Entscheidungsdatum
14.08.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I416 2210955-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, Zl. XXXX, aufgrund des Vorlageantrages vom 07.12.2018, über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch RA Dr. Georg KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion XXXX vom 12.10.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.07.2020, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruchpunkt III. wie folgt lautet:
„III. Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt.“
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, stellte am 16.10.2017 bei der österreichischen Botschaft in Kairo einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ und reiste nach vorläufiger Zusage der NAG-Behörde vom 01.02.2018, am 06.04.2018 legal mit einem von der österreichischen Botschaft in Kairo am 16.01.2018 ausgestellten Visum D ins Bundesgebiet ein.
2. Am 12.4.2018, wurde der Beschwerdeführer vom Magistrat der Stadt XXXX, Abteilung Aufenthaltsrecht über die Erfordernisse für eine allfällige Verlängerung seines Aufenthaltstitels aus Studierender persönlich aufgeklärt.
3. Mit Schriftsatz des Magistrats der Landeshauptstadt XXXX, Abteilung Aufenthaltsrecht, vom 23.05.2018, bezeichnet als Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass es beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, aufgrund des Fehlens der nötigen Voraussetzungen, abzuweisen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Benutzungsvertrag im internationalen Studierendenheim gekündigt worden sei, sodass er weder ein gesichertes Wohnrecht noch eine örtliche Unterkunft zur Verfügung habe, sowie dass kein, alle Risiken abdeckender, Krankenversicherungsschutz nachgewiesen worden sei. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt, welche ungenutzt verstrich.
4. Am 07.06.2018 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 07.06.2018 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgründen befragt an, dass er seit 2011 Mitglied der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit und in dieser Partei Jugendreferent in seinem Heimatort gewesen sei. 2014 sei die Partei nach dem Militärputsch von Al Sisi aufgelöst worden und habe er im Jahr 2017 erfahren, dass er von der Staatssicherheit in Ägypten gesucht werde, er habe dann seinen Heimatort gewechselt und sei nach Oberägypten gezogen, im März 2018 habe er dann von einem Bekannten erfahren, dass er von der Staatsanwaltschaft in seinem Heimatort mit Haftbefehl gesucht werde, diesen Haftbefehl würde er dabeihaben. Er habe sich dann entschlossen seine Heimat vor dem Erlass seiner Anklageschrift zu verlassen, sein Bruder XXXX sei wegen Regimekritik zu zehn Jahren Haft in Abwesenheit verurteilt worden. Im Falle einer Rückkehr habe Angst, dass er in Haft genommen werde, da es in seinem Heimatland einen Haftbefehl gegen ihn geben würde.
5. Mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt XXXX Abteilung Aufenthaltsrecht vom 17.07.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 16.10.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Studierender nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 abgewiesen.
6. Mit Schriftsatz vom 18.07.2018 wurde die Vollmacht vom MigrantInnenverein St. Marx vorgelegt.
7. Am 13.08.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde, in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung niederschriftlich einvernommen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen führte er aus, dass er psychisch nicht gesund sei, da er in Ägypten viel erlebt habe und immer über das Geschehen nachdenken würde, er sei jedoch deswegen nicht in Behandlung und nehme keine Medikamente. Er sei ledig, habe keine Kinder, sei Araber und Sunnit, geboren sei er in XXXX, dort habe er bis 2011 in seinem Elternhaus gelebt, von 2011 bis 2015 in einem anderen Ort der Provinz XXXX, von 2015 bis 2017 sei er wieder in sein Elternhaus zurückgekehrt und von 2017 bis April 2018 habe er in der Provinz XXXX gelebt. Er führte weiters aus, dass er ein Auto und eine Wohnung in XXXX gehabt habe, wobei das Auto verkauft sei, die Wohnung, eine Eigentumswohnung, würde er noch haben. Er gab weiters an, dass seine Eltern, seine beiden Schwestern zusammen in Ägypten leben würden, sein Bruder XXXX sei seit drei Jahren in der Türkei und sein Bruder XXXX seit sechs Jahren in Österreich. In Ägypten, habe er noch Onkeln und Tanten väterlicherseits, Kontakt habe er zu seinen Eltern und Geschwistern und auch zu seinen Cousins und Cousinen. Sein Vater arbeite für die Regierung, dieser sei Bauunternehmer und würden die Geschäfte gut gehen. Er gab weiters an, dass er von 2011 bis 2014 Mitglied einer politischen Organisation gewesen sei, die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit heiße, aktuell sei er jedoch kein Mitglied einer Organisation. Vom Wehrdienst sei er befreit. Er habe im September 2017 den Entschluss zu seiner Ausreise gefasst, und sei am 06.04.2018 legal ausgereist. Der Beschwerdeführer legte hinsichtlich seiner Identität einem Personalausweis im Original vor, zu seinem Reisepass gab er unter Vorlage einer Verlustmeldung an, dass dieser ihm gestohlen worden sei, als er beim Fußballspielen gewesen sei. