TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 I422 2232734-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §51 Abs1 Z1
NAG §51 Abs1 Z2
NAG §52 Abs1 Z2
NAG §53
NAG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I422 2232734-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Serbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2020, Zl. 1211493408/200317554, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Verfahrensgegenstand der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 18.05.2020, Zl. 1211493408/200317554, mit welchem der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt wurde (Spruchpunkt II.). Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass die Voraussetzungen einer Anmeldebescheinigung nicht (mehr) erfüllt seien. So habe der Beschwerdeführer – der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von seiner Mutter ableite – um bedarfsorientierte Mindestsicherung angesucht und damit zum Ausdruck gebracht, dass kein gesicherter Lebensunterhalt mehr vorliege. Zudem bestehe seit Oktober 2019 kein Beschäftigungsverhältnis mehr und sei der Beschwerdeführer auch nicht mehr sozialversichert.

In der fristgerecht gegen Spruchpunkt I. erhobenen Beschwerde wies der Beschwerdeführer zusammengefasst darauf hin, dass er über ausreichende Existenzmittel verfüge und er weder Sozialhilfeleistungen noch Ausgleichszulagen in Anspruch nehme. Es treffe zwar zu, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung gestellt habe. Diesen Antrag habe er jedoch bereits am 08.04.2020 wieder zurückgezogen. Seit 03.06.2020 gehe der Beschwerdeführer wieder einer Beschäftigung nach, woraus sich auch ein ausreichender Krankenversicherungsschutz ableite.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger und seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer war erstmals im Zeitraum von 30.10.2018 bis 09.09.2019 mit Wohnsitz in Österreich gemeldet. Seit 07.10.2019 ist der Beschwerdeführer ununterbrochen in Österreich melderechtlich erfasst.

Dem Beschwerdeführer wurde am 05.11.2018 der Aufenthaltstitel „Angehöriger einer EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers“ mit einer Gültigkeit bis 04.11.2023 erteilt und hält sich der Beschwerdeführer auf dieser Grundlage rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Von 21.03.2019 bis 04.10.2019 war der Beschwerdeführer bei der S [...]betreuung GmbH beruflich tätig. Seit 03.06.2020 ist der Beschwerdeführer als Arbeiter bei Bojan B[...] beschäftigt und ist er aus diesem Beschäftigungsverhältnis beim Sozialversicherungsträger aufrecht gemeldet. Während seines Aufenthaltes bezog der Beschwerdeführer bislang weder Mindestsicherung noch Sozialleistungen.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Salzburg vom 29.01.2020, Zl. VStV/919302294014/2019, wurde gegen den Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 900,--, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von acht Tagen und vier Stunden, verhängt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes. Auskünfte aus dem Strafregister der Republik Österreich, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) sowie dem Dachverband der Sozialversicherungsträger wurden ergänzend eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Da dem Behördenakt eine Kopie seines serbischen Reisepasses einliegt, steht seine Identität fest.

Die Feststellungen betreffend seinen Aufenthalt in Österreich stützen sich auf den Behördenakt in Zusammenschau mit einem aktuell eingeholten ZMR-Auszug.

Dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Aufenthaltstitels „Angehöriger einer EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers“ ist, ergibt sich aus einem aktuellen IZR-Auszug. In weiterer Folge leitet sich daraus auch die Feststellung ab, dass er sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers sowie das Bestehen einer aufrechten Sozialversicherung gründen auf einer vorgelegten Einstellungszusage und dem aktuellen Auszug des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger, aus welchem sich überdies der fehlende Bezug von Sozialleistungen ergibt. Dass ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erhalt von bedarfsorientierter Mindestsicherung zurückgezogen wurde, ist durch eine Bestätigung des Sozialamtes der Stadt Salzburg vom 09.06.2020 nachgewiesen.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem österreichischen Strafregister.

Eine im Behördenakt einliegende Ausfertigung des zuvor zitierten Straferkenntnisses dokumentiert die gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Verwaltungsstrafe.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG gilt als Drittstaatsangehöriger ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG gilt als begünstigter Drittstaatsangehöriger der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 und Z 2 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind oder für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG ("Ausweisung") können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß § 55 Abs. 3 NAG ("Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate") besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

Gemäß § 53 Abs. 2 NAG („Anmeldebescheinigung“) sind zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1.       nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;

2.       nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;

3.       nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;

4.       nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

5.       nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;

6.       nach § 52 Abs. 1 Z 4: ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger;

7.       nach § 52 Abs. 1 Z 5: ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen.

