TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/31 I413 2233482-1

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Veröffentlicht am 31.07.2020
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Entscheidungsdatum

31.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4

Spruch

I413 2233482-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) Landesstelle Tirol vom 02.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 02.07.2020, Zl XXXX , stellte die belangte Behörde amtswegig fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG unterliegt.

Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 07.07.2020 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

Mit ERV-Eingabe vom 29.07.2020, Zl 8 V7/20, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer lebt in München, wo er seinen Hauptwohnsitz hat. Er ist seit 01.04.2016 als Aufsichtsratsmitglied (Aufsichtsratsvorsitzender) der XXXX in Telfs tätig.

In dieser Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender ist er im Bundesgebiet selbständig tätig. Auf seine Erwerbstätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender im Zeitraum 01.04.2016 bis 30.11.2020 sind die österreichischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit anzuwenden. In der Bundesrepublik Deutschland ist der Beschwerdeführer auch selbständig tätig, jedoch erbringt er weniger als 25 % dieser Tätigkeit an seinem Wohnsitzstaat BRD.

Der Beschwerdeführer gab am 18.05.2020 die bei der belangten Behörde am 22.05.2020 eingelangte Versicherungserklärung ab. Die aus der Tätigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden erzielten Einkünfte überschreiten im Jahr 2020 voraussichtlich und überschritten in den Jahren 2016 bis einschließlich 2019 die Versicherungsgrenze.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den angefochtenen Bescheid und in die dagegen erhobene Beschwerde sowie in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsicht in das Firmenbuch.

Die Feststellungen zur Aufsichtsratstätigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem eingeholten Firmenbuchauszug der XXXX (FN XXXX ) sowie aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus der vom Beschwerdeführer abgegeben Versicherungserklärung (AS 16). Dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz in München hat, ergibt sich ebenfalls aus der Versicherungserklärung und auch dem Beschwerdevorbringen und wird auch von der belangten Behörde nicht bezweifelt.

Aufgrund des Schreibens des GKV-Spitzenverband Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (DVKA) ergibt sich, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner selbständigen Tätigkeit im Bundesgebiet österreichischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit unterliegt (Schreiben vom 27.03.2020, AS 6). Weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde hat der Beschwerdeführer diese Zuordnung ernstlich bestritten.

Dass der Beschwerdeführer die Versicherungserklärung am 18.05.2020 abgegeben hat, ergibt sich aus der in AS 16 einliegenden Erklärung. Dass die aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender für die XXXX erzielten Einkünfte im Jahr 2020 voraussichtlich übersteigen werden und in den Jahren 2016 bis einschließlich 2019 überstiegen haben, ergibt sich zweifelsfrei aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Versicherungserklärung (AS 16) und wird auch im Rahmen der Beschwerde nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG, weil er in der Bundesrepublik Deutschland bereits vollständig privat krankenversichert sei, er folglich zweimal mit entsprechend zu zahlenden Beiträgen krankenversichert wäre, was nicht im Sinne der bestehenden Regelungen sein könne und unfair wäre.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.2. Selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen sind, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist, gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung auf Grund des GSVG pflichtversichert. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen. Personen, die in der Kranken- oder Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sind, unterliegen in der Unfallversicherung der Pflichtversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG.

Die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes stellt eine Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben dar, die keinesfalls der Privatsphäre einer Person angehört, und ist in diesem Sinne als „betriebliche“ Tätigkeit (VwSlg 16.254 A/2003). Es ist somit zu prüfen, ob der Beschwerdeführer als Aufsichtsratsmitglied Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3, 5 und/oder 23 EStG 1988 erzielt, wobei im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 22 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 nicht zweifelhaft sein kann, dass Einkünfte als Mitglied eines Aufsichtsrates als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit unter diese Bestimmung fallen (VwSlg 16.254 A/2003). Im gegenständlichen Fall ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer eine Versicherungserklärung abgegeben hat, in der er erklärt hat, im Jahr 2020 voraussichtlich über der Versicherungsgrenze des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG liegende Einkünfte zu beziehen und in den Jahren 2016 bis einschließlich 2019 Einkünfte bezogen zu haben, die über der Versicherungsgrenze des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG lagen. Damit war gemäß § 4 Abs 1 Z 4 letzter Halbsatz GSVG der Eintritt der Pflichtversicherung festzustellen.

Die von der Beschwerde aufgeworfene Problematik, es würde eine Doppelversicherung bestehen, ist nicht rechtswidrig, zumal gegen den Eintritt von Doppel- oder Mehrfachversicherungen bei mehreren Erwerbstätigen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken bestehen (vgl dazu VfSlg 17.260/2004). Für die Pflichtversicherung ist es nicht von Belang, ob der Einzelne der Sozialversicherung bedarf, sie erwünscht oder ob er sie als sinnlos erachtet, da über den Interessen des Einzelnen die Interessen der sozialversicherungsrechtlichen Solidargemeinschaft stehen (Taudes, in Sonntag, GSVG, 8. Aufl., 2019, § 35a Rz 1). Gehört eine Person mehreren Berufsgruppen an, entspricht es dem Gedanken der Solidargemeinschaft, sie auch sozialversicherungsrechtlich jeder dieser Berufsgruppen zuzuordnen. Hierbei liegt es im Ermessen des Gesetzgebers, bei Zusammentreffen mehrerer sozialversicherungspflichtiger Erwerbstätigkeiten eine Mehrfachversicherung oder die Subsidiarität einer Versicherung vorzusehen (VwGH 29.03.2006, 2003/08/0160).

3.3. Die – nicht beantragte – Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall entfallen, weil sich aus den Akten erkennen lässt, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen. Gegenständlich lagen kein ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen vor, das die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordert hätte. Der maßgebliche Sachverhalt, der unbestritten blieb, erweist sich als hinreichend geklärt. Weder war eine ergänzende Beweiswürdigung noch eine Interessensabwägung vorzunehmen, noch waren strittige Rechtsfragen mündlich zu erörtern oder langen sonst Gründe vor, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall erfordern würde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die in II.A.3.2 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die nicht als uneinheitlich zu beurteilen ist. Gegenständlich war ein Einzelfall zu beurteilen, der keine besonderen Rechtsfragen aufwarf. Die Beurteilung eines Einzelfalls ist grundsätzlich nicht reversibel.

Schlagworte

Aufsichtsrat Mehrfachversicherung Mitgliedstaat Pflichtversicherung selbstständig Erwerbstätiger Versicherungsgrenze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2233482.1.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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