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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung im Selbstverwaltungsrecht durch einen einen Bescheid der Gemeindevertretung wegen Anwendung einer von der Vorstellungsbehörde als gesetzwidrig erachteten Gemeindeverordnung aufhebenden Vorstellungsbescheid; Wegfall der Bindungswirkung durch die Aufhebung dieser Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den der Salzburger Landesregierung eindeutig zurechenbaren, irrtümlich "Für den Landeshauptmann" gefertigten Bescheid; Vorliegen eines offenkundigen SchreibfehlersSpruch
Die beschwerdeführende Gemeinde ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird daher abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Gemeinde durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Die Gemeinde ist schuldig, den mitbeteiligten Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 18.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Am 4. April 1991 faßte die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain einstimmig den Beschluß, die sogenannte "Röckgasse" nach Maßgabe des vorliegenden Lageplanes zur öffentlichen Interessentenstraße zu erklären. Dieser Beschluß wurde am 21. Mai 1991 kundgemacht; in der Kundmachung heißt es abschließend, daß diese "Verordnung ... mit Ablauf der Kundmachungsfrist, das ist am 5. Juni 1991, rechtswirksam" wird.
2.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Wagrain vom 10. Oktober 1992 wurde ausgesprochen, daß gemäß §37 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 (im folgenden: Sbg. LStrG 1972) die "Interessentenweggenossenschaft Röckgasse" gebildet wird. Im Spruch des Bescheides wurden die Mitglieder der Genossenschaft und deren Anteile angeführt und die Satzung der Genossenschaft gemäß §38 Sbg. LStrG 1972 straßenrechtsbehördlich genehmigt. Die gegen diesen Bescheid von einem der Genossenschafter eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain vom 15. Jänner 1993 als unbegründet abgewiesen.
2.2. Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde von der Salzburger Landesregierung als Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 15. September 1993 stattgegeben, der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Wagrain zurückverwiesen.
3.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich vorliegende, auf Art119a Abs9 iVm Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Gemeinde Wagrain, in welcher die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3.2. Die Salzburger Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der ausgeführt wird, daß bei Erlassung des bekämpften Bescheides davon ausgegangen worden sei, daß die beschwerdeführende Gemeinde in Beachtung der Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde die rechtswidrige Verordnung aus eigenem aufheben werde.
3.3. Die Vorstellungswerber haben als mitbeteiligte Parteien eine Äußerung vorgelegt, in der die Abweisung der Beschwerde sowie die Zuerkennung von verzeichneten Kosten beantragt wird.
4. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 2. März 1995 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Wagrain vom 4. April 1991 ein. Mit Erkenntnis vom 2.10.1995 V57/95 hob der Gerichtshof die genannte Verordnung als gesetzwidrig auf.
5. Die - zulässige (vgl. VfGH 2.10.1995 V57/95) - Beschwerde ist nicht begründet:
5.1. Mit dem angefochtenen Vorstellungsbescheid wird der Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain vom 15. Jänner 1993 aufgehoben und die Rechtssache im Hinblick auf die - nach Meinung der belangten Behörde - evidente Gesetzwidrigkeit an die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain zwecks Erlassung eines aufhebenden Berufungsbescheides zurückverwiesen, um der Gemeindevertretung Gelegenheit zu geben, die Verordnung vom 4. April 1991, mit der die sogenannte "Röckgasse" zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt wurde, aufzuheben. Wie unter Punkt 4. dargelegt, wurde die genannte Verordnung vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2.10.1995 V57/95 nach Durchführung eines Verordnungsprüfungsverfahrens als gesetzwidrig aufgehoben. Die vom angefochtenen Bescheid ausgehende auf die Verordnung bezugnehmende Bindungswirkung ist demnach weggefallen. Gemessen an der bereinigten Rechtslage fehlt es nunmehr für den Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain vom 15. Jänner 1993 an einer tragenden Rechtsgrundlage, sodaß der aufhebende Vorstellungsbescheid insofern der nunmehrigen Rechtslage entspricht.
Zu prüfen bleibt daher lediglich - da Bedenken anderer Art gegen die angewendeten Rechtsgrundlagen nicht bestehen -, ob der angefochtene Bescheid aus sonstigen Gründen gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verstößt.
5.2. Zur Begründung des Vorwurfes der Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter führte die Beschwerdeführerin zunächst aus, daß der angefochtene Bescheid statt von der Landesregierung vom Landeshauptmann erlassen worden sei, da die Unterfertigung des angefochtenen Bescheides "Für den Landeshauptmann" erfolgt sei. Träfe die Behauptung zu, wäre der Vorwurf auch unter dem Gesichtspunkt des Art119a Abs9 B-VG wahrzunehmen.
In der Folge erging der Berichtigungsbescheid der Salzburger Landesregierung vom 14. Dezember 1993, aus dem sich ergibt, daß im Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich die Salzburger Landesregierung als bescheiderlassende Behörde genannt ist, und nur am Schluß des Bescheides irrtümlich der Landeshauptmann genannt wird. Es handelt sich dabei sohin lediglich um einen offenkundigen Schreibfehler, der dem Amt der Salzburger Landesregierung unterlaufen ist und mit diesem Bescheid berichtigt wird.
In einem folgenden Schriftsatz stellte die beschwerdeführende Gemeinde Wagrain unter Bezugnahme auf den genannten Berichtigungsbescheid die Bezeichnung der belangten Behörde richtig und zog damit insoweit den Vorwurf, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, zurück.
5.3. Da eine Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung der Gemeinde somit nicht vorliegt, war die Beschwerde abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.150,-- enthalten.
Schlagworte
Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht, Bescheid Zurechnung, Bescheidberichtigung, VfGH / Aufhebung Wirkung, Bindung (Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde), VfGH / Anlaßfall, Zurechenbarkeit VerwaltungsaktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B1902.1993Dokumentnummer
JFT_10048988_93B01902_00