TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/27 W122 2151444-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2020
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Entscheidungsdatum

27.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W122 2151444-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den RA Dr. Mario Anton ZÜGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2019, XXXX , Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.09.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 21.02.2017 nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am 22.02.2017 gab der BF als Grund für seine Ausreise an, dass er wegen der Bildung nach Österreich gekommen sei. Er sei hier zum Christentum übergetreten und dies habe ein Bekannter erfahren, weshalb sein Leben in Gefahr sei. Er habe daher im Falle einer Rückkehr Angst um sein Leben.

3. Am 01.03.2017 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA). In dieser berief sich der BF im Wesentlichen darauf, dass er das Christentum im Herzen trage, er jedoch noch nicht offiziell konvertiert sei.

4. Mit Bescheid des BFA vom 07.03.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Begründend wurde festgehalten, dass der BF bezüglich seines Nachfluchtgrundes unglaubwürdig gewesen sei und er den Eindruck erweckt habe, dass er durch diese Antragstellung nur mehr Zeit für sein Studium habe erlangen wollen.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz seines gleichzeitig bevollmächtigten Vertreters vom 24.03.2017 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Hierbei führte der BF insbesondere aus, dass er bereits regelmäßig den Taufunterricht einer persischen Christengemeine in Wien besuche.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (nunmehr kurz: BVwG) 06.09.2017, Zl. L525 2151444-1/18E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs, 1, § 8 Abs, 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF, als unbegründet abgewiesen. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig gewesen. Begründend wurde festgehalten, dass der BF kein Schlüsselerlebnis zu seiner Konversion habe vorbringen können und die Kontaktaufnahme zur persischen Christengemeine nur stattgefunden habe, um seine Position im Asylverfahren zu verbessern. Es sei daher gegenständlich von einer Scheinkonversion auszugehen.

7. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes (nunmehr kurz: VwGH) vom 21.06.2018, Ra 2017/01/0381-7, wurde die außerordentlich erhobene Revision zurückgewesen.

8. Am 28.11.2018 stellte der BF den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der am selben Tag stattgefundenen Erstbefragung gab der BF an, der Volksgruppe der Perser anzugehören und christlichen Glaubens zu sein. Seine Muttersprache sei Farsi sowie spreche er noch Englisch und Deutsch. Sein Erstverfahren sei bereits rechtskräftig negativ entschieden worden. Er würde die damaligen Asylgründe aufrecht halten, jedoch sei es ihm erst jetzt möglich gewesen, dass er Beweise hierfür vorlegen könne, weil ihm diese erst vor kurzem geschickt worden seien. Als Beweis hierfür legte der BF eine Gerichtsladung, Bilder aus der Wohnung im Iran, auf welchem Jesus im Hintergrund zu sehen sei und von denen eines am 18.06.2016 auf Instagram veröffentlicht worden sei. Ebenfalls legte er noch eine Mandatsvereinbarung mit seinem Anwalt vor.

9. Am 31.01.2019 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem BFA. Eingangs erklärte er, dass er in Österreich oder der EU keine aufhältigen Verwandten habe. Er bestreite seinen Lebensunterhalt aus seinen Ersparnissen und finanziellen Zuwendungen seines Vaters aus dem Iran. Er sei gesund und mit seiner Familie, bestehend aus seinen Eltern und seiner Schwester, in regelmäßigem Kontakt. Als weitere Beweismittel legte der BF eine Kopie seines Taufscheines, eine Bestätigung eines Vereins der Asylintegration der Gemeinde Christi, einen iranischen Befund seiner Mutter, einen Versicherungsauszug und einen Arbeitsnachweis vor. Gegenständlichen Asylantrag stellte der BF, weil er nun Beweismittel hierfür vorlegen könne.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF im Wesentlichen aus, dass er nach der Beendigung seines Militärdienstes im Jahre 2012 in einer Firma zu arbeiten begonnen habe. Seine damalige Freundin sei bereits in Indien zum Christentum konvertiert. Er habe auch erfahren, dass seine Mutter Krebs habe. Mit seiner Freundin habe er über Religion diskutiert und sich bereit erklärt, im Falle der Gesundung seiner Mutter, den Glauben zu wechseln. So sei er konvertiert und seine Mutter sei einen Monat später geheilt gewesen. Seine Freundin habe gewollt, dass er den Gottesdienst besuche. Dies habe er gemacht. Eines Tages habe er erfahren, dass eine christliche Gruppierung festgenommen worden sei. Seine Freundin habe gemeint, dass sie ebenfalls gefährdet seien und nach Indien fliehen sollten. Da seine Eltern gegen diese Beziehung gewesen wären, sei seine Freundin mit einer anderen Freundin zusammen nach Indien gegangen. Er habe seinem Chef von der Gefährdung erzählt und dieser habe gemeint, er solle sich nach Australien absetzen. Da er im Iran sehr gefährdet gewesen sei und es ihm schneller möglich gewesen sei nach Wien zu gehen, habe er sich dann für diese Möglichkeit entschieden.

