TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/12 W127 1424238-2

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Veröffentlicht am 12.08.2020
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Entscheidungsdatum

12.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W127 1424238-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Züger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte I, II, IV, V, VI, VII ersatzlos behoben.

II. Der Spruchpunkt III wird behoben, dem Antrag vom 13.11.2018 stattgegeben und die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter um zwei weitere Jahre gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verlängert.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1.       Der Beschwerdeführer reiste ins Bundesgebiet ein und stellte am 29.06.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Nachdem der erste Bescheid des Bundesasylamtes mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes aufgehoben wurde und die Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurde, wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 21.12.2015 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr erteilt. Der subsidiäre Schutz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl damit begründet, dass die Befriedigung der Grundbedürfnisse des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit gesichert sei und sohin eine ausweglose Lage drohe.

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

3.       Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde aufgrund des fristgerechten Antrags mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2017 um weitere zwei Jahre verlängert.

4.       Am 13.11.2018 beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die erneute Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung.

5.       Aufgrund der beabsichtigten Aberkennung des subsidiären Schutzes wurde der Beschwerdeführer am 25.01.2019 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er wurde zu seiner Integration, seinem Familienleben, zur Lage in Afghanistan und der Situation im Falle der Rückkehr befragt. Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer Dokumente in Zusammenhang mit seiner Erwerbstätigkeit vor.

6.       Mit angefochtenem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I), die Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II) und der Antrag vom 13.11.2018 abgewiesen (Spruchpunkt III). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt IV). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt V) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung (Spruchpunkt VII). Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer aufgrund seiner mittlerweile (in Österreich) gesammelten Berufserfahrung und seines gebesserten Bildungsniveaus in persönlicher Hinsicht nicht mehr in derselben vulnerablen Lage befinde wie zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes. Sohin drohe der Beschwerdeführer nicht mehr in eine die Existenz bedrohende Lage im Falle der Rückkehr zu geraten, zumal ihm eine Rückkehr in eine sichere Provinz wie Herat oder Balkh zumutbar sei.

7.       Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Der Bescheid sei demnach aufgrund unrichtiger Tatsachenfeststellungen, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verfahrensmängeln rechtswidrig.

8.       Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 21.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9.       Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.04.2020 wurde die Rechtssache der zuvor zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1.       Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und ist der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig.

Er ist in Afghanistan (Provinz Maidan Wardak) aufgewachsen, besuchte dort sieben Jahre lang die Schule und arbeitete zeitweise in der Landwirtschaft seines Vaters mit sowie als Helfer eines LKW-Fahrers.

In Afghanistan, in der Provinz Maidan Wardak, sind die Ehefrau, der Vater sowie Bruder und Schwester des Beschwerdeführers aufhältig. Zu ihnen besteht sporadischer telefonischer Kontakt.

Der Beschwerdeführer war seit seiner Ausreise nicht mehr in Afghanistan. Er befindet seit seiner Einreise im Jahr 2011 durchgehend in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist erwerbsfähig, gesund und strafrechtlich unbescholten. Er ist mit einer in Afghanistan lebenden Frau verheiratet und hat – mittlerweile; der Sohn verstarb – keine Kinder mehr. In Österreich führt er eine Partnerschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Der Beschwerdeführer ist einem aufrechten Dienstverhältnis bei einem Getränkeunternehmen.

1.2. Zur Veränderung bzw. Verbesserung der fallbezogenen Umstände

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers sowie der humanitären Lage bzw. der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan ist festzustellen, dass sich die Umstände seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (21.12.2015) bzw. seit der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung (10.02.2017) nicht nachhaltig und wesentlich verändert bzw. verbessert haben.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren.

Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, (Maidan) Wardak, hat sich in den letzten Monaten verschlechtert. Es kommt regelmäßig zu Sicherheitsoperationen und Gefechten zwischen Taliban, Aufständischen und Sicherheitskräften.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen.

Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.

Die angespannte Lage in Afghanistan hat sich durch die Covid-19-Pandemie nochmals verschärft. Die Zahl der bestätigten COVID-19-Fälle steigt laut aktueller Daten (21.06.2020 https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/daily_brief_covid-19_21_june_2020. pdf) auf 28.833 Infizierte in allen 34 afghanischen Provinzen an. 581 Personen sind bereits verstorben. Von den verstorbenen Personen haben 18 im Gesundheitsbereich gearbeitet. Die Mehrzahl der Todesfälle waren Personen im Alter zwischen 40-69 Jahren. Die höchste Anzahl an Fällen weist Kabul auf, gefolgt von Herat, Kandahar und Balkh. Das afghanische Gesundheitsministerium erwartet, dass die größte Welle von Infektionen mit COVID-19 erst noch bevorsteht. Das afghanische Finanzministerium rechnet aufgrund COVID-19 mit 50 % weniger Einnahmen im laufenden Finanzjahr.