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass er zwölf Jahre die Grundschule und vier Jahre die Universität besucht habe, dass er im Alter von zehn Jahren bei seinem Vater gearbeitet habe und dass er in Ägypten ein Büro für Export und Import gehabt habe, sein letzter Arbeitstag, sei am 15.12.2016 gewesen. Nach der Schließung seines Geschäftes, habe er von seinen großen Ersparnissen gelebt. Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich, gab er an das er zurzeit einen privaten Deutschkurs machen würde, dass er in Österreich lesen und die Lage in Ägypten verfolgen würde, sowie Sport betreiben würde und Laufen gehe. Mitglied in einem Verein einer Kirche oder einer sonstigen Organisation in Österreich sei er nicht. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte er im Wesentlichen aus, dass er früher Mitglied der Partei Freiheit und Gerechtigkeit gewesen sei und dort Jugendreferent gewesen sei, er sei auch in XXXX in Kairo dabei gewesen und sei zwischen Oktober 2013 und Juni 2014 Aktivist gegen die Polizisten gewesen die in XXXX gewalttätig gewesen seien. Im Jahr 2016 seien sie dann auch zu ihm nach Hause gekommen, und hätten dahin gesucht, er sei aber nicht zu Hause gewesen, da er von der Partei gewarnt worden sei, dass er verhaftet werden solle, im Juni oder Juli 2017 seien sie einmal zu ihm gekommen, sie hätten ihn aber nicht erwischen können, die Polizisten hätten auch seine Freunde gefragt, wo er lebe und wie er erreichbar wäre, er habe Angst vor dem Geheimdienst, und sei im März 2018 dieser Haftbefehl gegen ihn erlassen worden, da sie ihn nicht haben finden können. Er gab weiters an, dass wenn man nicht aufgreifbar sei, ein Prozess in Abwesenheit geführt werde, es würde zwar noch keinen Prozess geben, dieser würde jedoch in wenigen Monaten beginnen und könne er wenn er verurteilt werden würde, nicht mehr frei reisen, es gebe am Flughafen eine schwarze Liste mit Personen die auf ihren Prozess warten würden und habe er Angst auf dieser Liste zu stehen. Gefragt, weshalb er den Haftbefehl der Staatsanwaltschaft vorlegen könne, gab er wörtlich an: „Weil ich Mitglied der Muslimbrüder war.“ … „Es gibt einen korrupten Polizisten, der diesen Haftbefehl an meinen Onkel XXXX – er ist Rechtsanwalt - um 250 ägyptische Pfund.“ Er führte weiters aus, dass er von Juli 2011 bis August 2014 Jugendreferent gewesen sei, dann habe Präsident Al SISI die Partei Freiheit und Gerechtigkeit aufgelöst, er sei sowohl gegen den Präsidenten, als auch sein Regime. Auf Vorhalt, dass er im gesamten Jahr 2016 bei seinen Eltern gewohnt habe und warum es dem Geheimdienst nicht möglich gewesen sei, ihn dort zu finden, gab er wörtlich an: „Ich kam und ging stets nur in der Nacht.“ … „Wir leben in einem Dorf und es gibt dort nur einen Eingang der Cousin hat mich gewarnt und ich ging dann weg.“ Gefragt, was der konkrete Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaats gewesen sei, gab er an, dass er wenn er zu Hause wäre verhaftet und 10 Jahre eingesperrt und gefoltert werden würde, er habe Freunde die seit 30 Jahren verhaftet seien. Persönlich bedroht worden sei er ausschließlich durch den Haftbefehl, erfahren habe er davon im März 2018, gewusst habe er jedoch schon im Februar 2018, dass sie ihn verhaften haben wollen. Erfahren habe er dies von einem korrupten Polizisten dieser sei der Polizeisekretär gewesen, der seinen Onkel angerufen habe, wobei er seit 2013 gewusst habe, dass sie ihn irgendwann verhaften werden. Der Beschwerdeführer führte gefragt zur Partei für Freiheit und Gerechtigkeit aus, dass er nie in der Zentrale, am Hauptsitz gewesen sei, die Partei sei verboten worden, weil sie gegen die Regierung Al Sisi gewesen sei und wurde dies damit begründet, dass sie Terroristen seien, er selbst sei seit dem Tag der Gründung Mitglied dieser Partei gewesen. Nachgefragt, führte er aus, dass es gegenwärtig kein Gerichtsverfahren gegen ihn geben würde, es würde nur diesen Haftbefehl geben sonst nichts. Im Falle seiner Rückkehr würden sie ihn zu Tode foltern und wenn er überleben würde, würde er für wenigstens zehn Jahre ins Gefängnis kommen. Eine Stellungnahme zu den Länderinformationen gab der Beschwerdeführer nicht ab. Seitens der anwesenden Rechtsvertretung wurden keine Fragen gestellt. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende Ausdrucke vor: Bericht auf Arabisch über die Muslimbruderschaft; Bericht von Human Watch vom 18. Jänner 2018; Wikipedia Ausdruck über Mohammed Mursi; Wikipedia Ausdruck über Sami Hafez Enan; Haftbefehl auf Arabisch (Übersetzung: Staatsanwalt XXXX, an die Polizeistation in XXXX. Es wird ersucht, Herrn XXXX festzunehmen, da er beschuldigt wird Mitglied der Muslimbruderschaft zu sein. Er hat auch gegen den Präsidenten Al Sisi demonstriert. Datum 05.03.2018. Unterschrift: Staatsanwalt); Foto des BF mit einem Parteimitglied der Muslimbrüder (Präsident der Muslimbrüder in XXXX) und Bericht über Dr. Ashoure El Halawanie in Arabisch; Foto von einer Demonstration in Ägypten 2014 – Studenten gegen El Sisi; Foto einer Demo in Ägypten 2014; Foto einer Demo in Ägypten 2014; Foto einer Gruppe (2012 anl. Sitzung der Muslimbrüder); Foto über die Demo 2014 auf der UNI; Foto einer Demo 2014; Fotos Parlamentspräsident Dr. Moh. Sad el-Katatni und Wikipedia Ausdruck; Foto; Wikipedia Ausdruck über Blutbad In Kairo und Gizeh; Konvolut Demofotos ohne persönlichen Bezug; Am 21.08.2018 wurde seitens der Rechtsvertretung eine Stellungnahme zur Situation in Ägypten vorgelegt und auf die katastrophale Sicherheitslage Menschenrechtslage, sowie die fehlende Existenzmöglichkeit des Antragstellers im Falle seiner Rückkehr hingewiesen.