Seine Mutter sei 2011 und 2014 an Brustkrebs erkrankt. 2014 sei dieser bösartig gewesen, jedoch sei sie hierbei nur gründlich untersucht worden und habe keine Chemotherapie, wie beim ersten Mal, machen müssen. Er sei im Juli 2014 konvertiert und im Sommer 2015 sei es dann zur Verhaftung der christlichen Gruppierung gekommen. Deren Mitglieder hätten missioniert und Gottesdienste abgehalten. Warum seine Eltern gegen die Beziehung zu seiner Freundin gewesen seien, wisse er nicht. Seine Mutter sei bereit zu konvertieren, sein Vater und seine Schwester hingegen nicht. Im Iran hätte es keine richtige Kirche gegeben und man habe sich in einer Wohnung getroffen. Im Iran sei er am 22.08.2014 getauft worden, in Österreich am 21.03.2018 (nach Rückübersetzung auf 21.05.2018 ausgebessert). Ihn interessiere die evangelische Kirche, weil es dort keinen Papst oder ein sonstiges Oberhaupt gebe. Er glaube an Jesus Christus und das Heilige Buch, denn in der Bibel stehe die Wahrheit. Er sei wegen der Krankheit seiner Mutter konvertiert und habe den islamischen Glauben seit dem 12. oder 13. Lebenjahr nicht mehr praktiziert. Seine Eltern seien unzufrieden gewesen, dass es sich vom Islam abgewandt habe. Die Taufe bedeute für ihn, dass er von den Sünden befreit und neu geboren werde. In seinem Leben werde er in der Begleitung von Jesus Christus sein.

Seine Taufe in Österreich habe nach einem Taufkurs und einem Taufgespräch stattgefunden. Hierbei seien ein Pfarrer und sein Lehrer anwesend gewesen. Er selbst sei weiß bekleidet gewesen und in dieser Kleidung zur Donau gegangen, wo er im Wasser getauft worden sei. Über Jesus Christus wisse er, dass er im Sommer in einem Stall geboren worden sei und er mit rund 30 Jahren zu missionieren begonnen habe. Er habe sich dahingehend geäußert, dass er von Gott gesandt worden sei und sei mit 33 Jahren gekreuzigt worden. Seine Eltern hätten Maria und Joseph geheißen und er könne das „Vater Unser“ auf Farsi wiedergeben. Er würde jeden Sonntag und dreimal wöchentlich am Abend beten. Er sei zuletzt am vergangenen Sonntag in der Kirche gewesen. Mit seinen vorgelegten Beweismitteln wolle er darlegen, dass er konvertiert und getauft sei sowie den Iran nicht aus finanziellen Gründen verlassen habe. Er beweise auch, dass es gegen ihn wegen seiner Konversion ein offenes Gerichtsverfahren im Iran gebe und er diesbezüglich im Iran auch schon einen Anwalt gehabt habe, dieser aber abgelehnt worden sei und man ihm einen staatlichen Anwalt zur Seite gestellt habe. Die Bilder aus dem Iran sollten beweisen, dass er sich schon im Iran für das Christentum interessiert habe. Er habe diese Beweismittel erst seit drei Monaten bzw. habe er nicht gewusst, dass er diese noch auf seinem Laptop gehabt habe oder er so etwas auf Instagram gepostet habe. Er spreche gut Deutsch und wolle Österreich auch nicht zur Last fallen, jedoch sei sein Leben in Gefahr.