2.       Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die getroffenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen familiären Verhältnissen beruhen auf dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus den vorgelegten Unterlagen und aus der Einvernahme vom 25.01.2019. Diesbezüglich erfolgte auch kein gegenteiliges Vorbringen in der Beschwerde. Insofern sind die getroffenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers als unstrittig anzusehen.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit stützt sich auf einen aktuellen Strafregisterauszug, jene zur Erwerbstätigkeit aus den im Rahmen der Einvernahme vorgelegten Dokumenten des Beschwerdeführers (Dienstvertrag und Gehaltsabrechnung) sowie dem vom Bundesamt eingeholten sozialversicherungsrechtlichen Auszug.

2.2. Zur Veränderung bzw. Verbesserung der fallbezogenen Umstände

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte im nunmehr angefochtenem Bescheid aus, dass bereits in dem Bescheid, mit welchem der subsidiäre Schutz gewährt wurde, festgehalten worden sei, dass die Sicherheitslage keine Rückkehrhindernis darstelle. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei jedoch aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich sowie seine Familie nicht versorgen könne, erfolgt. Diese in der Person des Beschwerdeführers liegenden Umstände hätten sich allerdings insoweit geändert, als dieser aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in Österreich mittlerweile „in erheblichem Maß an Berufserfahrung zugewonnen“ habe, welche bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten noch nicht vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer komme in Österreich selbst für seinen Lebensunterhalt auf und führe ein eigenständiges Leben, was für die Selbsterhaltungsfähigkeit spreche. Er verfüge zudem über soziale Kontakte zu afghanischen und österreichischen Staatsbürgern und habe neue Fremdensprachenkenntnisse (gemeint ist wohl Deutsch) erworben. Nach der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zeige dies insgesamt, dass der Beschwerdeführer in den letzten Jahren an „Berufs- und Lebenserfahrung als auch an Reife“ gewonnen habe. In Anbetracht der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer all dies in einem für ihn gänzlich fremden Land gelungen sei, müsse ihm dies auch umso mehr in seinem Herkunftsstaat Afghanistan gelingen.

Hinsichtlich der familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers merkte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sinngemäß an, dass sich diese seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes ebenfalls geändert hätten. So sei der Sohn des Beschwerdeführers, welcher besondere Bedürfnisse gehabt habe, mittlerweile verstorben. Die afghanische Gattin lebe mittlerweile bei ihren Eltern. Insofern treffe den Beschwerdeführer im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung eingeschränktere Unterhaltspflichten.

Auf Grundlage dieser Tatsachen befinde sich der Beschwerdeführer in persönlicher Hinsicht nicht mehr in der gleichen vulnerablen Lage wie zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes.

Dem vermag das Bundesverwaltungsgericht nicht zu folgen. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Änderung der Umstände nachhaltig und wesentlich sein muss (vgl. zuletzt VwGH 18.03.2020, Ra 2019/20/0590), ist insbesondere der Aspekt der Wesentlichkeit gegenständlich in Zweifel zu ziehen. Für das erkennende Gericht erreicht die vom Beschwerdeführer in der Zwischenzeit erlangte „Berufs- und Lebenserfahrung“ in diesem Fall nämlich nicht das erforderliche Ausmaß, um von einer wesentlichen Veränderung auszugehen. Denn aus dem beruflichen Werdegang des Beschwerdeführers geht hervor, dass sich die in Österreich verrichteten Tätigkeiten in ihrem Wesen den bereits in Afghanistan verrichteten Tätigkeiten ähnlich sind. Es handelt sich um eine vorwiegend manuelle Verrichtung von Arbeit, die an keine besonderen Voraussetzungen – wie beispielsweise eine spezifische Berufsausbildung (Lehre) – geknüpft ist. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan in der Landwirtschaft und als Hilfsarbeiter bei einem Transportunternehmen tätig. In Österreich war er bisher unter anderem als Transporteur tätig sowie bei der Post, in der Reinigung und bei einer Pizzeria angestellt, gegenwärtig befüllt er maschinell Getränkeflaschen. Insofern zeigt sich somit die Fortsetzung jener Art von beruflicher Tätigkeit, mit der der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vertraut war, wenngleich in geringerem Umfang. Daraus ergibt sich, dass sich die Lage des Beschwerdeführers gegenüber dem Zeitpunkt der Zuerkennung hinsichtlich der Berufserfahrung nicht im wesentliche Ausmaß verändert hat.