8. Mit Bescheid vom 12.10.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten „gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten „gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab und wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt (Spruchpunkt III.). „Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung „gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde „gemäß § 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung „gemäß § 46 FPG“ nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde „gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG" mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgestellt (Spruchpunkt VI.).
9. Mit Verfahrensordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 15.10.2018 stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Rechtsberater amtswegig zur Seite.
10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 08.11.2018 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte darin unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung. Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die Erklärungen der belangten Behörde in der Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar seien und würden die Vorwürfe keinen erkennbaren Begründungswert haben, da die belangte Behörde einen großen Teil der Aussagen nicht zur Kenntnis zu nehmen scheine, sondern nur selektiv in tendenziöser Weise Aussagen herausklauben würde. Zudem habe sich die belangte Behörde mit dem zentralen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht adäquat auseinandergesetzt, so beschränke sie sich darauf, seine Aussagen aus dem Zusammenhang zu reißen und die Vorhalte zu wiederholen, ohne irgendeine erkennbare Beurteilung seines Vorbringens geschweige denn Recherchen irgendeiner Art durchzuführen. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel seien zudem keiner Beurteilung unterzogen worden bzw. nicht hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und seiner Befürchtungen ausgewertet worden, habe die belangte Behörde ihrer behördlichen Ermittlungspflicht in keinster Weise Rechnung getragen. Es würde auch keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, da der Beschwerdeführer persönlich bedroht worden sei und seitens der ägyptischen Behörden direkt verfolgt werde. Zudem hätten die Länderberichte keinen Niederschlag in den Erwägungen der belangten Behörde gefunden, über die konkreten vom Beschwerdeführer angegebenen Vorfälle wurden keinerlei Recherchen angestellt, zudem wäre allenfalls aufgrund des Fehlens eines sozialen bzw. familiären Auffangnetzes für den Beschwerdeführer aufgrund der von ihm erlittenen Gewalttaten subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen. Hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens wurde ausgeführt, dass festzustellen gewesen wäre, dass der Beschwerdeführer nach den traumatischen Erlebnissen seiner Heimat und den Strapazen der langen Flucht nunmehr in Österreich Ruhe gefunden habe und bereits große Anstrengung hinsichtlich seiner Integration unternommen habe. Der bloße Verweis des Bundesamtes auf die Aufenthaltsdauer könne diese Tatsachen nicht entkräften, zumal der Beschwerdeführer auch Beweismittel über seine erfolgte Integration habe vorweisen können. Zusammengefasst, sei festzustellen, dass es dem Bundesamt nicht gelungen sei, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu widerlegen, eine inhaltliche Beschäftigung mit dem eigentlichen Kern sei nicht erfolgt und fehle den Schlussfolgerungen jeglicher erkennbarer Begründungswert. Dadurch, dass sich die erkennende Behörde nicht mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, sei eine rechtliche Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen nicht möglich gewesen, weshalb beantragt werde, dem Beschwerdeführer Asyl, allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die I. Instanz zurückzuverweisen, aufschiebende Wirkung zu gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der allen aktuellen Situation in Ägypten befasst, zu recherchieren ob die Fluchtgründe der Wahrheit entsprechen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen damit der Beschwerdeführer die vorgeworfene Kritik an seinem Vorbringen widerlegen könne, allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklären, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigenden Gründen zu erteilen, allenfalls festzustellen dass die Abschiebung nach Ägypten unzulässig sei.
11. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.11.2018, Zl. XXXX, wurde die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht stimmen würde, dass die Behörde vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen sei, sowie, dass es nicht stimmen würde, dass die Behörde keinerlei Recherchen irgendeiner Art getätigt habe, dies zeige sich bereits darin, dass die belangte Behörde sämtliche vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel in die Entscheidung miteinbezogen, sowie eigene Recherchen getätigt habe und sei auch die Argumentation, die Behörde hätte eine Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar argumentiert bzw. große Teile der Aussagen des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen, unrichtig, wie dies allein durch die akribischen Quellenverweise auf Beweismittel sowie Seiten- bzw. Punktangaben der Protokolle in den Feststellungen bzw. in der Beweiswürdigung klar zeigen würden. Weiters wurde ausgeführt, dass es sehr wohl zulässig sei Widersprüchlichkeiten im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer beantworteten Fragen aufzuzeigen und sei zudem die Behauptung im Beschwerdeschriftsatz, dass die vorgelegten Beweismittel keine Beurteilung unterzogen worden seien tatsachenwidrig, wie sich aus dem angefochtenen Bescheid klar ergibt. Der Beschwerdeführer würde entgegen der Behauptung im Beschwerdeschriftsatz, dass ein soziales und familiäres Auffangnetz fehlen würde, über maßgebliche Kontakte zu Familienmitgliedern in seinem Herkunftsstaat verfügen, zudem sei er von Kairo nach Wien geflogen, sodass auch die Behauptung hinsichtlich der Strapazen einer langen Flucht ins Leere gehen würden. Hinsichtlich der behaupteten Integration, entspreche dies weder dem Akteninhalt noch seinen eigenen Angaben der Beschwerdeführer weise kaum vorhandene Deutschkenntnisse auf und habe keinerlei näheren Kontakt zur Österreichern und wurde auch im Beschwerdeschriftsatz dahingehend nichts Substantiiertes ausgeführt.
12. Am 07.12.2018 wurde Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG beim Bundesamt für Fremdenwesen Asyl eingebracht. Die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 11.12.2018 vorgelegt.
13. Mit Schreiben vom 18.02.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Kopie eines in Arabisch abgefassten Schriftstückes übermittelt und ausgeführt, dass es sich hierbei um das dem Beschwerdeführer treffende Strafurteil aus Ägypten handeln würde. Mit weiterem Schriftsatz vom 21.05.2019, wurde eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs vom 25.3.2019 und eine Zeitbestätigung über die Teilnahme an Informationsveranstaltungen des ÖIF vom 27.03.2019 in Vorlage gebracht.
14. Mit Schriftsatz vom 5.5.2020 wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes die Übersetzung der vorgelegten arabischen Urkunde in Auftrag gegeben und wurde diese am 12.5.2020 dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
15. Mit Schreiben vom 3.6.2020 wurde seitens des ausgewiesenen Rechtsvertreters ein Fristsetzungsantrag gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 2 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesverwaltungsgericht beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht und beantragt der Verwaltungsgerichtshof möge in Entsprechung des Fristsetzungsantrages dem Bundesverwaltungsgericht eine angemessene Frist zur Entscheidung setzen und dem Bund den Ersatz der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof auferlegen, wobei im Sinne des § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG ein allgemeiner Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz gestellt werde.
16. Mit Schriftsatz vom 04.06.2020 erfolgte die Vollmachtskündigung der ursprünglichen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers.
17. Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofs vom 12.06.2020. Zl. XXXX, wurde dem Bundesverwaltungsgericht aufgetragen binnen drei Monaten die Entscheidung zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie derselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung an die antragstellende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegen würde.
18. Mit Schriftsatz vom 09.07.2020 wurde eine Stellungnahme abgegeben und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit Urteil vom 15.12.2018 rechtskräftig zu einer Strafhaft von 15 Jahren verurteilt worden sei, Anklagepunkt sei, dass er ein Mitglied der Muslimbruderschaft gewesen sei und das Urteil ihm vorwerfen würde, dass diese Organisation gegen den Staat und die Verfassung sei und dass diese Organisation Terrorismus betreiben würde. Es wurde weiters ausgeführt, dass das Urteil in seiner Abwesenheit gefällt worden sei und habe er dieses Urteil über einen Polizisten namens Herrn XXXX erhalten er führte weiters aus, dass es natürlich nicht stimmen würde, dass er sich terroristisch in Ägypten betätigt hätte, es stimme aber, dass er Mitglied der Freiheit und Gerechtigkeitspartei in Ägyptens sei. Er habe auch an mehreren Demonstrationen teilgenommen, was den Behörden missfallen habe. Im Rahmen dieses Schriftsatzes, beantragte der Beschwerdeführer den Polizisten im Rechtshilfeweg über die größere Botschaft oder im Rahmen einer Videokonferenz zum Erhalt und zur Übermittlung des Urteils einzuvernehmen, eine Abschrift der Akten bei der Staatsanwaltschaft sowie beim Strafgericht anzufordern und über einen Vertrauensanwalt der österreichischen Vertretung in Ägypten die Authentizität des vorgelegten Urteils überprüfen zu lassen. Der Stellungnahme beigelegt, die Kopie eines Internet Ausdrucks über Mohammed Saad Tawfik al-Katatni, sowie diverse Fotos und eine weitere Kopie des Strafurteils.