10. Am 06.03.2019 wurde der BF erneut vom BFA einvernommen. Zu seinen persönlichen Daten führte der BF ergänzend an, dass er Administrator in einer Buchhaltungsabteilung gewesen sei und in Österreich weder Verwandte noch hier ein Familienleben oder eine Lebensgemeinschaft habe. Er habe hier aber Freunde und sei in einem Tennisclub gewesen. Er habe sich auch beim Roten Kreuz gemeldet und sei ehrenamtlich bei der Caritas als Deutschlehrer tätig. Er lebe hier von seinen Ersparnissen aus dem Iran und der Unterstützung seines Vaters. Mit seiner Schwester sei er unregelmäßig über Instagram in Kontakt. Im September 2016 sei er zuletzt in Österreich mit einem Studentenvisum eingereist. Der Zweck der Einreise sei die Asylantragstellung gewesen. Er habe hier ein Informatikstudium aufgenommen, welches er ab der Ablehnung der Revision, mangels eigener Kraft, nicht mehr weiterführen habe können. Er habe das Informatikstudium aber lediglich ausgewählt, um ein Studentenvisum zu erhalten. Dies habe ihm der Direktor seiner damaligen Firma so empfohlen.

Zu seiner Gerichtsladung befragt, führte der BF aus, dass er für den 14.08.2018 geladen gewesen sei. Diese Ladung habe er ein paar Tage vor der Stellung des Folgeantrages erhalten. Warum der BF erst so spät geladen worden sei, zumal er sich bereits seit 2016 durchgehend in Österreich aufhalte, könne er nicht sagen. Seine Mutter sei vom Krebs geheilt, sei aber nervlich sehr belastet. Zu seiner damaligen Freundin habe er keinen Kontakt mehr. Zwei Mitglieder von der Glaubensgemeinschaft seien damals festgenommen worden, jedoch habe er den Kontakt zu den Glaubensbrüdern mit dem Ende der Beziehung zu seiner Freundin auch abgebrochen. Außerdem seien die meisten nach Indien gegangen. Die Heilung seiner Mutter sei für ihn der auslösende Moment für seine Konversion gewesen. Seine Familie habe erst später davon erfahren, als die Wohnung gestürmt worden sei und diese sei sehr traurig gewesen. Am Christentum schätze er, im Vergleich zum Islam, die Menschenrechte und die Nächstenliebe. Er sei mit dem protestantischen Zweig zuerst in Berührung gekommen und bei diesem geblieben.

Die Taufe bedeute für ihn, dass er von den Sünden befreit und neu geboren werde. Durch seine Taufe in Österreich sei er zu Ruhe, Freude und Geduld in seinem Leben gekommen. Er wolle heiraten und das Wort Gottes für die nächsten Generationen verbreiten und keine geschlechtliche Beziehung vor der Ehe haben. Sein Taufname sei Manuel, weil dies neues Leben oder Gottes Vergebung heiße. Die Kirche habe er im November 2018 gewechselt, weil ihn eine Frau angesprochen und missioniert habe. Sie sei ihm sympathisch gewesen.

Am Karfreitag seien die Menschen wieder mit Gott in Berührung gekommen. Die Kreuzigung von Jesus Christus mache ihn traurig, aber auch glücklich, dass er dadurch die Herrlichkeit Gottes habe erfahren dürfen. Am Christentum habe er nichts auszusetzen. Nach der Heilung seiner Mutter habe er sich als Christ gefühlt. Seine Mutter sei damals nicht medikamentös behandelt worden und sei auf einmal geheilt gewesen. Zu Ostern und in der Adventszeit helfe er gerne bei den Feierlichkeiten in der Kirche mit. Christliche Praktiken, die er in Österreich auslebe, seien, dass er auch Leute, die zu ihm schlecht seien, nicht verurteile sowie die Unterstützung der Schwachen. Er helfe auch sonst immer in der Kirchengemeinde mit. Er sei trotz aller Gefährdungen auch im Iran offen zu seiner Konversion gestanden. Aufgrund des aufgehängten Bildes von Jesus Christus habe er im Iran den Besuchern des Hauses immer Rede und Antwort stehen müssen.