Inwieweit die neuerworbenen Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers in Afghanistan dazu führen sollen, dass er sich in seinem Herkunftsstaat in verbesserter Lage wiederfindet, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, zumal diese Sprachkenntnisse mangels abgelegter Prüfung nicht näher nachweisbar sind.

Zur Veränderung der Umstände in familiärer Hinsicht ist auszuführen, dass sich zwar aufgrund des Todes des Sohnes des Beschwerdeführers tatsächlich eine veränderte Unterhaltspflicht ergibt. Allerdings ist hierbei wiederum von keiner Wesentlichkeit auszugehen. Wie das Bundesamt schon selbst festhält, war der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung verheiratet. Die Tatsache, dass seine Gattin zwischenzeitlich durch ihre eigenen Eltern unterstützt wurde, ändert im gegenständlichen Fall nichts daran, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach afghanischen Gepflogenheiten wiederum für seine Gattin (wirtschaftlich) Sorge zu tragen hätte.

In der Gesamtbetrachtung steht daher aus der Sicht des erkennenden Gerichtes in diesem Fall fest, dass keine wesentliche Veränderung bzw. Verbesserung der persönlichen Umstände seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgefunden hat.

In Bezug auf die objektiven Umstände ist auszuführen, dass sich die Lage in Afghanistan im Zuge der Covid-19-Pandemie – wie festgestellt – sogar verschlechtert hat.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Die Länderfeststellungen beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, zuletzt aktualisiert am 18.05.2020, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet.

Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beobachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in das aktuelle Länderinformationsblatt und die aktuellen EASO-Berichte) versichert hat.

3.       Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Zur ersatzlosen Behebung des Spruchpunktes I

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen.

Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden.

Bei der nunmehr angefochtenen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stützte sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkennbar auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 („nicht mehr vorliegen“).

Zu den Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und damit auch ihrer Dauer ergibt sich aus § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG, dass die Verlängerung auf Antrag des Betroffenen und nach Maßgabe des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den subsidiären Schutz zu erfolgen hat. Dies entspricht auch Artikel 16 Statusrichtlinie, wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und bei der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (vgl. VwGH vom 31.03.2010, 2007/01/1216).

Wie festgestellt ist eine solche nachhaltige und wesentliche Veränderung bzw. Verbesserung der Umstände seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der Verlängerung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 nicht erfolgt, weder in subjektiver noch objektiver Hinsicht. Insofern erfolgte die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 zu Unrecht.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht im Verfahren nach § 9 AsylG 2005 stets die Aberkennung des subsidiären Schutzes als solche im Mittelpunkt. Liegt der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogene Anwendungsfall für die Aberkennung nicht vor, ist das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, eine Aberkennung nach einem anderen Fall zu prüfen, wenn diesbezüglich Anhaltspunkte vorliegen (vgl. VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Anhaltspunkte hiefür haben sich im gesamten Verfahren nicht ergeben.

Aus der Gesamtbetrachtung ist daher der subsidiäre Schutz gemäß § 9 AsylG 2005 zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abzuerkennen. Sohin ist spruchgemäß zu entscheiden und Spruchpunkt I ersatzlos zu beheben.

3.2. Zur ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte II, IV, V, VI, VII

Durch den Wegfall der Aberkennung des subsidiären Schutzes fehlt es den übrigen Spruchpunkten an einer Rechtsgrundlage, weswegen diese ersatzlos zu beheben sind.

3.3. Zur Behebung des Spruchpunktes III und zur Erteilung der Aufenthaltsberechtigung

Da sich die Umstände nicht nachhaltig und wesentlich verändert haben, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weiterhin vor. Somit ist Spruchpunkt III zu beheben und dem Beschwerdeführer aufgrund seines fristgerechten Antrages vom 13.11.2018 die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 um weitere zwei Jahre zu verlängern. Diese Frist ist ab der Zustellung dieses Erkenntnisses zu berechnen und kann somit erst im Nachhinein festgestellt werden (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, zumal der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage geklärt ist.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung Berufserfahrung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation Pandemie Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Sicherheitslage Verlängerung Verschlechterung wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W127.1424238.2.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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