19. Am 30.07.2020 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht. In dessen Verlauf wurden seitens des Beschwerdeführers folgende nachstehende Unterlagen vorgelegt: Bescheide vom AMS vom 14.12.2018 und 27.06.2019 hinsichtlich der Abweisung von Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gem. § 20 Abs.3 AuslBG, Bestätigung VHS über den Besuch eines Deutschkurses A2+ vom 16.07.2020 und Bestätigungen der XXXX Personal GmbH vom 19.06.2019 und 17.02.2020 und XXXX Handelsagentur vom 07.03.2020 (Einstellungszusagen), ein Schreiben vom Roten Kreuz hinsichtlich der freiwilligen Mitarbeit vom 23.06.2020, Ausdruck aus dem Online-Portal der Landwirtschaftskammer Österreich hinsichtlich der Anmeldung auf der Plattform www. dielebensmittelhelfer.at und ein Schreiben der Präsidentschaftskanzlei vom 20.04.2020.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ägyptens und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz 2005. Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, hat keine Kinder und gehört der Volksgruppe der Araber an. Feststellungen zu seiner Religionszugehörigkeit können nicht getroffen werden.
Der Beschwerdeführer ist leidet an keinen entscheidungsrelevanten gesundheitlichen Problemen. Unterlagen hinsichtlich einer allfälligen Behandlung wurden nicht vorgelegt. Es konnte keine derart schwere, akut lebensbedrohliche und zudem in Ägypten nicht behandelbare gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt werden, die nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte.
Der Beschwerdeführer gehört keiner Risikogruppe im Sinne der COVID 19 Pandemie an.
Der Beschwerdeführer hat am 16.10.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Studierender nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz gestellt und wurde dem Beschwerdeführer ein Einreisevisum (D), gültig von 01.02.2018 bis 31.05.2018, ausgestellt. Der Beschwerdeführer reiste am 06.04.2018 legal mit dem Flugzeug von Kairo nach Wien.
Mit Schriftsatz des Magistrats der Stadt XXXX vom 23.05.2018, bezeichnet als Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, wurde der Beschwerdeführer nachweislich zur Kenntnis gebracht, dass es beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Studierender abzuweisen, da die Erteilungsvoraussetzungen, nämlich einerseits das Vorliegen eines rechtlich gesicherten Wohnrechtes und eines Krankenversicherungsschutzes im Gegensatz zur Antragstellung vom 16.10.2017 nicht mehr vorliegen würden.
Am 07.06.2018 meldete der Beschwerdeführer den Verlust seines Reisepasses.
Am 07.06.2018 stellte der Beschwerdeführer vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt XXXX vom 17.7.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Studierender abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht zur Aufnahme eines Studiums nach Österreich gekommen ist und dies zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hat. Es wird sohin festgestellt, dass der Beschwerdeführer wissentlich falsche Angaben zum Erhalt eines Einreisevisums angegeben hat.
Der Beschwerdeführer hat in Ägypten 12 Jahre lang die Grundschule besucht, arbeitete ab dem Alter von 10 Jahren bei seinem Vater und studierte 4 Jahre lang Wirtschaft an einer Universität. Der Beschwerdeführer hat laut eigenen Angaben eine GmbH für Import- und Exportgeschäfte gegründet und hat damit in Ägypten seinen Lebensunterhalt bestritten. Nach seinem letzten Arbeitstag am 15.12.2016 lebte der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise von seinen Ersparnissen. Der Beschwerdeführer besitzt in XXXX eine Eigentumswohnung.
Der Beschwerdeführer ist laut eigenen Angaben vom Militärdienst befreit.
In Ägypten leben neben seinen Eltern noch seine Schwestern, sowie Onkel und Tanten väterlicherseits. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in der Türkei und ein zweiter in Österreich. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen/täglichen Kontakt zu seinen Eltern und seinen Geschwistern in Ägypten. Zu seinem in Österreich lebenden Bruder hat der Beschwerdeführer ein bis zweimal in der Woche Kontakt.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer außer seinem Bruder über keine familiären Anknüpfungspunkte, es leben keine sonstigen Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich. Der Beschwerdeführer weist keine maßgeblichen privaten Beziehungen oder soziale Kontakte auf.
Der Beschwerdeführer hat hinsichtlich seiner Integration, Bescheide vom AMS vom 14.12.2018 und 27.06.2019 hinsichtlich der Abweisung von Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gem. § 20 Abs.3 AuslBG, eine Bestätigung der VHS über den Besuch eines Deutschkurses A2+ vom 16.07.2020 und Bestätigungen der XXXX Personal GmbH vom 19.06.2019 und 17.02.2020 und XXXX Handelsagentur vom 07.03.2020 (Einstellungszusagen), ein ablehnendes Schreiben vom Roten Kreuz hinsichtlich der freiwilligen Mitarbeit vom 23.06.2020, einen Ausdruck aus dem Online-Portal der Landwirtschaftskammer Österreich hinsichtlich seiner Anmeldung auf der Plattform www. dielebensmittelhelfer.at., eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs vom 25.3.2019 und eine Zeitbestätigung über die Teilnahme an Informationsveranstaltungen des ÖIF vom 27.03.2019, vorgelegt.
Der Beschwerdeführer geht keiner Beschäftigung nach, bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer hat an keinen sonstigen beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen hat. Der Beschwerdeführer ist in keinem österreichischen Verein oder einer Organisation als Mitglied tätig. Der Beschwerdeführer hat keine ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Tätigkeiten ausgeübt.
Eine entscheidungsrelevante Teilnahme des Beschwerdeführers am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben in Österreich kann weder durch seine integrativen Schritte noch in Bezug auf seine Aufenthaltsdauer von rund zwei Jahren festgestellt werden.