11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2019 wurde der gegenständliche Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Islamische Republik Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in die Islamische Republik Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Das BFA begründete seine Entscheidung zusammengefasst, dass aus der vorgelegten Ladung des Gerichts nicht ersichtlich sei aus welchem Grund diese ergangen sei. Abgesehen von der Zweifelhaftigkeit der Authenzität, habe der BF auch nicht angeben können, wann ihm diese konkret zugestellt worden sei. Auf dem in sozialen Netzwerken geposteten Bild sei Jesus Christus nicht zu erkennen gewesen. Ebenso sei zweifelhaft, ob dieses Bild ständig dort gehangen sei und diese Fotografien in der Wohnung des BF aufgenommen worden seien. Vage und widersprüchlich seien auch die Angaben zur Erkrankung und Heilung seiner Mutter sowie die Angaben über die christliche Gruppe im Iran gewesen. Auch über die Unterschiede zum Christentum zu anderen Religionen sei der BF mit den Ausführungen Nächstenlieben und Menschenrechte sehr oberflächlich geblieben. Ein Beweis für seine Taufe im Iran habe der BF nicht erbringen können. Auf die Frage, was sich durch die Taufe in seinem Leben ändere, habe der BF Zukunftspläne von sich gegeben. Über den Unterschied vom Protestantismus und Katholizismus habe der BF nur allgemeingültig Angaben geben können, ebenso wie zum Karfreitag und den Osterfeiertagen. Persönliche Pläne für das Osterfest oder die Adventszeit habe der BF nicht darlegen können. Er habe keinen ernsthaften Willensschluss zur Konversion darlegen können. Eine erwartbare und tiefgründige Beschäftigung mit der neuen Religion habe nicht festgestellt werden können. Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei. In den weiteren Spruchpunkten hielt das BFA fest, dass dem BF keine Aufenthaltsberechtigung gem. § 57AsylG zu erteilen gewesen sei, die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den BF keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und die Abschiebung des BF zulässig sei. Letztlich wurde begründet, aus welchem Grund die vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde.

12. Mit Verfahrensanordnung vom 12.03.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 12.03.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

13. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz seines gleichzeitig bevollmächtigten Vertreters, RA Dr. Mario ZÜGER, vom 09.04.2019 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Die belangte Behörde habe sich nur unzureichend mit der Ladung des iranischen Gerichts auseinandergesetzt. Es sei außerdem die Aufgabe der Behörde gewesen, deren Authentizität zu überprüfen. Der BF habe glaubhaft dargelegt, dass er konvertiert sei und habe somit einen asylrechtlich relevanten Nachfluchtgrund gesetzt. Er sei regelmäßig in einer Kirchengemeinde aktiv, sei getauft worden, lese aus der Bibel und habe ein fundiertes Wissen über das Christentum. Er würde über sein Facebook-Profil auch mit persischen Asylwerbern Glaubensgespräche führen. Ferner wurden auch Zeugen aus den christlichen Gemeinden benannt, die darlegen könnten, dass sich der BF ernsthaft dem Christentum zugewandt habe.

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) dem BF den Status eines Asylberechtigten zuerkennen und feststellen, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukomme;

-) in eventu feststellen, dass eine Rückkehrentscheidung unzulässig sei und dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilen.

14. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2019 vom BFA vorgelegt.

15. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 16.09.2019 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF und seine rechtfreundliche Vertretung persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm nicht teil.

