ihm vorgelegten Unterlagen. Zur Feststellung der aktuellen asyl- und abschiebungsrelevanten Lage wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Herkunftsland Bangladesch vom 06.04.2020 dem Verfahren zugrunde gelegt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des BF:

Der 25-jährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer reiste im Oktober 2008 mit dem Flugzeug aus seinem Heimatland nach Dubai aus, wo er sich drei Jahre lang aufgehalten hatte. Von dort reiste er über den Iran in die Türkei. In der Türkei lebte der Beschwerdeführer wiederum ca. drei Jahre lang. Anfang August 2015 reiste der Beschwerdeführer über Griechenland, die Balkanstaaten und Ungarn nach Österreich ein. Die Einreise erfolgte illegal. In den Ländern, in denen sich der BF über längere Zeit aufgehalten hatte, ist er jeweils einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Weder nach der Einreise in Griechenland noch in Ungarn hat der BF einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der BF ist ledig und gesund.

2.2. Zum Vorbringen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund des von ihm erstatteten Vorbringens oder aus einem sonstigen Grund zum Zeitpunkt seiner Ausreise in Bangladesch einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt einer solchen Verfolgung ausgesetzt ist. Für den Fall der Rückkehr konnte keine sonstige konkrete Gefährdung oder Bedrohung festgestellt werden, so dass er nicht in seinen durch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder den Zusatzprotokollen Nr. 6 oder 13 der Konvention garantierten Rechten beeinträchtigt ist. Es ist auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit zu erwarten, die ihn als Zivilperson infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes treffen würde. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG sind nicht ersichtlich.

Eine Rückkehrentscheidung ist wegen überwiegender privater Interessen, denen gegenüber den öffentlichen Interessen der Vorzug zu geben ist, nicht geboten.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er verfügt über keine familiären oder sonstigen sozialen Bindungen. Er ist Mitglied beim Roten Kreuz. Der BF spricht auf niedrigem Niveau Deutsch und hat am 17.12.2019 eine Prüfung auf dem Niveau A1 gemäß dem europäischen Referenzrahmen für Sprachen positiv abgelegt. Die Absolvierung des Moduls I der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz hat der BF bis dato nicht nachgewiesen. Er übt keine erlaubte Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. Regelmäßig betätigt er sich im Straßenverkauf der vom oberösterreichischen Verein ARGE Obdachlose herausgegebenen Sozialzeitschrift „Kupfermuck´n“ und beteiligte er sich vor Geschäften und Supermärkten an der Desinfektion und Reinigung von Einkaufswägen im Rahmen der „Covid-19-Maßnahmen“. Er hat auch freiwillig bei der Versorgung von Obdachlosenheimen, Tagesstätten und Asylheimen mit Brot mitgeholfen. Im Rahmen seiner Tätigkeiten hat er zahlreiche Kontakte zu verschiedenen Personen geknüpft, die ihm durchgehend einen positiven Lebenswandel, Hilfsbereitschaft und freundliches Wesen bescheinigen.

2.3. Länderfeststellung zu Bangladesch aus LIB der Staatendokumentation vom 06.04.2020

Letzte Änderung: 06.04.2020

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.201811.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Au einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei hatte das Wahlergebnis angefochten und ist nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

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_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020

?ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020

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?bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 6.4.2020

?bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from-general-elections, Zugriff 6.4.2020

?BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

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?Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

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?USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

2.Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).

Quellen:

?AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020

?AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_a bschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_ %28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

?AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

?AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

?BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020

?FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

?Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020

?SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh, Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh , Zugriff 6.4.2020

?SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh , Zugriff 6.4.2020

?TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

?UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

?UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

?USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

3.Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 06.04.2020

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

?AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

4.Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 06.04.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.7.2019). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 27.7.2019).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.7.2019). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte wurden angeblich in solchen „Kreuzfeuer“ getötet (HRW 14.1.2020).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.7.2019).

Quellen:

?AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

5.Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 06.04.2020

Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste (USDOS 11.3.2020). Im Fokus der Kritik bezüglich Folter wie auch extralegaler Tötungen stehen dabei insbesondere die Angehörigen der Rapid Action Battalions (RAB) (ÖB 8.2019; vgl. HRW 14.1.2020, ODHIKAR 8.2.2020). Die Behörden gehen entsprechenden Anzeigen nur selten nach (ODHIKAR 8.2.2020). Das Gesetz zur Verhinderung von Folter und Tod in Gewahrsam (Torture and Custodial Death Prevention Act) aus dem Jahr 2013 wird aufgrund mangelnden politischen Willens und Unkenntnis der Strafvollzugsbehörden unzureichend umgesetzt (ODHIKAR 8.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Missbrauch durch Sicherheitsbeamte bleibt weitgehend straflos (USDOS 11.3.2020).

Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verhängen, während Befragungen ohne Beisein eines Anwalts erfolgen können. Laut Menschenrechtsorganisationen fanden viele Fälle von Folter in dieser Phase statt. Sicherheitsbehörden wenden Drohungen, Schläge und verschiedenste Foltermethoden, manchmal Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe an, um Informationen von mutmaßlichen Aufständischen und Oppositionellen zu erlangen (USDOS 13.3.2019). Zahlreiche Fälle von Folter und unmenschlicher Behandlung erscheinen politisch motiviert (ÖB 8.2019). Doch auch vulnerable Gruppen und normale Bürger sind von Folter betroffen (OMCT 14.8.2019).

Gemäß der bangladeschischen NGO Odhikar starben 2017 bis 2019 insgesamt 25 Personen an den Folgen von Folter bzw. wurden insgesamt 1.012 Fälle außergerichtlicher Tötungen aufgezeichnet. Ebenso wurde von einigen Fällen von erzwungenem Verschwindenlassen berichtet (ODHIKAR 8.2.2020; vgl. ODHIKAR 8.8.2019, ODHIKAR 12.1.2018). Gemäß Amnesty International wurden 2019 mindestens 49 Rohingya-Flüchtlinge außergerichtlich hingerichtet (AI 30.1.2020). Für das Jahr 2018 wird von sechs Todesopfern in Folge von Folter berichtet (ODHIKAR 8.8.2019). 79 Menschen wurden vor ihrer Verhaftung, 97 Menschen nach erfolgter Verhaftung und weitere Personen nach Einsatz von Folter oder durch anderen Mitteln durch Sicherheitsbehörden getötet. In einigen Fällen waren die Opfer monatelang verschleppt, bevor sie bei angeblichen „Schießereien“ getötet wurden. Mindestens 13 Personen wurden gewaltsam verschleppt. Vier von ihnen wurden freigelassen, einer wurde verhaftet, und die übrigen acht Personen werden immer noch vermisst (AI 30.1.2020).

Trotz internationaler Verpflichtungen hat Bangladesch bisher keine Schritte zur Etablierung eines effektiven Opfer- und Zeugenschutzes getätigt und auch keine Prozeduren eingeleitet, die es Opfern ermöglicht, ihr Beschwerderecht ohne Angst vor Vergeltung wahrzunehmen. Folteropfer und deren Familien werden nach Anzeigen gegen Sicherheitsbeamte häufig bedroht und in vielen Fällen wird ihnen Geld angeboten, damit sie die Beschwerde zurückziehen. In den wenigen Fällen, die vor Gericht gelangen, sind die Opfer mit einem dysfunktionalen und parteiischem Justizsystem konfrontiert (OMCT 26.6.2018). In Einzelfällen kam es aber zu Verurteilungen (AA 27.7.2019).

Quellen:

?AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?ODHIKAR (Autor), veröffentlicht von FIDH – International Federation for Human Rights (8.2.2020): Annual Human Rights Report 2019; Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2019_eng.pdf, Zugriff 3.4.2020

ODHIKAR (8.8.2019): Annual Human Rights Report on Bangladesh 2018, http://odhikar.org/wp-content/uploads/2019/08/Annual-HR-Report-2018_Engl.pdf, Zugriff 17.9.2019

?ODHIKAR (12.1.2018): Bangladesh Annual Human Rights Report 2017, http://odhikar.org/wp-content/uploads/2018/01/Annual-HR-Report-2017_English.pdf, Zugriff 1.3.2019

?OMCT – World Organisation Against Torture (14.8.2019): Bangladesh: Human rights groups urge government to implement recommendations on torture and other abuses after damning UN review, https://www.omct.org/press-releases/urgent-interventions/bangladesh/2019/08/d25471/, Zugriff 2.4.2020

?OMCT – World Organisation Against Torture (26.6.2018): Bangladesh: Torture prevails due to deeply rooted culture of impunity, https://www.omct.org/statements/bangladesh/2018/06/d24943/, Zugriff 2.4.2020

?USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

6.Korruption

Letzte Änderung: 06.04.2020

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.7.2019; vgl. LIFOS 25.2.2019, ODHIKAR 8.2.2020). Auf dem Korruptionsindex von Transparency Internationa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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