1.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Ägypten aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder sein wird.
Dem Beschwerdeführer droht in Ägypten keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention. Die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung/Verfolgung durch den Staat aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Muslimbruderschaft und damit zusammenhängend seine strafrechtliche Verurteilung kann mangels Glaubhaftmachung nicht festgestellt werden.
Weder konnte ein konkreter Anlass bzw. persönliche Bedrohung für das "fluchtartige" Verlassen des Herkunftsstaates festgestellt werden noch, dass der Beschwerdeführer Ägypten aufgrund staatlicher Verfolgung verlassen hat.
Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.
Dem Beschwerdeführer wird im Falle einer Rückkehr nach Ägypten auch nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen. Dies insbesondere, da er in Ägypten noch über vielschichtige familiäre Anknüpfungspunkte verfügt.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten und der individuellen Rückkehrsituation:
Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten übermittelt. Daraus ergeben sich folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:
Politische Lage
2013 übernahm Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, damals Verteidigungsminister und Befehlshaber der Streitkräfte (FH 4.2.2019; GIZ 12.2018), die Macht durch einen Putsch und stürzte den gewählten Präsidenten Mohamed Morsi von der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit der Muslimbrüder (FJP) (FH 4.2.2019). Al-Sisi war seit 12.8.2012 Minister für Verteidigung und Militärproduktion unter Ministerpräsident Hesham Qandil in der Regierung von Mohamed Mursi (GIZ 12.2018). Seit dem 8.6.2014 ist Abdel Fattah Al-Sisi, Präsident Ägyptens. Der Verfassung zufolge ist eine Kandidatur nur einem Zivilisten erlaubt. Al-Sisi musste aus dem Militärdienst austreten, um bei den Wahlen antreten zu können (GIZ 12.2018).
Am 17.6.2019 brach der ehemalige, erste frei gewählte Präsident Ägyptens, Mohammed Mursi, in einer Gerichtsverhandlung zusammen und starb später in einem Krankenhaus. Offizielle Todesursache ist Herzversagen (BAMF 24.6.2019).
Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt (FH 4.2.2019). Bei den Präsidentschaftswahlen im März 2018 gewann Präsident Abdel Fattah Al-Sisi mit 97% der gültigen Stimmen eine zweite Amtszeit (AA 24.6.2019a; vgl. AI 26.2.2019; FH 4.2.2019) und setzte sich deutlich gegen den einzig verbliebenen Gegenkandidaten Mousa Mostafa Mousa durch (AA 24.6.2019a).
Die Wahlen waren durch Unterdrückung und Überwachungsbemühungen der Regierung beeinträchtigt, und die Amtszeit von Präsident Sisi ist von einem harten Vorgehen gegen abweichende Stimmen geprägt (TI 23.2.2019). Die Präsidentschaftswahl 2018 bot den Wählern keine echte demokratische Wahl und wurde unter anderem durch Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt (FH 4.2.2019). Vor der Abstimmung wurden lautstarke Oppositionelle inhaftiert und zum Schweigen gebracht (FH 4.2.2019). Die übrigen Kandidaten wurden im Vorfeld verhaftet oder zogen ihre Kandidatur zurück (AA 24.6.2019a). Legitime Oppositionskandidaten wurden unter Druck gesetzt, sich noch vor dem Wahlkampf zurückzuziehen. Schließlich stand Al- Sisi einem anerkannten Herausforderer gegenüber, Mousa Mostafa Mousa, dem Vorsitzenden der Oppositionspartei Al-Ghad. Mousa warb für Al-Sisi, bevor er selbst ins Rennen ging (FH 4.2.2019).
Kritische Äußerungen über Ägypten und politische Kommentare, auch in den sozialen Medien, können unter anderem als strafbare Beleidigung und Diffamierung Ägyptens oder des Staatspräsidenten bzw. als strafbares „Verbreiten falscher Gerüchte" angesehen werden und eine Strafverfolgung nach sich ziehen (AA 1.7.2019). Bereits im Jänner 2018 verstärkten die Behörden das Vorgehen gegen Dissens und verhafteten willkürlich mindestens 113 Personen, nur weil sie friedlich ihre Meinung äußerten. Unter den Verhafteten befanden sich viele hochrangige Politiker, die den Präsidenten öffentlich kritisiert oder bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn kandidiert hatten. Sami Anan, der ehemalige Stabschef des Militärs, wurde im Jänner 2018 verhaftet, nachdem er seine Kandidatur angekündigt hatte. Abdelmonim Aboulfotoh, Gründer der Misr Al- Qawia-Partei, wurde im Feber 2018 in Bezug auf von ihm gegebene Medieninterviews verhaftet. Im April 2018 verurteilte ein Militärgericht Hisham Genina, den ehemaligen obersten Wirtschaftsprüfer Ägyptens, zu fünf Jahren Gefängnis, nachdem er den Präsidenten in einem Medieninterview kritisiert hatte. Im Oktober 2018 bestätigte ein Gericht eine Bewährungsstrafe von drei Monaten wegen "öffentlicher Unsittlichkeit" gegen den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Khalid Ali und disqualifizierte ihn damit erneut von der Kandidatur (AI 26.2.2019).