Der BF führte aus, dass er gesund sei. Er sei ledig und habe keine Kinder, sei iranischer Staatsangehöriger, Christ und gehöre der Volksgruppe der Perser an. In seinem Heimatland habe er wegen seiner Religion Probleme. Seine Muttersprache sei Farsi und er spreche neben zahlreichen weiteren Sprachen auch noch Deutsch. Er habe im Iran in Teheran gelebt, wo sich seine Familie, ebenso wie weitschichtige Verwandte, noch aufhalten würde. Die wirtschaftliche Situation dieser sei mittelmäßig. Mit seiner Mutter sei er in regelmäßigem Kontakt. Er habe die Schule und eine Universität besucht und vier Jahre als Buchhalter gearbeitet. In Österreich habe er keine Verwandten. Er spreche Deutsch auf dem Niveau B2. Im Bundesgebiet habe er zahlreiche Freunde und sei unter anderem auch Tennis spielen gewesen. Nach Vorlage eines Konvoluts an Unterlagen gab der BF an, mit einem Studentenvisum legal ausgereist zu sein. Er habe dieses über seinen Chef organisiert bekommen, weil er Angst um sein Leben gehabt habe. Er sei 2016 nach Österreich eingereist und lebe seither von den seitens der Familie erhaltenen Ersparnissen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF im Wesentlichen aus, dass er im Iran mit seiner Freundin eine Hauskirche besucht habe. Er habe 2015 von Freunden erfahren, dass ein paar Leute festgenommen worden seien. Ca. zwei Monate vor seiner Ausreise habe er bemerkt, dass er von einem Motorrad verfolgt werde, auf dem zwei Männer gesessen seien. Ihm seien private Fragen gestellt worden und da dachte er, dass es sich dabei um die Zivilpolizei gehandelt habe. Er habe sich die letzten Monate bei seinem Freund aufgehalten, ehe ihm sein Chef, der einen Bekannten bei der Polizei gehabt habe, mitgeteilt habe, dass er im Falle einer Ausreise beim Zoll keine Probleme haben werde. Er habe danach seinen Eltern mitgeteilt, dass er ein Studentenvisum bekommen habe und ausreisen werde. Seine Eltern seien davon nicht begeistert gewesen, jedoch habe ihm sein Vater € 1.000,- für die Reise nach Österreich gegeben.

In den letzten 12 Monaten habe sich an seinen Fluchtgründen dahingehend etwas verändert, dass sich der BF mit seinem Mitbewohner, einem schiitischen Moslem, über Religion unterhalten habe und dies in einem Streit geendet habe. Dieses Gespräch habe glaublich 2017 stattgefunden. Mittlerweile würde er nicht mehr mit diesem Mitbewohner zusammenwohnen, jedoch habe er über Messengerprogramme mit ihm weiterdiskutiert. Er habe versucht, dieses Gespräch zu finden, was ihm nicht gelungen sei. Er legte aber einen Auszug aus einer Telegram-Konversation mit einer anderen Person vor. Auf Vorhalt gab der BF an, dass er in Folge versucht habe, diese Person vom Christentum zu überzeugen. Er missioniere dahingehend, dass Mohammed nicht der letzte Prophet gewesen sei. Im Streit mit seinem Mitbewohner sei es auch darum gegangen, dass Mohammed als Menschensohn dieser Prophet gewesen sei, auch weil Christus Gottes Sohn gewesen sei. Er sei aber nicht von dieser Interpretation der Moslems überzeugt, sondern vertraue auf das in der Bibel Geschriebene. Seine Konversion habe sich dahingehend verfestigt, dass ihm Christus in der schwierigen privaten Situation helfe, diese zu überstehen. Im Gegensatz zum Islam wolle er weder Ungläubige töten noch fremdgegangene Frauen töten lassen. Danach wurde er gefragt, ob er die zehn Gebote kenne. Er führte zehn Gebote an, wobei er meinte, dass sechs für die Menschen seien. Du sollst nicht stehlen, führte der BF nicht an.