Die Entscheidung in einem nach § 55 Abs. 3 NAG 2005 eingeleiteten Aufenthaltsbeendigungsverfahren und die Prüfung des Bestehens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts im Zeitraum davor stellen voneinander zu unterscheidende Beurteilungen dar (vgl. VwGH 04.10.2018, Ra 2017/22/0218).

§ 55 Abs. 3 NAG 2005 nimmt hinsichtlich der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens nicht nur auf das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Bezug, sondern auch auf das Fehlen des Aufenthaltsrechts, weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder 54 Abs. 2 NAG 2005 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen. Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG 2005 nimmt auch der - die Ausweisung regelnde - § 66 FrPolG 2005 Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine (Dauer-)Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen. Ein solches Verfahren nach § 66 FrPolG 2005 einzuleiten ist aber auch der Fremdenpolizeibehörde aus Eigenem - also auch ohne Vorliegen einer darauf abzielenden Mitteilung der Niederlassungsbehörde - nach den Bestimmungen des FrPolG 2005 nicht verwehrt (vgl. VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).

Ohne wesentliche Sachverhaltsänderung können die Wirkungen einer von der Niederlassungsbehörde ausgestellten Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (rechtmäßiger Aufenthalt nach § 31 Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005) nicht im Wege einer Ausweisung des BFA gemäß § 66 Abs. 1 FrPolG 2005 iVm § 55 Abs. 3 NAG 2005, sondern nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 3 Abs. 5 NAG 2005 vom Bundesminister für Inneres beseitigt werden, wofür auch die aus § 55 Abs. 2 NAG 2005 - in Umsetzung von Art. 14 Abs. 2 zweiter Satz der RL 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) - selbst bei Sachverhaltsänderungen in einem gewissen Umfang ableitbare "Bestandsgarantie" einer solchen Dokumentation spricht (vgl. VwGH 16.05.2019, Ro 2019/21/0004).

Eine gesetzliche Grundlage für den feststellenden Ausspruch durch die Niederlassungsbehörde, wonach der Fremde auf Grund des Gemeinschaftsrechts nicht (mehr) über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfüge, existiert nicht. Die Fremdenpolizeibehörde (nunmehr das BFA) hat - auch für den Fall des nachträglichen Wegfalls der Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts - die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und die Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung zu beurteilen (vgl. VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378, wo es um die Frage ging, ob einem Fremden überhaupt ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukam; 04.10.2018, Ra 2017/22/0218).

Die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG betreffend das Erfordernis ausreichender Existenzmittel sollen verhindern, dass Unionsbürger die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates unangemessen in Anspruch nehmen (vgl. EuGH, 21.12.2011, Ziolkowski C-424/10 und C-25/10). Art. 7 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/38/EG soll nicht erwerbstätige Unionsbürger daran hindern, das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaates zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH 11.11.2014, Dano, C-333/13).

Bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie - in Österreich umgesetzt durch § 51 Abs. 1 Z 2 NAG 2005 - in Anspruch nehmen zu können, ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen, was notwendig impliziert, dass die Beantragung von Sozialleistungen und allenfalls ein Bezug derselben nicht schon per se bedeutet, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorliegen (vgl. EuGH 11.11.2014, Dano, C-333/13; EuGH 19.09.2013, Brey, C-140/12; VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0047).

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Aufgrund der Eheschließung seiner Mutter mit einem EWR-Bürger, welcher von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatte, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG und ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht.

Wie sich aus den umseitigen Feststellungen ergibt, war der Beschwerdeführer in Österreich zunächst von 21.03.2019 bis 04.10.2019 erwerbstätig. Seit 03.06.2020 ist er erneut als Arbeitnehmer (mit einem entsprechenden Krankenversicherungsschutz) beschäftigt. Eine Mindestsicherung oder sonstige Form einer Sozialhilfe bezog der Beschwerdeführer nicht.

Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG liegen somit vor, weshalb die Voraussetzungen für die Erlangung einer Anmeldebescheinigung erfüllt sind. Die Ausweisung erfolgte daher nicht zu Recht. Dies bedingt auch die Gegenstandslosigkeit des dem Beschwerdeführers gewährten Durchsetzungsaufschubs.

In Stattgebung der Beschwerde ist der angefochtene Bescheid daher zur Gänze ersatzlos zu beheben.

Da im vorliegenden Fall bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall wurde sich insbesondere mit den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Ausweisung von begünstigten Drittstaatsangehörigen auseinandergesetzt und weicht die der gegenständlichen Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Angehörigeneigenschaft Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsrecht Aufenthaltstitel Ausweisung Ausweisungsverfahren Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung Interessenabwägung Kassation Lebensunterhalt öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Recht auf Freizügigkeit Verwaltungsübertretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2232734.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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