Die Wahl wurde durch eine geringe Wahlbeteiligung, die Nutzung staatlicher Ressourcen und Medien zur Unterstützung der Kandidatur von Al-Sisi, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt. Die Wahlkommission drohte Nichtwählern mit Geldstrafen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen (FH 4.2.2019).
Im Feber 2019 verabschiedeten Parlamentarier in Ägypten eine Reihe von Verfassungsänderungen, welche die Macht des Präsidenten konsolidieren und gleichzeitig das Militär als die ultimative Autorität des Landes wiederherstellen soll (TI 23.2.2019). Die im April 2019 in Kraft getretenen Verfassungsänderungen eröffneten mit einer Spezialklausel dem Staatspräsidenten die Möglichkeit, über die gegenwärtig festgelegten zwei Amtsperioden hinaus bis 2030 im Amt zu bleiben. Zudem sehen diese Verfassungsänderungen erhebliche Eingriffe in die Gewaltenteilung und eine weitere Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben vor (AA 24.6.2019a). Die vorgeschlagenen Änderungen würden die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängern. Präsident Sisi sollte im Jahr 2022 zurücktreten (TI 23.2.2019).
Seit Amtsantritt setzt Präsident Al-Sisi den Schwerpunkt auf Reformen im Wirtschaftsbereich, um Ägypten aus der Krise zu führen (ÖB 1.2019). Arbeitsschwerpunkte der ägyptischen Regierung unter Ministerpräsident Mustafa Madbouly bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der „Egypt Vision 2030“ legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der sich auch an den internationalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert (AA 24.6.2019a). Nach Zuspitzung der Wirtschaftskrise (u.a. akuter Devisenmangel) wurden im Herbst 2016 im Rahmen eines vom IWF gestützten Reformprogramms der ägyptischen Regierung die Wechselkurse freigegeben und schrittweise Subventionskürzungen (Strom, Treibstoff) vorgenommen. Das Reformprogramm zeigt mittlerweile deutliche Erfolge und Verbesserungen bei den wirtschaftlichen Eckdaten, birgt aber auch weiterhin die Gefahr sozioökonomisch bedingter Unruhen, da Maßnahmen kurz- bis mittelfristig eine starke Belastung für die Bevölkerung darstellen (starker Anstieg der Inflation und Verlust von Arbeitsplätzen) (ÖB 1.2019). Durch die Preiserhöhung kam es sporadisch zu kleinen Protesten, die von der Polizei unterdrückt wurden. Die Polizei reagierte mit Härte auf die friedlich gegen Sparmaßnahmen protestierenden Demonstranten (AI 26.2.2019).
Ein neues Gesetz, das im Juli 2018 verabschiedet wurde, erlaubt es dem Präsidenten, hochrangige Führer der Streitkräfte zu benennen, die er für begangene Vergehen vor Strafverfolgung schützen will. Der Zeitraum umfasst den 14.8.2013, als die Sicherheitskräfte und die Armee während der Auflösung der Sitzblockaden (Sit-ins) von Rabaa al-Adawiya und Nahda an einem einzigen Tag bis zu 1.000 Menschen töteten (AI 26.2.2019). Die vorgeschlagenen Änderungen würden auch die Rechtsstaatlichkeit und die Aufsicht über die Exekutive untergraben. Das Militär würde "Hüter des Staates" werden. Die Änderungen würden auch zur Auflösung der Nationalen Medienbehörde führen (TI 23.2.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622, Zugriff 1.7.2019
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019
- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, httPs://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (24.6.2019): Briefing Notes 24. Juni 2019, Zugriff 9.7.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006365.html. Zugriff 1.7.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 1.7.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (1.2019): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002309/ALB+%C3%84gypten+2018.pdf. Zugriff 1.7.2019
- TI - Transparency International (13.2.2019): The alarming message of Egypt’s constitutional amendments, https://www.transparency.org/news/feature/the_alarming_message_of_egypts_constitutional_amendments, Zugriff 5.7.2019
Zur Muslimbruderschaft und zur Freiheits- und Gerechtigkeitspartei:
Die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei (arabisch ??? ?????? ????????, DMG ?izb al-?urr?ya wa-l-?ad?la), welche die politische Partei der Muslimbruderschaft in Ägypten war, war eine islamistische und wirtschaftsliberale politische Partei in Ägypten. Die Partei wurde offiziell am 30. April 2011 gegründet, zu den 8.821 Gründungsmitgliedern zählten 978 Frauen und 93 koptische Christen. Die Partei erhielt bei den Parlamentswahlen2011/2012, 218 der 508 Sitze und wurde stärkste Partei. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 wurde Mohamed Mose zum Kandidaten der Partei gekürt und anschließend zum neuen ägyptischen Präsidenten gewählt. Die Partei bezeichnete sich als unabhängig, hatte aber starke Verbindungen zur Muslimbruderschaft, der einflussreichsten und am besten organisierten politischen Gruppe im Land. Am 09.08.2014 ordnete das oberste Verwaltungsgericht Ägyptens die Auflösung der FJP an. Sie ist durch die Einstufung der Muslimbruderschaft als Terrororganisation in Ägypten verboten, deren Vermögen und Besitz wurde vom ägyptischen Staat eingezogen.