Im Falle einer Rückkehr werde er als Heide angesehen und gesteinigt oder umgebracht. Neben den genannten Problemen sei er im Iran 2 Tage im Gefängnis gewesen, weil er Alkohol getrunken habe. Seither dürfe er auch nicht mehr im staatlichen Bereich tätig sein. Anschließend führte der BF aus, dass der Vater des Mitbewohners im Iran bei der Polizei arbeite. Am Islam habe ihn gestört, dass man alleine entscheiden könne, was man von Gott und der Religion wolle. Wenn die ganz Welt eine christliche wäre, dann würde es Frieden geben. Konfrontiert mit der Geschichte Europas im 16. und 17. Jahrhundert, meinte der BF, dass die Bibel damals falsch interpretiert worden sei. Insbesondere stehe in der Bibel, dass man andere nicht verurteilen dürfe, weshalb es keine Kriege geben könne. Er gehe regelmäßig in Bibelstunden und am Sonntag beten. Wenn Gäste bei den Bibelstunden dabei seien, hätten diese vom BF eine sehr gute Meinung. Er sei in einer evangelischen Kirche. Er habe die Kirche gewechselt, weil er angesprochen worden sei. Diese neue Kirche habe nämlich einen Dolmetscher gebraucht. Die Personen in der neuen Kirche, ca. 50 Leute, seien auch freundlicher, als die in der Alten. Auf die Frage, was er beim letzten Abendmahl fühle, beschrieb der BF das Prozedere desselben. Nachgefragt auf persönliche Empfindungen, verlangte der BF einen Dolmetscher. Es wurde festgehalten, dass dies einerseits aufgrund seiner sehr guten Deutschkenntnisse nicht nachvollziehbar sei, andererseits dies gegen eine innere Verfestigung der Konversion spreche. Auf Fragen, warum er die Religion getauscht habe und wann er das letzte Mal gebetet habe, gab der BF keine konkreten Antworten. Aufgefordert das „Vater Unser“ zu beten, rezitierte er dies auf Farsi, allerdings nicht in der richtigen Reihenfolge. Auf die Frage, wo sich das „Vater Unser“ befinde, blätterte der BF in seiner mitgebrachten Bibel. Mohammed habe für ihn Kriege gebracht, Jesus hingegen sei Gott in einem menschlichen Körper gewesen und habe den Frieden gebracht. Der BF sei Moslem gewesen, weil er über die Ritualwaschung und das Ritualgebet Bescheid wisse.

Danach folgt der Schluss der mündlichen Verhandlung. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.

16. Mit Schreiben vom 13.01.2020 wurde ein weiteres Empfehlungsschreiben eines Vereins für Migration und Asylintegration der Gemeinde Christi vorgelegt.

17. Der BF legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Iranische Gerichtsladung

?        Fotos aus einer Wohnung im Iran. Auf einem Bild ist Jesus Christus im Hintergrund zu sehen

?        Kopie seines Taufscheines

?        Bestätigungen eines Vereins der Asylintegration der Gemeinde Christi

?        iranischer Befund seiner Mutter

?        iranischer Versicherungsauszug und iranischer Arbeitsnachweis

?        iranische Mandatsvereinbarung mit seinem Anwalt

?        zahlreiche Empfehlungsschreiben von der Kirche nahestehenden Privatpersonen und der Kirchengemeinde selbst

?        Bestätigung der Caritas

?        Prüfungsbestätigung und Kontoauszug betreffend Einkünfte

?        Taufbescheinigung

?        Religionsaustrittbescheinigung

?        Auszug einer Telegram-Konversation

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1.    Zuständigkeit des entscheidenden Einzelrichters

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt dem erkennenden Einzelrichter zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.

2.       Feststellungen (Sachverhalt):

2.1.    Zur Person des BF wird festgestellt:

2.1.1. Die Identität des BF, der Staatsangehöriger des Iran ist, steht fest. Der BF ist ledig, hat keine Kinder und ist gesund. Er verfügt mit seinen Eltern und seiner Schwester über soziale Anknüpfungspunkte im Iran. Er steht mit seinen Angehörigen in Kontakt. Ebenso leben weitere weitschichtige Verwandte, wie Onkel und Tanten, in seinem Herkunftsstaat.

Der BF hat zwölf Jahre die Schule besucht und ist fünf Jahre auf der Universität gewesen. Er hat den Militärdienst absolviert und seinen Unterhalt durch seine Tätigkeit als Finanzadministrator in einer Buchhaltung bestritten. Er lebte vor seiner Ausreise zusammen mit seiner Familie in einer Wohnung in Teheran.

2.1.2. Der BF reiste mit einem Studentenvisum legal aus dem Iran aus, legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.02.2017 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach dem das erste Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde, stellte der BF am 28.11.2018 gegenständlichen Folgeantrag.

Es kann festgestellt werden, dass der BF im Iran keinen Kontakt zum Christentum gehabt hat, er dort nicht in eine Hauskirche gegangen und zum christlichen Glauben konvertiert ist. Der BF wird infolgedessen auch nicht von den iranischen Behörden verfolgt.