Die US Commission on International Religious Freedom (USCIRF) berichtete im April 2018, dass viele Sympathisanten und Mitglieder der Muslimbruderschaft, schikaniert und unter schlechten Bedingungen inhaftiert wurden. Einige Mitglieder der Muslimbrüder und andere Islamisten seien teilweise gerechtfertigt und teilweise ungerechtfertigt der Gefährdung der Sicherheit schuldig gesprochen und zum Tod verurteilt worden. Auch Amnesty International (22. Februar 2018) berichtete im Jahresbericht 2017/2018, dass Sicherheitskräfte hunderte von Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder angeblichen Mitgliedschaft bei der Muslimbruderschaft zu Hause oder bei der Arbeit verhaftet haben. Die ägyptischen Behörden verfolgen laut Freedom House (Januar 2018) systematisch Mitglieder und Unterstützer der Muslimbruderschaft und andere Aktivisten, Parteien und politische Bewegungen, die der Regierung kritisch gegenüberstehen. In den letzten Jahren sei es zu einer Serie an Massenprozessen an angeblichen Mitgliedern der Muslimbrüder gekommen, in denen auf der Grundlage von vernachlässigbaren Beweisen harte Urteile einschließlich lebenslänglicher Haft und Todesstrafe ausgesprochen worden seien. ACCORD berichtete in einer Anfragebeantwortung vom 14. August 2015 unter Berufung auf das Auswärtige Amt, dass seit Sommer 2013 Tausende Vertreter der Muslimbrüder inhaftiert wurden. Während gegen einen Teil von ihnen ein Verfahren lief, seien zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten der Muslimbrüder bereits zum Tod verurteilt worden. Säkulare Aktivisten seien ebenfalls Repressionen ausgesetzt.
Quellen:
- Ägypten: Lage von tatsächlich und angebliche Mitglieder der Muslimbruderschaft schnellen Recherche der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.7.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/2018007/180703-egp-muslimbrueder.pdf
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 31. Mai 2016 über Verfolgung von Muslimbrüdern http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm
Sicherheitslage
Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).
Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).
Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018" gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in XXXX und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.05.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).
Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).
Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegvptensicherheit/212622. Zugriff 1.7.3019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019
- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019
- FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Derniere minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/. Zugriff 1.7.2019
- FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 22.2.2019).
Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 22.2.2019).
Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Andersdenkende inhaftieren zu können und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und Mitarbeiter ein. Die Behörden verwendeten Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen und ließen weiterhin Hunderter von Menschen ungestraft verschwinden. Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen wurden nicht untersucht. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten zahlreiche Menschen zum Tode (AI 26.2.2019; vgl. AI 23.5.2018). Sie hatten im August 2013 an Massenprotesten vor der al-Fateh-Moschee teilgenommen. Das Verfahren gegen die insgesamt 494 Angeklagten war grob unfair. Gerichte verließen sich bei der Urteilsfindung maßgeblich auf Berichte des nationalen Geheimdienstes und ließen Beweise zu, die nicht stichhaltig waren, darunter auch unter Folter erpresste »Geständnisse«. Zivilpersonen mussten nach wie vor mit unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten rechnen. Mindestens 384 Zivilpersonen wurde 2017 vor Militärgerichten der Prozess gemacht (AI 23.5.2018).
Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 13.3.2019).
Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019
- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019
- AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Ägypten, https://www.amnestv.org/download/Documents/POL1067002018GERMAN.PDF. Zugriff 2.7.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH: Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegvpten/geschichte-staat/. Zugriff 2.7.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 2.7.2019
Sicherheitsbehörden
Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei (USDOS 13.3.2019).
Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden weit verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 22.2.2019). In den meisten Fällen hat die Regierung Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen, die zu einem Umfeld der Straflosigkeit beitragen, nicht umfassend untersucht. Die Regierung verfügt nicht über wirksame Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch. Die offizielle Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019).
Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 22.2.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 2.7.2019
Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzte das Gesetz nicht konsequent um (USDOS 13.3.2019).
Korruption ist auf allen Ebenen der Regierung weit verbreitet. Offizielle Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung korrupter Aktivitäten sind nach wie vor schwach und ineffektiv. Nach einer Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2015 können Angeklagte in Fällen finanzieller Veruntreuung die Inhaftierung durch Zahlung von Entschädigung vermeiden; die Strafen sind meist gering. Die Administrative Control Authority (ACA), die für die meisten Antikorruptionsinitiativen zuständige Stelle, verfolgt oft politisch motivierte Korruptionsfälle, operiert allerdings undurchsichtig (FH 4.2.2019).
Die Korruptionsbehörde der Regierung (Central Agency for Auditing and Accounting) legte dem Präsidenten und dem Premierminister Berichte vor, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung standen (USDOS 13.3.2019).
Laut Corruption Perceptions Index 2018 befindet sich Ägypten auf Platz 105 von 180 Ländern (TI 2018). Ägypten erreichte in diesem Jahr nur 35 von 100 Punkten im Index und lag damit deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 43 (TI 13.2.2019).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Egypt, https://www.eco