Der BF wurde in Österreich getauft und ist aus der islamischen Religionsgemeinschaft ausgetreten. Er ist in einer kirchlichen Gemeinde aktiv. Es kann festgestellt werden, dass sich der BF mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt hat. Jedoch hat sich der BF nicht nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt und ist dieser Glaube für den BF nicht identitätsstiftend. Bei der behaupteten Konversion des BF handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Es wird festgestellt, dass der BF im Falle der Rückkehr in den Iran weder in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde noch als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre. Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des BF in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

2.1.3. In Österreich hat der BF keine Familienangehörigen oder sonstige Bezugspersonen.

Der BF bezog nur kurz nach seiner Ankunft in Österreich Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Der BF verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Der BF spricht sehr gut Deutsch. Er hat auch an integrativen Maßnahmen teilgenommen.

Der BF ist in einer christlichen Gemeinde aktiv, Mitglied beim Roten Kreuz und geht zeitweise Tennis spielen. Er hat im Bundesgebiet im Zuge seines Aufenthaltes einige Freundschaften geschlossen. Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Insgesamt ist, insbesondere unter Betrachtung der Aufenthaltsdauer des BF, davon auszugehen, dass die privaten Interessen des BF, die öffentlichen Interessen nicht überwiegen.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten.

2.2.Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA

.

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem “Implementation Day” am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH. Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende

war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr

zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in „politischen“ Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani.

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkonten. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Verbotene Organisation

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität. die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen. deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten. können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei. die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK). die aus Belutschistan stammende Jundallah. und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK). die eng mit ihrer Schwesterorganisation. der PKK. zusammenarbeitet (AA 12.1.2019). Die politischen Gruppierungen KDPI. Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 12.2018) und hat einen bewaffneten Flügel.
Auch die Volksmudschahedin (MEK. MKO. PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erklärt eine Quelle. dass sie noch nie davon gehört hätte. dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau. wie z.B. dem Verteilen von Flyern. angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quellen schon möglich. dass man inhaftiert wird. wenn man mit politischem Material. oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an. welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Volksmudschaheddin (Mujahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People’s Mojahedin Orga¬nisation of Iran - PMOI; National Council of Resistance of Iran - NCRI)

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO,„iranische Volksmudschahedin") gilt in Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von17.000 IranerInnen verantwortlich gemacht wird (ÖB Teheran 9.2017, vgl. Global Security o.D.). Eshandelt sich um eine linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, umsich gegen den Schah zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegendie klerikalen Führer. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten dieVolksmudschaheddin ihr Camp in den Irak (Global Security o.D., vgl. ACCORD 7.2015, Guardian. Saddam Hussein stellte ihnen eine große Militärbasis namens Camp Ashraf unweit deriranischen Grenze zur Verfügung (Guardian 9.11.2018). Zwischen 2009 und 2013 wurde CampAshraf von irakischen Sicherheitskräften zumindest zweimal überfallen und etwa 100 Menschengetötet. Daraufhin nahmen die USA die MEK von der Terrorliste, um weitere Todesopfer zuvermeiden. Nachdem die MEK offiziell nicht mehr als Terrororganisation galt, konnten die USAAlbanien davon überzeugen, die übrigen 2.700 Mitglieder aufzunehmen. Diese wurden zwischen2014 und 2016 nach Tirana geflogen. Mittlerweile sind viele von Ihnen in die EU und USAweitergereist (Guardian 9.11.2018). Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat[National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD9.2013).

Experten sind sich einig, dass die Volksmudschaheddin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016, vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018, vgl. Arab News 22.1.2018).

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin in Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad erfolgte während der US-Invasion im Irak durch die Amerikaner. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in Teheran betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK-Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen (ÖB Teheran 9.2017). Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (ACCORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung ist und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB Teheran 12.2018).

Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten 2012 wurde von iranischer Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten in Iran als mohareb (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 9.2017).

Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Iran führt eine Liste mit ca. 100 MEK- Unterstützern (hauptsächlich Anführern), die nicht nach Iran zurückkehren können, da sich das Interesse der Behörden auf sie richten würde (ACCORD 7.2015). In Bezug auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung für die MEK gibt es widersprüchliche Informationen.

Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch missbrauchen würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten, angewendet. Solche Vorwürfe werden von der MEK kategorisch zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).

PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistane (Partei für Freiheit und Leben in Kurdi¬stan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentischeMenschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbaueiner kurdischen Nationalidentität, und man wollte die Assimilierung der Kurden durch dieZentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierungvon den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKKihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt diePJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlichiranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAKauch niemals diesbezüglich beschuldigt. Die PJAK ist die einzige kurdische Partei, die noch immeraktiv für ihre Ziele - z.B. Selbstbestimmung - in Iran kämpft. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen bei ca. 3.000 Kämpfern. Es gibt auch Einheiten mitKämpferinnen (BMI 2015, ACCORD 7.2015). Die Hälfte der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauensein (TRAC o.D.)Die PJAK liefert sich seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden. In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten. Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 12.2018). Die PJAK ist im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei der PJAK gibt es zwei Arten von Mitgliedschaft: Zum einen professionelle Mitglieder, die unter anderem auch militärisches Training erhalten und Waffen tragen. Diese sind unverheiratet und haben ihr Leben der PJAK gewidmet. Sie werden von der PJAK z.B. in kurdische Dörfer oder Städte entsandt, wo sie versuchen, die Leute zu organisieren und verschiedene Komitees und legale Organisationen zu gründen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Professionelle Mitglieder nehmen an militärischen und politischen Aktivitäten der PJAK teil. Die zweite Gruppe bilden die semi-professionellen oder lokalen Mitglieder, die ein normales Leben mit ihren Familien führen. Sie nehmen nicht an militärischen Aktivitäten teil, führen aber politische Aktivitäten aus, wie z.B. Flyer verteilen. Um ein semi-professionelles Mitglied zu werden, muss man das Ausbildungsprogramm der Partei durchlaufen. Neben diesen beiden Gruppen gibt es auch noch die Sympathisanten, die selten auch Flyer verteilen oder an Demonstrationen teilnehmen. Diese sind nicht direkt an der Organisation von Demonstrationen beteiligt und haben auch keine Verbindung zur Organisation der Partei. Die Sympathisanten arbeiten unter der Führung der semi-professionellen Mitglieder. Da die PJAK in Iran eine verbotene Organisation ist, müssen sowohl Mitglieder als auch Sympathisanten mit ernstzunehmenden Strafen rechnen, wenn ihre Aktivitäten enthüllt werden (DIS/DRC 30.9.2013).

Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Organiza¬tion of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)

Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Partyof Iranian Kurdistan (KDPI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran (AA 12.1.2019).Letztere wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, dievom Irak aus das Regime bekämpft (AA 9.12.2015, vgl. BMI 2015).

Die kurdischen Oppositionspartien, insbesondere die KDPI, sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015). Die KDPI wurde 1945 gegründet und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt. Die KDPI fordert kurdische Autonomie (TRAC o.D.) innerhalb eines demokratischen Iran (MERIP o.D.). Das Hauptquartier der KDPI, die sich in ihrer Geschichte mehrmals gespalten hat, befindet sich im Irak (MERIP o.D., vgl. ACCORD 7.2015).

Komalah (SKHKI) hat ihre Zentrale in der Autonomen Kurdischen Region Irak. Es gibt Parteimitglieder und -sympathisanten. Organisiert ist sie in einzelnen Zellen, die von Mitgliedern geführt werden. Die Mitglieder einer Zelle teilen sich die Arbeit auf, aber nur eine Person nimmt Kontakt zur Zentrale auf. Sympathisanten hören das Parteiradio, schauen Komala TV und beteiligen sich an Aktivitäten, die von Komala empfohlen werden. Die Zellen fungieren als eine Art Schirmorganisation, die eine große Anzahl an Sympathisanten abdecken. Geheime Aktivitäten der Partei in Iran werden von der Einheit „Takesh" durchgeführt. Komala erlaubt ihren Mitgliedern in Iran nicht, sich in größeren Gruppen als zwei oder drei Personen zu treffen (DIS/DRC 30.9.2013). Komala ist in Iran verboten (BMI 2015) und erscheint momentan weniger aktiv. Zuletzt wurden im September 2018 drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet, zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDPI in Nord-Irak statt (ÖB Teheran 12.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegendVerwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alleEntscheidungen der verschiedenenStaatsgewalten beiBedarf informell durchdenRevolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“;IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungs-maßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahe stehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist,ist es in der Praxis eingeschränkt,insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte,verletzen immer wieder die Regeln fürfaireGerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";Anschläge auf politische Personen oder Einrich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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